Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Jugendbildungsförderungsgesetz – Drucks. 16/4508 –
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Jugendbildungsförderungsgesetz tritt am 31. Dezember 2005 außer Kraft. Die Novelle, die ich Ihnen heute vorlege, beinhaltet vor allem eine Modernisierung des Jugendbildungsförderungsgesetzes zum einen durch das Einfügen einer Verordnungsermächtigung, um die bisher im Gesetz geregelte Mittelverteilung zu erleichtern, zum anderen durch das Vorhaben, überholte Sonderregelungen sukzessive auslaufen zu lassen.
Insbesondere soll durch das neue Gesetz die Möglichkeit geschaffen werden, das bisherige so genannte ClosedShop-System bei der Gruppe der ergänzenden Träger zu beseitigen sowie Anerkennungen zeitlich zu befristen, sodass auch neue Träger die Chance erhalten, an den Fördermöglichkeiten des Gesetzes zu partizipieren.
Das Jugendbildungsförderungsgesetz ist das zentrale Instrument des Landes zur Förderung der außerschulischen Jugendbildung in Hessen. Ich möchte noch einmal einige wesentliche Strukturmerkmale des bestehenden Gesetzes nennen.
Das derzeit gültige Jugendbildungsförderungsgesetz kennt drei Gruppen von Trägern der Jugendbildungsarbeit: die örtlichen öffentlichen Träger, nämlich 35 Jugendbildungswerke in Hessen, die freien Träger mit 29 Jugendverbänden und die fünf ergänzenden Träger. Insgesamt steht ein Mittelvolumen von 6.321.000 c für die Arbeit in der außerschulischen Jugendbildung zur Verfügung. Davon erhalten die öffentlichen Träger bisher 41 %,während die 29 anerkannten Jugendverbände 51 % bekommen. Die sonstigen Träger erhalten 5 % der zur Verfügung stehenden Lotterieeinnahmen.
Mit der Novellierung im Jahr 1998 wurden 3 % der zur Verfügung stehenden Mittel – das waren damals jährlich rund 189.000 DM – zur Erprobung neuer Wege in der außerschulischen Jugendbildung ausgewiesen. Hierfür konnten sich weitere Träger bewerben.Wir haben mit diesen Mitteln z. B. das Programm „Partizipation“ und das Programm „Partizipation und interkulturelle politische Bildung“ mit einem Fördervolumen von jeweils 600.000 c aufgelegt.
Das Hessische Sozialministerium entscheidet auch heute noch über die Vergabe der experimentellen Mittel. Hervorzuheben ist sicher noch einmal, dass über das Einsatzfeld und das Verfahren der Vergabe der Mittel jeweils innerhalb der einzelnen Trägergruppen entschieden wurde. Dort hat man beschlossen, wie die Mittel weitergeleitet werden.
Im Jahr 2002 wurde das Jugendbildungsförderungsgesetz im Zuge des Haushaltsgesetzes 2002 nochmals geändert. Damals – in einer, finanzpolitisch gesehen, durchaus nicht einfachen Zeit – wurde der Deckel noch einmal angehoben, sodass den Trägern, die im Rahmen des Jugendbildungsförderungsgesetzes Mittel erhalten, also den Destinatären, 3 % mehr Einnahmen zur Verfügung standen. Das war sicher ein ganz wichtiger Punkt, wenn es darum ging, Maßnahmen in der außerschulischen Jugendbildung besser mit Geld auszustatten.
130 Jugendbildungsreferentinnen und -referenten, die jährlich für rund 5.000 bis 6.000 Maßnahmen verantwortlich sind, werden mit dem Jugendbildungsförderungsgesetz erreicht. Rund 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesen Veranstaltungen sind zu verzeichnen. Im Übrigen gibt es dort eine sehr große Ausgewogenheit zwischen Frauen und Männern. Wenn es um Jugendbildung geht, ist es das Ziel, alle gleichberechtigt zu schulen.
Was die inhaltlichen Vorgaben des Jugendbildungsförderungsgesetzes betrifft, so ist anzumerken, dass es bewusst offen gehalten ist. Außerschulische Jugendbildung ist keine Gesinnungsschulung, sondern sie zielt auf die mündigen jungen Menschen ab. Diese Möglichkeiten stehen den Trägern, je nach ihrer Ausprägung, tatsächlich zur Verfügung. Das heißt, die Mittel werden z. B. bei der Jugendfeuerwehr anders eingesetzt als bei der evangelischen Jugend, einem konfessionellen Verband also. Was das Aufgabenfeld betrifft, so wird auf die Selbstständigkeit der Träger geachtet – was ein plurales Angebot einschließt.
Wir haben daher einige klare Strukturmerkmale, die bereits mit dem Gesetz,das heute in Kraft befindlich ist,verwirklicht werden.Aber das ist noch lange kein Grund,ein
fach „Weiter so mit diesem Gesetz“ zu sagen.Auch in der Vergangenheit hatten wir Probleme.Das heißt,es gab Träger, die auch außerschulische Jugendbildung anbieten, aber aufgrund des Closed-Shop-Systems keine Möglichkeit hatten, an den durch das Jugendbildungsförderungsgesetz zur Verfügung gestellten Mittel zu partizipieren.
Das war für uns ein Grund, den Bereich, der die drei verschiedenen Gruppen umfasst, zu überdenken und diese Überlegungen in die jetzige Novellierung aufzunehmen; denn die ergänzenden Träger – bisher fünf an der Zahl – erhalten lediglich 5 % der zur Verfügung stehenden Mittel, also 316.000 c pro Jahr. Hätten wir dort weitere Träger aufgenommen, hieße das für die bereits anerkannten, dass die zur Verfügung stehenden Mittel automatisch geringer ausfielen.
Es werden jedoch immer wieder Anträge auf Anerkennung als selbstständiger Träger eingereicht. Mit der Gesetzesnovellierung wollen wir das Verfahren in diesem Bereich öffnen.
Der Gesetzentwurf schlägt folgende Neuregelungen vor. Der bisherige Finanzrahmen wird beibehalten.Die Träger werden in zwei statt wie bisher in drei Gruppen aufgeteilt: zum einen in die freien Träger und zum anderen in die öffentlichen Träger.Die Gruppe der freien Träger wiederum wird danach aufgeteilt, ob es sich um Jugendverbände oder sonstige freie Träger handelt.Die Förderung der sonstigen freien Träger wird zeitlich befristet, um praktikable Wege der Qualitätskontrolle zu schaffen. Um die Fluktuation, also den Wechsel innerhalb dieser Gruppe, zu ermöglichen,soll das so genannte Closed-Shop-System wegfallen, aufgrund dessen nur fünf Träger vorgesehen sind. In Zukunft sollen mehr Möglichkeiten geschaffen werden.
Durch eine Verordnungsermächtigung, die in den Gesetzentwurf mit aufgenommen ist, sollen Änderungen der bisher im Gesetz geregelten Mittelverteilung künftig erleichtert werden. Es gibt die ausdrückliche Verpflichtung, neben den Landesmitteln auch eigene Mittel oder Drittmittel einzusetzen.
Das gilt vor allem für die öffentlichen Träger, deren eigentliche Aufgabe die Jugendbildung ist. Die Landesmittel sind dort als ergänzende Mittel zu sehen. Gerade für die kommunalen Träger heißt das, dass sie in die außerschulische Jugendbildung einen eigenen Anteil dauerhaft einbringen müssen; denn hier gilt der Grundsatz, dass die Aufgabe bei dem zuständigen Träger liegen muss und dass das Land mit ergänzenden Mitteln, die in vollem Umfang erhalten bleiben, einsteigt.
Ich möchte noch auf einen weiteren wichtigen Punkt hinweisen.Was die Verordnungsermächtigung zur Mittelverteilung betrifft, die wir in den Gesetzentwurf aufgenommen haben, so gilt, dass wir den Fraktionen den Entwurf für die Verordnung, die wir planen, gleich mit zur Verfügung stellen – das war auch Thema der Anhörung –, damit deutlich wird, um welches Mittelvolumen es geht und wie die Aufteilung zukünftig aussehen soll.
Wir behalten das Modell der Innovationsmittel bei. Wir halten es für wichtig, dass das Land auf diese Weise Möglichkeiten hat, auch in Zukunft neue Wege in der Jugendpolitik auszuprobieren.
Die Trägeranerkennung soll weiter durch das zuständige Ministerium erfolgen. Das heißt, auch dort ist es ganz wichtig, dass wir als Land die Möglichkeit haben, zu ent
Wir haben im Verteilungsverfahren einen Minderheitenschutz über die Festlegung einer Mitbestimmungsquote von drei Vierteln innerhalb der jeweiligen Trägergruppe aufgenommen, sodass die Sicherheit besteht, dass auch dort eine große Mehrheit der Mittel tatsächlich zur Verteilung bereitsteht. Beibehalten wird auch die selbstständige Verteilung innerhalb der Trägergruppen.
Die Transparenz des Mitteleinsatzes durch ein quantitatives und qualitatives Berichtswesen ist nochmals mit aufgenommen worden, ebenso die Befristung des Förderanspruchs für die Gemeinden, die nicht örtliche Träger der Jugendhilfe sind. Denn typischerweise ist die Jugendbildung eine Aufgabe der örtlichen Jugendhilfeträger. So können sich die Kommunen auch darauf einstellen.
Die hessische Bildungsarbeit ist darauf ausgerichtet, dass bei jungen Menschen der Erwerb von Informationen und Kompetenzen mit der Bereitschaft und Fähigkeit verknüpft wird, sich eine eigene Meinung zu bilden, Werturteile zu fällen. Vor allem erhalten dort die freien Träger die Möglichkeit, in der Jugendbildung ihre eigenen Akzente zu setzen.
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig,dass wir das Gesetz novellieren und weitere Möglichkeiten schaffen, aber auch klar die Erhöhung der Mittel aus dem Jahr 2002 so beibehalten, dass dort die Möglichkeit besteht, tatsächlich auf einem festen Fundament in der Jugendbildungsarbeit zu planen.
Ich denke, das ist eine gute Grundlage für die Novellierung des Gesetzes. Ich hoffe auf die Zustimmung der Fraktionen dieses Hauses.
Vielen Dank für die Einbringung.– Frau Eckhardt hat das Wort für die SPD-Fraktion. Frau Eckhardt, Sie haben zehn Minuten Redezeit.
Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! Mit dem Entwurf zur Novellierung des Jugendbildungsförderungsgesetzes liegt uns ein Text vor, von dem die Sozialministerin in Anspruch nimmt, dass er zur Modernisierung der außerschulischen Jugendbildung in Hessen führen wird, die Mittelvergabe vereinfachen und weiteren Trägern die Partizipation an Fördermitteln ermöglichen soll.
Frau Ministerin, allein die Veränderungen in § 1, die neue Beschreibung von Inhalten und Aufgaben der Jugendbildung,werfen bei uns doch erhebliche Fragen auf.Da kommen einige Befürchtungen hoch.
Warum ist beispielsweise der Terminus „Demokratisierung“ ersatzlos gestrichen worden? Warum wurde die bisherige emanzipatorische Zielsetzung so abgeschwächt? Warum wird dem Abbau gesellschaftlicher Benachteiligung als bloßes Anhängsel im letzten Satz so wenig Bedeutung beigemessen? Wo bleibt der Hinweis auf die weltweite ökologische Verantwortung? Und wo bleibt in einer Welt der Globalisierung der Hinweis auf die Notwendigkeit, über den nationalen Rahmen hinweg Solidarität zu entwickeln?
Das sind doch die Probleme, mit denen sich gerade junge Menschen und kommende Generationen zunehmend werden auseinander setzen müssen.
Frau Ministerin, was sagten Sie eben? Sie wollen keine Gesinnungsschulung. – Gut. Wir haben allerdings die Befürchtung, dass Sie mit diesem Gesetz massiven Einfluss auf die inhaltliche Umgestaltung der außerschulischen Jugendbildung im Sinne Ihres konservativen Weltbildes nehmen wollen und die angeblich größere Pluralität und Differenziertheit des Angebotes dann einseitig in Richtung dessen geht, was Ihrem Wertekanon entspricht.
Frau Ministerin, mit dieser Kritik an Ihrer Neuformulierung von Aufgaben und Zielen stehen wir durchaus nicht allein. Der Hessische Jugendring beklagt, dass durch Ihre Vorstellungen Jugendliche – vergleichbar mit der schulischen Lernsituation – mehr als zu Belehrende denn als handelnde Subjekte begriffen werden, dass die vordringliche Ausrichtung auf Beruf, Partnerschaft, Ehe und Familie zu neuer Schwerpunktbildung führt und die bisherige gesellschaftliche Lern- und Erfahrungsorientierung zurückgedrängt wird.
Meine Damen und Herren, wir wollen und werden konstruktiv an der Neufassung des Jugendbildungsförderungsgesetzes mitwirken. Vom Grundsatz her halten wir auch die Öffnung für weitere Träger für sinnvoll und notwendig. Sicherlich gibt es in diesem Land qualitativ hochwertige und bisher nicht förderfähige Angebote, und auf die sollten wir nicht verzichten.
Wir werden aber sehr genau darauf achten müssen, dass dieses Gesetz nicht zu einer weiteren Benachteiligung bestimmter Jugendlicher führt.
Die Ministerin kündigt an, es werde keine Mittelkürzungen geben.Wenn allerdings eine Torte auf mehr Teller verteilt wird – das weiß man doch nun –, dann werden entweder die Stückchen kleiner, oder es gibt welche, die gar nichts abbekommen.Anders geht das nicht.
Wenn weiteren Trägern die Möglichkeit zur Partizipation an der Förderung eröffnet wird, dann heißt das doch, dass bei gleicher Höhe der Mittel andere herausfallen bzw. alle etwas weniger bekommen.
Deswegen werden wir es nicht hinnehmen, dass es durch das Angebot neuer Träger zu einer einseitigen Veränderung inhaltlicher Schwerpunkte kommt.Wir werden auch nicht hinnehmen, dass es zu einer gravierenden Veränderung der sozialen Herkunft des Teilnehmerkreises kommt.
Gerade die Angebote für junge Menschen aus bildungsfernen Schichten – solche, die sowieso schon benachteiligt sind – dürfen nicht reduziert werden.Wir gehen da wieder völlig konform mit dem Hessischen Jugendring, der fordert, dass sich politische Jugendbildungsarbeit vordringlich an jene richten soll, die einen sehr geringen Zugang zur Bildung haben.
Natürlich wäre eine Mittelaufstockung zur Ausweitung dieser Angebote eine bildungspolitisch sinnvolle Maß
nahme.Wir würden das Geld auch lieber in die Jugendbildung stecken als beispielsweise in den Kauf von Schlössern.
Aber natürlich sind wir auch nicht weltfremd und haben realisiert, dass zusätzliche Mittel bei Ihrer Haushaltsführung weiß Gott nicht mehr möglich sind.
Lassen Sie mich noch etwas Weiteres zur Finanzierung sagen. Momentan sehen wir noch ein weiteres Problem.Wir alle wissen nicht, wie lange die Mittel in der jetzt durch Lotto- und Sportwetten vorgehaltenen Höhe zur Verfügung stehen werden. Grundsätzlich begrüßen wir die Initiative, das Vorgehen des Innenministers gegen die illegalen privaten Sportwetten in Hessen.Was aber wird passieren, wenn durch höchstrichterliche Rechtsprechung der Fall eintritt, dass diese Wettform aufgrund von EU-Recht zugelassen werden muss? Führt das zwangsläufig zu einer Kürzung bei der Jugendbildungsförderung, oder sollte man nicht schon zum jetzigen Zeitpunkt sicherstellen, dass bei privaten Wettanbietern Umsatzanteile für gemeinnützige Zwecke abzuführen sind?