Protokoll der Sitzung vom 27.11.2003

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung des dritten Tages dieser Plenarwoche. Ich heiße Sie alle recht herzlich willkommen. Dies gilt auch für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Ich komme zur Tagesordnung. Noch offen sind die Tagesordnungspunkte 4 und 5. Außerdem haben wir noch die Fortsetzung des Tagesordnungspunktes 7 a, das ist die zweite Lesung des Haushaltsgesetzentwurfs für das Jahr 2004, und des Tagesordnungspunktes 7 b, das ist der Entwurf des Finanzausgleichsänderungsgesetzes 2004. Des Weiteren sind noch die Tagesordnungspunkte 8 bis 23, 25 bis 32, 34 bis 48, 50 bis 62 sowie 65 und 66 offen. Es ist also noch einiges zu tun.

Ich komme zum Ablauf der Sitzung.Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von einer Stunde.

Wir beginnen mit den beiden Anträgen betreffend eine Aktuelle Stunde. Zum einen ist dies Tagesordnungspunkt 50. Da geht es um das Thema „Luxusmöblierung der neuen Staatskanzlei“.Dies ist der Antrag Drucks.16/1190. Zum anderen ist es Tagesordnungspunkt 51. Der Antrag, Drucks. 16/1191, hat den Betreff: „rot-grünen Steuerwahnsinn stoppen!“

(Dr.Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU):Unglaublich!)

Direkt nach Tagesordnungspunkt 50 wird Tagesordnungspunkt 55 zur Abstimmung gestellt. Dies ist die Beschlussempfehlung und der Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Dringlichen Antrag der Fraktion der SPD zum Thema Luxusmöblierung usw.

Danach geht es mit den Tagesordnungspunkten 7 a und 7 b weiter. Dies sind die zweiten Lesungen zum Haushaltsgesetzentwurf des Jahres 2004 und zum Gesetzentwurf für ein Finanzausgleichsänderungsgesetz 2004. Mit Einzelplan 04 werden die Tagesordnungspunkte 14, 15 und 39 aufgerufen werden, mit Einzelplan 15 Tagesordnungspunkt 18.

Anschließend werden die weiteren Gesetzeslesungen folgen.

Ich weise Sie daraufhin, dass heute um 13 Uhr die Ausstellung des Gestaltungswettbewerbs „Die Gute Form“ des Fachverbandes Holz und Kunststoff Hessen durch Herrn Landtagspräsidenten Kartmann im Umgang des Plenarsaals eröffnet werden wird. Sie wird bis zum 3. Dezember 2003 zu sehen sein. Der hessische Wirtschaftsminister Dr. Rhiel und der Landesinnungsmeister, Herr Füllgraf, werden unter anderem auch die Ehrung der Preisträger dieses Gestaltungswettbewerbs vornehmen.

Normalerweise trage ich jetzt immer die Sportmeldungen vor. Wir sollten wenigstens dem VfB Stuttgart herzlich gratulieren, der gestern ins Viertelfinale der Champions League vorgedrungen ist. Eine Gratulation geht an unsere Freunde aus Baden-Württemberg.

(Beifall – Zuruf:Achtelfinale!)

Er ist ins Achtelfinale vorgedrungen.Ich danke dem Regierungssprecher, einem Anhänger des FC Schalke 04, für diese Hinweis.

Unsere Landtagsmannschaft hat gestern nicht gespielt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der FDP:Was?)

Ich weise allerdings darauf hin: Wenn sie gespielt hätte, hätte sie sicherlich hoch gewonnen. Dazu wollen wir ihr herzlich gratulieren.

(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wie bereits erwähnt, fehlen heute entschuldigt Herr Staatsminister Riebel und Herr Staatsminister Grüttner.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Er ist hier!)

Auf meinem Zettel steht,Staatsminister Grüttner würde an der Besprechung der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder in Berlin teilnehmen. Sehen Sie einmal zu, wie Sie das machen.

Wir haben heute einen Geburtstag zu feiern. Unser lieber Kollege, mein Freund Rüdiger Hermanns feiert heute seinen 63. Geburtstag. Ich gratuliere im Namen des gesamten Hauses und wünsche alles Gute.

(Beifall – Schriftführerin Abg. Hannelore Eckhard überreicht Blumen.)

Nach dieser Eröffnung rufe ich nun Tagesordnungspunkt 50 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Luxusmöblierung der Staatskanzlei – Schluss mit der Verantwortungsverschleie- rung!) – Drucks. 16/1190 –

Zur Begründung des Antrags hat Herr Kollege Kaufmann das Wort.

Ich weise darauf hin, dass wir eine Redezeit von 7,5 Minuten vereinbart haben. Einmal sind es 5 Minuten Redezeit und einmal 2,5 Minuten. – Herr Kollege Kaufmann hat jetzt das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wünsche einen wunderschönen guten Morgen. Nach dieser Einleitung sind wir alle frohen Mutes.

Im Frühjahr dieses Jahres waren auch in der Staatskanzlei alle frohen Mutes. Man hatte gerade die Wahl gewonnen. Der Chef konnte sich darauf freuen, alsbald in die Beletage seiner neuen Residenz umzuziehen. Er wird von dort aus direkten Blick auf den Brunnen haben, der schon so lange seinen Namen trägt. Im nächsten Jahr sollte der Umzug nach dem Motto „Alles neu macht der Mai“ stattfinden. Nach dieser Losung ging man dann auch ans Einrichten.

Meine Damen und Herren, Sie wissen – es wird auch immer wieder betont –: Hessen soll ein Land des Südens werden. – Dementsprechend war das Reiseziel der Einrichtungsexperten schnell gefunden. Dies war die legendäre, sündhaft teuer eingerichtete Bayerische Staatskanzlei. Sie allein konnte das richtige Vorbild sein. Der beauftragte Architekt nahm sie in Begleitung von Mitarbeitern der Staatskanzlei in Augenschein. Sofort stand fest: Es musste zumindest gehobener Standard sein. – Die Sorge, der Ministerpräsident dürfe auf keinen Fall auf einer Apfelsinenkiste sitzen, bestimmte die Planungsperspektive. Dies hat uns Herr Kollege Williges neulich ungewollt verraten.

Den nahen Weg in das kürzlich neu möblierte Finanzministerium nahm man zwecks Besichtigung zwar auch,aber der dort vorgefundene Standard wurde für den Chef und seine Gefolgschaft als dann doch zu popelig beurteilt. So ungefähr sollte es aussehen. Das lag der Ausschreibung ganz klar zugrunde.

Dank der Aufmerksamkeit eines Journalisten kam diese üppige und vorschriftswidrige Ausschreibung ans Licht der Öffentlichkeit. Aufgrund der raschen Reaktion der Opposition ist jetzt der Traum von der Luxusmöblierung geplatzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die so sorgsam vorbereitete und so liebevoll komponierte Neumöblierung ist über Ausschreibungsdetails gestolpert. Der Rechnungshof hat es der Landesregierung sehr klar ins Stammbuch geschrieben: Durch die Überarbeitung der Ausschreibung können allein 500.000 c gespart werden. Ein weiterer höherer fünfstelliger Euro-Betrag kann zusätzlich eingespart werden, wenn man eben nicht Eddies Prachtbau in München, sondern z. B. das Wiesbadener Finanzministerium zum Maßstab nimmt.

Damit kommen wir dann zu der Frage, die uns aktuell beschäftigen muss. Der Versuch der Geldverschwendung konnte zwar in letzter Minute verhindert werden, doch jetzt will es niemand gewesen sein. Offensichtlich haben zwar viele Köche gemeinsam im Einrichtungsbrei gerührt und ihn verdorben, doch niemand will sich nunmehr dazu bekennen, das Rezept geliefert zu haben. Jeder deutet auf den anderen, der dann erschreckt mit dem Kopf schüttelt und sagt:Nein,ich war es nicht,der Vorgang ist an mir vorbeigelaufen.

Wenn wir genauer hinschauen, können wir feststellen, dass, politisch gesehen, zwei Menschen verantwortlich sind. Jochen Riebel – man würde fast fragen wollen: wer sonst? – hat als der seinerzeitige Chef der Staatskanzlei das Projekt auf der Seite der angehenden Nutzer zu verantworten. Er betreut es bis heute. Karlheinz Weimar ist als Finanzminister für die Abwicklung durch die Staatsbauverwaltung verantwortlich.

Die Nachforschungen des Landesrechnungshofs förderten allerdings Erstaunliches zutage. Der Architekt erstellte nach den vielen Besichtigungen und Gesprächen das Leistungsverzeichnis. Nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse wanderte dieses Leistungsverzeichnis in der Staatskanzlei offensichtlich von Schreibtisch zu Schreibtisch, ohne dass es einer kritischen Würdigung unterzogen wurde. Vielleicht hat es gar keiner gesehen oder abgezeichnet.

Fest steht allerdings: Es ist in der Staatsbauverwaltung gelandet, und dort traute sich niemand mehr, etwas zu ändern. Es kam schließlich aus der Staatskanzlei.

Meine Damen und Herren, bei dieser Verantwortungsverschleierung kann und darf es nicht bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir im Parlament und die Öffentlichkeit haben einen Anspruch darauf, dass die Verantwortung geklärt und dann auch übernommen wird. Deshalb muss die Landesregierung Farbe bekennen. Welche Gespräche wurden von wem geführt? Welche Vermerke wurden angefertigt, und wer gab welche Weisung?

(Clemens Reif (CDU): Untersuchungsausschuss!)

Also, Herr Ministerpräsident, bildlich gesprochen: Hosen runterlassen und nicht länger Versteck spielen,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Clemens Reif (CDU):Vormachen!)

nicht schon wieder feige wegducken. – Herr Kollege Reif, Sie kennen das alte Wort von Adenauer, wenn er die Hosen herunterlässt: hinten Blank und vorne Wuermeling. – Ich denke, wir wollen das, zumindest in dieser konkreten Form, allen ersparen.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, zur Landesregierung gewandt: Nicht schon wieder feige wegducken, wenn es um die Übernahme von Verantwortung geht. Wir sagen hier und heute: hic Rhodus, hic salta, und wir fragen Sie, Herr Ministerpräsident: Wer war es, wie geschah es, und was war los? Und das sagen Sie uns jetzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege von Hunnius.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gerade noch einmal gut gegangen. Fast wäre dem Land Hessen ein Schaden von 500.000 c entstanden

(Norbert Schmitt (SPD): Mindestens!)

und in einem zusätzlichen Betrag, der im hohen fünfstelligen Bereich liegt, insgesamt also 550.000 bis 600.000 c.