Protokoll der Sitzung vom 13.07.2005

Herr Kollege Gotthardt, wir sind bei den Kammmolchen jetzt auf einem guten Weg.

(Zurufe von der CDU)

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, wo es ebenfalls heißen könnte: Wir haben Recht gehabt. – Wir haben sehr früh darauf hingewiesen, eine NordhessenKonferenz einzurichten.

(Beifall bei der FDP)

Das wurde in diesem Landtag abgelehnt. Mittlerweile scheint auch die Landesregierung auf dem Weg zu sein,einen Dialog zu führen und dabei die Regionen Westthüringen, Ostwestfalen und Südniedersachsen einzubeziehen.Wir halten das als FDP-Fraktion für sehr sinnvoll und werden das unterstützen.

Wenn ich das aber zusammenfasse, dann zeigt sich nach meiner Auffassung und nach Auffassung der FDP-Fraktion, dass es für eine Region wie Nordhessen eben nicht ausreicht, wenn die Landesregierung ab und an eingeflogen oder angereist kommt, Staub aufwirbelt und dann schnell wieder verschwindet. Ich meine, diese Region verdient es, nachhaltig unterstützt zu werden. Da ist kontinuierliche Arbeit gefragt. Das wirft auch das Thema KasselCalden auf, das ich nur am Rande ansprechen will. Da ist es sicherlich berechtigt, in der CDU einmal für Ordnung zu sorgen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Heidel, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz sagen.Werte Kolleginnen und Kollegen, positiv gestimmt kann man für die Menschen im Raum Nordhessen selbstverständlich vieles erreichen. Aus den Ergebnissen des demographischen Wandels sollten wir die entsprechenden Schlüsse ziehen, nämlich Arbeitsplätze für junge Menschen zu gestalten versuchen, damit die jungen Menschen in der Region bleiben – –

Herr Kollege, der Satz ist zu lange.

Darauf müssen wir uns einstellen.

(Anhaltender Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Herr Dr. Jürgens für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, dass uns die Große Anfrage der FDP Gelegenheit gibt, uns etwas ausführlicher über die regionale Entwicklung in Nordhessen zu unterhalten. Herr Ministerpräsident Koch hat am 10. Mai dieses Jahres in Kassel mit den Präsidenten der Handwerkskammer und der IHK die so genannte „Kasseler Erklärung“ unterzeichnet. In dieser „Kasseler Erklärung“ wird eine ganze Reihe von Punkten, die auch in der Antwort auf die Große Anfrage der FDP genannt sind, deutlich.Vor allem wird eines ganz klar:Wir haben es hier mit einer Landesregierung zu tun, die bei der Entwicklung der Region vor allem auf Beton setzt: auf Autobahnen und auf Flugpisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie nennen das Ganze „Ausbau der Infrastruktur“. Ich sage, dass dies der Offenbarungseid einer Landesregierung ist, der für eine ganze Region nichts anderes einfällt, als sie mit Beton zuzukleistern. Durch einen Rückfall in die Siebzigerjahre mit den Mitteln der Siebzigerjahre kann Nordhessen für das 21. Jahrhundert sicherlich nicht fit gemacht werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir gleich auf das wichtigste Projekt zu sprechen, Stichwort: Flughafen Kassel-Calden. Darüber haben wir schon gestern in der Fragestunde gesprochen. Inzwischen steht fest – das ist nicht nur ein Einwand der Opposition –, dass dieses Nonsensprojekt die Region nicht voranbringen, sondern ruinieren wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kein einziges Luftfahrtunternehmen will in Kassel-Calden starten oder landen. Im Gegenteil, alle warnen vor einer gigantischen Verschwendung von Steuergeldern. Dazu ein paar Zitate. Joachim Hunold, Chef von Air Berlin, hat gesagt:

Wir brauchen keine Nonsens-Airports wie HofPlauen oder Kassel-Calden. Die Quittung bekommen dann die Steuerzahler.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Der Sprecher der Deutschen BA hat erklärt: „Wir planen derzeit nicht, Kassel-Calden anzufliegen.“ Peter Hauptvogel, Sprecher von Air Berlin, hat gesagt: „Die Airlines und Reiseveranstalter haben erklärt, dass sie bei der derzeitigen Marktlage kein Interesse an Kassel-Calden haben.“ Erst heute,ganz aktuell,wird in der „HNA“ der Generalsekretär der Interessengemeinschaft der in Deutschland tätigen Flugunternehmen, Martin Gaebges zitiert: „Calden ist ein klassisches Beispiel dafür, wie Steuergelder rausgeschmissen werden.“

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich könnte diese Zitatensammlung noch seitenlang fortsetzen, möchte Ihnen das aber ersparen. Es ist mittlerweile klar, dass alle Zitate in die gleiche Richtung weisen: Der Ausbau des Flughafens Kassel-Calden ist überflüssig und für die Steuerzahler ruinös.

Es ist nicht so, dass dies nur, wie Herr Minister Weimar gestern als Antwort auf eine mündliche Frage gesagt hat, die Wettbewerber des geplanten Flughafens meinen, die aufgrund ihres eigenen Wettbewerbsinteresses gegen den Neubau des Flughafens in Kassel-Calden – auch anderswo – sind. Vielmehr kündigen viele Luftfahrtunternehmen an, dass sie den Flughafen Kassel-Calden nicht brauchen und dort weder starten noch landen werden. Es gibt keinen Bedarf für einen solchen Quatsch. Der Herr Minister kann keinen einzigen Mitbewerber dieser Airlines aufbieten, der überhaupt ein Interesse am Flughafen Kassel-Calden hat. Das ist und bleibt Fakt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun hat der Herr Ministerpräsident gesagt – jedenfalls wird er so in der Presse zitiert; ich nehme an, dass das stimmt; es würde mit allem, was er bisher verlautbaren ließ, übereinstimmen –: Ohne Flughafen können wir uns alles andere sparen. – Ich sage: Im Gegenteil, durch Kassel-Calden werden alle anderen Maßnahmen für Nordhessen wertlos gemacht. Wer ein solches Nonsensprojekt als Leuchtturm regionaler Entwicklung anpreist, erklärt

in Wahrheit die ganze Region zu einem Nonsens. Er hat diese Region im Grunde genommen schon aufgegeben.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Deswegen werden wir, die GRÜNEN in der Region und im Landtag, weiterhin mit ganzer Kraft dafür kämpfen, dass die Mittel nicht für den Flughafen Kassel-Calden, sondern für vernünftige Strukturmaßnahmen in Nordhessen ausgegeben werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns über die Entwicklungschancen für Nordhessen unterhalten, müssen wir zunächst einmal schauen, wo die Probleme der Region liegen – die es natürlich gibt – und wo die Stärken sind, die wir entwickeln müssen. Die Probleme müssen wir, wenn möglich, bekämpfen. Natürlich – wer wollte das leugnen? – gibt es in Nordhessen Probleme. Zum Beispiel wird der Präsident der Universität Kassel nicht müde, zu betonen, dass in Nordhessen weniger Schüler Abitur machen, weniger studieren und dass sie weniger gut ausgebildet sind als die in den umliegenden Regionen. Hier müssen wir ansetzen.

Wenn die Landesregierung die Mittel für die Universität Kassel gekürzt hätte – das konnte zum Glück noch einmal verhindert werden –, wäre dies ein stärkerer Anschlag auf die Strukturen in Nordhessen gewesen als alles andere. Dann hätten wir uns nämlich tatsächlich alles andere sparen können. Zum Glück konnte das aber abgewendet werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Nordhessen zeigt sich jedenfalls besonders deutlich, dass Investitionen in eine bessere Bildung dringend notwendig sind. Deswegen bin ich froh, dass es in der Stadt Kassel inzwischen eine grüne Stadträtin gibt, die für Jugend und Schulpolitik zuständig ist

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Eine gute Frau!)

eine gute Frau, ganz genau – und dafür sorgt, dass sich die Situation in Kassel trotz der Schulpolitik der Landesregierung zum Besseren wendet.

Wir werden weiterhin dafür kämpfen,dass die Universität Kassel, auch in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Fulda und mit anderen Hochschulen, wie Marburg und Göttingen, zu einem wirklichen Leuchtturm der Entwicklung in Nordhessen wird.Es ist auch geplant,dass die Universität mit anderen Bildungsträgern der Region zusammenwächst. Das ist ein richtiger Weg, der unterstützt werden sollte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich gibt es weitere Probleme. Die Landesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage selbst eines benannt: Das produzierende Gewerbe überwiegt den Dienstleistungsbereich deutlich. Bei den Dienstleistern werden aber künftig – das ist die einhellige Auffassung – im Wesentlichen die Arbeitsplätze geschaffen, wohingegen das produzierende Gewerbe aufgrund der Globalisierung im Hinblick auf die Arbeitsplatzentwicklung weiterhin unter Druck stehen wird. Dabei geht es um den Arbeitsplatzexport ins Ausland usw.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich ist das produzierende Gewerbe notwendig. Dienstleistungen ohne Produktion sind wertlos, das ist klar. Selbstverständlich muss aber im Dienstleistungsbe

reich deutlich nachgelegt werden. Dieses Problem bleibt vonseiten der Landesregierung im Wesentlichen ohne Antwort. Wir haben in Kassel und in Nordhessen einen starken Rückgang des Finanzdienstleistungsgewerbes zu verzeichnen.Die Geschäfts- und Genossenschaftsbanken, die Versicherungen und andere Finanzdienstleister haben die Zahl ihrer Filialen in Kassel und anderswo auf ein Minimum reduziert. Sie haben sich aus Nordhessen sozusagen zurückgezogen und stattdessen in anderen Regionen, teils in Thüringen, teils in Südhessen oder ganz woanders – auch im Ausland –, Arbeitsplätze geschaffen. Ungefähr 1.500 Arbeitsplätze sind in Kassel und in der Region verloren gegangen.

Nach wie vor fehlt ein Bekenntnis der Landesregierung, im öffentlich-rechtlichen Sektor, also z. B. bei den Sparkassen, der Landesbank und der Landeskreditkasse, gegenzusteuern. Heute haben die regionalen Unternehmen – vor allem kleine und mittlere – kaum noch Ansprechpartner vor Ort, wenn sie Kredite aufnehmen wollen. Das ist ein wirkliches Investitionshemmnis in Nordhessen.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Macht doch eine grüne Bank auf!)

Es gibt sicherlich eine ganze Reihe von weiteren Entwicklungsproblemen in Nordhessen, die zu benennen ich hier keine Zeit habe. Keinesfalls aber gehört die Verkehrsinfrastruktur zu den zentralen Entwicklungsproblemen in Nordhessen, wenn man von einigen notwendigen Ausbaumaßnahmen im Straßenbau absieht.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Welche sind notwendig?)

Generell kann man sagen,dass die Erreichbarkeit der Region gesichert ist. Das Regionalmanagement Nordhessen stellt nicht umsonst den Slogan „Die Lage ist gut“ in den Mittelpunkt. Es meint damit die Lage Nordhessens in der Mitte Deutschlands, im Herzen Europas. Das ist ein Pfund, mit dem die Region in der Tat wuchern kann. Da sie logistisch gut angebunden ist, funktioniert das auch heute schon.

Es ist nicht verwunderlich, dass sich Nordhessen zum Logistikstandort entwickelt hat. Hier liegen weitere Potenziale. Das zentrale Ersatzteillager von VW hat seinen Standort in Baunatal. Ebenfalls von Baunatal aus agiert der Logistikunternehmer Rudolph, der längst nicht mehr nur, wie früher einmal, LKW auf die Reise schickt, sondern mittlerweile ganze Logistikketten organisiert: Know-how als Exportschlager aus Nordhessen.

In der Region gibt es eine ganze Reihe von Firmen mit Weltgeltung.Teile unserer Fraktion waren kürzlich zu Besuch beim Heizkesselhersteller Viessmann in Allendorf (Eder) , der inzwischen Hightech-Heizanlagen in alle Welt exportiert und in vielen Ländern der Erde über Standorte verfügt.Bombardier,Kali + Salz und Wintershall sind weitere Beispiele für nordhessische Unternehmen, die eine positive wirtschaftliche Entwicklung genommen haben. Die Firma SMA aus Niestetal bei Kassel ist Weltmarktführer bei der Herstellung von so genannten Wechselrichtern. Wechselrichter sind keine Juristen mit unsteter Entscheidungspraxis, sondern Bestandteile für Solarenergieanlagen.SMA hat inzwischen ungefähr 1.000 Beschäftigte und will ihre Zahl in den nächsten Jahren auf bis zu 2.000 erhöhen. Auch das Güterverkehrszentrum in Lohfelden hat fast schon seine Kapazitätsgrenze erreicht.