Protokoll der Sitzung vom 27.04.2005

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Tarek Al-Wazir und Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich glaube, dass die durchaus nachdenklichen Worte, die Sie am Ende Ihrer Rede gefunden haben, die Tür zu einer Lösung öffnen könnten, die wir auch zu dem dritten Punkt, der noch strittig ist, finden könnten. Dazu ist aber notwendig, dass Sie den Weg verlassen, die Bundespolitik und die Forschungspolitik des Bundes zu Ihrer persönlichen Profilierung zu missbrauchen. Arbeiten Sie an der Sache. Arbeiten Sie im Interesse der Forschungslandschaft Hessens. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Vereinbarungsgemäß überweisen wir die von mir in dieser Debatte aufgerufenen Anträge dem Ausschuss für

Wissenschaft und Kunst. Dem wird nicht widersprochen? – Dann wurde das so vollzogen.

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 48 auf:

Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend fortdauernder Schaden für die demokratische Kultur nach der Verurteilung Manfred Kanthers im Schwarzgeldprozess der Hessen-CDU – Drucks. 16/3886 –

Die Redezeit beträgt vereinbarungsgemäß 15 Minuten. – Ich erteile Herrn Abg.Al-Wazir das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Geschichte Hessens hat es niemals einen größeren politischen Skandal gegeben als den der Schwarzgeldaffäre der hessischen CDU.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es hat etwa fünf Jahre und drei Monate von der Pressekonferenz, die am 14. Januar 2000 stattgefunden hat, bis zum Urteil des Landgerichts Wiesbaden,das in der letzten Woche ergangen ist, gedauert, bevor endlich wenigstens einer der Beteiligten eine spürbare Konsequenz hinnehmen musste.

Inzwischen wissen nur noch Personen sehr informierter Kreise, die ein sehr gutes Gedächtnis haben, dass es Mitglieder des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN waren, die als Erste Anzeige erstatteten und damit im Dezember 1999 die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ausgelöst haben, die jetzt nach langen Irrungen und Wirrungen zur Verurteilung Manfred Kanthers zu 18 Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 25.000 c geführt haben. Wir haben seinerzeit die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, weil wir uns schon damals sehr sicher waren, dass wir es mit kriminellen Machenschaften und Verstößen gegen das Parteiengesetz in einem Ausmaß zu tun haben, das seit dem Flick-Skandal nicht mehr für möglich gehalten wurde.

Folgendes möchte ich noch einmal zur Erinnerung sagen. In der Zeit, als unsere Strafanzeige erfolgte, war der Landesvorsitzende der CDU, Roland Koch, noch damit beschäftigt, ein angebliches Darlehen von Prinz Wittgenstein zu fingieren, um damit die Schwarzgeldzuflüsse im Rechenschaftsbericht der CDU zu verschleiern, mit denen er seinen Wahlkampf finanziert hatte.An dem Tag, an dem wir Strafanzeige erstattet haben, hat er dem Landtag noch Märchen von Finanzagenten aus Liechtenstein und angeblichen Vermächtnissen erzählt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Siebel (SPD))

Wir halten das Verfahren und das Urteil des Landgerichts für einen Sieg des Rechtsstaats, auch wenn das Verfahren sehr lange gedauert hat. Aus unserer Sicht waren sowohl das Verfahren als auch das Urteil dringend nötig und überfällig.Allerdings bedeutet dies – nicht nur, weil Manfred Kanther Revision eingelegt hat – nicht das Ende dieses traurigen Kapitels.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Urteil lautet allerdings: Niemand steht in Deutschland über dem Recht, sei es auch ein ehemaliger Bundesinnenminister. – Das ist gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Trotz der Länge des Verfahrens kann man sagen: Es ist gut, dass es in Deutschland Staatsanwälte gibt, die sich auch vom eigenen Justizminister vorab per Interview verbreitete Freisprüche – wo ist Herr Wagner?, er ist geflüchtet – nicht davon abbringen lassen, ihre Arbeit zu tun. Christean Wagner ist mit dem Versuch gescheitert, der Staatsanwaltschaft zu sagen, wo es langgeht.

(Norbert Schmitt (SPD): Gott sei Dank ist er das!)

Nebenbei hat er sich dabei nicht nur als schlechter Justizminister, sondern auch als miserabler Jurist entpuppt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt aber auch andere, bittere Erkenntnisse aus dem Verfahren. Die betreffen vor allem Manfred Kanther und die innere Verfassung der hessischen CDU.

Manfred Kanther hat bis zum heutigen Tag kein einziges Mal so etwas wie Reue gezeigt oder auch nur ein klein wenig Schuldbewusstsein zu erkennen gegeben. Offensichtlich hielt und hält er auch weiterhin im Kampf gegen den politischen Gegner alles, auch den Bruch von Recht und Gesetz,für erlaubt.Wer selbst nach diesem Prozessverlauf und dem Urteil das Gericht immer noch beschimpft, es hätte sich dem Druck der Medien gebeugt, der glaubt anscheinend bis heute, dass die hessische CDU und er über dem Gesetz stehen.

Manfred Kanther hat bis heute nicht verstanden, was für ein Schaden der Demokratie insgesamt entsteht – ich meine jetzt keinen Schaden für die CDU, sondern für die Demokratie insgesamt –, wenn ein Bundesinnenminister, der die Verschärfung des Geldwäschegesetzes betreibt, gleichzeitig für die Verschiebung von Millionen D-Mark in die Schweiz und nach Liechtenstein verantwortlich ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wer in Interviews erklärt, es werde nunmehr schärfer kontrolliert,ob jemand mit einem Koffer voller Geld über die Grenze geht, und gleichzeitig Herrn Weyrauch über die Grenze schickt, um genau das zu tun, nämlich um Schwarzgeld für die hessische CDU zu schleusen, der schadet der Demokratie insgesamt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die hessische CDU wurde über Jahrzehnte maßgeblich von Manfred Kanther geprägt. Sie ist bis heute stolz darauf, keine Partei, sondern ein Kampfverband zu sein. Ich fürchte, in der hessischen CDU haben längst noch nicht alle realisiert, wie fatal der Eindruck ist, der entstanden ist, dass sich „die da oben“ alles erlauben können und sich zum Schluss noch nicht einmal an die von ihnen selbst gemachten Gesetze halten.Am Ende treffen diese Arroganz und Uneinsichtigkeit nicht nur die Verursacher, sondern die Mitglieder aller politischen Parteien und das demokratische System insgesamt.

Allerdings verdanken wir dem Verfahren vor dem Landgericht noch andere Erkenntnisse. Das hat auch ein bisschen etwas damit zu tun, warum dieses Kapitel noch nicht abgeschlossen ist.

Roland Koch wollte uns im Jahre 2000 auf die Nase binden, dass es sich bei dem Schwarzgeld um rechtmäßiges und ordnungsgemäß zustande gekommenes Vermögen

der CDU gehandelt haben solle. Wir haben das keine Sekunde lang geglaubt. In dem Verfahren hat der Anwalt des Angeklagten Weyrauch sehr stark deutlich gemacht, dass es sich um Reste der illegalen Spendensammlungen handeln dürfte, die in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren durchgeführt wurden.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Herr Koch und Herr Boddenberg, Sie sitzen bis heute in der Villa der CDU, also in einem Gebäude, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit illegalem Geld gekauft wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Bis heute scheint es bei der hessischen CDU niemanden zu interessieren, woher dieses Geld wirklich gekommen ist. Überhaupt muss man feststellen, dass in der hessischen CDU ein merkwürdiges Schweigen herrscht. Das trifft besonders auf den Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden Roland Koch zu.

Normalerweise gilt:Wo ein Mikrofon ist, sind zwei Kochs. – Außerdem gilt überhaupt immer der Grundsatz, dass man am liebsten den harten Hund nach dem Motto gibt: hartes Durchgreifen. Hinsichtlich Manfred Kanther gilt komischerweise das absolute Gegenteil. Der Ministerpräsident taucht weg, und Herr Kanther wird weiterhin mit Samthandschuhen angefasst. Herr Ministerpräsident, heute haben Sie die Gelegenheit, klare Worte zu Ihrem Verantwortungsbereich zu finden. Sie äußern sich zu allem und jedem. In der Debatte, die zuvor stattgefunden hat, haben Sie gerade Ihren Wissenschaftsminister zum Nanominister gemacht.Auch während dieser Rede haben Sie wieder einmal alles Mögliche erzählt. Ich sage Ihnen: Heute haben Sie die Gelegenheit, zu diesem Thema klare Worte zu finden. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie dazu klare Worte sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Koch, nicht nur wir wollen wissen, welche Schritte Sie unternommen haben, um die wirkliche Herkunft des Geldes aufzuklären, das unter anderem Ihren Wahlkampf im Jahre 1999 und die von Ihnen bis heute genutzte Landesgeschäftsstelle Ihrer Partei finanziert hat.

Herr Koch, warum hat es bis heute keine Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens gegen Manfred Kanther gegeben, obwohl dieser doch aus Ihrer Sicht allein verantwortlich für einen immensen Schaden der Hessen-CDU sein soll?

(Petra Fuhrmann (SPD): Hört, hört!)

Eine Antwort würde nicht nur uns sehr interessieren. Herr Koch, hat der CDU-Landesverband von Kanther, Wittgenstein und Weyrauch wirklich Erklärungen eingeholt, mit denen diese für einen eventuellen Zivilprozess auf die Einrede der Verjährung verzichten sollen?

Herr Ministerpräsident, Sie haben als Zeuge vor Gericht ausgesagt, dass nicht nur der politische, sondern auch der finanzielle Schaden für Ihre Partei enorm war. Wenn das so ist, wann werden Sie zivilrechtliche Schritte einleiten, um sich von den angeblichen Alleinverursachern wenigstens einen Teil des Schadens erstatten zu lassen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Eine Antwort auf diese Frage interessiert nicht nur uns, sondern jedes CDU-Mitglied in Deutschland, das wegen des Schwarzgeldes der Hessen-CDU Monat für Monat einen Aufschlag auf den Mitgliedsbeitrag bezahlen muss, während Manfred Kanther mit Samthandschuhen angefasst wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident, wissen Sie, wenn zu dieser Frage der selbst ernannte brutalstmögliche Aufklärer Roland Koch noch nicht einmal den Generalsekretär, sondern den Pressesprecher erklären lässt, dass man weder bestätigen noch dementieren könne, sondern dazu einfach gar nichts sagt,

(Andrea Ypsilanti (SPD): Peinlich!)

dann ist das ein Punkt,den wir Ihnen heute so nicht durchgehen lassen. Dazu bedarf es klarer Worte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident, wir glauben, dass dieses Schweigen und diese Nachsicht Gründe haben. Denn die Angeklagten haben sich zwar im Prozess bis zuletzt mehr oder weniger an ihr Schweigegelübde gehalten. Dieses Schweigegelübde hat Herr Weyrauch in einem wachen Moment am Anfang des Verfahrens ziemlich deutlich zu erkennen gegeben. Er hat gegenüber dem ZDF unvorsichtigerweise auf die Frage, warum aus seiner Sicht dieser Prozess keine Gefahr für Roland Koch sein könne, nicht etwa gesagt: „Weil der nichts vom Schwarzgeld wusste“, sondern wortwörtlich geantwortet: „Können Sie sich nicht vorstellen, dass es in Deutschland noch drei Menschen gibt, die sich etwas vornehmen und das auch durchziehen und durchhalten?“ – Deutlicher kann man kaum sagen, dass dieser angebliche Geheimbund alter Männer zwar schwieg, aber dass diese drei beileibe nicht die Einzigen waren, die vom Schwarzgeld wussten.