Protokoll der Sitzung vom 14.07.2005

Die Statistik besagt, dass die Altersgruppe derer, die zwischen 18 und 25 Jahre alt sind, mit 25 % den höchsten Anteil an den Verkehrsunfällen aufweist. Die Statistik sagt darüber hinaus aus,dass diese Personen in aller Regel den Unfall in den ersten sechs Monaten nach Ablegen der Führerscheinprüfung haben.

Dabei gibt es ganz unterschiedliche Entwicklungen in den Ballungsräumen einerseits und in den ländlichen Räumen andererseits. Die Statistik weist aus, dass der Personenkreis, der zwischen 18 und 25 Jahre alt ist, in den ländlichen Räumen einen noch höheren Anteil bei den Verkehrsunfällen hat, nämlich bis zu 30 %. Das hängt damit zusammen, dass die Möglichkeit, andere Transportmittel zu benutzen, im ländlichen Raum nicht in dem Umfang vorhanden sind, wie das in den Ballungsgebieten der Fall ist.

Ich glaube, dieser Sachverhalt gibt Anlass, darüber nachzudenken, was man tun kann, um die Zahl der Verkehrsunfälle zu reduzieren, die teilweise sogar tödlichen Ausgang haben.

Es gibt dafür verschiedene Instrumente. Ein Instrument versucht, das Problem dadurch zu lösen, dass man jungen Führerscheininhabern die Möglichkeit eröffnet, ihre Probezeit zu verkürzen. Daneben gibt es aber ein anderes Modell,das auch bereits praktiziert wird.Das ist das so genannte begleitete Fahren.

Das begleitete Fahren besteht darin, dass in dem Jahr vor Erreichen des 18. Lebensjahrs, also dem Zeitpunkt, zu dem die richtige Führerscheinprüfung abgelegt werden kann und dann die Fahrerlaubnis erteilt wird, die Jugendlichen beim Autofahren von ihren Eltern begleitet werden. Das heißt also, ein Jahr lang haben sie dieses begleitete Fahren. Ein Jahr lang besteht die Möglichkeit, den Jugendlichen Tipps zu geben, wie man mit bestimmten Situationen am besten umgeht. Ein Jahr lang können diese Jugendlichen mit einem Erziehungsberechtigten, einer erwachsenen Person, Erfahrungen austauschen. Dabei können sie auch über besondere Situationen reden.

Wir alle haben irgendwann einmal den Fahrschulunterricht durchlaufen und die Führerscheinprüfung gemacht. Wir alle wissen, dass der Versuch unternommen wird, in die Ausbildung in der Fahrschule auch Extremsituationen einzubeziehen. Das betrifft das Fahren bei Nacht, bei Regen,auf der Autobahn usw.All dies hat nicht dazu geführt, dass es nicht dazu gekommen wäre, dass dieser Personenkreis in einem so hohen Maß in Verkehrsunfälle verwickelt ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

So sieht also dieser eine Lösungsansatz aus.Ich betone dabei, dass es sich um einen Lösungsansatz handelt. Es handelt sich dabei um einen Modellversuch, den das Land Niedersachsen bereits im Jahr 2004 begonnen hat. Dort haben sich insgesamt 12.000 Personen bereit erklärt, beim begleiteten Fahren mitzumachen. Die Erziehungsberechtigten haben sich dabei bereit erklärt, an einer 90 Minuten dauernden Schulung teilzunehmen.

12.000 Personen haben an dem Modellversuch teilgenommen. Dabei kam es lediglich zu fünf Blechschäden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Das alleine reicht weiß Gott nicht aus. Aber es ist ein Indiz dafür, dass es in der Tat eine Hilfe ist, wenn die Jugendlichen dieses Alters ein Fahrzeug nicht auf sich allein gestellt führen, sondern mit einer Begleitperson fahren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Dieses Modell ist umstritten gewesen. Allerdings hat sich im Laufe der Zeit ergeben, dass Hamburg dieses Modell zum 1. Januar 2006 übernehmen wird. In Bremen wird das ebenfalls ab dem 1. Januar 2006 praktiziert werden. Auch Schleswig-Holstein plant, diesen Modellversuch zu starten. In Saarland hat der Landtag einen entsprechenden Beschluss gefasst.

Ich habe den Erfolg eben selbst relativiert. Denn die Tatsache, dass es nur zu fünf Blechschäden bei 12.000 Teilnehmern gekommen ist,sagt noch nichts darüber aus,welche langfristigen Erfolge damit erzielt werden können.

Nun wissen wir, dass in anderen Ländern die Bedingungen ganz anders sind. In Irland können Sie auch im 70. Lebensjahr noch mit dem „L“-Schild hinten auf dem Auto fahren. Das führt dann auch zu den entsprechenden Restriktionen. Dort gibt es also eine ganz andere Praxis.

Das begleitete Fahren gibt es aber auch in Österreich. In Österreich hat man den Personenkreis, der zunächst ein Jahr lang begleitet gefahren ist und dann einen regulären Führerschein erworben hat, beobachtet. Man hat dort Untersuchungen darüber angestellt. Dabei stellte sich heraus, dass diese Personen 15 % weniger Unfälle hatten. Das ist schon ein verwertbares Ergebnis. Ich glaube, das ist ein Beweis dafür, dass es sinnvoll ist, dies auch in Hessen einmal als Modellversuch durchzuführen.

(Beifall bei der FDP)

Ich versuche, mich da etwas zurückzuhalten.Aber ich appelliere dabei insbesondere an die Mitglieder der Union, ihre Haltung zu ändern. Herr Kollege Gotthardt, Sie haben damals spontan reagiert.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Aber nicht begleitet!)

Die Initiative stammt ja vom Februar dieses Jahres. Manchmal ist es gut, dass die Arbeit der parlamentarischen Geschäftsführer auch dazu führen kann, dass ein solcher Antrag erst ein halbes Jahr nach Einreichung behandelt wird.

(Frank Gotthardt (CDU): Dann aber als Setzpunkt!)

Ja,jetzt wird er sogar als Setzpunkt behandelt.Das sollte sehr wohl ein Setzpunkt sein, und zwar insbesondere deswegen, weil es um das Thema Verkehrssicherheit geht.

(Beifall bei der FDP – Frank Gotthardt (CDU): War das vor einem halben Jahr anders?)

Meine Damen und Herren, es geht um ein Problem der Verkehrssicherheit.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Ich weiß gar nicht, warum Sie jetzt so reagieren. – Es geht darum, Verkehrstote unter den jungen Menschen dieses Landes zu vermeiden.

(Beifall der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Herr Gotthardt, ich will darauf noch einmal eingehen. Sie haben damals sehr spontan reagiert und gesagt, es handele sich dabei um ein „aktionistisches“ Modellprojekt.

Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie damals über dieses Modellprojekt noch keine Informationen hatten und deswegen so reagiert haben. Ich weiß auch, dass man, als wir das diskutiert haben, mich gefragt hat: Muss das denn sein? Es sind doch schon genug 18-jährige Raser unterwegs. Sollen jetzt auch noch die 17-Jährigen rasen? – Das war der Hintergrund dieser spontanen Reaktion.

Ich bitte aber die Mitglieder der Union, einmal darüber nachzudenken, ob es nicht doch sinnvoll sein kann, noch einmal darüber zu diskutieren, ob wir es nicht mit diesem Modellprojekt versuchen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Herr Gotthardt, Sie entgegnen, das bisher bestehende System habe sich bewährt. Ich habe es eben dargestellt. Das bisherige System besteht darin,dass jemand eine Verkürzung der Probezeit erreichen kann, wenn er sich nachschulen lässt.

Es hat sich eben nicht bewährt, weil dieses System eine Möglichkeit ist, aber gar nicht so angenommen wird. Deswegen sage ich: Das bisherige System der Probezeitverkürzung durch Nachschulung ist eine Möglichkeit, aber das begleitete Fahren ist eine andere Möglichkeit, und sie ist ein Aliud gegenüber der Verkürzung der Probezeit. Deswegen ist meine Bitte, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Frage sehr nüchtern noch einmal im Ausschuss zu diskutieren und sich mit diesem Problem der Risikogruppe der jungen Fahranfänger zu befassen.

Das Projekt in Niedersachsen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist von Herrn Prof. Stiensmeier-Pelster von der Universität in Gießen begleitet worden. Ich möchte sehr an Sie appellieren, dieses Thema unaufgeregt zu diskutieren und möglicherweise einmal im Ausschuss mit jenen zu diskutieren, die ein solches Projekt wissenschaftlich begleitet haben,um sich von denen sagen zu lassen – dort haben beispielsweise Gespräche mit den Erziehungsberechtigten und den Fahrteilnehmern stattgefunden –, welche Erfahrungen sie gemacht haben, um dann vielleicht doch dazu zu kommen, sich in die Kette derer einzureihen, die diese Modellversuche im Land bereits machen. Ich glaube, es ist den Schweiß der Edlen wert, dies noch einmal zu diskutieren und auch zu machen.

Wie gesagt, beide Systeme haben unterschiedliche Zielsetzungen, beide Systeme, das der Nachschulung bzw. das des begleiteten Fahrens, schließen sich nicht gegenseitig aus. Ich meine, wir sollten so etwas versuchen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gebe mich auch da keinen Illusionen hin.Auch das ist keine Ideallösung, denn wenn die Eltern nicht bereit sind, sich mit den Jugendlichen, mit ihren eigenen Kindern in dieser Weise auseinander zu setzen, wird das begleitete Fahren auch nicht helfen.

(Frank Gotthardt (CDU): Es würde schon reichen, wenn die Autos nicht so viele PS hätten!)

Aber ich meine, es gibt denjenigen eine Chance, deren Eltern bereit sind, in dieser Begleitphase zu betreuen. Ich meine,diese Chance sollten wir nutzen,damit Jugendliche besser in die Verkehrssituationen hineinkommen und dies entsprechend üben.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir das zum Gegenstand eines Setzpunkts gemacht. Herr Kollege Wagner, wir können dann auch über ganz andere Fragen diskutieren, die Sie in diesem Zusammen

hang mit Ihrem Antrag eingebracht haben. Ich sage nur: Ein Ticket für Jugendliche ist wiederum etwas anderes als das begleitete Fahren. Auch darüber sollten wir dann diskutieren. Da gibt es andere Probleme, die zu lösen sind.

Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen für die FDPFraktion sehr verbunden, wenn dies ein Thema wäre, wo wir fraktionsübergreifend gemeinsam eine Initiative von der Landesregierung erbitten, die letztendlich der Verkehrssicherheit aller Menschen dient, denn es sind nicht nur die Jugendlichen selbst betroffen, sondern auch all diejenigen, die in Verkehrsunfällen mit Jugendlichen verwickelt sind. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Kollege Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Posch, vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben Sie die Unterstützung.Auch wir sind der Meinung, dass uns die Landesregierung eine Vorlage zum begleiteten Fahren machen sollte, wo wir dann im Ausschuss sehr sorgfältig das Für und Wider diskutieren können. Das Thema eignet sich in der Tat nicht für Parteipolitik oder Zuspitzungen.

Es geht schlicht und ergreifend darum, dass die Zahl der Unfallopfer gerade bei Fahranfängern erschreckend hoch ist und dass wir uns deshalb Gedanken darüber machen müssen, wie wir die Unfallzahlen reduzieren können. Da gibt es verschiedene Wege. Einer dieser Wege ist das begleitete Fahren. Die Erfahrungen, die bislang in Niedersachsen oder auch in Ländern außerhalb Deutschlands damit gemacht wurden, zeigen, dass es sehr wohl einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten kann.

Wir haben in Niedersachsen zwar erst ein Jahr lang Erfahrungen damit gemacht, aber mit sehr guten Ergebnissen,und wir wünschen auch,dass uns die Landesregierung eine Zusammenstellung und eine Vorlage für den Ausschuss macht, welche Erfahrungen bislang mit dem begleiteten Fahren gemacht wurden. Was wir bislang kennen, deutet darauf hin, dass es einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten kann. Wenn sich das in der Tendenz bestätigt, befürworten wir einen solchen Modellversuch auch in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Posch hat auch schon angesprochen, dass es manchmal ganz gut ist,wenn Anträge ein bisschen im Verfahren sind und man dadurch noch weitere Erkenntnisse hat. Herr Kollege Posch, Sie wissen, dass sich auch der Automobilclub von Deutschland zu diesem Thema geäußert und Anforderungen gestellt hat.Er hat vor allem thematisiert, welche Bedingungen denn die Begleitpersonen eigentlich erfüllen müssen. Ich finde, das ist ein wichtiges Thema, dass die Begleitperson dann tatsächlich auch mit der nötigen Sorgfalt auf den Fahranfänger einwirken kann.Auch dazu gibt es ja mittlerweile eine Regelung und einen Vorschlag auf Bundesebene. Es gibt also einen bundesgesetzlichen Rahmen bzw. eine Ermächtigung für eine Verordnung, auch das zu regeln, sodass wir hier einen deutlichen Schritt weiter sind und gute bzw. bessere Rah

menbedingungen für einen solchen Modellversuch auch in Hessen haben.

Wie gesagt, ich glaube, wir können im Ausschuss zu einer sehr guten Beratung kommen. Ich würde mir, wie auch der Kollege Posch, wünschen, dass wir eine solche Initiative fraktionsübergreifend beschließen. Ich stimme Ihnen auch zu, Herr Kollege Posch, dass wir in unserem Antrag zwei Gegenstände behandeln. Der eine Gegenstand ist die Verkehrssicherheit. Da wollen wir Verbesserungen erreichen.Der zweite Gegenstand in unserem Antrag ist das generelle Mobilitätsbedürfnis von Jugendlichen.