Protokoll der Sitzung vom 12.07.2005

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Die Verbraucherzentralen werden künftig noch stärker als bisher gezwungen sein, noch bessere Leistungen für noch geringere Kosten anzubieten. Wir begrüßen daher mit Nachdruck die vielfältigen Bemühungen der hessischen Verbraucherzentrale,sich mit neuen Konzepten den immer neuen Anforderungen zu stellen und verstärkt in Zusammenarbeit mit anderen Verbraucherzentralen hochwertige Dienstleistungen für Rat Suchende anzubieten. Die Initiative von zehn Länderverbraucherzentralen unter Mitwirkung der Verbraucherzentrale Hessen, über ein neues Medium, nämlich die „Verbraucherzeitung“, kostenlose Informationen regelmäßig anzubieten, verdient hierbei Respekt und unsere Unterstützung.

Meine Damen und Herren, die Lebensmittelsicherheit ist Kernpunkt unserer Verbraucherschutzpolitik. Alles muss seitens des Staates unternommen werden, um Verbraucher vor unerwünschten oder gesundheitsgefährdenden Stoffen zu schützen. Unsere heimischen Produzenten mussten hierzu in den vergangenen Jahren unzählige neue Auflagen erfüllen und ein kaum noch zu bewältigendes Berichtswesen gegenüber Behörden nachweisen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heißt das, sie können nicht bis drei zählen?)

Umso unverständlicher ist, dass unter der Verantwortung von rot-grüner Verbraucherpolitik bis zum heutigen Tag mit zweierlei Maß gemessen wird. Deutsche Produzenten müssen nicht nur die weltweit schärfsten Umwelt- und Verbraucherschutzvorschriften einhalten, die ihre Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU erheblichst strapazieren. Sie müssen darüber hinaus noch weitere staatlich sanktionierte Wettbewerbsnachteile hinnehmen.

Meine Damen und Herren, können Sie sich vorstellen, dass unter der Ressortverantwortung einer grünen Ministerin Produkte in Deutschland zur Vermarktung zugelassen sind, die hier nicht einmal hergestellt werden dürfen?

(Zurufe von der CDU: Hört, hört! – Unglaublich!)

Unter Frau Künast gelten unterschiedliche Rückstandshöchstmengen für Pflanzenschutzmittel.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie schrecken wohl vor nichts zurück!)

Grundlage dafür ist, wo das jeweilige Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird, nicht aber, wie viel sich davon im Produkt und in der Nahrungskette wieder findet. Ist beispielsweise die Verwendung eines Pflanzenschutzmittels XY in Deutschland verboten, so lässt Frau Künast den Import von Waren, die mit diesem in Deutschland verbotenen Pflanzenschutzmittel XY produziert wurden, mit der Argumentation zu, sie dürfe den freien Warenverkehr nicht behindern.

(Zurufe von der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wollen Sie denn? Das ist wieder Demagogie pur!)

Was ist das für eine scheinheilige Verbraucherschutzpolitik,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

die Bauern und Verbrauchern in Deutschland suggeriert, man wolle nach Möglichkeit nur noch ökologisch produzierte Nahrungsmittel in den Verkehr bringen, und gleichzeitig Hunderte von Ausnahmeregelungen zulässt, die in Deutschland verbotene, im Ausland aber zugelassene Pflanzenschutzmittel in Lebensmitteln zur Vermarktung gestatten?

(Zurufe von der CDU: Unglaublich!)

Frau Künast rechtfertigt ihre Verwaltungspraxis damit, alle Ausnahmeanträge würden von ihrer Behörde auf gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüft. Meine Damen und Herren, im Umkehrschluss heißt das doch, dass deutsche Bauern bestimmte im Ausland zugelassene Substanzen aus ideologischen Gründen bei uns nicht einsetzen dürfen, obwohl sie vom Künast-Ministerium bei ausländischer Ware als gesundheitlich unbedenklich eingestuft werden, oder dass Verbrauchern in Deutschland eine heile Scheinwelt des Verbraucherschutzes durch Frau Künast suggeriert wird, indem in Deutschland mit wissenschaftlich unhaltbaren Argumenten Agrarprodukte verboten werden,deren Produktion natürlich ins Ausland abwandert; und die Produkte landen wieder auf den deutschen Küchentischen. Frau Künast lässt die deutschen Steuerzahler diese heile Welt so mit Millionenaufwand finanzieren und vernichtet gleichzeitig in bisher als unvorstellbar erachteter Größenordnung Jahr um Jahr Tausende landwirtschaftliche Existenzen allein aus Gründen ideologischer Profilierung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Ursula Ham- mann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch unwahr! – Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Sie glauben doch selbst nicht, was Sie hier erzählen!)

Das und nichts anderes ist die Bilanz rot-grüner Verbraucherschutzpolitik seit 1998. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Apel. – Das Wort hat der Kollege Grumbach, SPD-Fraktion.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Herr Irmer, Ihren Bekanntheitsgrad möchte ich nie erreichen. So viel zum „unbekanntesten Politiker“.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Apel, ich gebe Ihnen in einer Beziehung Recht: Die hessische Verbraucherpolitik ist beispielhaft. Sie erinnert mich an den Satz meines Grundschullehrers, der immer gesagt hat: Jeder taugt zu etwas, mindestens als schlechtes Beispiel. – Genau das ist hier der Fall.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es ganz spannend, wenn Sie sozusagen versuchen, sich aus Debatten, die Sie geführt haben, locker hinauszustehlen. Ihre Fraktion hat hier relativ häufig gesagt: Na ja, bei dem, was die EU mit ihren Verträgen macht, ist der Vorrang des freien Handels ein hohes Gut.

Jetzt erleben Sie die Folgen, Frau Apel, und jetzt beklagen Sie sich darüber. An der Stelle bauen Sie wirklich einen Pappkameraden auf. Sie wissen, was Vertragslage ist. Wenn nicht, schenke ich Ihnen einmal den derzeit gültigen EU-Vertrag.Dann werden Sie feststellen,dass Sie nur aus Gesundheitsgründen bestimmte Dinge aufhalten können. Das ist das Einzige, was diese Regierung kann. Das ist das, was Ihre Fraktion mit begrüßt hat. An der Stelle sollten Sie Ihre Position überprüfen. Nachlesen würde helfen; denn dann würde sich das eine oder andere Argument in Luft auflösen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Aber kommen wir zum Kern zurück. Es geht im Kern um Verbraucheraufklärung. Um einmal das Wort „Aufklärung“ aufzunehmen: Ich erinnere daran, dass das der Weg aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit ist. Der spannende Punkt ist: Bei den Verbrauchern ist die Unmündigkeit nicht selbst verschuldet. Sie schreiben selbst in Ihren Anträgen und Ihren eigenen Reden – ich zitiere einmal das Regierungsprogramm der CDU –:

In fast allen Lebensbereichen sind die Interessen der Verbraucher gegenüber den zum Teil wirtschaftlich ungleich stärkeren Vertragspartnern zu berücksichtigen.

Im Verbraucherschutzfenster von Minister Dietzel steht:

Nur gut informierte Verbraucher können entscheiden, welche Produkte und welche Dienstleistungen ihr Vertrauen genießen und in einem angemessenen Preis-/Leistungs-Verhältnis stehen.

Die Zitate sind völlig richtig. Aber der spannende Punkt ist doch: Was tun Sie eigentlich dafür, um das Gleichgewicht herzustellen? Das ist doch die Frage, und dafür tun Sie einfach gar nichts.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie sich das Verbraucherschutzfenster anschauen, stellen Sie fest, dass Sie Substandardinformationen bekommen. Selbst die Stiftung Warentest schafft es mit völlig anderen Konstellationen, ein für Verbraucher attraktiveres, ein für Verbraucher interessantes Angebot zu geben.

Mit Verlaub, Frau Apel, 200 Hits auf dem hessischen Verbraucherschutzfenster gegenüber etwa 80.000 im Monat auf dem der Stiftung Warentest zeigen, wie weit Sie davon entfernt sind, überhaupt etwas zu leisten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann kommen wir zu dem zweiten Punkt, bei dem ich glaube, dass Sie überlegen müssen, ob das, was Sie schreiben, und das, was Sie tun, zusammengehören. Wir haben die skurrile Situation, dass Behörden in Deutschland über Informationen verfügen, die Verbrauchern helfen würden, wenn sie sie bekämen. Der Angriff, den die GRÜNEN zu Recht auf Ihre Partei richten, ist, dass Sie dafür sorgen, dass die Verbraucher die Informationen nicht bekommen.Das heißt,Ihre Partei sorgt mit ihrer Ablehnung dieser Gesetzesbestimmungen dafür, dass die Verbraucher nicht mündig werden. Sie hält sie in Unmündigkeit. Damit werden Sie sich auseinander setzen müssen, nicht nur im Bundestagswahlkampf, sondern auch in der Zeit danach. Denn Ihre eigenen Worte und das, was die Partei

tut, passen nicht zusammen. Es wäre an der Zeit, dass Sie Ihren Worten folgen und die Taten endlich dem anpassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann sind wir ganz schnell bei dem Punkt, wo Sie sagen: Neue Technologien laden zu Missbrauch ein. – Auch da ist die schlichte Frage: Wollen Sie sich ständig hinterher beklagen? Wollen Sie ständig hinterher darüber reden, dass das alles so missbraucht worden ist?

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Meine Antwort ist relativ schlicht – auch das war einer der angegriffenen Gesetzespunkte –: Hätten Sie bei all den Telefondiensten vorher eine Ansage der Kosten, würde sich mancher, bevor er überhaupt irgendeinen Cent bezahlt hat, schon überlegen, ob er nicht sofort wieder auflegt. Das haben Sie aber verhindert. Sie beklagen sich hinterher, ohne vorher das zu tun, was man machen könnte, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. Sie halten sie in Unmündigkeit, weil es Ihnen nicht in den politischen Kram passt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann komme ich zu der wirklich netten Debatte um die Schulden in Deutschland. Wir haben das doch im letzten Plenum gehabt. Diese Landesregierung misst mit zwei Maßstäben. Wenn einer 13 Millionen c Schulden hat, kauft sie ihm ein Schloss ab.Aber wenn der Normalsterbliche Schulden hat, kriegt er jedenfalls vom Land nicht einmal mehr die Beratung finanziert. Das ist Ihre Politik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Wenn Sie die Erfolge der Schuldnerberatung sehen und feststellen,dass die Menschen,die diese Beratung bekommen haben, nach der Hälfte der normalen Zeit keine Schulden mehr haben, dass die Menschen, die diese Beratung bekommen haben, häufig nicht mehr in die Situation kommen, in die andere kommen, dann wissen Sie, was Sie getan haben. Sie haben dafür gesorgt, dass die Menschen, die über keine großen Vermögen verfügen, überhaupt keine Hilfe bekommen. Das nennen Sie Verbraucherschutz. Ich nenne das schlicht Heuchelei.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns das insgesamt anschauen, dann glaube ich schon, dass Sie sich entscheiden müssen. Denn das, was Sie betreiben, was Sie immer begründen, ist Staatsverbraucherschutz. Staatsverbraucherschutz setzt nicht auf den mündigen Bürger, sondern bevormundet die Bürger. Wer anders als die Bürger selber kann die Informationen beurteilen? Ich glaube, wenn wir mehr gut informierte Menschen haben, kommen wir weiter.

Ich komme zum letzten Punkt, denn ich will meine Redezeit gar nicht ausschöpfen. Wenn man den Anfang Ihres Antrages liest, wird deutlich, wie sehr Sie aus Menschen Figuren und Rollen machen. Da steht dann: „im Mittelpunkt einer ideologiefreien Verbraucherpolitik“. Da steht nicht: im Mittelpunkt der Landesregierung. – Dabei könnte man sich etwas denken. Dann ist sie vielleicht doch nicht ideologiefrei. Da steht dann: „der gut informierte und eigenverantwortlich handelnde Marktteilnehmer“.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich sage Ihnen relativ klar: Wir Sozialdemokraten glauben schon, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die sich mit ein wenig Mühe darum kümmern müssen, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen in der Lage sind, das zu tun. Der Begriff „Marktteilnehmer“ macht aus einem großen Menschen jedenfalls eine ganz kleine Schablone. Das ist nicht unsere Politik. Das werden Sie verantworten müssen. Ich glaube, an der Stelle haben wir eine bessere Idee vom Menschen. – Danke.