Thorsten Schäfer-Gümbel

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Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich vermute, bei diesem Tagesordnungspunkt geht es ähnlich stimmungsvoll weiter, wie wir beim letzten geendet haben.Denn das,was wir hier zu beraten haben,ist sicherlich einer der denkwürdigsten Vorgänge, die ich in den letzten fünf Jahren in diesem Parlament erlebt habe.
Im Lichte der Landtagswahl 2008 bringt die Union ein Tariftreuegesetz im Hessischen Landtag ein – nachdem sie vorher neun Jahre lang jegliche Tariftreuevereinbarung blockiert und behindert hat, wo sie nur konnte.
Nachdem sie sich hier nun dafür feiern lassen will und im Bundeskabinett die Ausweitung des Entsendegesetzes für die Briefdienstleistungen beschlossen wurde, das wegen einer Weigerung der CDU-Bundestagsfraktion aber nicht eilig über den Bundestag eingebracht werden konnte,sondern als Eilgesetz in den Bundesrat eingebracht wird, fällt unserem lieben, brutalstmöglichen Blockierer wieder einmal nichts anderes ein,als schnellstmöglich still und heimlich hintenherum einen Antrag einzubringen, um genau diese in der Großen Koalition vereinbarte Regelung über den Bundesrat zu behindern. Das ist die größte politische Heuchelei, die ich in diesem Landtag erlebt habe.
Damit klar ist, worüber wir hier reden:
Wir reden über die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags, der bei etwa 9,80 c Lohn pro Stunde liegt, was bei einer vollzeitbeschäftigten Briefausträgerin oder einem vollzeitbeschäftigten Briefausträger etwa 1.800 c brutto im Monat bedeutet. Nach Abzug von Steuern und Sonstigem bleibt da für eine Familie im Rhein-Main-Gebiet nicht so richtig viel übrig. Wir reden hier also nicht über richtig große Vermögen. – Wir reden darüber, ob diese Löhne allgemeinverbindlich für die Briefdienstleis
ter sein sollen, wenn zum 01.01.2008 das Monopol fällt, wie es ebenfalls gemeinsam politisch verabredet wurde.
Was wollen Sie? Warum haben Sie diese Blockade eingebracht? Im Bundesarbeitsministerium gibt es dazu keine verlässlichen Daten, denn die privaten Briefdienststeller wie TNT und andere lassen sich bisher nicht in die Karten schauen, welche Löhne sie eigentlich zahlen.Aber es gibt eine Selbstdarstellung von TNT. Sie wollen mit Ihrer Blockade dafür sorgen, dass beispielsweise bei den Postzustelldienstleistungen Tariflöhne von deutlich unter 8 c pro Stunde gezahlt werden – das ist eine Selbstdarstellung von TNT. Denn wenn Sie dem Entsendegesetz nicht zustimmen, wird genau das passieren.
Jetzt haben Sie sich heute Morgen hierhin gestellt und so getan, als ob alles überhaupt nicht passiert sei, als ob gar nichts dran sei.
Fakt ist, dass die Bundeskanzlerin gestern offensichtlich entweder mit der Parteizentrale oder mit der Staatskanzlei in Wiesbaden oder wem auch immer telefoniert hat,
um nach einem Gespräch mit Herrn Zumwinkel das wieder abzuräumen.
Meine Damen und Herren, Fakt ist auch, dass das Land Hessen mit seinem Wirtschaftsministerium dezidiert – und zwar mit einer völlig abstrusen Wettbewerbsposition auf den Knochen der Beschäftigten; ich rede jetzt wieder über die Tariflöhne von deutlich unter 8 c pro Stunde – genau diese Ausweitung des Entsendegesetzes, die in der Großen Koalition, im Koalitionsvertrag und auch im Bundeskabinett beschlossen ist, unterläuft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen, der Minister wird sich jetzt hier in aller Kürze hinstellen und erklären, das ist alles nicht mehr der Fall. Denn inzwischen hat auch „dpa“ erklärt, dass das Land – oh Wunder,oh Wunder,nachdem das öffentlich geworden ist,dass Sie hier wieder einmal von hintenherum ein grobes Foul versucht haben – den Antrag heute im Bundesrat zurückgezogen hat, um der Sache zuzustimmen.
Herr Boddenberg,insofern ist das ein außerordentlich gutes Ergebnis für die Beschäftigten. Aber das politische Motiv dabei ist wieder einmal erkennbar: Sie versuchen, links zu blinken, um dann rechts abzubiegen. Das, was Sie hier zum wiederholten Male geliefert haben, ist eine politische Heuchelei sondergleichen. Dafür sollten Sie sich schämen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Boddenberg, ich freue mich sehr auf die Debatten über Facharbeitskräfte. Dazu hatten wir in den vergangenen drei Jahren ein paar interessante Debatten, zu denen Sie sich eigentlich überhaupt nicht verhalten haben. Das Thema Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungsmarktpolitik hat hier eine gewisse Rolle gespielt. Ich habe nicht erlebt, dass sich die hessische Union hier durch besonderes Engagement ausgezeichnet hätte. Insofern verbitte ich mir jede Bemerkung Ihrerseits, die eine Aufforderung an uns darstellt.
An dieser Stelle zeigen nämlich mindestens vier Finger auf einen zurück. Die Debatte wird immer munterer. Mit der Bewertung am Ende und jenseits des inhaltlichen Arguments hat Herr Posch ausdrücklich recht.
Die Regierungsbank könnte vielleicht ausnahmsweise einmal die Klappe halten, weil Sie nämlich nicht von hinten zurufen – –
Frau Präsidentin, Herr Grüttner, ich ziehe ausdrücklich den Begriff der „Klappe“ zurück. Nichtsdestotrotz gibt es hier eine Verabredung, dass von den Regierungsbänken nicht dazwischengerufen wird.
Ich weiß, dass es manchmal ein bisschen emotional wird, aber ich verbitte mir das an dieser Stelle ausdrücklich.
Ich will noch zwei Bemerkungen zur Sache machen. Herr Posch hat in seiner endgültigen Bewertung, nämlich des Durcheinanders, das hier offensichtlich herrscht, ausdrücklich recht. Wir teilen nicht dieselben Positionen, aber da haben Sie ausdrücklich recht.
Ich will noch einmal auf zwei Punkte hinweisen. Zum Thema Existenzgründer. Herr Boddenberg und Herr Posch haben darauf hingewiesen. Es geht in dieser Debatte nicht um die Existenzgründer, sondern es geht um etwas weniger als die Hälfte der Beschäftigten, die zu – deutlich – schlechteren Tarifen beschäftigt sind als die Beschäftigten bei der Deutschen Post. Ich habe das eben für TNT gesagt, aber auch bei PIN und anderen geht es darum, dass sie Wettbewerbsvorteile dadurch erzielen wollen, dass sie teilweise bis zu 2,50 c pro Stunde weniger zahlen als die Deutsche Post. Das ist der Grund dafür gewesen, dass das Kabinett in Berlin gesagt hat, es sei richtig, an dieser Stelle diese Wettbewerbsverzerrung nicht zuzulassen.
Nun zu der Frage: Gab es einen Vorgang oder nicht? Herr Minister, da brauchen Sie nicht nach vorne zu kommen. Ich erzähle es Ihnen jetzt einfach. Geschäftszeichen M 3 XVI 147/4, gezeichnet von Herrn Brecht – es gibt einen Antrag des Wirtschaftsministeriums zu Tagesordnungspunkt 14, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, Bundesratsdrucksache 644/07.
Dort lautet der erste Satz des Antrags des Landes Hessen für die heutige Sitzung am 27. September 2007:
„Der Bundesrat möge beschließen: Der Bundesrat lehnt den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerentsendegesetzes ab.“ So viel zur Frage eines Vorgangs, den es angeblich nicht gibt. Nicht umsonst hat ein Ministeriumssprecher heute verzweifelt darauf verwiesen, dass der Vorgang zurückgezogen worden sei, und zwar ohne weitere Begründung. Deswegen sage ich Ihnen an dieser Stelle abschließend: Es gibt für diesen Vorgang zwei mögliche Ursachen. Entweder hat die Hausspitze es nicht gewusst und ist somit unsortiert, oder aber es war politische Absicht, dies einzubringen.
Ich vermute das Zweite. Das ist eine Vermutung, insofern eine nicht belegte Tatsachenbehauptung. Ich vermute das, weil wir das von Ihnen häufiger gewohnt sind. Deswegen bleibe ich dabei: Dieser Vorgang ist Ausdruck größter politischer Heuchelei. – Herzlichen Dank und guten Appetit.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Trennung in eine Aktuelle Stunde und die Einbringung des Gesetzentwurfes am heutigen späten Nachmittag hat sich die Union bewusst für eine Trennung der fachlichen Debatte und der politischen Bewertung entschieden. Dieser Trennung will ich auch konsequent folgen. Der Titel Ihrer Aktuellen Stunde lautet: „Faire Vergabe – fairer Wettbewerb:Tariftreue kommt.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, besser wäre der Titel: „Entschuldigung für fünf Jahre Blockade, Lohndrückerei und Insolvenzen in diesem Land.“
Herr Milde, ich verspreche Ihnen, dass Sie noch hinreichend Anlass haben werden, bei dieser Rede dazwischenzurufen.
Das Gesetz ist in der Tat ein Schritt in die richtige Richtung. Das erkennen wir ausdrücklich an. Wie weit diese Erkenntnis geht, dokumentiert sich schon an dem Vergleich der Rede, die Herr Boddenberg eben gehalten hat, mit derjenigen, die er am 27. März 2001 gehalten hat, in der er das genaue Gegenteil von dem vorgetragen hat – mit viel ideologischem Ballast –, was er eben vorgetragen hat. Ich gratuliere Ihnen ausdrücklich zu diesem Erkenntnisgewinn.
2002 haben Sie in dieser Debatte noch alles blockiert und sich vor einer politischen Positionierung versteckt – außer im Bundesrat. Da hat Roland, der brutalstmögliche Wahlkämpfer, unfaire Vergabe und unfairen Wettbewerb ausdrücklich gewollt, indem er das Vergabegesetz abgelehnt hat.
Lohndrückerei und Unternehmensinsolvenzen waren damals in den Augen des Herrn Koch die bessere Wahlkampfstrategie. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die historische Wahrheit zu diesem Thema, die auch heute noch einmal genannt werden muss.
Herr Boddenberg, Sie sprechen bei der Tariftreue weiterhin mit gespaltener Zunge, und Sie handeln auch so. Warum nehmen Sie die Abfallwirtschaft aus der Tariftreue heraus? Gerade in der Abfallwirtschaft werden inzwischen teilweise Stundenlöhne von unter 5 c gezahlt, die die Mittelständischen, die tariflich entlohnen, nach unten drücken und einen ruinösen Wettbewerb organisieren. Es
gibt keinerlei sachliche Begründung dafür, die Abfallwirtschaft herauszunehmen.
Noch doller wird es beim ÖPNV. Sie schaffen mit Ihren völlig unsensiblen Wettbewerbsvorstellungen die Grundlage dafür, dass die Preiskalkulation im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Rücken der Busfahrerinnen und Busfahrer ausgetragen wird. Und da nehmen Sie die Tariftreue für den ÖPNV ausdrücklich aus diesem Gesetz heraus! Meine Damen und Herren, verlogener geht es nicht mehr.
Ich sage Ihnen auch: Die andere Seite der Medaille wird von Ihnen weiterhin blockiert. Das betrifft das Thema Mindestlöhne. Darüber streiten wir engagiert auf der Bundesebene.
Sinnvoll wäre es gewesen, wenn Sie die vorgestern von Rheinland-Pfalz eingebrachte Gesetzesinitiative zur Einführung von Mindestlöhnen ausdrücklich begrüßt hätten. Wie notwendig das wäre, macht z. B. der Gesetzentwurf, den wir vor zwei Tagen hier behandelt haben, deutlich. Den Beschäftigten soll angeboten werden, dass sie dreieinhalb Stunden länger arbeiten sollen.Dafür bekommen sie eine Einmalzahlung von 500 c. Meine Kollegen Günter Rudolph und Marco Pighetti haben das ausgerechnet.Das heißt,es geht um 3,12 c pro Stunde.Dazu sagen Sie dann, das wäre keine tarifliche Verschlechterung. Das ist wirklich ein Treppenwitz.
Ja, der Gesetzentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber der Schritt ist ungenügend. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Unternehmen wissen, dass wirkliche Tariftreue nur mit uns kommt.
Glaubwürdig würde Ihre Initiative, wenn Sie heraus ins Land gehen würden und in Viernheim starteten und in Hofgeismar endeten. Entschuldigen Sie sich bei den Betroffenen für fünf Jahre Lohndrückerei und Insolvenzen, die Sie wegen Ihrer Blockade verantworten müssen.
Angesichts dieser Bilanz würde gerade einer christlichen Partei etwas mehr Demut gut anstehen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin,liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst einmal die oppositionelle Einigkeit darstellen: Der Zeitpunkt der Einbringung und der Zeitpunkt des Erscheinens der Ursprungsvorlagen der Europäischen Union fallen deutlich auseinander. Deswegen haben sowohl Herr Kaufmann als auch Herr Posch ausdrücklich recht, was den Zeitablauf angeht; denn angesichts der – –
Ich habe hier schon einmal gesagt, dass ich mir mit Herrn Posch einiges vorstellen könnte.
Ja, ja. – Die Zeitabläufe sprechen dafür, dass es hier eine Verzögerung gegeben hat, die nicht wirklich begründet ist. Das stellt ein Stück weit ein Problem für die weitere Beratung dar, weil wir derzeit mit einer Vielzahl von Gesetzesvorlagen in engen Zeitkorridoren arbeiten müssen.
Um eine Anhörung werden wir nicht herumkommen; denn die Frage, die Herr Kaufmann aufgeworfen hat, ist grundsätzlich richtig, wenngleich ich, Herr Kaufmann, in der Sache eher anderer Auffassung bin.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Frage der Pflichtmitgliedschaft in dem Gesetzentwurf zurückgestellt wurde, im Übrigen nicht nur im Hinblick auf die EUDienstleistungsrichtlinie und deren Umsetzung – damit werden wir in der nächsten Legislaturperiode viel Arbeit haben –, sondern auch im Hinblick auf eine Frage, die es zumindest für die Sozialdemokratie sehr schwierig machen wird. Es geht um die Frage des Versorgungswerks, die damit unmittelbar zusammenhängt. Nach meinem Kenntnisstand werden derzeit überhaupt erst Berechnungen angestellt, um herauszufinden, was es bedeutet, wenn die Pflichtmitgliedschaft auf die jetzt herausgenommene Gruppe ausgeweitet wird, damit diese anschließend im Versorgungswerk mitversichert ist.
Da wir die Gründung von Versorgungswerken grundsätzlich für problematisch halten und eher für eine ordentliche Sozialversicherungslösung sind,hätten wir dazu in der Tat erhebliche Anmerkungen zu machen. Aber, wie gesagt, dieser Punkt ist in dem Gesetzentwurf ausgeklammert. Deswegen kann man es sich leichter machen, als es auf den ersten Blick möglich zu sein scheint.
Wir glauben, dass wir mit einer schriftlichen Anhörung zurechtkommen müssten. Allerdings sollten wir darüber abstimmen, wie der Fragenkatalog auszusehen hat. Das könnte es vereinfachen. Ansonsten bitte ich das Ministerium, solche Vorlagen in Zukunft rechtzeitig einzubringen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu der politischen Bewertung habe ich heute Morgen sehr engagiert etwas gesagt. Ich will einmal mit den positiven Teilen dieses Gesetzentwurfes beginnen. Gegenüber den Debatten in der Vergangenheit gibt es mindestens drei Fortschritte.
Erstens. Sie erkennen jetzt an, dass ein Tariftreuegesetz eine sinnvolle und notwendige Einrichtung ist. Das ist ein dezidierter Fortschritt.
Der zweite dezidierte Fortschritt, den wir in diesem Gesetzentwurf feststellen können, ist, dass die Mär, die die ganze Zeit durch die Gegend getragen wurde, ein solches Gesetz verstoße mit der Einbeziehung der Kommunen gegen die Konnexität, in dieser Form offensichtlich nicht mehr aufrechterhalten wird. Vielmehr machen auch Sie sich mittlerweile die Positionen zu eigen,dies sei kein Verstoß gegen die Konnexität. Wir werden das im Rahmen der Anhörung sicherlich noch einmal vertieft miteinander diskutieren, denn dazu gibt es auch andere Auffassungen.
Herr Posch, ich bin sicher, wir werden diesen Aspekt noch einmal kontrovers diskutieren.
Zum Dritten hat es uns ein bisschen überrascht, dass Sie jetzt auch bereit sind, das Thema Ausbildung erneut als ein Vergabekriterium zur Kenntnis zu nehmen.Wir wissen alle, dass der Erlass damals nicht nur wegen der Schwierigkeit der Kontrolle zu Fall gebracht wurde, sondern auch, weil dieser Aspekt nicht auf dem Erlasswege zu regeln ist – nur gesetzlich.
Das sind die drei Punkte, die bei diesem Gesetzentwurf positiv auffallen. Das erkennen wir ausdrücklich an.
Dass der DGB genauso wie ver.di dazu sagt, das ist ein Schritt in die richtige Richtung, teilen wir. Allerdings reicht er uns nicht aus.
Herr Kaufmann hatte schon auf die wesentlichen Unterschiede zwischen dem rot-grünen und Ihrem Entwurf hingewiesen. Die fallen auch auf. Dabei geht es nicht nur um die Höhe der Vergabegrenzen und darum, welche Gestaltungsmöglichkeiten man gibt, sondern es geht insbesondere auch darum, was öffentliche Auftraggeber sind. Da gehen wir deutlich weiter. Das Dritte ist in der Tat der Aufgabenbereich.
Ich will hier nur nochmals zwei Bereiche hervorheben. Das eine ist in der Tat die Abfallwirtschaft. Gerade in der Abfallwirtschaft erleben wir in Hessen einen völlig ruinösen Wettbewerb in verschiedensten Gebieten, der auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus
getragen wird. Deswegen ist die Herausnahme der Abfallwirtschaft aus dem Tariftreuegesetz grundfalsch. Darauf hat auch ver.di hingewiesen.
Beim zweiten Punkt werde ich natürlich gleich wieder Streit mit Herrn Posch provozieren. Das ist der Bereich ÖPNV.
Heute Morgen hatte Herr Posch insofern völlig recht, als der RMV eine Selbstbindung beschlossen hat.Aber, aber. Das ist immer das gleiche Problem mit formal und faktisch. Faktisch findet der Wettbewerb nach wie vor anders statt, und das ist schwierig zu überprüfen, das ist überhaupt keine Frage.
Deswegen wollen wir ausdrücklich, dass der ÖPNV hier mit einbezogen wird. Sie wissen vielleicht, dass mindestens der ZOV seine Ausschreibungspraxis ausgesetzt hat, unter anderem wegen der Vergabeprobleme, die es in den letzten Monaten gegeben hat.
Der letzte Punkt – auch darauf hat Herr Kaufmann zu Recht hingewiesen – ist das Thema Sanktionen.Wenn Sie dieses Gesetz als ein stumpfes Schwert konstituieren,werden Sie in fünf Jahren feststellen, dass es nichts gebracht hat. Sie müssen klar sagen, wer überprüft und wie weit die Überprüfung geht.
Ich sage Ihnen einmal, gerade nach den Erfahrungen mit Ihrer Landeskellerei im Rheingau: Dieser Punkt ist in unserem Gesetzentwurf klar definiert. Wir reden nämlich nicht nur von tariflicher Entlohnung, sondern bei der Überprüfung muss die Arbeitszeitregelung mitbetrachtet werden.
In Ihrem Gesetzentwurf gehen Sie an dieser Stelle nicht weit genug. Es besteht die große Gefahr, dass Sie hier ein stumpfes Schwert organisieren, um nach der Wahl sagen zu können: Das hat so nichts gebracht.
Der 27. Januar spielt eine große Rolle dabei. Davon sind wir fest überzeugt.
Unter dem Strich ist es so: Dieser Gesetzentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung. Er bleibt deutlich hinter unseren Erwartungen zurück.Wer in Hessen wirkliche Tariftreue will, der wird im Januar für einen Regierungswechsel in diesem Land sorgen müssen. – Herzlichen Dank.
So viel Redezeit werde ich gar nicht brauchen. Ich werde mich kurzfassen und die wesentlichen Sachen sagen. – Entschuldigung, Herr Präsident, jetzt habe ich die Anrede vergessen.
Das ist sehr nett. – Herr Milde möchte sich in diesem Parlament offensichtlich mehr mit den Kleiderfragen als mit den eigentlichen Problemen beschäftigen. – Ich will Ihnen, Herr Kollege Milde, an zwei Stellen dezidiert widersprechen.Von einer ausführlichen Beschäftigung im Rahmen der Anhörung kann man wohl kaum sprechen. Sie haben sich die schriftlichen Unterlagen angesehen und danach erklärt, es gäbe sozusagen kein einheitliches Bild, und deswegen könne alles so bleiben, wie es ist.
Es gab beispielsweise eine Stellungnahme der GhK Kassel,die ich schon ziemlich abenteuerlich fand.Hinsichtlich der Veränderung einer möglichen Regelung wurde darauf verwiesen, dass sich die Kontrolldichte sogar reduzieren könnte. Es wurde dort ein Sachargument eingeführt, das ich für überhaupt nicht überzeugend halte, weil es auch konkret ausgestaltbar wäre. Herr Milde, entscheidend ist aber ein anderer Punkt. Deswegen fand ich es nicht ganz in Ordnung, wie flapsig Sie jetzt mit dieser Frage umgegangen sind. Wir haben eine Regelung. In der Tat, es gab einige Anzuhörende, die erklärt haben, das könne man so machen, man könne es aber auch lassen.
Fakt ist, in der Bergstraße im AKW Biblis hat sie nicht funktioniert.
Natürlich hat sie nicht funktioniert, Herr Milde. – Dann kann man sich auf den Standpunkt stellen: Okay, wir lassen das in dem System so,wie es bisher bestanden hat,und gucken, ob es jetzt funktioniert, nachdem alle öffentlich darauf hingewiesen haben, dass es ein Problem gegeben hat. Oder aber man sagt: Es hat nicht funktioniert, und deswegen werden wir eine andere Regelung, die sachlich anders ressortiert, aufnehmen. – An der Stelle ist der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die richtigere Antwort, weil die Situation in der Bergstraße gezeigt hat, dass es nicht funktioniert hat.
Da wir eine empirische Grundlage hierfür haben, finde ich die Art und Weise des Umgangs, die Sie eben gepflegt haben, für nicht in Ordnung. Wir werden auf jeden Fall dieser Änderung der Hessischen Bauordnung zustimmen, auch wenn sie heute keine Mehrheit bekommt.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in der ersten Lesung zum Ausdruck gebracht, dass man dieses Gesetz vielleicht am Ende auch gemeinsam tragen kann, weil ich es für ein wesentliches Gesetz halte. Ich habe das ausgeführt. Bis zum Ende der Anhörung und den Nachgesprächen, die es zwischen den Fraktionen teilweise gegeben hat – Herr Milde hat das eben angedeutet – war ich auch verhältnismäßig optimistisch, dass das ge
lingen könnte. Es gab drei bis vier Knackpunkte, die wir diskutiert haben.
Leider mussten wir im Ergebnis feststellen, dass eine Einigung nicht möglich war.Die Union hat sich letztlich entschieden, keinen der Änderungsvorschläge, die wir in der Tat als Verbesserung des Gesetzentwurfs angesehen haben und auch nach wie vor ansehen, zu übernehmen.
Aus unserer Sicht wirkt dabei der Wegfall der Abmarkung besonders schwer. Wir haben im Ausschuss dazu unterschiedliche Positionen gehabt, die sich an der Stelle auch von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterschieden haben. Wir haben uns die Position der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure zu eigen gemacht, die in anderen Bundesländern auch praktiziert wird und nach meinem Kenntnisstand dort nicht zu einem überbordenden Bürokratismus und zu Chaos geführt hat, sondern zu sehr klaren Regelungen.
Herr Milde, ich will Ihnen einmal sagen, wie z. B. ein Vermessungsingenieur reagiert hat, nachdem er bei einer mittelhessischen Veranstaltung gehört hat, was am Ende dabei herausgekommen ist. Dass es ein gewichtiges Gesetz für das Ministerium gewesen ist, hat man ja auch schon daran gesehen, dass ein Großteil der Mitarbeiter der Abteilungen in der Anhörung anwesend war.
Der entsprechende Vermessungsingenieur schreibt in seiner E-Mail – mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich die drei ersten Sätze –:
Den Schaden dieser Deregulierung trägt der Bürger durch Mehrkosten und Rechtsunsicherheit.Der Grenzverlauf seines Grundstücks ist in der Örtlichkeit nicht mehr sichtbar.Der mündige Bürger hat in der Schule nie etwas über Grundstücksrecht gehört.
Recht hat er, der Mann. Es führt nämlich nicht jede Form von Bürokratieabbau am Ende zu einer Entbürokratisierung, sondern sie kann für Bürgerinnen und Bürger zu mehr Intransparenz und zu mehr Kosten führen. Meiner Ansicht nach begehen Sie an dieser Stelle einen kapitalen Fehler.
Herr Milde, ich habe Ihnen zugehört, ich weiß, dass wir heute nicht mehr zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen.
Der zweite Punkt, der uns genauso wenig gefreut hat, war die Frage, in welcher Form Sie in die Entscheidungsrechte der Kommunen eingreifen. Natürlich gibt es eine Wettbewerbssituation zu den kommunalen Vermessungsämtern, wobei das eigentlich nur ein Problem der mittelgroßen bis großen Städte ist, weil es in kleineren Städten und Orten keine Vermessungsämter gibt. Das hat am Ende etwas auch mit der Frage der Gebührenordnung zu tun.
Dass aber mit diesem Gesetz faktisch die Nutzungsmöglichkeiten der Vermessungsämter eingeschränkt werden, halten wir für einen eklatanten Verstoß gegen die Selbstbestimmungsrechte der kommunalen Familie. In Gießen haben wir beispielsweise die Situation – von dort wurde das auch kritisch angemerkt –, dass die Eigengesellschaften der Stadt nach diesem Gesetz künftig nicht mehr genutzt werden können. Wir haben den Städten und Gemeinden nicht vorzuschreiben, in welcher Rechtsform sie ihre Aufgaben wahrnehmen.
Der dritte Punkt war die Frage, was eigentlich bedeutsame Bauwerke sind.Wir haben das im ersten Teil des Gesetzes lange diskutiert. Sowohl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch wir haben dazu Änderungsvorschläge unterbreitet, auch in der Frage, was die kontinuierliche Fortführung der Kataster angeht. Dem haben Sie sich nicht untergeordnet.
Herr Milde, Herr Staatsminister, deswegen wird es Sie im Ergebnis nicht wundern, dass wir nicht finden, dass dieses Gesetz am Ende besser geworden ist, wenngleich wir die Frage der Gewächshäuser mitgetragen haben. Dies war für uns jedoch kein wesentlicher Punkt. Das Ergebnis dieses Gesetzentwurfs ist jedoch nicht besser geworden.Deswegen können wir den Anspruch,den ich in der ersten Lesung formuliert habe, dass wir nämlich zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen, leider nicht mehr tragen. Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte sieben kurze Bemerkungen zu dieser Debatte machen. Anfangen möchte ich mit der Kritik an der Machbarkeitsstudie von Herr Jourdan.Abgesehen davon – wie mehrere Redner hier schon deutlich gesagt haben –, dass die Behauptung, es handele sich um eine AB-Maßnahme, dem Werk sicherlich nicht gerecht wird und eine anmaßende Abqualifzierung von Prof. Jourdan darstellt, gibt es einen Punkt, der berechtigt ist.
Deshalb hat uns auch das Vorlesen der Einzelprojekte von Herrn Minister Corts nicht weitergebracht. Es gibt nämlich einen Punkt, an dem Herr Milde nicht ganz recht hatte, was die Kritik betrifft, die Herr Jourdan an der SPD formuliert hat.
Es gibt eine einzige Bemerkung von Herrn Jourdan, die sich kritisch an die SPD richtet, und zwar vor allem an mich, weil ich davon gesprochen habe, dass diese Machbarkeitsstudie ein Sammelsurium von Einzelprojekten ist und der rote Faden in dieser Machbarkeitsstudie fehlt. Das deckt sich mit dem, was Frau Wagner und Herr Wagner eben formuliert haben, wozu Herr Milde allerdings gar nichts gesagt hat. In der Tat, diese Machbarkeitsstudie kann bestenfalls eine Initialzündung sein. Aber wenn sie eine sein soll, muss es eine öffentliche Debatte dazu geben. Dem haben Sie sich ein halbes Jahr lang verweigert.
Weil wir die Machbarkeitsstudien nicht für ein hinreichendes Instrument halten, haben wir ein Programmpapier veröffentlicht, das deutlich darüber hinausgeht und sagt, was man mit einer Internationalen Bauausstellung machen kann. Dann kommt Herr Milde und versucht, Fürst Pückler in Sachsen-Anhalt, Hamburg, Berlin und Emscher Park mit einer nachhaltigen Metropolitana zu vergleichen.
Herr Milde, selbst in der Kurzzusammenfassung bei Wikipedia können Sie lernen, dass eine Internationale Bauausstellung ein Unikat ist,
das immer ein eigenes Entwicklungsmodell, bezogen auf eine bestimmte regionale Herausforderung beschreibt, das zwar anschließend übertragbar ist, aber das nicht vergleichbar ist. Deswegen finde ich Ihre Bemerkung etwas enttäuschend.
Zu der Frage der Finanzen.Wir haben den großen Vorteil, dass es bei uns einen Berater gibt, der uns bei der Konzeption auch dieses Papiers ein bisschen unterstützt. Das ist Herr Ganser, der einschlägige Erfahrungen bei der Umsetzung von Bauausstellungen, auch in der Beratung all derer hat, die Herr Milde beschrieben hat. Deswegen ist die Zurverfügungstellung von 50 Millionen c für den Overhead richtig. Diesen Teil in der Machbarkeitsstudie teile ich ausdrücklich.Denn es geht darum,freies Geld zur Qualifizierung von Baumaßnahmen zu organisieren, weil es teilweise Projekte gibt, die sowieso gemacht werden, bei denen aber die notwendige Qualifizierung fehlt.Wenn Sie sich beispielsweise den Emscher Park angucken, können Sie feststellen, dass die 1,5 Milliarden DM, um die es dabei ging, im Wesentlichen für die Unterstützung von Infrastrukturmaßnahmen waren, durch die die Region entwickelt wurde. So müsste es auch in der Rhein-Main-Region sein.
Im Übrigen ist die Landesregierung sehr flexibel und sehr kreativ, wenn es um neue Finanzierungswege geht. Daher hätte ich erwartet, dass zumindest die Chancen – das Thema Mobilität ist sicher eine der großen Herausforderungen für Rhein-Main –,die sich jetzt mit der Vorlage des Grünbuchs der Europäischen Union zur Mobilität im 21. Jahrhundert ergeben, genutzt worden wären. Aber stattdessen erleben wir Debattenverweigerung. Herr Milde, deswegen ist der Hinweis, das sei Wahlkampfgeschichte gewesen, völlig daneben.
Wir haben ein Programmpapier entwickelt. Es gab mehrfach Kontakte zu Herrn Jourdan, der dann gesagt hat, er müsse erst einmal die Landesregierung fragen, was er mit uns überhaupt machen darf.Wir haben nämlich mehrfach angefragt, ob er das mit uns diskutiert. Der Minister erklärt hier, das sei alles gar nicht so. Dann wird aber gleichzeitig kritisiert, dass er das Verfahren formal nicht eingehalten hat.
Es ging eben nicht um Wahlkampf, sondern wir haben einen programmatischen Beitrag zur Stärkung der RheinMain-Region geleistet. Die Antwort des Ministeriums ist: Die Mitarbeiter des Ministeriums dürfen in den internen Arbeitsgruppen nicht mehr mitarbeiten, und es gibt eine Debattenverweigerung. – Daraus folgt, dass Sie den falschen Weg eingeschlagen haben. Ich unterstütze ausdrücklich das, was Frau Wagner gesagt hat:Wir sollten uns in einer umfassenden Anhörung mit der Frage beschäftigen. Ich glaube, diese Machbarkeitsstudie kann nur eine Initialzündung sein. Ich sage aber, dass neben dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst ausdrücklich auch der Sozialpolitische Ausschuss beteiligt werden sollte, weil es um soziale, kulturelle und um ökonomische Fragen für die Region geht.
Ich will mit zwei Bemerkungen enden, wo ich, Frau Wagner, Ihre Position gar nicht teile, obwohl Sie heute sehr viel offener waren als in der Vergangenheit. Ich sage Ihnen:Auch das ist ein Beleg dafür, dass das Ballungsraumgesetz gescheitert ist.
Sie haben mehr Intransparenz und mehr Chaos in die Region gebracht,auch wenn das eine oder andere Projekt erfolgreich war.Aber das hilft nicht.
Herr Präsident, letzter Satz. – Die provinzielle Debatte des heutigen Tages und der intellektuelle Tiefflug helfen uns sicher nicht.
Das, was Herr Corts hier abgeliefert hat, ist Arbeitsverweigerung und sonst gar nichts.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich aus zwei Gründen gemeldet. Erstens. Die Bemerkung von Herrn Boddenberg, dass hier Verheißungen versprochen werden, ist völlig aus der Luft gegriffen. Es geht um das, wo wir uns im Abstrakten sogar einig sind, nämlich darum, einen Wettbewerb mit gerechten Löhnen zu organisieren. Deswegen brauchen wir eine gesetzliche Regelung. Das scheint bei Ihnen zumindest so weit gegriffen zu haben, dass Sie mittlerweile mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund über Eckpunkte für ein Tariftreuegesetz verhandeln.
Ob das hinreichend ist, was Sie hier vorgestellt haben, werden wir an anderer Stelle zu diskutieren haben.
Zweiter Punkt. Sie haben das Thema Konnexität eingeführt. Das wird ein wesentliches Argument werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das in der Anhörung abgeräumt wird. Es geht um die Ausgestaltung eines bestehenden Rechtsrahmens. Es geht nicht um neue gesetzliche Bestimmungen.Deswegen ist das Thema Konnexität zwar von dem einen oder anderen Interessierten eingeführt worden, um das zu verhindern. Aber es ist nicht richtig. Ich glaube, das werden wir in der Anhörung auch dezidiert abräumen können.
Auf diese Frage haben Sie eben keine Antwort gegeben. Ich bin sehr gespannt, was die Landesregierung dazu sagt. Wenn Sie das in das freie Ermessen der Kommunen stellen, werden Sie Rechtsunsicherheit organisieren.
Das haben uns die Kommunen an den verschiedensten Stellen im Vorfeld der Beratungen immer wieder gesagt. Das war einer der Punkte, warum die Verordnung letztendlich gekippt wurde: Sie ist eine nachstehende Rechtsstufe und kann deswegen nicht dieselbe Bindungskraft wie ein Gesetz erreichen.– Wenn Sie es nicht in einem Gesetz regeln, werden Sie die Rechtsunsicherheit in die Kommunen tragen. Deswegen ist Ihr Weg an der Stelle dezidiert falsch.
Herr Weimar, ich kann Sie beruhigen, wir werden diese fünf Minuten nicht ausschöpfen. – Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kaufmann, im Gegensatz zu Ihnen, so glaube ich, kann ich für mich in Anspruch nehmen, dass für mich immer Folgendes gegolten hat: Wenn ich gesagt habe, dass ich mich kurz fasse, dann habe ich mich auch zumeist kurz gefasst.
Herr Kaufmann, ich komme deshalb auch gleich zum Ergebnis. Wir haben uns im Ausschuss enthalten, weil wir vom Ministerium noch entsprechende Zahlen haben wollten, und zwar in Bezug auf die Flüchtlingszahlen nach dem Aufenthaltsjahr zwei. Diese Zahlen sind sehr prompt eingegangen, und dafür dürfen wir uns recht herzlich bedanken.
Ich will hier deutlich sagen, was das Problem ausmacht: dass die Anzahl derer, die länger als zwei Jahre lang bei den Kommunen verbleiben – das haben die Kommunen während der Anhörung auch deutlich gemacht –, mit fast 3.000 Flüchtlingen sehr beträchtlich ist,und das angesichts einer Entwicklung, bei der die Erstattungen aus Landesmitteln in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind, die Verwaltungskostenanteile bei den Erstattungen aber gleichzeitig steigen.
Deswegen ist das Argument der Kommunen, die auf eine höhere Erstattung drängen, richtig. Angesichts der Situation, die wir auch im Ausschuss zugesagt haben, dass wir nun keine Grundsatzdebatte zu einem Gesetz machen wollen,das im Grunde in Ordnung ist,sondern dass wir lediglich über Erstattungshöhen streiten würden, sage ich für die SPD-Fraktion, dass wir diesem Gesetz in der vorliegenden Form heute zustimmen werden.Allerdings werden wir zu gegebener Zeit die Frage des Erstattungsbeitrags sowie die der Unterbringungssituation von Flüchtlingen insgesamt an geeigneter Stelle aufrufen. Das ändert am heutigen Tage aber nichts an unserer Zustimmung zu diesem Gesetz.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte, dass Herr Posch heute vor mir redet, weil er gestern meinen Ausführungen zugestimmt hat und ich ihm gerne heute zustimmen würde.
Herr Hahn, sicherlich nicht mit jedem, aber mit manchen könnte ich mir das vorstellen. Sie können das jetzt gerne noch einmal interpretieren.Aber Spaß beiseite.
Der entscheidende Punkt ist, dass man über dieses Gesetz in der Tat sehr schnell und sehr oberflächlich hinweggehen könnte, weil es sich im Wesentlichen um die Anpassung an EU-Vorschriften handelt. Ich will aber denselben Punkt problematisieren wie Herr Posch. Ich halte das Thema Ausbildung und Bologna-Prozess gerade auch bei diesem Gesetz für sehr wichtig. Der Justizminister ist gegangen, aber ich werde mich jetzt trotzdem auf ihn beziehen. Er hat vor wenigen Tagen anlässlich eines Festaktes zum 400-jährigen Bestehen des Fachbereichs Rechtswissenschaften in Gießen sehr dezidiert zur Frage BolognaProzess in der Juristenausbildung Position bezogen.
Ich finde, man darf an vielen Stellen – EU-Vorschriften hin oder her,Bologna-Prozess hin oder her – nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern man muss im Einzelfall sehr genau hinschauen, ob wir aufgrund des Bologna-Prozesses Alleinstellungs- und Qualifizierungsmerkmale, die wir in der Vergangenheit hatten, ohne Not an allen Stellen aufgeben sollten. Ich würde hier gerade für Architektur und Stadtplanung zu einer gewissen Vorsicht mahnen. Deswegen werden wir im Rahmen der Anhörung sehr genau hinschauen, inwieweit das in dieser Form der richtige Weg ist.
Ich glaube allerdings, dass dies bei diesem Gesetz der einzige wirklich kritische Punkt ist. Wenn wir da nicht sehr gute und kluge Argumente hören, bleibt das für uns ein sehr kritischer Punkt. Ansonsten handelt es sich um die Anpassung an EU-Vorschriften. Weil man sie umsetzen muss,kann man nicht so viel kritisieren.Ich glaube,zu den Einzelvorschriften sollten wir angesichts unserer Tagesordnung nicht mehr viel sagen. Es wird eine ausführliche Anhörung geben. Ich denke, dass die Architekten- und Stadtplanerkammer dazu noch einmal ausführlich Stellung nehmen wird und dass das Parlament gut beraten ist, auch die kritischen Anmerkungen der Kammer in diesen Gesetzentwurf aufzunehmen. Dann, glaube ich, wird er sehr breit zustimmungsfähig. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich nach dem Beitrag von Frau Hammann relativ kurz fassen, weil Frau Hammann, wie ich meine, hinreichend das Problem beschrieben hat, mit dem der Gesetzentwurf umgeht, und in der Sache auch faktisch ein Problem besteht. Insoweit begrüßen wir den Gesetzentwurf ausdrücklich. Ob der vorgelegte Text abschließend alle Probleme regelt, ist noch nicht klar. Abstrakt liest er sich gut. Aber wir brauchen nicht viel Fantasie, um zu erkennen,dass das Nachbarschaftsrecht zur Schlichtung von Konflikten geschaffen wurde und gerade in Nachbarschaftsstreitigkeiten die Emotionen besonders hochgehen.Deswegen sollten wir im Rahmen einer Anhörung im Wirtschafts- und Rechtsausschuss, denn hier geht es explizit auch um baurechtliche Bestimmungen,und mit den zuständigen Ministerien – ich lege ausdrücklich Wert auf den Plural – präzise klären, welche Erfahrungen es in der Vergangenheit mit solchen Nachbarschaftsstreitigkeiten gegeben hat. Denn was Sie hier gerade als Bescheid formuliert haben, kann ich erst einmal nicht bestätigen.
Klar ist aber, dass es dort einen Regelungsbedarf gibt.Wir haben es außerdem mit einem relativ großen Problem zu tun, denn der Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsverhältnisse ist ein schwerwiegender. Es geht um die Abwägung gewichtiger Rechtsgüter. Deswegen sollten wir uns die Zeit nehmen, diese Frage im Rechtsausschuss zu klären. Ob das Nachbarschaftsrecht insgesamt einmal auf den Prüfstand gestellt werden sollte, sollten unsere Rechtspolitiker klären.
In diesem Sinne werden wir den Gesetzentwurf wohlwollend begleiten, sehen allerdings den Bedarf, im Rahmen einer Anhörung noch einmal genau hinzuschauen, ob das der richtige Weg ist und wo die Fallstricke liegen. Aber wenn wir dort zu gescheiten Ergebnissen kommen,glaube ich, steht am Ende einer zügigen Beratung und auch einer Zustimmung nichts im Wege. Ich denke, dass die anderen Fraktionen im Hause aufgefordert sind, diesen Weg mitzugehen, weil es sicherlich die effizienteste Möglichkeit ist, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion hat mich gebeten, ein paar kurze Bemerkungen zum eigentlichen Thema des heutigen Setzpunkts der FDP, nämlich dem Antrag zu den Kita-Prüfplaketten, zu machen, während die Kollegin Karin Hartmann einige ausführlichere Bemerkungen zur Frage des Bildungs- und Erziehungsplanes machen wird.
Mein lieber Kollege Florian Rentsch, ich könnte das hier jetzt sehr polemisch machen, insbesondere nach der Bemerkung zum Dschungel der Betreuungseinrichtungen: ob sich daraus jetzt ableitet, dass die FDP inzwischen für den Zwangseinheitskindergarten und für normierte Einrichtungen ist.
Ich könnte ziemlich viele Bemerkungen zu abgeschriebenen Anträgen aus Nordrhein-Westfalen machen,die sozusagen wortwörtlich abgeschrieben sind. Ich könnte in der Tat – Frau Kollegin Schulz-Asche hat eben darauf verwiesen – auch einige Bemerkungen zur Konzeption der FDP machen, gerade wenn ich mir anschaue, welches Chaos in den Einrichtungen in Hamburg mit den Bildungsgutscheinen entstanden ist. Das hat mit Transparenz für die Familien herzlich wenig zu tun.
Wir könnten ziemlich viel über die familienpolitische Konzeption der FDP auf einer sehr polemischen Ebene reden. Das will ich aber ausdrücklich nicht tun, mein lieber Florian Rentsch,
sondern ich will ein paar Bemerkungen zu dem Antrag machen. Ich glaube in der Tat – insofern stimme ich der Kollegin Ravensburg und der Kollegin Schulz-Asche aus
drücklich zu –, dass der Antrag zumindest zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt kein sachlicher Beitrag ist, die notwendige Qualitätsverbesserung in den Kindertagesstätten zu erreichen. Ich glaube, dass die Übertragung eines Wettbewerbskonzeptes, wie es hier zum wiederholten Male von der FDP vorgeschlagen wird, verkennt, dass Konkurrenz zwar gelegentlich das Geschäft belebt,dass aber Kinder eben keine Ware sind und dass die Standards, die Sie hier anlegen, falsch sind.
Ich will Sie einmal in das wahre Leben mitnehmen und nicht auf der Ebene von Papier, das in irgendwelchen politischen Kreisen beschrieben wird, verbleiben.Wir haben in Hessen sehr, sehr unterschiedliche Grundlagen in den Einrichtungen.Wir haben frei-gemeinnützige Einrichtungen, wir haben Elterninitiativen, wir haben pädagogisch völlig unterschiedlich ausgerichtete Einrichtungen von Montessori über Waldorf, über kirchliche Einrichtungen, die die unterschiedlichsten Profile haben, und wir haben öffentliche Einrichtungen. Dahinter haben wir sehr, sehr unterschiedliche Finanzierungsstrukturen, weil jenseits von der Mindestverordnung die Träger mit sehr unterschiedlichen Profilen und Stellenschlüsseln in ihren Einrichtungen arbeiten.
Deswegen wissen Eltern in der Regel sehr schnell, wo bestimmte Profile – weltanschaulich, religiös, pädagogisch motiviert – umgesetzt werden.Ich kann das sagen,weil ich zu den wenigen, vielleicht an einer Hand abzählbaren Eltern in diesem Bundesland gehöre, die sich einen Platz in einem Kindergarten vor einem Gericht erstritten haben; und zwar ganz bewusst, weil ich mich für eine bestimmte Konzeption entschieden habe, die ich für meine Kinder für richtig halte.
Nun will ich gar nicht,dass alle diesem pädagogischen Anspruch folgen und sozusagen das Gleiche machen. Deswegen ist es weiterhin richtig, dass Kindertagesstätten mit unterschiedlichen Konzeptionen arbeiten. Sie dann über eine sogenannte TÜV-Plakette, oder wie immer Sie diese Konzeption machen, über einen Leisten zu scheren, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig falsch, weil die Ausgangsbedingungen in den Einrichtungen völlig unterschiedlich sind.
Warum funktioniert es in einem Kindergarten wie dem Kinderhaus St. Martin in Gießen, das in Trägerschaft der katholischen Kirche ist? Dort ist eine der wesentlichen Voraussetzungen, dass der Träger, der Sozialdienst katholischer Frauen, erheblich mehr Geld zusätzlich in diese Einrichtung schiebt. In der Einrichtung selbst wird mit völlig unterschiedlichen Konzeptionen gearbeitet. Aufgrund der Elternzusammensetzung geht auch erheblich mehr Geld von den Eltern in dieses Haus. Wenn Sie versuchen, allein diesen finanziellen Rahmen auf alle Einrichtungen zu übertragen, dann brauchen wir Ihre Prüfplakette nicht mehr, weil dann nämlich die Ausgangsbedingung geklärt ist.
Das ist auch das Hauptproblem mit dem Bildungs- und Erziehungsplan. Da sind wir uns wieder einig, dass der freiwillige Standard an dieser Stelle mehr Probleme produziert, als er löst; denn die Einrichtungen sind eben nicht vergleichbar. Deswegen glaube ich, dass diese Form von Preisen und TÜV überhaupt nichts bringt.
Im Gegenteil, sie wird die Verwerfungen erhöhen. Deswegen sage ich Ihnen, Herr Rentsch: Konkurrenz ist an dieser Stelle falsch. Die Familien sind es echt müde, per
manent in irgendwelchen politischen Debatten neue Vorschläge zu hören. Sie wollen, dass sich real etwas ändert.
Die Konkurrenz, die Sie vorantreiben wollen, wird hier gar nichts verändern.Wir brauchen Kooperation und – ich füge das ausdrücklich hinzu – Kompetenz.
Nur so werden Sie Qualität in den Kindertagesstätten entwickeln, sodass das, was wir als politischen Anspruch formulieren und wo wir uns wieder einig werden, wirklich umgesetzt wird. Ihre Kita-Prüfplakette wird dazu aber keinen Beitrag leisten, zumindest überhaupt nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Ich hoffe, dass Sie an dieser Stelle noch mit sich reden lassen,
weil Ihr Konzept an dieser Stelle ein vielleicht netter Beitrag für Schlagzeilen in den Medien ist. Aber Sie sollten spätestens seit den Beiträgen Ihres Fraktionsvorsitzenden zum Thema Trainerposition zur Kenntnis genommen haben, dass nicht jeder publizistische Beitrag in der Sache hilfreich ist. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde beraten wir in diesem Landtag ein sicherlich nicht ganz alltägliches Thema. Deswegen will ich zunächst auf die grundsätzliche Bedeutung unseres Antrags eingehen.
Am 8. September des Jahres 2000 verabschiedeten 189 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mit der Millenniumserklärung einen Katalog grundsätzlicher verpflichtender Zielsetzungen für alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen. Die Bekämpfung der Armut, die Erhaltung des Friedens und der Umweltschutz wurden als wichtigste Ziele der internationalen Staatengemeinschaft bestätigt.
Ich führe das hier ein, weil ich im Vorfeld der Debatte von Mitgliedern anderer Fraktionen gefragt wurde, was das Land Hessen eigentlich mit Entwicklungsarbeit zu tun habe. Es hat damit ziemlich viel zu tun. Denn durch unsere föderale Bundesordnung stehen wir natürlich auch mit diesen internationalen Verpflichtungen in Verbindung.
Deswegen sind im Landeshaushalt etwas Mittel vorgesehen, die in der Vergangenheit dafür eingesetzt wurden. Bisher übereinstimmend haben wir in diesem Parlament die Schwerpunkte für diese Entwicklungsarbeit definiert. Dies sind Mittelamerika und der Nahe Osten. Vor allem betrifft dies aber auch Asien. Im letzten Jahr kamen nach einer Entscheidung des Hauptausschusses auch Teile Afrikas dazu, nämlich die Staaten Mali und Malawi.
Wir haben diesen Antrag eingebracht, weil wir, erstens, der Auffassung sind, dass die Zusammenarbeit auf dem Sektor der Entwicklungshilfe auch für ein Bundesland wichtig ist. Zweitens haben wir das getan, weil uns von Mitgliedern der Nichtregierungsorganisationen die Sorge mitgeteilt wurde, dass die Mittel für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe, die das Land zur Verfügung stellt, zunehmend ausschließlich unter dem Aspekt der Außenwirtschaft verwendet werden. Bisherige Zielsetzungen, die ökologische, soziale, kulturelle Aspekte und insbesondere auch Fragen der Bildung betrafen, befinden sich demnach nicht mehr im Blick der Außenwirtschaftspolitik und der Zusammenarbeit im Rahmen der Entwicklungshilfe.
Ich finde, dass wir diese kritischen Anmerkungen ernst nehmen müssen. Denn gerade wir sind ein Bundesland, dessen Unternehmen sehr stark im internationalen Wettbewerb stehen. Ich habe aus allen Fraktionen erfahren, dass man bereit ist, sich mit dieser Frage noch einmal wirklich gründlich zu befassen.
Deswegen will ich ausdrücklich sagen: Unser Antragstext ist kein Dogma. Wir sind sehr wohl bereit, ihn zu verändern. Der Text des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist an einer Stelle sehr viel präziser als das,was wir bisher vorgelegt haben.Ich denke, wir werden uns deswegen sehr schnell einig werden.
Aber auch aus anderen Fraktionen wurde zumindest signalisiert, dass die Notwendigkeit besteht, das noch einmal genauer im Ausschuss zu beleuchten. Deswegen wollen wir vorschlagen, dass wir, erstens, im Ausschuss eine gründliche Beratung vornehmen. Zweitens schlagen wir hier und heute vor, dass es zumindest auf der Ebene der zuständigen Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen, des Ministeriums, der Hessen-Agentur und des Entwicklungspolitischen Netzwerks Hessen eine Gesprächsrunde gibt, die sich noch einmal mit den Fragen beschäftigt: Wo
gibt es Schnittstellen, die nicht funktionieren? Was haben wir an außenwirtschaftlichen Interessen? An welchen Stellen können wir bestimmte Dinge miteinander in Verbindung bringen?
Es gibt dazu eine zweite Initiative.Wir, die Mitglieder der SPD-Fraktion, haben alle anderen Fraktionen dieses Hauses dazu angeschrieben. Es geht dabei um die Frage, wie wir die UN-Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ dort einbinden können. Wir glauben, dass, wenn alle bereit sind, sich offen mit diesem Thema zu beschäftigen, am Ende und im Ergebnis für die Entwicklungszusammenarbeit dieses Bundeslands etwas Vernünftiges herauskommen kann.
Ich sage deswegen noch einmal: Der Text unseres Antrags ist für uns kein Dogma.Wir halten es aber für notwendig, dass sich ein exportstarkes Bundesland wie Hessen mit solchen Fragen beschäftigt.
Herr Boddenberg, das ist so. Damit hat die Landesregierung aber in der Regel wenig zu tun. Wir haben das heute schon zweimal diskutiert. Das betraf die Debatte um die Ausbildung. Vorhin ging es auch um den sogenannten Standortatlas. Da haben Sie das aus Ihrer Sicht beschrieben. Herr Boddenberg, das ist aber, wie gesagt, jetzt nicht unser Thema.
Wir sind zuversichtlich, dass wir da zu vernünftigen Lösungen kommen können. Insbesondere das Entwicklungspolitische Netzwerk Hessen, das vom Land Hessen initiiert wurde und gefördert wird, wird sicherlich sehr konstruktiv und sehr genau beobachten, wie wir, die Vertreter der Politik, mit diesen Fragen umgehen. Denn die außenwirtschaftlichen Interessen, die das Land hat und die es auch – das sage ich ausdrücklich – formulieren darf, dürfen nicht Anlass dafür sein, dass die anderen Fragestellungen aus dem sozialen und ökologischen Bereich, aber auch hinsichtlich der Bildung unter die Räder kommen.
Wir freuen uns auf die konstruktive Beratung im Ausschuss. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es mit Blick auf die weitere Tagesordnung außerordentlich kurz.Wir werden diesen Gesetzentwurf in den weiteren Beratungen konstruktiv begleiten.
Aus unserer Sicht gibt es drei Kernpunkte, die noch einmal zu beraten wären. Das sind zum einen die Höhe der Entschädigungssätze, zweitens die Frage, warum es nicht zu vergleichbaren Verfahren gekommen ist, und drittens die Altfälle, also die Fälle, die seit Jahren bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten anhängig sind.
So ändern sich die Zeiten:Früher war das Gesetz politisch hochgradig umstritten – aufgrund der Wechselwirkungen und der Frage, was damit politisch intendiert war. Das ist heute sicherlich nicht mehr der Fall. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir am Ende zu gemeinsamen Lösungen kommen.
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt ein bisschen in der Schwierigkeit, weil ich dem Kollegen Milde vorhin zugesagt habe, ich mache das heute ganz entspannt und in Ruhe, weil ich nicht glaube, dass man die großen ideologischen Kampflinien an diesem Gesetz abzeichnen kann. Dem Kollegen Frankenberger musste ich zusagen, dass ich das engagiert und emotional mache, damit am Ende eines Plenartages noch ein bisschen die nötige Stimmung aufkommt.
Herr Rhiel mit einem Teil seiner Bemerkungen würde mich auch dazu provozieren, ein paar polemischere Bemerkungen zu machen. Wenn er seinen ideologischen Überbau weggelassen hätte, wären wir viel entspannter.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, im Kern hat er natürlich recht: Das öffentliche Vermessungswesen hat eine hohe Anerkennung und Vertrauensstellung. Was in der Gesetzesbegründung zur Geoinformation steht, ist im Kern in seinen Herausforderungen und Anforderun
gen auch richtig beschrieben. Insofern gibt es aus unserer Sicht keine grundsätzliche Kritik an dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf. Herr Milde und Herr Rhiel, deswegen werden wir uns, wie immer, konstruktiv in die weitere Gesetzesberatung einbringen.
Allerdings gibt es bei uns schon eine Reihe von Fragen, die Ihnen offensichtlich auch während der Regierungsanhörung schon von Fachvertretern vorgetragen wurden – Sie haben das zum Teil schon selbst angesprochen – und die aus unserer Sicht zumindest noch der Klärung bedürfen. Da gehen wir Ihren Weg bis jetzt noch nicht mit.
Das eine ist in der Tat die Abmarkierungspflicht; ich habe das gerade mit dem Kollegen Bender kurz besprochen. Das ist eine Form von Deregulierung, die unter Umständen am Ende mehr Probleme produziert, als Sie durch die Beibehaltung der Abmarkierungspflicht in einem solchen Gesetz hätten, weil durch eine solche Deregulierung Rechtsunsicherheiten eher zunehmen können. Das ist Ihnen auch von einigen gesagt worden.
Dasselbe gilt für den Begriff „Liegenschaften, die bedeutsam sind“. Was ist bedeutsam für eine Vermessung, für eine solche Liegenschaftskarte, für die Frage der Planung? Sie schreiben – offensichtlich ist das die Idee –,dass beispielsweise Gebäude oder gebäudeähnliche Einrichtungen, die nicht größer als 50 m2 sind, zukünftig nicht mehr in solche Kartenbestände aufzunehmen sind. Ob das eine kluge Idee ist, würden wir gern hinterfragen. Im Moment sind wir da eher skeptisch.
Genauso skeptisch sehen wir die Regelung, die Sie jetzt unter dem Stichwort der Auftragsprivatisierung vorgesehen haben. Sie versuchen in Prinzip durch zwei Formulierungen, die Möglichkeiten der kommunalen Vermessungsämter deutlich einzuschränken, indem Sie die Eigengesellschaften ganz dezidiert nicht mehr im Gesetz aufnehmen, nur die Eigenbetriebe. Das halten wir ebenfalls für falsch, weil die kommunalen Vermessungsämter genauso wirtschaftlich arbeiten wie andere. Dort, wo wir die Kompetenz vor Ort haben – gerade in den Städten wird sie besonders intensiv abgerufen –, ist es in der Tat klug, dann auch die Kompetenz in der kommunalen Verwaltung zu lassen.
Völlig anders zu beurteilen ist die Frage von kommunalen, aber auch von privaten Aufträgen dort, wo es keine kommunalen Vermessungsämter gibt. Dort sind gerade die Erfahrungen mit öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren außerordentlich gut und werden durchgängig gestärkt.
Deswegen gibt es da einen gewissen Interessengegensatz. Aber gerade die Städte mit kommunalen Vermessungsämtern sollten auch weiter die Möglichkeit haben. Im Übrigen glaube ich nicht, dass wir überhaupt in der Lage sind, den kommunalen Gebietskörperschaften über ein solches Gesetz vorzuschreiben, wenn sie Aufgaben nicht oder in anderer Rechtsform wahrnehmen, dass das nicht mehr möglich sein soll. Über diesen Punkt werden wir sicherlich auch im Rahmen der Anhörung noch diskutieren. Der Städtetag hat dies bereits kritisch angemerkt.
Unabhängig davon will ich die Kostenregelung, die auch Gegenstand von Erörterungen war, die Frage einer möglicherweise überteuerten und nicht ganz ausgereiften Technik sowie das Spannungsverhältnis zwischen Kommunen mit Vermessungsämtern und Kommunen ohne Vermessungsämter oder auch öffentlich bestellten Ver
messungsingenieuren zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter vertiefen, weil ich glaube, die Interessenkonflikte sind klar.
Wir werden, wie eben schon gesagt, dieses Gesetzgebungsverfahren genauso konstruktiv und kritisch begleiten wie alle anderen. Ich glaube, dass es eine Reihe von nicht ganz kleinen Gesetzeslücken gibt, über die wir noch im Detail zu diskutieren haben. Jenseits aller Emotionslosigkeit dieser Debatte zum späten Zeitpunkt: Das mag vielleicht für den einen oder anderen ein sehr technokratischer Vorgang sein. Aber ich will daran erinnern, dass gerade das öffentliche Vermessungswesen eine wesentliche Grundlage für unsere Form des Wirtschaftens gibt, was Rechtssicherheit und Planungssicherheit angeht. Deswegen ist das, was wir heute beraten, nicht irgendein Kikikram, sondern ein wichtiges Gesetz. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchten wir uns recht herzlich für die Be
antwortung unserer Großen Anfrage zum Thema Rechtsextremismus in Hessen bedanken.Es hat ein bisschen länger gedauert, aber die Antwort ist auch umfangreich geworden. Auf jeden Fall sage ich herzlichen Dank auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Zweitens. Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Dringlichen Antrag der GRÜNEN will ich eine kurze Bemerkung machen, weil ich meine, dass man das vor die Klammer ziehen kann. Die vorgeschlagene Anhörung zum Thema Prävention in diesem Bereich wird aus unserer Sicht ausdrücklich begrüßt.Ich glaube,es ist ein kluger Vorschlag, sich mit dieser Frage noch einmal vertieft im Rahmen einer solchen Anhörung zu beschäftigen.
Diese beiden Vorbemerkungen vorangestellt, möchte ich zu unserer Bewertung kommen. Vor über 80 Jahren, genau am 25. Juni 1922, fand im Deutschen Reichstag aus Anlass der Ermordung des Reichsaußenministers Walter Rathenau eine erregte Debatte statt, in deren Verlauf der dem Zentrum angehörende Reichskanzler Joseph Wirth die klassischen Sätze sagte: „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts!“ Das Protokoll der Sitzung verzeichnet „stürmischen, lang anhaltenden Beifall und Händeklatschen in der Mitte und links und auf sämtlichen Tribünen“ sowie „große, lang andauernde Bewegung“.
Meine Damen und Herren, 84 Jahre später, nach dem Untergang der ersten deutschen Demokratie und nach dem Aufstieg und Fall einer Diktatur, die das entsetzlichste Verbrechen der Menschheitsgeschichte vollbracht hat, und auch nach nunmehr 60 Jahren Nachkrieg und Frieden bleiben die Worte Joseph Wirths gültig: Der Feind, der sein Gift in die Wunden des Volkes manchmal träufelt, manchmal verspritzt, dieser Feind steht immer noch rechts.
Es geht wieder einmal um den Rechtsextremismus. Zunehmende rechtsradikale Tendenzen und schleichende Akzeptanz geben uns wieder einmal Anlass, dass wir uns heute mit diesem Thema befassen müssen. Der Rechtsextremismus in all seinen wandelbaren und doch immer gleichen Erscheinungsformen, Spielarten und ideologischen Versatzstücken ist nach wie vor präsent und damit auch noch immer der Gegner aller Demokratie schlechthin.
Rechtsextremismus, Neofaschismus, Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus: Das waren und sind seit Anbeginn einzeln und zusammen die Feinde jeden zivilisatorischen,kulturellen Fortschritts,die Feinde von Aufklärung, Toleranz und Liberalität, von Rechtsstaat und Demokratie, kurz: die Feinde all dessen, was unter mühevollen und opferreichen Auseinandersetzungen und manchmal eben auch Kämpfen errungen worden ist und was zu verteidigen unser aller vorrangige und vornehmste Aufgabe ist. Wenn es in Deutschland eine Staatsraison gibt, dann diese.
Wir werden alles unternehmen, womit wir verhindern können, dass die Gesellschaft aus diesem Grund auf dem rechten Auge erblindet. Deshalb widmen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten der Bekämpfung des Rechtsextremismus seit jeher große Aufmerksamkeit.
Dazu verpflichtet uns nicht nur die Bedeutung der Aufgabe, sondern auch das Vermächtnis der Verfolgten und Ermordeten. Dazu zählen auch die Verfolgten und Ermordeten aus unseren eigenen Reihen.
Deswegen haben wir diese Große Anfrage gestellt, und deswegen wollen wir heute über die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage debattieren.Wir verbinden damit die Hoffnung, dass wir dadurch die Auseinandersetzung über die Notwendigkeit der Bekämpfung des Rechtsextremismus und die Möglichkeiten, die es dazu gibt, ein Stück weit voranbringen können. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein.
Um es vorweg zu sagen: Die Antwort der Landesregierung ist informativ. Sie ist eine viele Themen berührende Fleißarbeit und als solche durchaus verdienstvoll. Aber sie greift in vielfacher Hinsicht zu kurz, weil es – so meine These – an einem tieferen Verständnis für die Bedeutung des Problems mangelt.
Meine Damen und Herren von der Regierung und von der Regierungsfraktion,das Kernproblem ist,dass Sie den Rechtsextremismus nach wie vor als ein Randphänomen betrachten, nicht aber als die große gesellschaftspolitische Herausforderung, die er tatsächlich ist.
Anders ausgedrückt: Für Sie ist Rechtsextremismus etwas, was sich an den pathologisch-kriminellen Rändern von Gesellschaft und Politik abspielt und daher vor allem mit repressiven polizeilichen Mitteln bekämpft werden muss und auch – so der Glaube und die Hoffnung – bekämpft werden kann.Das ist insoweit unstreitig,als es den Rechtsextremismus des „Narrensaums“ und der kriminellen Subkulturen tatsächlich gibt und er beobachtet und entschieden bekämpft werden muss. Deshalb gilt unser Dank auch all jenen Kräften in Verfassungsschutz, Polizei und Justiz, die diese nicht einfache Arbeit tagaus, tagein unter nicht einfachen Bedingungen machen.
Aber wer sich mit dieser Betrachtung begnügt, ist entweder ignorant oder glaubt, diese Welt bestehe nur aus Schwarz und Weiß. In jedem Fall übersieht er all die Graustufen und subtilen Tendenzen der Erscheinungsformen des modernen Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus. Zum Beispiel übersieht er den „Extremismus der Mitte“, wie Seymour Martin Lipset den Nationalsozialismus genannt hat. Den Extremismus, der paradoxerweise in den Herzen und in den Kernbereichen unserer Gesellschaft verankert ist,bekämpft man mit solchen Mitteln nicht. Von diesem Extremismus ist in Ihrer Antwort leider nicht die Rede. Dieser „Extremismus der Mitte“ existiert in zweierlei Hinsicht.
Erstens. Wir wissen seit vielen Jahren, dass ein erheblicher, seinem äußeren Erscheinungsbild und seiner Selbstwahrnehmung nach vollkommen normaler Teil der Bevölkerung ein praktisch geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild besitzt. Wohlgemerkt, das sind Millionen von Menschen, die weder Mitglieder noch Wähler der in Ihrer Antwort aufgezählten Parteien oder Organisationen sind – also Menschen wie du und ich.
Das hat bereits die 1979/1980 durchgeführte und 1981 veröffentlichte Sinus-Studie deutlich gemacht. Dramatisch zeigt das auch die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die in diesen Tagen veröffentlicht wird. Hier befindet sich der alltägliche Nährboden auch für den virulenten und den – wenn man so will – extremen Extremismus. In diesen Biotopen blüht und gedeiht er immer von Neuem.
Der zweite Punkt steht damit durchaus im Zusammenhang: Es gab schon immer – das gibt es nach wie vor – ein gut etabliertes braunes Netzwerk, dessen Wortführer unter anderem die Ideen jener konservativen Revolution der Zwanzigerjahre propagieren, die damals das „Dritte Reich“ vorbereitet haben. Ein kluger Beobachter hat vor einiger Zeit unter der Überschrift „Deutschland driftet – und zwar nach rechts!“ gesagt:
Wird jetzt die rechte Tyrannei abgelegt, eingeordnet und bagatellisiert, die linke dagegen dämonisiert – so werden rechtsradikale und konservative Revolutionäre salonfähig. Dann beanspruchen sie ihren Platz im demokratischen Verfassungsspektrum, dann verschiebt sich die Mitte nach rechts. Die Maßstäbe verschwimmen, und Deutschland driftet.
Der kluge Beobachter heißt Friedbert Pflüger, war Spitzenkandidat der CDU bei den letzten Berliner Wahlen und ist Mitglied des CDU-Bundesvorstands. Klingt das nicht so, als ob er bestimmte Historiker im Auge hätte, die bei gewissen hessischen Parteien programmatische Reden zu dem Thema Patriotismus halten?
Diese beiden Themen fehlen in Ihrer Fleißarbeit völlig. Deshalb sind die Strategien, die Sie vorgeschlagen haben, ungenügend. Es fehlen tief gehende Informationen und Bewertungen zu Bewusstseinsstrukturen, zu Mentalitäten und Milieus sowie zu den ideologischen braunen Netzwerken.
Gerade wegen der Aktualität des Themas will ich hier erneut sagen: Auch die Rolle der Burschenschaften wird in Ihrer Antwort im Kern ausgeklammert. Der Blick ist verengt, er ist nur auf das Gewalt- und das Jugendproblem gerichtet. Gibt es keine offene Gewalt – Sie betonen, dass das Gewaltproblem in Hessen relativ gering ist –, gibt es auch kein Problem. Das ist ein Tunnelblick, mit dem man die Dimensionen dieses Problems und die gesellschaftlichen Herausforderungen mehr als eingeschränkt wahrnimmt.
Es gibt keine vertiefenden Forschungen und Ergebnisse zu kleineren Organisationen und neuen Organisationsstrukturen. Ich will nur an das Thema Butzbach-Hochweisel erinnern. Es fehlt ein systematischer Blick auf die Zusammenhänge. Es gibt zwar, beispielsweise im Innenministerium, dafür zuständige Mitarbeiter. Aber es existiert keinerlei Task-Force, die die Präventionsarbeit im Blick hat. Bei dem Aussteigerprogramm Ikarus z. B. erfolgt die Arbeit ebenfalls nur rein polizeilich und verfassungsschutzrechtlich, aber nicht zivilgesellschaftlich. Eine Zusammenarbeit mit diesen Gruppen existiert nicht. Herr Innenminister, ich will ausdrücklich sagen: Ikarus ist richtig. Es ist eine notwendige Maßnahme, die jedoch nicht ausreicht. Genau an dieser Stelle entsteht Ihr Problem.
Bildung und Erziehung müssten in der Gegenstrategie eine herausragende Rolle spielen. In Sachsen und Rheinland-Pfalz wird das Thema systematisch und strukturiert angegangen. In Hessen bleibt leider vieles dem Zufall überlassen. Die Rolle der Landeszentrale für politische Bildung ist unzureichend.Die Zuweisungen für die außerschulische politische Jugendarbeit stagnieren seit Jahren.
Den Kommunen fehlt auch hier das Geld, um das zu kompensieren oder die Mittel sogar aufzustocken.
Die Gedenkstättenarbeit wird vielerorts reduziert oder sogar eingestellt. Die Medienpädagogik – angesichts der erregten Debatte über Gewaltvideos wieder einmal ein hochaktuelles Thema – ist auf dem niedrigsten Stand angelangt. Die Antworten im Zusammenhang mit dem Thema Schule wirken beschämend; es handelt sich bei ihnen offensichtlich nur um eine verzweifelte Zusammenstellung von Ein-Punkt-Projekten. Von einer Strategie – auch angesichts des vermehrten Engagements von Rechtsextremisten an den Schulen – kann keine Rede sein. Wie uns in dem Strategiegespräch vor 14 Tagen einige Gruppen mitgeteilt haben,gibt es auch dort eine Kultur der Nichtauseinandersetzung.
Im September 2006 hat sich eine ganze Reihe von Organisationen, die im Kampf gegen den Rechtsextremismus eine bedeutende Rolle spielen, in einem offenen Brief an alle Fraktionen des Landtags gewandt. Sie weisen zu Recht darauf hin, dass gerade der Zivilgesellschaft eine Schlüsselrolle zukommt, wenn es darum geht, dem Rechtsextremismus auf lokaler Ebene nachhaltig entgegenzuwirken, und dass es auch in Hessen zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteure gibt, die dem Rechtsextremismus entgegentreten und kontinuierlich Impulse zu einer dauerhaften Stärkung von Demokratie und Menschenrechten geben. Das geschieht durch bürgerschaftliches Engagement, Forschung sowie durch akademische und professionelle Projekte in Pädagogik, Beratung und Aufklärung.
Diesen Brief haben Sie alle bekommen. Die SPD hat sich diese Vorschläge zu eigen gemacht und einen Haushaltsantrag eingebracht, in dem es darum geht, 250.000 c zur Umsetzung dieser Projekte bereitzustellen.Dieser Antrag ist im Haushaltsausschuss leider mit der Begründung abgelehnt worden, dass man all diese Maßnahmen aus dem eigenen Haushalt erwirtschaften könne.Herr Innenminister, deswegen bitte ich Sie nachdrücklich, im Rahmen Ihrer Antwort auf die Große Anfrage zu erläutern, wie Sie die Umsetzung garantieren wollen.
Meine Damen und Herren von der Union und bedauerlicherweise auch von der FDP, völlig unabhängig davon, dass die Antwort auf die Große Anfrage keine Perspektiven für die Fragen enthält, die ich eben skizziert habe, finden wir es sehr betrüblich, dass Sie bis heute nicht einmal auf die Initiative geantwortet haben. So haben sich zumindest die Vertreter der Gruppen, mit denen wir letzte Woche gesprochen haben, geäußert.
Ich möchte noch einmal auf das Thema Burschenschaften zurückkommen. Sie erinnern sich vielleicht an die Aktuelle Stunde des letzten Plenums, in der vom RCDS in Gießen und von Herrn Müller die Rede war. Abgesehen davon, dass der Vorstand inzwischen vollständig zurückgetreten ist und dass Herr Müller in Mannheim vor Gericht angegeben hat, dass der RCDS sehr wohl seine Gesinnung kannte – so heißt es jedenfalls in den entsprechenden Presseverlautbarungen –, möchte ich Sie nochmals auf die Anfälligkeit dieser Organisationen für eine Unterwanderung durch Rechtsextremisten hinweisen.
Der Dachverband Deutsche Burschenschaft, dem in Hessen 14 Burschenschaften angehören,hat sich nach der Debatte ausdrücklich mit der Dresdensia-Rugia solidarisiert. Ich sage das ausdrücklich; denn der Vorsitzende der Alten Herren einer dieser drei Burschenschaften aus Gießen,
die dem institutionellen Zusammenschluss angehören, hat sich inzwischen distanziert. Der organisierte Zusammenhang ist jedoch nach wie vor nicht aufgekündigt. Beim RCDS Gießen fand sich noch heute Morgen – zumindest war das der letzte Hinweis, den ich vor einer Stunde bekommen habe – eine Wohnungsanzeige der Burschenschaft Alemannia.
Deswegen sage ich Ihnen: Wenn Sie die Bekämpfung des Rechtsextremismus ernst nehmen, müssen Sie sich endlich entschlossen an einer Isolierungs- und Ächtungsstrategie beteiligen.
Sie müssen endlich dem lobenswerten Beschluss des RCDS nacheifern und Unvereinbarkeitsbeschlüsse, wie sie auch die SPD auf Bundesebene gefasst hat, für solche Organisationen nachvollziehen und ein klares Signal setzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Joseph Wirth, der einer Partei angehörte, auf deren programmatische und organisatorische Tradition die CDU sich zu Recht beruft, blickte bei seiner Rede nicht nur im übertragenen, sondern auch im buchstäblichen Sinne nach rechts,wo die Abgeordneten der DNVP und anderer rechtskonservativer, deutschnationaler, nationalistischer und völkischer Parteien saßen. Da stand der Feind, den er meinte.
Niemand in diesem Haus darf zulassen, dass sich dies schleichend verändert und die Ränder Risse bekommen. Einen entscheidenden Beitrag haben wir geleistet. Jetzt sind Sie dran. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am vergangenen Samstag berichtete die „Frankfurter Rundschau“ ausführlich darüber, dass ein bekennender und aktiver Neonazi in der Spitze des RCDS Gießen mitarbeitet. Der Betroffene ist zudem Sprecher der Burschenschaft Dresdensia-Rugia und Sprecher der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen, die vom Verfassungsschutz Brandenburg in Teilen als rechtsextremistisch eingestuft wird. Soweit die nüchternen Fakten.
Diese Burschenschaft erweist sich erneut als Neonazi-Kaderschmiede mit weit verzweigten Beziehungen in die gesamte bundesdeutsche Szene. Wir haben uns hier in die
sem Haus vor 18 Monaten intensiv mit der Grenzziehung zwischen rechtsextremistischen und demokratisch-konservativen Positionen beschäftigt. Damals waren wir uns einig, dass alle aufgefordert sind, diese klare Grenzziehung vorzunehmen.
Dazu ist aber auch entschiedenes und klares Handeln der Union erforderlich. Daran hat es in den vergangenen Jahren gemangelt. Wie schwer Sie sich damit tun, haben die Debatten um die Rolle des Herrn Irmer
und zuvor über die des Herrn Hofsommer oder des Herrn Hohmann gezeigt. Umso mehr ist die jetzt endlich erfolgte Unvereinbarkeitserklärung des RCDS in Sachen Dresdensia-Rugia zu begrüßen. Aber warum erfolgte das eigentlich nur beim RCDS in Gießen?