Protokoll der Sitzung vom 26.01.2005

Auf Dauer wird möglicherweise auch wieder mehr Geld gebraucht. Es ist keine Frage, dass wir die 90 Millionen c, die wir als Verstetigung für den sozialen Wohnungsbau in Hessen eingesetzt haben, brauchen und auch in Zukunft brauchen werden.Aber darüber muss nach Haushaltslage entschieden werden. Es müssen Prioritäten gesetzt werden.

Wenn Sie an diesem Punkt aber das Land kritisieren,dann frage ich Sie: Was hat der Bund in den letzten Jahren gemacht? Er hat sich aus der Wohnungsbauförderung vollkommen zurückgezogen. Wohnungsbaupolitik des Bundes findet in Deutschland quasi nicht mehr statt. Er hat die Gesellschaften verkauft. Das, was Sie bei uns in den letzten Jahren kritisiert haben, hat der Bund gnadenlos durchgezogen, auch bei den Eisenbahnerwohnungen. Das war auch richtig.

(Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Er hat alle Wohnungsbaugesellschaften des Bundes verkauft, dankenswerterweise auch den Anteil an der Nassauischen Heimstätte an das Land. Es gibt seitens des Bundes keine Förderung des sozialen Wohnungsbaus mehr. Außerdem möchte der Bund die Eigenheimzulage ganz abschaffen. Das ist so ein Instrument. Überall, wo Geld gesucht wird, wird die Eigenheimzulage hergenommen. Wir hätten sie schon 20-mal streichen müssen, um das Geld hereinzuholen, das wir als Deckung bräuchten.

Insofern muss ich feststellen:Wenn Sie Kritik üben wollen und wenn Sie etwas Sinnvolles für die Wohnungspolitik tun wollen, dann müssen Sie die SPD im Bund kritisieren und sich dort bei Ihren Parteifreunden einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich finde auch, es war gut, was wir getan haben, um den privaten Anreiz zu erhöhen. Die Vereinfachung der Hessischen Bauordnung – da gucke ich zu Michael Denzin herüber – haben wir gemeinsam gemacht. Sie soll auch weiter vereinfacht werden. Das war ein klassischer Beitrag dazu, dass in Hessen Bauen erleichtert wird und der Bedarf stärker abgedeckt wird.Denn jemand,der weniger Bürokratie beachten muss und der weniger Regeln zu beachten hat, wird eher bauen als derjenige, der erst ein Jahr lang ein Genehmigungsverfahren durchlaufen muss.

Herr Kollege Milde, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich höre das Klingeln.– Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind mit der Antwort sehr zufrieden.Wir sind mit der Wohnungspolitik der Hessischen Landesregierung sehr zufrieden, und wir werden Ihnen im Ausschuss die noch offenen Fragen erklären. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin SchönhutKeil, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich die Antwort auf die Große Anfrage anschaut, so wird deutlich, wie differenziert der Wohnungsbedarf in Hessen inzwischen geworden ist. Während im Rhein-Main-Gebiet und in Südhessen bezahlbarer Wohnraum nach wie vor Mangelware ist, stehen in anderen Landesteilen,z.B.im Nordosten,Wohnungen längerfristig leer, nach dem Prinzip: Mensch folgt Arbeit.

Aber nicht nur die Regionalstruktur hat sich gewandelt. Auch innerhalb der Bevölkerungsstruktur konnten wir in den letzten Jahrzehnten weit reichende Veränderungen beobachten. Dies zur Kenntnis zu nehmen ist eine der Notwendigkeiten des demographischen Wandels.Weniger denn je ist die Vier-Personen-Familie die Norm unseres Zusammenlebens. Daneben gibt es heute vermehrt junge und alte Alleinlebende. Es gibt Alleinerziehende, Patchwork-Familien und natürlich auch Wohngemeinschaften sowie Paare ohne Kinder. Manche bevorzugen die Stadt, viele andere nutzen die gewachsene Mobilität und wollen am Stadtrand oder auch lieber auf dem Land leben, was immer Landleben dann zu bedeuten hat.

In einer liberaleren Gesellschaft sind viele Lebensstile möglich, und daraus erwächst eine ebenso differenzierte Nachfrage nach Wohnungen und Häusern, aber vor allem nach bezahlbarem Wohnraum. Die Standardsozialwohnung mit drei Zimmern wird jedenfalls immer weniger von Wohnungssuchenden nachgefragt. Da Wohnungen ein Gut mit langer Lebensdauer sind, wie dies die Landesregierung in ihrer Antwort ausdrückt, sind Spannungen zwischen Wohnungsangebot und Wohnungsnachfrage unvermeidlich.

Das Grundproblem,das sich wie ein roter Faden durch die Antwort der Landesregierung zieht, ist: Wie reagiert die Wohnungspolitik auf die neuen Anforderungen, die sich durch die beschriebenen Änderungen in Regionalstrukturen und Bevölkerungsstrukturen stellen? Hier bleibt uns die Landesregierung ganz glasklar eine Antwort schuldig. Wir wissen, statt einfach die Masse an Sozialwohnungen zu erhöhen, müssen heute offensichtlich andere und auch intelligentere Antworten gefunden werden. Ich möchte hier nur einige Möglichkeiten ansprechen.

Erstens. Das Bundesprogramm „Soziale Stadt“ ist ein bewährtes Mittel, Stadtviertel durch viele aufeinander abgestimmte Maßnahmen an die Bedürfnisse ihrer Bewohnerinnen und Bewohner anzupassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier muss ich Ihnen ehrlich sagen: In diesen Zusammenhang fallen das brutalstmögliche Sparprogramm und die

Aufkündigung der LAG Soziale Brennpunkte.Wer immer noch nicht verstanden hat, wie wichtig gerade die soziale Brennpunktarbeit ist, um das Abdriften ganzer Ortsteile zu verhindern – diese Problematik stellt sich zunehmend –,

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

der wird nie verstehen, warum eine Landesregierung eine Verantwortung für eine gestaltende Wohnungsbaupolitik hat. Das werfen wir Ihnen nach wie vor vor.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Zweitens.Ausführlich schildert die Landesregierung, welche technischen Möglichkeiten heute zur Verfügung stehen,in Wohnhäusern Primärenergie zu sparen,ökologisch und gleichzeitig preiswert zu bauen. Herr Minister Rhiel, Sie stellen in Ihrer Antwort unter anderem die „Aktion Hessenhaus“ heraus, die es seit 1996 gibt. Es ist schön, dass Sie sich mit Programmen zum ökologischen Umbau der Wirtschaft schmücken,die noch aus rot-grünen Zeiten stammen. Noch viel schöner wäre es allerdings, wenn Sie solche Programme weiterentwickelten und ausbauten, statt dort Mittel zu kürzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. Auch Genossenschaften – jetzt komme ich zum Antrag der SPD-Fraktion – können einen guten Beitrag leisten, flexibel auf individuelle Wohnbedürfnisse einzugehen. Warum sind gerade Genossenschaften dazu in der Lage? Von den 151 hessischen Mitgliedsunternehmen des VdW Südwest, des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft, sind die Mehrheit, nämlich 108, Genossenschaften. Der durchschnittliche Wohnungsbestand der Genossenschaften beträgt ca.560 Wohnungen.Damit sind sie tendenziell die kleineren Unternehmen, die deshalb besonders nahe an den Bedürfnissen ihrer Mitglieder sein können.

Meine Damen und Herren, viele Vorschläge im Antrag der SPD, wie Genossenschaften gefördert werden können, sollten hier aufgegriffen werden. Gerade kleinere Genossenschaften können davon profitieren, wenn sie ihr Know-how oder auch ihr Personal gemeinsam nutzen und einsetzen. Warum sollten wir nicht z. B. über Dachgenossenschaften nachdenken? Es gibt viele interessante Punkte, z. B. dass Genossenschaften altersgerechtes Wohnen verwirklichen und damit auch auf den demographischen Wandel eingehen können.Das ist eine,wie ich finde, sehr wichtige Forderung.

Zweitens eignen sich Genossenschaften ganz besonders für Projekte im Rahmen der Public-Private-Partnership. Über PPP haben wir uns noch eine Debatte im Ausschuss vorgenommen.

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie beziehen sich in Ihrem Antrag auch auf den Bericht der Expertenkommission Wohnungsgenossenschaften der Bundesregierung.Auch dort gibt es sehr viele interessante Empfehlungen. Wo jedoch weitere Steuervergünstigungen für Genossenschaften gefordert werden, sollten wir mehr als zurückhaltend sein.

Lassen Sie mich viertens und letztens zur Antwort der Landesregierung zurückkehren. Besonders kritische Aufmerksamkeit muss eine Ihrer Aussagen finden, Herr Minister Rhiel, die ich kurz zitiere:

Angesichts der Veränderungen auf den Wohnungsmärkten gehört jedoch der Besitz von Wohnungs

baugesellschaften nicht mehr zu den Kerntätigkeiten des Landes.

Meine Damen und Herren, dazu konnten wir gerade die Meldung lesen, dass die Nassauische Heimstätte, die bekannterweise zu über 50 % dem Land gehört, 5.000 Wohnungen verkaufen will.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Zwar haben sich die Bedürfnisse der Mieter gewandelt. Darin sind wir uns einig.Trotzdem wird künftig unstreitig eine große Nachfrage nach preiswerten Wohnungen bestehen bleiben, und das gerade im Rhein-Main-Gebiet.

Wenn wir nicht aufpassen, haben wir wieder Verhältnisse wie zu Anfang der Siebzigerjahre. Das ist damals mit viel Geld behoben worden. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage: Aufgrund der wachsenden Massenarbeitslosigkeit drohen ernsthafte sozialpolitische Verwerfungen. Es ist absolut notwendig, dass sich die Landesregierung an dieser Stelle nicht ihrer Verantwortung entzieht und dass sie dafür sorgt, dass es in Hessen auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit kleinen Geldbeuteln gibt.

Auf diese Forderung bleibt uns die Landesregierung leider eine Antwort schuldig. Wohnungspolitik findet bei dieser Landesregierung nicht statt, eine vorausschauende schon gar nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Denzin, FDPFraktion.

(Volker Hoff (CDU):Aber bitte sachlich,Michael!)

Ich bin immer sachlich, mein Lieber. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist interessant. Herr Schäfer-Gümbel, dies ist ein Thema, zu dem es grundsätzlich viele unterschiedliche Positionen gibt. Deshalb kann ich einem Teil Ihrer Rede, nämlich dem, der sich mit der Großen Anfrage befasst hat, nur zustimmen.Auf der anderen Seite bedauere ich den Kollegen Milde, der seine wahrscheinlich genauso vorhandene Kritik an den Antworten hier nicht deutlich äußern konnte und sogar noch ein Lob daraus machen musste.

Aber ich stimme mit dem Herrn Kollegen Milde in der Beurteilung Ihres Antrags zu den Genossenschaften völlig überein. Das will ich gar nicht weiter vertiefen; denn er hat das so gesagt, wie wir es auch ausdrücken würden.

Noch ein paar Anmerkungen dazu.Es ist überhaupt keine Frage, dass das genossenschaftliche Wohnungswesen eine Möglichkeit ist. Aber, liebe Evelin Schönhut-Keil, von den über 100 Genossenschaften, die noch im Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft zusammengeschlossen sind, sind die meisten – mit aller Zurückhaltung gesagt – sehr passiv. Das sagt überhaupt nichts darüber aus, wie viel Leben noch in den Wohnungsbaugenossenschaften steckt. Einige sind noch aktiv. Dann ist es auch richtig, dass man versucht – wie in dieser Kommission geschehen –, zu überlegen, in welche Richtung sich die Woh

nungsbaugenossenschaften orientieren müssen, um ihren Charakter bewahren zu können. Ich bin durchaus dafür.

Aber wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, die Wohnungsgenossenschaften „als dritte tragende Säule neben dem Wohnen zur Miete und dem Wohnungseigentum weiterzuentwickeln“, muss ich Ihnen sagen, dass das in der Tat eine falsche Gewichtung ist. Die Genossenschaften haben nicht annähernd die Bedeutung, die Sie ihnen in Ihrem Antrag beimessen. Dabei können wir es belassen.

Ich komme zu der Großen Anfrage. Herr Minister, die Antworten sind, zurückhaltend gesagt, für die weitere wohnungspolitische Diskussion wenig hilfreich. Es wird viel vermutet. Es geht gleich auf Seite 1 mit den Antworten auf die ersten beiden Fragen los. Da heißt es: „Auch in Mittelhessen dürfte der Wohnungsmarkt in etwa ausgeglichen sein.“ Ich brauche keine Abteilung in einem Ministerium, um eine solch vage Feststellung zu treffen.

In derselben Antwort heißt es weiter. „Vor allem mit Blick auf die Marktsituation in Südhessen dürfte ein höheres Investitionsniveau angemessen sein.“ Herr Minister, wir wollen keine vagen Vermutungen hören, sondern wir wollen von Ihnen wissen:Was leiten Sie aus den Ihnen vorliegenden Daten ab? Welche Konzeption entwickeln Sie daraus für Ihre Wohnungsbaupolitik? Das ist das, was eine Antwort auf eine Große Anfrage hergeben soll.

(Beifall bei der FDP – Gernot Grumbach (SPD): Jeder so, wie er kann!)

Sie halten sich in Ihrem Urteil ganz bewusst zurück – selbst da, wo Sie nach einer Bewertung gefragt werden. Als Beispiel führe ich Frage 9 auf Seite 8 an:

Welchen Stellenwert haben die Maßnahmen der Wohnkostenentlastung, insbesondere das Wohngeld, in der wohnungspolitischen Gesamtstrategie der Landesregierung?

Jetzt kommt es. Jetzt hören wir, wofür es das Wohngeld gibt. Das ist okay; aber wir wissen es alle selbst. Dann kommt die nächste Aussage:

Die Ausgaben für Wohngeld sind in den vergangenen Jahren sowohl aufgrund von Leistungsverbesserungen als auch aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung stark gestiegen.