Herr Ministerpräsident, Sie waren erstaunlich unpräzise, was die Verfassungsgemäßheit des Ballungsraumgesetzes angeht. Der Staatsgerichtshof hat nicht gesagt, dass alle Instrumentarien, die im Ballungsraumgesetz vorgesehen sind, verfassungsgemäß sind. Er hat gesagt, es ist verfassungsgemäß, einen solchen rechtlichen Rahmen vorzugeben. Das gestehe ich Ihnen zu.
(Minister Karlheinz Weimar: Das ist schon einmal schön! Das hat der Staatsgerichtshof festgestellt!)
Darüber streiten wir doch gar nicht, Herr Weimar. Das hat der Staatsgerichtshof festgestellt. – Aber der Staatsgerichtshof hat auch festgestellt, dass damit über konkrete Zweckverbände, beispielsweise für Kultur, überhaupt keine Aussage getroffen ist: ob sie verfassungsgemäß sind. Insofern können Sie nicht auf der rechtlich sicheren Seite sein. Ich würde sagen, die angekündigten Klagen der Kommunen haben große Aussicht auf Erfolg: dass festgestellt wird, dass es so eben nicht geht, Herr Ministerpräsident.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Karlheinz Weimar: Wie beim letzten Mal! Zum Ballungsraumgesetz sind die gleichen Reden gehalten worden!)
Herr Weimar,dafür haben wir den Staatsgerichtshof,um das zu entscheiden. Sie haben Ihre Auffassung, wir haben unsere.
Sie müssen auch akzeptieren, dass Sie mit Ihrem Ballungsraumgesetz wesentliche Probleme im Rhein-MainGebiet nicht lösen.
Wir haben im Rhein-Main-Gebiet das Problem einer überbordenden Bürokratie und eines zu komplizierten Verwaltungsaufbaus. Das lösen Sie mit Ihrem Ballungsraumgesetz nicht. Sie machen alles noch viel komplizierter. Sie schaffen immer neue Gremien, immer neue Klubs. Das macht den Verwaltungsaufbau wirklich nicht einfacher.
Sie haben schlicht und ergreifend nicht die Kraft für eine umfassende Verwaltungsreform in unserem Land. Sie haben nicht die Kraft, die Regierungspräsidien und die Landkreise in neue Regionalkreise zusammenzuführen. Dafür fehlt Ihnen die Kraft, das wollen Sie nicht mehr angehen.
Herr Ministerpräsident,ich wundere mich,dass Sie da so laut dazwischenrufen. Es stand selbst einmal in Ihren CDU-Programmen, dass Sie die Regierungspräsidien in neue Verwaltungsstrukturen überführen wollen.
Nicht 1968 stand das darin, Herr Ministerpräsident. Das stand noch in Ihren jüngsten Programmen, und Sie haben heute nicht mehr die Kraft, diese Reform auf den Weg zu bringen.
Sie geben mit Ihrem Ballungsraumgesetz keinerlei Antwort auf die Finanznot der Kommunen.Wir haben die Situation, dass die Kreisumlage in immer neue Rekorde steigt. Gleichzeitig steigt die Verschuldung der Kreise und der Kommunen.Wir sagen jetzt: Mit einer beherzten Verwaltungsreform, mit dem Regionalkreismodell, wie wir es vertreten, können wir nicht alle Finanzprobleme der Kommunen lösen. Aber wir können dadurch, dass wir Verwaltungsstrukturen schaffen, die den Problemen angemessen sind, einen Beitrag dazu leisten, dass die Kommunen Geld sparen können. Diesen Beitrag wollen wir leisten. Das wollen wir realisieren. Aber Ihnen fehlt die Kraft dazu.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Sie denunzieren unser Regionalkreismodell gerne als großen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung.
Das Regionalkreismodell ist nichts anderes als eine Überprüfung der jetzigen Landkreisstrukturen.Wir sind sicher, wenn man es adäquat machen will, muss man die Landkreisgrenzen heute größer fassen, als man das in den Siebzigerjahren machen wollte. Das ist der Kern unseres Regionalkreismodells. Meine Damen und Herren, wir sind der Überzeugung, wir könnten die Probleme des RheinMain-Gebietes so besser lösen.
Meine Damen und Herren! Wenn es wirklich eines Beweises bedurft hätte,dass man einem solchen Thema nicht mit einer Regionalreform beikommen kann,dann war das der Beitrag meines Namensvetters. Sie werden doch nicht glauben, dass Sie die Kulturregion Rhein-Main, die in Wahrheit von Mainz bis Aschaffenburg und vom Norden Frankfurts bis herunter nach Heidelberg reicht, mit dem Modell des Regionalkreises lösen können.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Womit denn sonst? – Lebhafte Zurufe von der SPD)
Das ist doch einfach lächerlich. Meine Damen und Herren,es geht darum,dass – das hat der Ministerpräsident zu Recht noch einmal historisch dargestellt – in dem Verband, der so ähnlich konstruiert war, nämlich dem Umlandverband, der ein eigenes Parlament hat, die dort direkt gewählten und versammelten Repräsentanten es im
Meine Damen und Herren, es ist nicht wahr, was Sie, Herr Wagner, gesagt haben: dass die Marketinggesellschaft, der Regionalpark und die Verkehrsgesellschaft aus den Ideen der großen Lokal- und Regionalpolitiker entstanden sind. Das waren alles Anregungen der Landespolitik. Das ist doch das Problem, mit dem wir es zu tun haben.
Lassen Sie mich auf zwei, drei Dinge eingehen, die ich noch einmal vortragen will, weil Herr Weimar und ich in der letzten Legislaturperiode uns sehr darum gekümmert haben. Hier ist gefragt worden – das war immer die Frage der Oberbürgermeisterin von Frankfurt –: Warum bekommen die großen Staatstheater Kassel, Wiesbaden, Darmstadt und, dann versetzt mit einem anderen Schlüssel, auch die Landesbühne Marburg und das Stadttheater Gießen hohe Zuschüsse? – Meine Damen und Herren, weil es sich um Residenzstädte handelt, deren Erbe das Land Hessen angetreten hat, weil – auch das hat der Ministerpräsident zu Recht gesagt – sich die Stadt Frankfurt über Jahrzehnte auf ihre alte bürgerschaftliche Tradition gestützt hat, in der das Bürgertum, vor allen Dingen das jüdische Bürgertum, vor 100 Jahren fast alle großen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen selbst gegründet hat, meistens als Stiftung, und weil es sozusagen zur Ehre dieser Stadt gehörte, dass die Bürgerschaft möglichst viel selbst trägt und – das weiß Herr Corts aus seinen Erfahrungen, und das wissen alle Frankfurter Kolleginnen und Kollegen – über die Unternehmen Stiftungen akquiriert. Das hat z. B. in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass das Städel nicht nur durch eine Stiftung getragen wird, sondern dass die gesamte Sanierung mit über zweistelligen Millionenbeträgen an Euro von der Bürgerschaft selbst aufgebracht worden ist. Das ist der Unterschied.
Außerdem haben wir einen Kulturvertrag. Das haben die SPD-Kollegen zusammen mit den GRÜNEN in der alten Koalition noch auf den Weg gebracht.Ich will noch einmal die Zahlen nennen.Das hat damals das Kabinett der Stadt Frankfurt immer wieder ein bisschen vorgehalten. Der Kulturvertrag für zwei großen Kliniken, die Universität, die Universitätsbibliothek, eine ganzen Reihe anderer Einrichtungen bedeutet für die Stadt Frankfurt eine Entlastung vom Jahr 1999 bis in dieses heutige Haushaltsjahr 2005 in Höhe von 112 Millionen c. Hochgerechnet vom Finanzministerium und vom HMWK sind das bis zum Jahr 2010 über 227 Millionen c. Das ist ein Teil der Wahrheit.
Zweitens. Herr Kollege Weimar, dazu gehört noch, dass in den letzten Jahren für die Finanzierung, den Ausbau und die Verwaltung der großen Forschungseinrichtungen des Universitätsstandortes, den wir in Hessen haben und der einer der größten in Deutschland und in Europa werden kann, plus der Entlastung des Hoch’schen Konservatoriums – das hat die Vorgängerregierung 30 Jahre lang nicht gemacht – weitere 330 Millionen c pro Jahr vom Land Hessen an die Stadt Frankfurt als Standort von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen gehen. Das darf man nicht vergessen. Ich will das noch einmal ganz deutlich sagen.
Trotzdem ist es wahr – die Kollegin Beer hat das gesagt –: Die Städtischen Bühnen haben heute mit dem Standort des Schauspiels, vor allen Dingen mit der Oper, die zum
ersten Mal nach zwei Jahren unter Herrn Loebe zur Oper des Jahres in Deutschland erkoren wurde – das hatte nur Stuttgart geschafft, meine Damen und Herren –,
einen Qualitätsausweis, den wir so nicht haben. Deshalb will ich noch einmal sagen: Wir wollen am Beginn der Diskussion keine endgültige Entscheidung über einen Zweckverband treffen.Das hat Frau Beer deutlich gesagt. Herr Ministerpräsident, wir wollen mit unserem Vorschlag für eine gewisse Entmilitarisierung sorgen, weil ich glaube, das nützt nichts. Wir sehen das doch. Da sind unsere nicht besser als Ihre, die Schwarzen, die Roten und die GRÜNEN.Das muss geschehen,damit wir endlich aus der lokalen und der regionalen Befindlichkeit herauskommen: ob zu den 33 die Hugenottenhalle in Neu-Isenburg gehört oder das Stadttheater in Rüsselsheim oder die Burgfestspiele in Bad Vilbel, um nur die drei zu nennen; das erlaube ich mir. Entscheidend muss auch die ästhetische und kulturelle Qualität dieser so genannten Leuchttürme sein und nicht nur die Besucherzahlen.
Da wollen wir erst noch einmal ein bisschen gucken. Herr Hoffmann hat in dem Bericht, den er Ihnen im Dezember 2002 vorgelegt hat, von 17 großen Einrichtungen in Hessen insgesamt sieben herausragende in Frankfurt genannt. Dazu gehörte aber auch die Documenta in Kassel. Dazu gehörte das Jugendstil-Ensemble in Darmstadt. Dazu gehörten das neue Filmfestival „Go East“ in Wiesbaden, das sich unglaublich gemausert hat, und die internationalen Ferienkurse für neue Musik in Darmstadt.
Liebe Freunde, ich zähle dazu z. B. den Standort Aschaffenburg, wo Sie zurzeit im Kunstverein eine Chagall-Ausstellung sehen können. Als ich dort war, haben mich lauter Hessen begrüßt. Frankfurter, Wiesbadener, RheinMainer schauen sich diese tolle Ausstellung an. Das ist doch sozusagen unser Vorzimmer, die Diele zur Haustür.
Zum Theater in Mainz: Herr Zöllner und ich haben mit hohen Lottobeträgen eine Oper, die sich mit dem Schicksal von Celan beschäftigt hat, in Mainz und in Darmstadt und damals bei der Weltausstellung finanziert. Die Oper hatte einen solch hohen Rang, weil sie von Ruzicka, dem Leiter der Salzburger Festspiele, komponiert, geleitet und erstmals aufgeführt worden ist. Das sind die Dinge, wegen derer sich die ganze Welt ins Rhein-Main-Gebiet begibt.
Meine Damen und Herren, diese Region – das ist schon längst gesagt worden – umfasst mehr als das Gebiet des Ballungsraums. Deshalb ist es richtig, dass wir über verschiedene Wege nachdenken. Ich kann aber überhaupt nicht verstehen, dass die SPD heute hier, nur um einige Leute vorzuführen, namentlich darüber abstimmen lässt, welchen Weg man geht. Lieber Herr Walter, empfehlen Sie den drei genannten Kollegen – –
Es ist mehr als billig, das zu tun, was Sie getan haben. Es ist die Flucht vor der Verantwortung aus Ihrem alten Wahlkreis. Das werden wir nicht tun. Wir werden uns darum kümmern.
Das ist keine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit, bei niemandem. Aber wenn wir wollen, dass das RheinMain-Gebiet – wie der Ministerpräsident gesagt hat –
nicht nur wirtschaftlich bedeutend ist und viel größer erscheint, als es von den Einwohnerzahlen her ist, wenn wir wollen, dass es in Deutschland und in Europa wahrgenommen wird, dann ist es an der Zeit, dass wir alles daransetzen, dass in absehbarer Zeit tatsächlich etwas geschieht. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe viele Gespräche geführt und gelockt und auch ein bisschen gedroht. Die Eifersüchteleien in dieser Region sind das Schlimmste. Die müssen wir überwinden.
Vielen Dank, Frau Kollegin Wagner. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit sind wir am Ende der Debatte.
Wir haben den Antrag unter Tagesordnungspunkt 111 abzustimmen, den Dringlichen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und den Antrag Drucks. 16/4244. Zu diesem SPD-Antrag ist namentliche Abstimmung beantragt.
Zu dem Dringlichen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist vorgeschlagen, ihn an den Ausschuss zu überweisen. Gibt es hier andere Vorstellungen? – Dann ist der Dringliche Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend verbesserte kulturelle Zusammenarbeit in der Rhein-Main-Region – kein Kulturzwangsverband, Drucks. 16/4227, zur weiteren Behandlung an den Innenausschuss, federführend, und an den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst, beteiligt, überwiesen.