Protokoll der Sitzung vom 08.06.2005

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Aber Sie haben jahrelang alle Mahnungen ignoriert, und jetzt machen Sie für den Sturz in das Schuldenloch natürlich die anderen verantwortlich.

Damit sind wir an einem entscheidenden Punkt. Das, was wir hier erleben, ist nichts anderes als das widerwärtige Verhalten des Brandstifters, der noch mit der Lunte in der Hand nach der Feuerwehr ruft. Ebenso ist das Verhalten der CDU in den von ihr regierten Ländern und im Bundesrat zu beschreiben – regelmäßig von Roland Koch aufgehetzt, alles zu blockieren und dann vor Ort die Löcher bei den Einnahmen zu beklagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sich im eigenen Land hinzustellen und für alles die Bundesregierung und Rot-Grün verantwortlich zu machen,obwohl in Wahrheit einzig und allein das eigene Verhalten das Desaster verursacht hat, ist der Trick, mit dem Sie es immer wieder versuchen. Das werden wir immer wieder deutlich machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Von den vom Deutschen Bundestag mit rot-grüner Mehrheit von 2003 bis Ende 2004 verabschiedeten Maßnahmen zum Subventionsabbau in Höhe von insgesamt 33,9 Milliarden c jährlich – auf volle Wirksamkeit hochgerechnet – ist gerade einmal ein Drittel realisiert worden. Aber Finanzentlastungsmaßnahmen in Höhe von jährlich fast 23 Milliarden c sind an der schwarzen Blockade gescheitert. Hessen – viele andere Bundesländer auch nicht – hätte keine Haushaltskrise, wenn nicht das Njet der CDU, insbesondere das von Roland Koch, immer wieder einen Subventionsabbau verhindert hätte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, da nützt es auch nichts, sich der Koch-Steinbrück-Aktion zu rühmen. Der Ministerpräsident hat das heute Morgen auch wieder versucht. Das war wahrlich kein durchgreifender Subventionsabbau.Vielmehr war das ein Gießkännchen im Sandkasten. Noch nicht einmal eine solch skurrile Subvention – das ist mein Lieblingsthema – wie die Befreiung des Haustrunks von der Biersteuer konnte abgeschafft werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann das nicht oft genug sagen. Man müsste vielmehr in allen Sälen und auf allen Plätzen laut rufen: Die Finanzkrise der öffentlichen Hände ist von der CDU und der CSU mit Bedacht ins Werk gesetzt worden. Die Parteipolitik kommt ganz klar und deutlich vor den staatspolitischen Notwendigkeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Plastischer kann man das nicht mehr vorführen. Stets und ständig die Bundestagsmehrheit durch eine Sabotage im Bundesrat zu blockieren, aber selbst keine konstruktiven Vorschläge machen zu können oder zu wollen ist eine vorsätzliche Schädigung des Ansehens und der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen auf allen Ebenen. Davon kommen Sie nicht weg, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts dieses Verhaltens sind die von Rot-Grün bisher erreichten Fortschritte in der Steuerpolitik durchaus beachtlich.Das Erbe von Schwarz-Gelb – die Gelben nennen sich immer gern „Steuersenkungspartei“ – lautete wie folgt. Einkommensteuer: Eingangssatz 23,9 %, Spitzensatz: 53 %. Heute liegt der Eingangssatz bei 15 %, der Spitzensatz bei 42 %. Das heißt, der Eingangssatz ist um mehr als ein Drittel abgesenkt worden. Der Spitzensatz liegt noch um mehr als 20 % niedriger. Sie können sich das auf dieser Grafik anschauen.

(Der Redner hält eine Grafik hoch.)

Einen solchen Tarifschnitt hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben.Vor allem hat es das nicht gegeben, solange die so genannte Steuersenkungspartei FDP mit in der Verantwortung war. Schwarz-Gelb steht vielmehr – das ist keine politische Polemik, sondern die historische Wahrheit – für regelmäßige Steuererhöhungen, sei es die Mehrwert- oder die Mineralölsteuer – um nur zwei Beispiele zu nennen. Auch anhand der Grafiken können Sie erkennen, dass sowohl der Eingangs- als auch der Spitzensteuersatz zu schwarz-gelben Zeiten immer deutlich höher lagen. In diese Zeit fiel sogar der absolute Spitzenwert.

Mit Blick auf die avisierte Bundestagswahl erscheint die steuerliche Situation, wie sie uns die Bundestagsopposition derzeit präsentiert, geradezu makaber. Tumultartig quillt aus den Ritzen hervor, was in der Tiefe der schwarzen Seele so alles angehäuft ist. Plötzlich soll die Eigenheimzulage nicht mehr tabu sein. Herr Stoiber kündigt Einschnitte an. Auch die Kilometerpauschale soll dran glauben. Diese Forderung kommt ausgerechnet vom Finanzminister des Musterländles der Autobauer. Da reibt man sich verwundert die Augen. Was gestern noch Teufelszeug war, ist heute – nachdem der Teufel weg ist – salonfähig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was heute noch blockiert wird, soll morgen gemacht werden – wenn man nur an die Macht kommt. Dreister kann man es kaum treiben. Das ist politische Erpressung in ihrer reinsten Form.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es geht nicht darum, Lösungen für Probleme zu finden, sondern darum, das Gemeinwesen so lange zu blockieren und die Staatsfinanzen so lange zu ruinieren, bis man sich an die Macht gebracht hat, und dann lauthals über die Erblast zu klagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren von der Union, was wollen Sie denn über den Wunsch hinaus, sich endlich in Berlin auf die Ministersessel zu setzen? Aus Hessen wird keiner kommen. Deshalb können Sie eigentlich ganz entspannt sein. Darüber haben wir heute Morgen schon diskutiert.

(Ministerpräsident Roland Koch:Was soll dann der Vorwurf?)

Herr Ministerpräsident, wenn es aus Hessen keiner wird, dann braucht Ihr auch nicht zu taktieren, sondern könnt endlich einmal die Wahrheit sagen und zur Klarheit beitragen. Das steht im Gegensatz zu dem, was Sie heute Morgen versucht haben, nämlich Verwirrung zu stiften.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

In der „Zeit“ vom 2. Juni sagt Herr Stoiber, es gelte das Konzept Merz-Faltlhauser mit Einkommensteuersätzen von 12 bis 39 %. Das bedeutet eine deutliche Nettosteuerentlastung. Drei Tage später sagt Koch im Deutschlandfunk, dass er den Menschen keine Steuerentlastung versprechen wolle. Zum Thema Steuererhöhung gibt er den Kaiser Franz: Schauen wir mal.

Andere in der CDU haben längst eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gefordert, während Westerwelle wiederum zum Kaventsmann wird und alles Sozialdemokratische aus der Union wegspülen will.Als kleine Kompensation für die jetzt so viel schwieriger gewordene Steuerhinterziehung fordert er eine niedrige Abgeltungsteuer für Kapitalerträge.

Ja, es ist Wahlkampf. Jeder versucht zunächst, sich der Unterstützung seiner Klientel zu versichern.

(Frank Gotthardt (CDU): Gut, das ihr es anders macht!)

Gern wird dann das eine oder andere vergessen, was man jahrelang gefordert hat, nicht wahr, Herr Kollege Gotthardt? Herr Kollege Al-Wazir hat heute Morgen bereits davon gesprochen. Das klassische Beispiel ist die Ökosteuer. Bisher gilt sie als Ausbund des grünen Horrors schlechthin. Laut Edmund Stoiber soll sie nun doch nicht abgeschafft werden.Dafür soll aber die Steuerfreiheit von Schichtzulagen, wie Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen, abgeschafft werden.

Kommen wir zu den Steuersenkungen nach der „MerzFaltlhauser-Tapete“. Übrigens nenne ich in Zukunft all das „Tapete“, was ein Konzept der Union sein soll.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das haben wir vom Wissenschaftsminister gelernt, und das ist auch ein passender Name:Vorne ist sie blumig oder rau, je nachdem, auf jeden Fall ist sie hinten klebrig, denn sonst fällt sie gleich hinunter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Merz-Faltlhauser-Tapete wird wegen des Wegfalls der Steuerfreiheit der Zuschläge zu einer stärkeren Belastung der Bezieher kleiner Einkommen und zu einer Entlastung der Bezieher höherer Einkommen führen, wenn das Konzept insgesamt so umgesetzt wird.

All das sollten die Wählerinnen und Wähler in der Tat wissen. Auch wir sollten das im Rahmen einer Diskussion wissen, wenn wir die schwarze Kakophonie richtig einschätzen wollen.

Was die Schwarzen und die Gelben wirklich wollen, bleibt im Nebel und ist, überdeckt von den Schlachtgesängen, kaum vernehmbar. In Wirklichkeit wollen Sie – ich sagte es bereits – auf die Ministersessel kommen. Man rangelt um die Plätze, und man verteilt bereits Bärenfelle, deren Besitzer noch munter brummen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Merz meldet sich und fordert Stoiber auf, zu erklären, was er denn nun werden wolle. Stoiber hält sich zurück, denn er möchte erst wissen, ob Merkel wirklich gewinnt oder ob es ihr so geht, wie es ihm selbst ergangen ist. Doch

Merz scharrt mit den Füßen; er will nun endlich die Bierdeckel-Steuererklärung einführen und freut sich bereits auf die Umsatzsteigerung bei den heimischen Bierfilzmanufakturen. Er hat aber wiederum Angst davor, was der Meister jetzt macht. Weimar ist noch nicht einmal als Schattenhallodri in der Diskussion.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir alle freuen uns auf den Wahlkampf.Aber worauf freut sich Roland Koch? Er freut sich weder auf einen Sieg von Merkel noch auf die Perspektive, in dem von ihm heruntergewirtschafteten Hessen bleiben zu müssen, während andere bei George W. Bush am Kamin sitzen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

An Main und Fulda findet Roland nicht die Herausforderung, die er sucht. Hier versauert er. Man sieht es ihm deutlich an.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Noch manch interessanter Auftritt ist vor und nach dem magischen Datum 11. Juli zu erwarten, wenn die vereinte Union der Wahlkämpfer die Hosen herunterlassen will und ihr Programm enthüllt. Dann können wir sehen, wie nackt und bloß Sie dastehen, erschöpft von der Blockade und ratlos mit Blick auf die Zukunft.

(Michael Denzin (FDP):Tata, tata!)

Dann gehen die Tumulte erst richtig los. Die Wahl im September ist noch lange nicht entschieden.Bis dahin werden wir alle noch viel Freude haben.

Ich komme zum Schluss und stelle fest: Der Sommer lässt noch auf sich warten, aber das schwarze Sommertheater ist schon in vollem Gang. Mal sehen, ob es nach dem letzten Akt nicht doch die Tragödie der Union mit der tragischen Heldin im Untergang geben wird. – Ich bedanke mich.