Protokoll der Sitzung vom 13.07.2005

(Beifall bei der SPD)

Der Kollege Dietz hat sich bereits jetzt in die Büsche geschlagen.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Die Stadt Bad Nauheim müsste 360.000 c aufbringen. Der Kollege Dietz hat möglicherweise eine andere Argumentationslinie, weil die CDU bei der Bürgermeisterwahl mit 14,3 % so sehr versenkt worden ist, dass der Kollege Dietz sagen kann, Ministerpräsident Koch habe dafür eine Strafe in Höhe von jährlich 360.000 c verhängt.Aber kommunalpolitisch kann man mit so einer Position nicht überleben.

Abschließend komme ich zur Frau Kollegin Kölsch aus Bad Homburg. Bad Homburg soll außerordentlich viel zahlen, da sehr viele Besucher von Bad Homburg nach Frankfurt kommen. Frau Kölsch, Sie haben vorhin rhythmisch geklatscht. Wissen Sie überhaupt, für was Sie geklatscht haben? Sie klatschen für eine Nettozahlung Ihrer Heimatkommune an den Verband in Höhe von 1.682.000 c. Ist das wirklich ein Grund zum Jubeln? Ich kann mir das bildhaft vorstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Frau Kollegin kommt, motiviert von der Rede des Herrn Ministerpräsidenten, nach Bad Homburg, stellt sich vor ihre Oberbürgermeisterin und die gesamte CDU-Stadtverordnetenfraktion und sagt:

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

„Liebe Parteifreundinnen, liebe Parteifreunde, ich habe zwei Nachrichten für euch, eine gute und eine schlechte. Die gute Nachricht ist, Roland Koch kümmert sich um die Kultur. Die schlechte Nachricht ist, wir sind bankrott.“

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere aus dem Ballungsraum,wir geben Ihnen Gelegenheit – indem wir unseren ursprünglichen Antrag zurückgezogen

und einen neuen Antrag gestellt haben, der auf die Regierungserklärung und die etwas veränderten Zahlen,die der Herr Ministerpräsident genannt hat, reagiert –, heute in namentlicher Abstimmung, die ich hiermit ankündige, zu entscheiden, ob Sie für die Interessen der Menschen in Ihrer Kommune eintreten oder ob Sie Ihre Kommunen durch einen Zwangsbeschluss der Hessischen Landesregierung knebeln lassen.

Sie alle tragen letztlich die Verantwortung dafür – das freut mich, das sage ich ganz offen dazu –, ob die Kommunen im Ballungsraum in ein finanz- und kommunalpolitisches Desaster laufen werden. Sie, meine Damen und Herren CDU-Landtagsabgeordnete,werden vor Ort auch persönlich dafür verantwortlich gemacht, wenn eine örtliche Kulturpolitik nicht mehr stattfinden kann. Deshalb sollten Sie heute in namentlicher Abstimmung unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin nicht ganz sicher, ob schon diese Ausführungen – ich habe ja nicht jeden Ballungsraumabgeordneten angesprochen – die ganze CDU-Landtagsfraktion überzeugt haben, unserem Antrag zuzustimmen.

(Volker Hoff (CDU): Ich fühle mich diskriminiert!)

Deshalb will ich denjenigen, die sich noch nicht abschließend entschieden haben, wie sie auf unseren Antrag reagieren sollen, noch einmal etwas zu der Grundlage der Dringlichkeitserklärung des Hessischen Ministerpräsidenten darlegen.

Grundlage dieser Entscheidung sind die beiden mehrfach angesprochenen Gutachten, das Gutachten des Herrn Stölzl und das Gutachten des Prof.Pfäffli aus der Schweiz. Das Gutachten Stölzl ist in der Tat interessant, weil die eigentliche Aussage des Gutachtens Stölzl lautet, dass Kultur in Zukunft möglichst politikfern organisiert werden soll. Er spricht sich dafür aus, dass diejenigen, die entscheiden, welche Art von Kultur stattfindet, möglichst weit von der Politik weg sind. Diesen Ansatz kann man teilen, aber wir müssen feststellen, bislang war dies nicht der Ansatz, den die Kommunen im Rhein-Main-Gebiet und die Landesregierung vertreten haben.

Zweitens. Herr Stölzl vertritt die Auffassung, dass alles, was sich bisher in der Rhein-Main-Region an Kultur entwickelt hat, nicht wirklich metropolengerecht ist. Herr Stölzl spricht sich dafür aus, dass wir metropolengerechte Einrichtungen schaffen, unter anderem – das steht ausdrücklich in seinem Gutachten – ein Museum von Weltgeltung. Er erwähnt als Vergleich natürlich das Museum of Modern Art in New York oder das Centre Pompidou in Paris. Er sagt, internationale Konkurrenzfähigkeit setze Größe voraus.

Ich sage, diese Größe ist wünschenswert, aber sie kostet zusätzliches Geld. Auf die Frage, wo dieses zusätzliche Geld herkommen soll, Herr Ministerpräsident, haben Sie keine Antwort gegeben, bzw. Sie sind dieser Fragestellung ausgewichen. Soll der Anteil des Landes für den Statusquo-Erhalt verwendet werden, oder soll der Anteil des Landes für zukünftige Investitionen genutzt werden?

Das Gutachten Stölzl kann man so zusammenfassen: Kulturelles Wachstum in der Region ist notwendig. Wir müssen Einrichtungen schaffen, die weit über den jetzigen Status quo hinausgehen. Die zusätzlichen Landesmittel in Höhe von 10 %, die der Herr Ministerpräsident angekündigt hat, sind hierfür sicherlich nicht ausreichend.

Für die Kommunalpolitiker wird das Gutachten Pfäffli von weitaus größerer Bedeutung sein. Die Berechnung, die in diesem Gutachten vorgenommen wird, ist relativ einfach. Für diejenigen, die es interessiert, kann ich das im Einzelgespräch darlegen. Das Gutachten Pfäffli bezieht sich auf die Frage der Finanzierung. Der Ministerpräsident hat eben deutlich gemacht, dass er zunächst davon ausgeht, dass dieses Gutachten und die methodischen Schritte des Gutachtens Grundlage der Entscheidung über eine Verordnung der Landesregierung sein werden.

Ich möchte das Gutachten kurz darstellen, damit Sie wissen, worüber wir reden. Herr Pfäffli fragt in einem ersten Schritt:Was ist zu finanzieren? Dann betrachtet er die kulturelle Landschaft in der Rhein-Main-Region analog dem Kriterienkatalog, den auch der Herr Ministerpräsident angesprochen hat, und kommt zu dem Ergebnis, dass 33 Einrichtungen im Ballungsraum von überregionaler Bedeutung sind. Davon sind 24 Einrichtungen in Frankfurt und 9 Einrichtungen im übrigen Ballungsraum. Dass es ein bestelltes Gutachten ist, sieht man z. B. daran, dass „zufälligerweise“ jeweils eine Einrichtung aus jedem Landkreis – aus dem Kreis Offenbach sind es zwei – von Herr Pfäffli ausgewählt worden ist.

In einem zweiten Schritt fragt er: Wie viel Geld wird benötigt? Die Berechnung ist relativ einfach. Er schaut sich das Gesamtjahresbudget dieser 33 Einrichtungen an und addiert den jeweils öffentlichen Anteil für die Finanzierung.So kommt er zu einem Betrag in Höhe von 120 Millionen c.

Wenn der Herr Ministerpräsident jetzt darstellt – in dem Manuskript war ausdrücklich noch von 70 Millionen c die Rede –, dass es vielleicht nicht ganz 120 Millionen c werden, ist das wahrscheinlich schon eine Rückwärtsbewegung als Reaktion auf die ganz große Attacke, die am Wochenende von den eigenen Parteifreunden und am Montag von den Sozialdemokraten kam. Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten, zum einen die Anzahl der Einrichtungen oder zum anderen das Gesamtbudget der einzelnen Einrichtungen zu reduzieren. Der Status quo dieser 33 Einrichtungen kostet nämlich 120 Millionen c.

In einem dritten Schritt fragt Herr Pfäffli:Wer soll das bezahlen? Das ist sicherlich die interessanteste und die entscheidende Frage. Herr Pfäffli spricht sich für einen möglichst hohen Grad an Deckungsgleichheit von Nutznießern und Kostenträgern aus. Er spricht das Problem des „Nutzen-Spill-over“ an, also sozusagen des Überlaufens von Nutzern.

Deshalb untersucht er, woher die Nutzer kommen. Ich wusste nicht – der Herr Ministerpräsident hat es eben gesagt –, dass der Prüfzeitraum vier Wochen betrug. Wir müssen wissen, dass manche dieser als wichtig angesehenen Einrichtungen in diesen vier Wochen nicht offen waren. Das betrifft beispielsweise gewisse Events, die im Sommer stattfinden. Herr Pfäffli misst die Anzahl der Besucher. Deshalb glaube ich, dass die Verwendung dieses methodischen Ansatzes besonders gravierende Auswirkungen auf die Kommunen hat.Ich glaube aber nicht,dass dieser Ansatz einer wissenschaftlichen Bewertung standhalten kann.

Herr Ministerpräsident, in der Tat habe ich am Montag auf meiner Pressekonferenz in der kleinsten Gemeinde meines Wahlkreises, nämlich in Wöllstadt, deutlich gemacht – in Frankfurt sind sechs Besucher aus Wöllstadt gezählt worden –, dass, wenn in diesen vier Wochen zufällig die Landfrauen meiner Gemeinde Wöllstadt mit zwei

Bussen und 100 Personen nach Frankfurt gefahren wären, um die Alte Oper zu besuchen, nicht sechs Personen, was ungefähr 30.000 c entspricht, sondern 106 Personen, was einem Betrag von mehr als 300.000 c entspricht, gezählt worden wären. Ohne dass ich den Wöllstadter Landfrauen davon abraten möchte, in Zukunft die Frankfurter Kultureinrichtungen zu besuchen, muss ich sagen: Wenn Sie es ernst meinten mit diesem Gutachten, hätte das zur Folge, dass die Gemeinde Wöllstadt wegen des Besuchs der Landfrauen in Frankfurt bankrott wäre.

(Beifall bei der SPD – Ministerpräsident Roland Koch: Das ist doch untauglich!)

Herr Ministerpräsident, auch wenn Sie das untauglich finden: Ich habe schon oft genug die Gelegenheit gehabt, Sie hier zu erleben. Das Maß an Defensivität, mit der Sie heute Morgen Ihre Regierungserklärung vorgetragen haben, zeigt mir, dass Sie eines wissen: Sie wissen, dass Sie sich mit diesem Thema übernommen haben und dass Sie daran scheitern werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie es schon an dieser Stelle hören wollen: Ich kündige Ihnen hiermit den härtesten – oder, damit Sie es verstehen, in Ihrer Sprache: den brutalstmöglichen – Widerstand der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Hessischen Landtag, im Ballungsraum und, ich glaube, im gesamten Land Hessen an; denn das, was Sie hier vorschlagen, führt letztendlich zur völligen Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung.

Dies ist eine ganz entscheidende Frage.Wenn sich Roland Koch durchsetzt, brauchen wir nicht mehr über eigenständige Kommunen zu reden. Dann haben wir die Blaupause für eine Entmachtung der Kommunen; denn ganz ohne Geld gibt es gar nichts mehr zu entscheiden.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Roland Koch)

Herr Ministerpräsident, deshalb kündige ich Ihnen hier an: Mit diesem Vorschlag werden Sie in diesem Bundesland scheitern, und zwar nicht nur an den Sozialdemokraten, sondern auch an Ihrer eigenen Partei.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Roland Koch: Die SPD macht den Regionalkreis und redet über kom- munale Selbstverwaltung!)

Reden wir über die Antworten der SPD. Sie geben mir die Stichworte; das ist sehr freundlich.

Auch wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass herausragende Kultureinrichtungen in die gemeinsame Verantwortung der Region gehören. Das funktioniert aber nur dann, wenn dies nicht im Gegeneinander, sondern im Miteinander der Region erfolgt. Wir erleben momentan, dass die Reaktion auf Ihre Vorschläge – vorsichtig formuliert – eher ein Gegeneinander als ein Miteinander fördert. Die Gründe hierfür sind erkennbar; sie liegen auf der Hand.Wir haben sie Ihnen schon oft genug genannt. Das sind die Grundfehler des Ballungsraumgesetzes. Natürlich ist das auch die Auffassung des Herrn Pfäffli, der das nicht so deutlich schreiben darf, weil er von Ihnen bezahlt wird. Aber, Herr Ministerpräsident, die Ausgangsposition des Ballungsraumgesetzes, wonach eine Stadt wie Wiesbaden nicht zum Rhein-Main-Gebiet gehören soll, kann, abgesehen von den Mitgliedern dieser Landesregierung, kein Mensch verstehen. Ihr Ballungsraumgesetz ist von der Anlage her

ein Gesetz, das nicht für, sondern gegen die Region ist. Deshalb reden wir hier über die Früchte eines vergifteten Baums.Alles, was Sie aus dem Ballungsraumgesetz ableiten, muss schief gehen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Pfäffli traut sich an der einen oder anderen Stelle doch,etwas zu sagen.Ich nehme an,auch Sie werden diese Stellen mit Interesse gelesen haben. Er fragt nämlich:Wo kann man diese regionale Frage besser lösen,in einer Einzweckorganisation oder in einer Mehrzweckorganisation? Eine Mehrzweckorganisation hat den großen Vorteil, dass man unterschiedliche Interessen besser gegeneinander abwägen kann. Die wirtschaftliche Entwicklung in dem einen Bereich kann möglicherweise durch ein besonders starkes kulturelles Engagement in dem anderen Bereich ausgeglichen werden. Das gilt auch für den Naturschutz, eigentlich für alles zusammen. Er sagt dann wiederum, Einzweckorganisationen böten den Einstieg in eine Mehrzweckorganisation.

Aber, Herr Ministerpräsident, das, was in diesem Gutachten steht, bedeutet, auf Deutsch übersetzt, nichts anderes, als dass der gravierende Mangel in der Region RheinMain – das sagen wir Ihnen schon länger, als diese Legislaturperiode andauert – die mangelhafte Organisation ist. Auch Sie wissen das. Nur fehlt Ihnen die Kraft zu einem mutigen, historischen Schritt, der in die Zukunft weist, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Volker Hoff (CDU))

Jetzt sagen Sie, er redet weder über Kultur noch über Geld. Ich gebe Ihnen eine Antwort darauf, da Sie gelegentlich versuchen, mithilfe unseres Regionalkreismodells das Bild zu stellen, wir würden die Kommunen schwächen,statt sie zu stärken.Das Gegenteil ist wahr.Sehen Sie, nach unserer Auffassung bleibt die Kultur eine kommunale Aufgabe. Nach Ihrer Auffassung soll die Kultur eine staatliche Zwangsaufgabe werden.

Jetzt kommt ein bisschen Kritik.Wir sagen, dass, wenn die Kultur eine kommunale Aufgabe bleibt, eine Kommune, die entschieden hat, eine kommunale Einrichtung zu schaffen, grundsätzlich für die Kosten aufkommen muss. Wir sagen nicht, dass, wenn eine Kommune entschieden hat, sich das zu leisten, die Nachbarkommune dies quasi zwangsweise mitzufinanzieren hat. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz würden wir nur bei wirklich herausragenden Einrichtungen der kulturellen Szene in dieser Region machen. Der Unterschied zwischen unserer Position und der der jetzigen Landesregierung ist, dass wir, wie der gute Gutachter Stölzl bei dem, was über den Status quo hinausgeht, an die Zukunft denken.

Was den Status quo betrifft: Wenn Probleme entstehen, weil z. B. die Stadt Frankfurt entscheidet, eine bestimmte Kultureinrichtung zu schaffen,die sie dann finanziell nicht mehr tragen kann, bleibt es der Landesregierung unbenommen – auch dies ist eine Aussage aus dem Gutachten von Herrn Stölzl –, an dieser Stelle mit originärem Landesgeld bei der Finanzierung einzelner, von der Landesregierung als wichtig angesehener Einrichtungen helfend einzugreifen. Übrigens gehen auch andere Bundesländer in ihren zentralen Regionen so vor.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Birgit Zei- metz-Lorz (CDU))

Auch Sie machen das, Frau Kollegin. – Ich halte es für völlig richtig, dass das Land für den Umbau des Frankfur

ter Fußballstadions, ehemals Waldstadion, jetzt Commerzbank-Arena, 120 Millionen c aufgewandt hat.

(Zurufe von der CDU: 20 Millionen c!)

20 Millionen c.Als Fan der Frankfurter Eintracht hätte ich bei 120 Millionen c auch noch zugestimmt.Aber bleiben wir bei 20 Millionen c.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hängt davon ab, ob das Dach dicht ist!)