Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

(Beifall bei der SPD)

Die Polizeibeamten,die von den Journalisten befragt wurden, haben sich kritisch, aber in einer vernünftigen Form zu dem Plan geäußert, mehr Polizeibeamte in den Streifendienst zu schicken. Die Polizeibeamten, die das kritisiert haben, waren Praktiker. Sie haben gesagt, dass das nicht funktioniere, weil sie schon jetzt nicht genug Kapazitäten hätten.

Was macht dieses Ministerium? Über das Polizeipräsidium Nordhessen leitet man disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen drei Polizeibeamte ein, nur weil sie sich – ich denke, das gehört zu einem mündigen Staatsbürger – über die geplante Organisationsreform kritisch geäußert

haben. Dem Innenminister passt das nicht. Das ist ein Mangel an Demokratieverständnis.

(Beifall bei der SPD)

Ein souveräner Innenminister würde mit einer solchen Kritik etwas gelassener umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Aber das kennen wir von Herrn Bouffier: Immer wenn er angegriffen wird, fürchtet er sogleich den Untergang des Abendlandes. Herr Bouffier, ich empfehle Ihnen, sich gelegentlich die Reden durchzulesen, die Sie als Oppositionspolitiker zur Innenpolitik gehalten haben. Als es um die Polizeipferde ging, haben Sie ein Staatsereignis daraus gemacht. Damit haben Sie sich bis zum Exzess beschäftigt.Von daher sollten Sie ruhig etwas lockerer mit Kritik umgehen.

Ihr Konzept ist in der Tat diskussionswürdig.

(Minister Volker Bouffier: Oh!)

Ja, das habe ich Ihnen schon dreimal gesagt. Sie müssen nur zuhören, Herr Innenminister. – Wenn es um die Zusammenlegung oder Schließung von Polizeidienststellen geht, hat das in Frankfurt eine andere Qualität als in Waldeck-Frankenberg oder im Schwalm-Eder-Kreis – das ist völlig klar –, weil die Polizeibeamten dort erst etliche Kilometer zurücklegen müssen, um zum Einsatzort zu kommen. Man sollte also eine differenziertere Haltung einnehmen; dann ist das in Ordnung.

(Beifall bei der SPD)

Wie Sie mit den Polizeibeamten insgesamt umgehen – Abbau von Mitbestimmungsrechten,die Belastungen der Polizei sind enorm gestiegen, 14 bis 15 Arbeitstage mehr aufgrund der Arbeitszeitverlängerung –, trägt nicht dazu bei, dass sie besonders motiviert sind.

Die Herausforderungen, vor denen sie aufgrund einer sich wandelnden Gesellschaft stehen, sind klar. Die Polizeibeamten leisten einen guten und wirkungsvollen Dienst. Aber Sie bauen immer mehr Stellen ab. Aus der Antwort auf eine von uns gestellte Anfrage wurde deutlich:Sie haben 234 Stellen bei der Wachpolizei geschaffen. Bei der Vollzugspolizei haben Sie im gleichen Umfang Stellen abgebaut. Man kann das also 1 : 1 umrechnen. Dabei dauert eine gute, qualifizierte Ausbildung bei der Polizei drei Jahre, während es bei der Wachpolizei und im Angestelltenbereich nur VI-b-Stellen gibt. Die Professionalität in der hessischen Polizei geht also aufgrund Ihrer Konzeption verloren. Das ist falsch.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist es falsch, auf eine berechtigte, sachlich vorgetragene Kritik so zu reagieren, dass man meint, den Polizeibeamten einen Maulkorb umhängen zu müssen. Wer gute Argumente in der Sache hat, braucht mit seinen Mitarbeitern nicht so umzugehen. Das ist ein Stil in der Personalpolitik, wie er im letzten Jahrhundert herrschte.

(Beifall bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Im vorletzten Jahrhundert!)

Wir fordern Sie deshalb auf: Stellen Sie die disziplinarrechtlichen Vorermittlungen unverzüglich ein. Das wäre der erste wirkungsvolle Beitrag zur Motivierung der Polizeibeamtinnen und -beamten, die trotz Ihrer schlechten Politik einen hervorragenden Dienst im Lande Hessen leisten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Beuth, CDUFraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Gelassenheit angeht, so empfehle ich auch dem Kollegen Rudolph, eine solche an den Tag zu legen. Das gilt selbst für einen Tag wie heute, an dem es hitzige Debatten gab und an dem ein Sozialdemokrat, der sich im Land umschaut, einige Schmerzen empfinden muss.

(Günter Rudolph (SPD):Ich bin engagiert,aber gelassen! – Weitere Zurufe)

Die Mitarbeiter des Landes Hessen haben einen Anspruch darauf, nicht über die – –

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Kollege Beuth.

Meine Damen und Herren, ein bisschen mehr Gelassenheit täte diesem Thema gut. Dafür möchte ich an dieser Stelle werben.

Die Mitarbeiter des Landes Hessen haben einen Anspruch darauf,nicht sozusagen über die Zeitungen geführt zu werden. Die Polizeiführung dagegen hat einen Anspruch darauf, dass sie die Mitarbeiterkritik nicht über die Zeitungen mitgeteilt bekommt. Das ist ein Grundsatz, der unter jeder Regierung gegolten hat und wahrscheinlich auch unter jeder zukünftigen Regierung gelten wird. Das hat mit dem Umhängen von Maulkörben oder Ähnlichem nichts zu tun, sondern es geht darum, dass wir das hessische Dienstrecht haben. Diesem Recht müssen wir Rechnung tragen. Daher glaube ich, wir sollten an dieser Stelle die Kirche im Dorf lassen.

Lassen Sie uns über den Inhalt sprechen. Das ist der Kern dessen, was uns hier beschäftigen sollte. Dazu muss man sagen, dass sich die Klagen, die dort geführt werden, auf einem ganz anderen Niveau bewegen als die, über die wir vor 1999 im Plenarsaal des Hessischen Landtags miteinander diskutiert haben. Es geht nicht mehr darum, dass die Einsatzfahrzeuge nicht einsatzfähig sind, dass keine ausreichende Zahl von Schutzwesten vorhanden ist, dass wir eine völlig veraltete Technik haben oder dass die Unterbringung unwürdig ist. Nein, es geht um die taktische Frage, ob die Verbrechensbekämpfung vom Schreibtisch aus geführt werden muss oder ob sie auf der Straße, also vom Streifendienst, erledigt werden soll.

Dazu muss man nüchtern sagen: All das, was der Kollege Rudolph hier vorgetragen hat, war nicht Gegenstand der Pressemeldung. Ihren Ärger über unseren Erfolg in der Sicherheitspolitik können wir verstehen.

(Norbert Schmitt (SPD): 13 % Anstieg bei der Kriminalität!)

Es muss sehr schmerzlich für Sie sein, wenn Sie ständig vorgehalten bekommen, dass wir eine sehr erfolgreiche Fahndungs- und Vorgangsbearbeitung haben, und dass wir dafür gesorgt haben, dass die moderne Technik in die

hessischen Polizeiwachen Einzug gehalten hat und die Streifenwagen in einem ordnungsgemäßen Zustand sind und jährlich ausgewechselt werden.Auch unterhalten wir uns darüber, wie wir moderne Methoden einsetzen können. Dabei handelt es sich z. B. um den digitalen Fingerabdruck – all das, was man in diesen Tagen auf der CeBIT besichtigen konnte. Daran kann man sehen, dass es in Hessen vorangeht, was die Sicherheit betrifft. Der Erfolg, der sich in einer Aufklärungsquote von 52,5 % niederschlägt, gibt uns an dieser Stelle Recht.

Wenn ich mich mit der Diskussion beschäftige, die durch die in der „HNA“ veröffentlichte Kritik entstanden ist, muss ich sagen: Bei der Straßenkriminalität haben wir in der Statistik ein Minus von 5,4 % zu verzeichnen, beim Handtaschenraub ein Minus von 25,3 %. Das sind Delikte, die man nicht vom Schreibtisch aus bekämpfen kann. Diese Delikte müssen durch den Streifendienst auf der Straße bekämpft werden.

Deswegen sollten wir die Kirche im Dorf lassen. Der Sachverhalt ist nach dem hessischen Dienstrecht – darin gebe ich Ihnen Recht – in aller Gelassenheit abzuarbeiten.Wir haben Verständnis dafür,dass Sie unser Erfolg ärgert. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Al-Wazir, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Innenminister, wir unterstützen den Antrag der SPD, weil wir glauben, dass es nur ein unsouveräner Minister nicht erträgt, wenn Polizisten zu seiner Politik auch einmal kritisch Stellung nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es ist ein altbekanntes Phänomen, dass Minister, die eine gewisse Zeit amtieren, und Parteien, die mit einer absoluten Mehrheit regieren, irgendwann das Gefühl bekommen, es handele sich jedes Mal um eine Majestätsbeleidigung, wenn jemand „Das stimmt nicht, was ihr erzählt“, oder „An dem und dem Punkt macht ihr was falsch“ sagt.

Wir sagen Ihnen:Das ist keine Majestätsbeleidigung.Herr Innenminister, Sie sollten sich nicht weiterhin so verhalten, dass Sie die Überbringer der schlechten Nachrichten mit Disziplinarverfahren überziehen. Sie sollten sich einmal überlegen, ob nicht vielleicht Sie für die schlechten Nachrichten höchstpersönlich verantwortlich sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben neulich wieder gehört, wie viele Polizeivollzugsbeamtenstellen immer noch unbesetzt sind. Wir haben neulich wieder gehört und im Innenausschuss darüber debattiert, wie viele dieser Stellen fehlbesetzt sind, weil Wachpolizisten auf Stellen sitzen, auf denen eigentlich Vollzugsbeamte sitzen sollten.Wir wissen, dass Sie im Bereich der Polizeivollzugsbeamtenstellen in den nächsten zwei Jahren mehrere Hundert Stellen abbauen wollen. Unter dem Strich wollen Sie in den nächsten Jahren 1.000 Stellen bei der hessischen Polizei streichen. Dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn die Polizeibeamtin

nen und Polizeibeamten keine gute Stimmung haben und nicht mehr bereit sind, immer zu jubeln, wenn Sie irgendwo um die Ecke kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Innenminister, deswegen nehme ich für mich persönlich in Anspruch, dass ich auch schon bei anderen Innenministern gesagt habe, dass es falsch ist, auf Kritik mit Disziplinarverfahren zu reagieren. Gerhard Bökel könnte sagen, worum es da ging.

(Norbert Schmitt (SPD): Das war aber eine Stufe mehr!)

Gerhard Bökel war damals allerdings nicht nur darüber sauer, dass seine Politik kritisiert worden ist – das hätte er vielleicht noch ertragen –,

(Norbert Schmitt (SPD): Eben! Das ist nicht vergleichbar!)

sondern ich erinnere mich daran, dass da über seine Qualitäten als Hammerwerfer spekuliert wurde.Dafür,dass er darüber sauer war, habe ich ein gewisses Verständnis.

(Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Aber auch damals in der Koalition habe ich gesagt, dass man in bestimmten Bereichen einfach drüberstehen muss. Ich sage Ihnen, Herr Innenminister: Es würde Ihnen gut anstehen, wenn Sie Ihren Landespolizeipräsidenten und das Polizeipräsidium Nordhessen wieder einfangen und sagen würden: Okay, es ist auch in der hessischen Polizei und natürlich auch bei Weitergeltung des Disziplinarrechts mit allem, was dazugehört, erlaubt, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte nicht nur Uniformträger sind, sondern auch Bürgerinnen und Bürger, die das Recht auf freie Meinungsäußerung haben, selbst wenn es gegen den eigenen Minister geht.