Protokoll der Sitzung vom 13.07.2005

Ich bin für den Europäischen Gerichtshof nicht verantwortlich; so ist die Rechtslage, Frau Ypsilanti.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Nein!)

Jeder kann mit seinem ganzen Kapital jederzeit aus Deutschland weggehen.

(Zuruf der Abg. Andrea Ypsilanti (SPD) – JörgUwe Hahn (FDP): Gott sei Dank!)

Jetzt sind wir dabei, darüber zu diskutieren, wie das mit der Besteuerung funktionieren könnte. Hier soll ein Sollkonto für die Steuern aufgebaut werden, und wenn der Betreffende in dem Land, in dem er sitzt, eine Steuer auslöst, soll uns der Tatbestand gemeldet werden, damit wir bei ihm die Steuer einziehen können.Vergessen Sie das.

(Zuruf der Abg.Andrea Ypsilanti (SPD))

Wenn Sie das Kapital nicht davon überzeugen, dass Deutschland der richtige Platz ist, um zu investieren, wird Ihnen hier nichts mehr bleiben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Das trifft die kleinen Leute. Ich bin da völlig fassungslos, weil wir in dieser Frage gar nicht auseinander sein dürften. Wenn das Kapital aus Deutschland hinausgeht, trifft das doch die kleinen Leute, und wenn Arbeitsplätze aus Deutschland verlagert werden, trifft es auch die kleinen Leute. Das aber ist jeden Tag der Fall, und daran sind Sozialdemokraten schuld,

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

weil sie mit ihrer Ideologie in der Auseinandersetzung nicht zu den wahren Problemen heruntergehen können.

Im Jahr 2000 hat es eine Reform der Körperschaftsteuer gegeben, was dazu geführt hat, dass wir keine Körperschaftsteuer mehr einnehmen. Insgesamt 7 Milliarden c waren es im letzten Jahr; es waren einmal insgesamt fast

30 Milliarden c. In Hessen gab es 2002 ein Minus. 2003 und 2004 hatten wir gerade noch ein Plus von 300 Millionen c. 300 Millionen c, das müssen Sie sich einmal vorstellen, in einem Land wie Hessen. Jetzt sind wir im ersten Halbjahr brutto bei 500 Millionen c und in Hessen bei einem Minus von 170 oder 180 Millionen c.Im vorigen Jahr hatten wir noch 800 Millionen c.

Sie sehen: Der Schwund in diesem Land wird immer größer. Sie aber machen nur Sprüche. Sie müssen die internationale Herausforderung annehmen. Warum gehen denn die Leute fort? Warum geht das Kapital aus Deutschland fort? Weil wir Bedingungen haben, unter denen viele einzelne Individuen entscheiden:Ich werde nicht in Deutschland bleiben. Wir können ihnen vorschreiben, was wir wollen; was ich meine, spielt doch überhaupt keine Rolle, sondern eine Rolle spielt, wie der Markt auf das reagiert, was wir tun.

Wir müssen reagieren, und deswegen brauchen wir eine Abgeltungssteuer. Jörg-Uwe Hahn hat dankenswerterweise gesagt, dass wir uns da einig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Natürlich ist es richtig, einen niedrigen Abgeltungssteuersatz einzuführen,damit in Deutschland wieder mehr Steuern gezahlt werden. Es ist – das gebe ich zu – eine intellektuelle Leistung, den Menschen in diesem Land zu erklären, dass man mit niedrigeren Steuersätzen mehr Steuern einnehmen wird.

(Beifall der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Das können Sie an einem ganz einfachen Beispiel festmachen.Als die Tabaksteuer zu hoch wurde,wurde so viel geschmuggelt, dass die Steuer erheblich zusammengebrochen ist. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass man eine Schraube auch überdrehen kann. Man muss immer versuchen, wettbewerbsfähig zu bleiben.

Deswegen haben wir auch die Kapitalrenditesteuer vorgeschlagen.Meine Damen und Herren,wenn wir im internationalen Wettbewerb nicht auf die Dauer mit der Gesamtsteuerlast der Konzerne und der kleinen und mittleren Unternehmen auf eine Größenordnung um die 25 % kommen, werden sukzessive alle aus Deutschland weggehen.

(Zuruf: Falsch!)

Sie werden teilweise hier bleiben, werden hier aber keine Steuern bezahlen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): So ist es!)

Sie werden ihr Kapital völlig legal transferieren. Heute, so wird gesagt, werden schon 80 Milliarden c in Deutschland verdiente Gewinne im Ausland versteuert.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das sagt alles!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie diese Gewinne mit 25 % besteuern könnten, hätten Sie 20 Milliarden c mehr in der Kasse. Das sind Gewinne, die in Deutschland erwirtschaftet werden. Sie hätten auch einen Sog hierher. Wenn Sie das Kapital in Deutschland vernünftig behandeln, haben davon alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer etwas, weil dann hier Arbeitsplätze geschaffen werden und Geld in Deutschland bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, wer sich dagegen wehrt, versündigt sich an den Interessen der kleinen Leute in diesem Land. Denn wenn Sie keine Arbeitsplätze haben, ha

ben Sie anschließend kein Geld für die Sozialkassen. Sie können die Löcher in den Sozialkassen nicht dauerhaft dadurch stopfen, dass Sie immer neue Steuergelder hineinstecken, die Sie nicht haben. Insofern hat Jörg-Uwe Hahn völlig Recht.

Natürlich müssen die Systeme so aufgestellt werden, dass sie sich aus sich selbst heraus tragen; darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel.

Wo wir im Moment in der Problematik einen kleinen Dissens haben – darüber wird zu reden sein –,ist die Frage,ob man es schafft, die Systeme vom ersten Tag an so zu stellen, dass sie sich aus sich selbst heraus tragen können, oder ob man z. B. durch Vorbindungen – wir kennen das – Beschlüsse fasst,die zwar auf die Dauer,aber nicht im ersten und im zweiten Jahr Volumen bringen. Man wird sehen müssen, was man mit der Steuer macht.

Ich bin der Meinung, dass bei der Arbeitslosenversicherung eine Absenkung von 6,5 auf 4,5 % erbracht werden kann. Sie wird nur nicht im ersten Jahr erbracht werden können. Dafür brauchen wir sicher einen steuerlichen Ausgleich. Bei der Staatsverschuldung, die wir im Moment haben,werden wir ein Problem haben,das Geld aufzubringen. Das heißt, der Prozess wird so aussehen, dass am Anfang eine mutige Entscheidung steht und in zwei, drei Jahren eine volle Wirkung im System eintreten wird.

Wer glaubt, dass die Systeme auf die Dauer aufrechterhalten werden können, wenn auf der einen Seite die Konjunktur abbricht,Arbeitsplätze verlagert werden und Kapital aus Deutschland flüchtet und auf der anderen Seite die Mechanismen so laufen, dass sich Systeme wie die Rentenkassen nicht mehr tragen können, wird auf die Dauer die Schwachen in diesem Land schädigen. Ich wehre mich deshalb einfach dagegen, dass sich Sozialdemokraten als Anwalt der Schwachen gerieren,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

wenn sie die Volkswirtschaft ruinieren und keine richtigen Konzepte haben,aber andererseits behaupten,man müsse nur den Reichen Geld nehmen, das dann die Kleinen hätten. Pustekuchen. Das ist doch nicht wahr. Die Realität widerlegt Sie jeden Tag. Am Ende werden die kleinen Leute in Deutschland die Leidtragenden sein. Sie sind es doch heute schon, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Machen Sie doch keine Sprüche. Heute finden ganze Hauptschulklassen keine Lehrstelle mehr. Wir kämpfen verzweifelt, dass wir es schaffen, und werden es auch schaffen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Realität ist, dass nicht irgendwelche bösen Firmen nicht mehr ausbilden wollen, sondern dass es einerseits infolge von Insolvenzen immer weniger Firmen gibt und dass sie andererseits wirtschaftlich so stehen, dass sie das nicht leisten können.

Gehen Sie einmal weiter: Was passiert denn nach der Ausbildung? Sagen Sie den Leuten einmal, woher die Arbeitsplätze kommen sollen. Fragen Sie einmal in einer Familie, in der der Vater arbeitslos ist und die Kinder nach der Ausbildung keine Arbeitsstelle bekommen, was sie von Ihrer Gerechtigkeitsthese halten.

Dieses Land wird nur gesunden,wenn wir es,und zwar mit erheblichen Einschnitten, schaffen,

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

die Arbeit in Deutschland wieder in den Vordergrund zu stellen und die Arbeitslosigkeit zu senken. Dann erreichen Sie etwas für die Menschen;denn Arbeit zu haben ist auch Wertschätzung für einen persönlich

(Beifall bei der CDU und der FDP)

und nicht nur ein Faktor in einer Rechnung.Sie beleidigen Monat für Monat fast 5 Millionen Menschen in diesem Land unter dem Gesichtspunkt, dass sie keine Chance haben, zu arbeiten, und damit in der Gesellschaft nicht die Position haben, die sie haben könnten.

Natürlich gibt es Menschen,die nicht arbeiten wollen,und natürlich gibt es welche, die sich total marktwirtschaftlich verhalten, weil sie dann, wenn sie arbeitslos sind, mehr Geld haben, als wenn sie arbeiten. Das ist alles richtig. Aber die große Mehrzahl der Menschen will arbeiten und leidet darunter, keine Arbeit zu haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deswegen brauchen Sie mir nicht zu erklären, die Sozialdemokraten seien Anwälte der kleinen Leute und derer, die arbeiten. Das sind Sie gerade nicht und werden es auch nie sein, wenn Sie weiter so reden wie hier.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ein letzter Punkt aus meiner Sicht zu den Finanzen. Haben Sie eigentlich eine Vorstellung davon, wie die finanzielle Situation in Deutschland ist?

(Reinhard Kahl (SPD): In Hessen kennen wir sie genau!)