Unserem Antrag können Sie entnehmen:Wir werden weiter daran arbeiten, dass die Kompetenzen dieses Parlaments größer werden, ausgeweitet werden und nicht kleiner werden. Das machen wir mit großem Selbstbewusstsein.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will in dieser Debatte aus Sicht der Landesregierung nur darauf hinweisen: Natürlich sind wir jetzt an einem Punkt, an dem nach langer und heftiger Diskussion und vielem Ringen quer über die jeweiligen politischen Flügel ein Stand erreicht ist, bei dem die Schlacht zunächst einmal geschlagen ist.Entweder wird das jetzt im Grundgesetz durch Beschlüsse im Bundestag und im Bundesrat verankert, oder
Ich bin dem Kollegen Hahn dankbar, dass er für die FDP, die in der Tat durch die Mitwirkung in den Landesregierungen über den Bundesrat ebenfalls eine Möglichkeit hat, das unmöglich zu machen, gesagt hat, dass bei SPD, CDU und FDP eine Übereinstimmung besteht, dass bei allen Details, über die man unterschiedlicher Meinung sein kann, der Schaden, der entstehen würde, wenn das alles zurückgeworfen würde – es ist jetzt die letzte Chance, es zu machen; es ist schon einige Zeit im Werden –, schwer zu verkraften wäre, und zwar für alle: für die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Handlungsfähigkeit auf der nationalen Ebene, aber auch für den Föderalismus unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern, dass wir unter modernen Bedingungen und mit Sinn die Aufgaben zwischen der nationalen Ebene und der Länderebene aufgeteilt haben.
Dabei ist jede einzelne Frage genauso ein Kompromiss, wie sie es seit 60 Jahren ist. Die Aufgabenteilung bei der inneren Sicherheit, z. B. die Schnittstelle zwischen Bundeswehr und Polizei, zwischen Nachrichtendiensten und Kriminalpolizei, ist seit 60 Jahren umstritten. Alle werden immer sagen, sie sei ein Kompromiss. Trotzdem hält sie relativ lange und hat Deutschland auch nicht ins Unglück gestürzt. Aber sie war von niemandem mit Begeisterung mit beschlossen worden.
Die neue Regelung beim Bundeskriminalamtsgesetz ist durchaus eine, mit der man bei der notwendigen Energie auch Schindluder treiben könnte. Sie ist auf der anderen Seite aber eine Voraussetzung dafür, dass uns durch das Bundeskriminalamt Fälle vorgelegt werden können, in denen bei Gefahr in Verzug und unter Anwendung des normierten Rechts kein Ansprechpartner gefunden werden kann. Das sind Ausnahmefälle, wie viele der Dinge, über die wir reden,Ausnahmefälle sind, wie auch die Diskussion über die Bildungsplanung, wie Kollege Walter zu Recht gesagt hat,im richtigen Leben ein Ausnahmefall ist. Die Bildungsplanung hat nie etwas Relevantes zur Gestaltung der Bildungslandschaft Deutschlands beigetragen. Aber man kann am Extrembeispiel, was sie tun könnte, wenn man sie einmal betreiben würde, jeweils eine Verfassungsdiskussion auslösen.
Ich glaube, in dieser Gelassenheit muss man die Streitigkeiten in einzelnen Konfliktbereichen am Ende sehen und belassen. Man sollte versuchen, auf das Gesamte zu gehen, und das Gesamte hat zwei aus der Sicht der Hessischen Landesregierung wichtige Elemente. Das erste ist: Es gibt Dinge, die in Zukunft auf der nationalen Ebene sind und uns nicht mehr betreffen. Das ist vernünftig, weil es uns klarer macht, wer für was verantwortlich ist. Wenn man über das hessische politische Leben der letzten Jahrzehnte diskutiert, dann ist das Thema Staatsbürgerschaftsrecht vielleicht ein gutes Beispiel, darauf hinzuweisen, dass sich da tatsächlich etwas ändert und dass es eine wesentliche Veränderung ist. Die Leute müssen in Zukunft wissen – das finde ich gut –, dass sie bei der Bundestagswahl wählen, was sie nach der Bundestagswahl kriegen,und dass sie es nicht vier Monate später bei der Landtagswahl korrigieren können, obwohl ich davon durchaus nicht benachteiligt worden bin.
(Heiterkeit bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben wir es also mit tätiger Reue zu tun? Das wirkt strafmildernd!)
Diese Klarheit ist für Bürger wichtig.Hätten die Bürger es vorher gewusst, hätte es die Bundestagswahl von 1998 wahrscheinlich so nie gegeben. So kann man es auch sehen. Insofern ist an dieser Stelle zu sagen: Es ist eine wesentliche Veränderung. Man soll sie nicht kleinreden. Ich glaube, das ist an diesem Beispiel allen Beteiligten gut erklärbar.
Der zweite Punkt. Das Leben in der Bundesrepublik Deutschland zwischen den Ländern wird bunter. Wenn ich alles verstanden habe, was Fraktionsvorsitzende aller Landtagsfraktionen über Parteigrenzen hinweg und Ministerpräsidenten über alle Grenzen hinweg gesagt haben, dann war das die Absicht. Es soll ein Stück vielfältiger werden in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Gesichtspunkt, dass Beschleunigung von Entwicklung Anerkenntnis von Risiken für Irrtümer bedeutet, dass man nicht immer alles in ganz Deutschland gleich machen muss, um zu sehen, ob es gut oder schlecht ist. Vielmehr muss man eine Chance haben, bestimmte Dinge an bestimmten Orten mit dem Risiko des Fehlschlags und der Chance des Gewinns auszuprobieren.
Man kann jetzt sagen, das ist eine Zerstörung der Tradition der letzten 100 Jahre der bundesrechtlichen Führung. Dann ist Deutschland aber dauerhaft ein langsames Land. Wenn es ein langsames Land mit Föderalismus ist, dann ist es relativ teuer mit dem Föderalismus. Dann kann man auch ein zentrales Land daraus machen,wenn nämlich die Stärke, die der Föderalismus hat, nicht mehr wirken kann, dass es unterschiedlich ist, dass die Rechtsvoraussetzungen in erheblichen Gebieten des täglichen Lebens in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich sind.
Ich glaube, dass wir uns von vielen Dingen ein Stück weit trennen müssen. Ich werbe sehr dafür – wir haben in der Landesregierung sehr viel gemacht –, zu dezentralisieren, Ermessensentscheidungen herunterzugeben. Das bedeutet aber, dass manchmal die Ermessensentscheidung des Beamten in Bad Hersfeld anders ausfällt als in Bensheim beim gleichen Gesetz. Das ist nicht schlimm.
Schlimmer ist, wenn fürchterliche Regeln aufgebaut werden, am Ende alle an diese Regeln glauben und immer sturer Entscheidungen treffen. Man muss sich aber dazu bekennen. Einer der Vorteile der Föderalismusreform ist: Es gibt eine größere Vielfalt. – Wenn der Hessische Landtag darüber diskutiert – das ist mehrfach in Beiträgen hier gesagt worden –, dann gibt es auch dort eine Prioritätensetzung. Ich glaube, wir sollten nicht übertreiben, welche Differenzierungen wir am Ende beim Jagd- und Naturschutzrecht haben werden.
Man muss auch einmal sagen, es ist ein Recht eines Parlamentes, in einer bestimmten Frage etwas zu normieren. Natürlich gibt es keinen Grund, warum das Naturschutzrecht exakt gleich in Schleswig-Holstein wie in Bayern sein soll. Schon die Natur ist da unterschiedlich. Aber im praktischen Leben wird es am Ende so sein, wie wir es bei den Gesetzen über Sicherheit und Ordnung haben, wie wir das bei den Gesetzen über das Baurecht haben. Wir haben eine Menge Dinge, über die wir uns unter den Ländern verständigt haben, um den Bürgern nicht mehr zuzumuten, als in der föderalen Vielfalt notwendig sein muss. Aber bisher ist noch niemand auf die Idee gekommen, zu fordern, deshalb muss die Bauordnung Bundesrecht werden, deshalb muss das Polizeirecht Bundesrecht werden,
nur weil wir Regelungen gefunden haben, dass in der Bundesrepublik Deutschland die Lage einigermaßen vergleichbar und angeglichen ist, aber jeder seine Schwerpunkte setzt.
Wir haben hier im Landtag eine lange Debatte über Videoüberwachung gehabt – das betrifft das HSOG –, und wir haben eine lange Debatte darüber gehabt, Baugenehmigungsfreiheit jetzt oder später einzuführen.Einige Länder im Süden haben den Mut gehabt, die Baugenehmigung früher freizugeben. Die anderen haben es später gemacht. Warum soll das Gleiche nicht beim Naturschutzrecht sein? Warum soll das Gleiche nicht beim Jagdrecht sein? Warum soll das Gleiche nicht beim Wasserrecht sein, wo es doch bisher funktioniert? Das ist in einer langen Tradition völlig unbestritten, und keiner hat verlangt, dass es aufgehoben wird.
Jetzt kommen zum Hessischen Landtag zusätzliche Kompetenzen in diesen Bereichen mit einem Institut, nämlich mit dem Abweichungsrecht, das ein Kompromiss ist. Wir hätten auch sagen können, die Kompetenzen liegen ganz bei uns. So gibt es eine Chance, bestimmte zentrale Dinge in Deutschland mit Rücksicht auf die EU – das ist das entscheidende Argument – zentral zu halten und das,wo man nicht unbedingt EU-Recht berücksichtigen muss, in Zukunft in die Kompetenz der Parlamente zu geben. Am Ende ist das am bedeutendsten und am wichtigsten im Bereich der Schule.Wenn es die Kompetenz für Bildung und Schule im Landesparlament nicht mehr gibt, leidet die Parlamentsqualität.
Das muss man einfach sagen; denn das ist der klassische Bereich, bei dem man nicht mehr mit Musterbauordnung, Musterpolizeigesetzen oder Musterumweltgesetzen lebt, sondern wo tatsächlich das Gepräge der Länder unterschiedlich ist.
Das ist doch ein Vorteil. In den letzten Jahren hat es Bestrebungen gegeben,diesen Vorteil über die Bundesebene zu minimieren. Sonst hätten wir die ganze Diskussion nicht gehabt.
Ja, mit dem Scheckbuch. – Deshalb hat die Verfassung jetzt relativ rigide Regeln, dass diese Operation ausfällt. Es geht darum, sich zu koordinieren. Aber der goldene Zügel funktioniert an dieser Stelle nicht, weil es sonst immer Länder geben wird,die dem goldenen Zügel erliegen.
Das ist ein Stück des Bunter-Werdens und des Miteinander-Tuns. Jetzt haben wir – das als letzte Bemerkung – einen Teil in einem erheblichen Maß nicht behandelt. Das sind die finanziellen Beziehungen. Das ist etwas, was wir in der letzten Periode nicht hinbekommen haben, weil Vorbedingung aller Beteiligten war,nicht über Geld zu reden. Auf einmal ist in den Verabredungen, die getroffen worden sind, eine Bedingung für die Beschlussfassung enthalten, dass jetzt darüber geredet wird.
Das ist aus Sicht eines Bundeslandes wie Hessen keine zu unterschätzende Qualitätsveränderung in der Diskussion. Das ist der Anfang. Wir wissen alle – dazu sind wir erfahren genug –, dass den Beteiligten schon die Formulierung
des Satzes, dass man darüber reden sollte, schwer genug fällt und dass deshalb die materiellen Hintergründe einer solchen Frage alles andere als leicht zu lösen sein werden.
Deshalb ist es wichtig,dass man jetzt nicht wieder das eine an das andere hängt.Klar ist,dass diese Frage auch für das Bundesland Hessen im Hinblick darauf, wie die Vielfalt aussieht, in Zukunft eine Bedeutung hat.
Zurzeit sind die Einnahmestrukturen aller Länder exakt ausgeglichen. Es ärgert mich gelegentlich an der Diskussion, wenn ich, z. B. in der Bildungsdebatte, Folgendes höre: „Wie soll ein armes Land“ – was auch immer das ist – „in Zukunft etwas für die Hochschulen aufwenden, wenn die anderen keine Programme mehr haben?“
Den Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern, den Kollegen auf der anderen Seite des Rheins – in Mainz – und uns in diesem Parlament steht pro Kopf der Bevölkerung am Ende der gleiche Betrag an Steuereinnahmen zur Verfügung. Die Abweichungen davon sind marginal. Sie rechtfertigen keine große Aufregung. Das ist das Ungewöhnliche an der föderalen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Das führt dazu, dass ein paar Argumente eigentlich keinen Sinn mehr haben. Es bedeutet, dass jeder entscheiden muss, wie viel er z. B. für die Universitäten, den Verkehr, die Lehrer oder weiß der Teufel was ausgibt.
In diesem Wettbewerb bestehen wir. Dieser Wettbewerb ist recht schwierig. Wir leiden darunter. Deshalb muss man ihn wenigstens erwähnen dürfen, wenn andere ihn zu einem Werbeargument machen; denn wir müssen pro Euro Bruttoinlandsprodukt mit wesentlich weniger Staatsausgaben, wesentlich weniger Forschungsaufwendungen und wesentlich weniger Geld für Infrastruktur und Sicherheit auskommen als die Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern. Was die Frage betrifft, wie viel Geld wir für Wissenschaft und Forschung haben, so muss ich antworten, dass wir alle die gleichen Ausgangsbedingungen haben.
Wenn dem so ist, muss diese Herausforderung beinhalten, dass es nicht dauernd irgendwelche zusätzlichen Ausgleichsprogramme gibt.Aus meiner Sicht ist das die Minimalbedingung, die ein Bundesland wie Hessen stellen kann, wenn es sagt: Wir sind bereit, bis zu 80 % des wirtschaftlichen Wachstums, das wir selbst erarbeiten können, in kollektive Verteilungssysteme zu geben. – Dann kann es nicht sein, dass diejenigen, die aus diesen kollektiven Mitteln etwas bekommen, anschließend sagen: Wir brauchen Sonderprogramme, weil wir so arm sind. – Das Bundesland Hessen muss sagen, dass an diesem Punkt die Grenze erreicht ist.
Das wird uns Schwierigkeiten bereiten. In diesem Zusammenhang denke ich an die weitere Runde der Verhandlungen und an das, was im kommenden Jahr beginnt. Herr Kollege Hahn hat gesagt,dass die FDP Anträge dazu stellen will. Ich bin dafür, dass das möglichst bald anfängt. Ich hoffe,dass wir nicht immer alle anwesend sein müssen, sondern dass ein paar Experten etwas dazu vorbereiten können.
Wir haben in den letzten Jahren mehr als genug Zeit dafür aufgewendet. Aber ich denke, das ist ein weiterer Schritt.
Mit folgender Bemerkung will ich schließen. Alle diesen Punkt betreffenden Diskussionen, die uns Hessen interessieren – z. B. Länderfinanzausgleich gegen Schuldenaufnahme, Bruttoinlandsprodukt –, werden wir vergessen können, wenn es nicht gelingt, das jetzt zu beschließen. Mir ist in all den Jahren nämlich Folgendes klar geworden: Wenn wir die föderalen Elemente weiter legitimieren möchten und verhindern wollen, dass sie immer überflüssiger oder umstrittener werden, müssen wir das beschließen. Je überflüssiger und umstrittener sie in der öffentlichen Meinung werden,umso weniger ist man legitimiert, eine Finanzdiskussion zu führen.
Umso notwendiger ist es, dass wir jetzt auch auf der Ebene von Regierung und Parlament ein Selbstbewusstsein entwickeln, das es ermöglicht, wieder Maßnahmen zu entwickeln und in Angriff zu nehmen. Dafür ist das Paket sehr in Ordnung. Das Aushandeln des Pakets war heftig. Es hat gelegentlich ein bisschen geraucht.Darüber ist hier oft genug diskutiert worden.Das ist bei Kompromissen so. Wir sind mit diesem Kompromiss am Ende zufrieden.Wir werden ihm im Bundesrat zustimmen.
Herr Al-Wazir, eines will ich aber noch einmal sagen, das gilt für alle Elemente; damit hier keine Blauäugigkeiten aufkommen: Das ist ein Paket. Deshalb haben es unser Parteitag und der der Sozialdemokraten als Gesamttext beschlossen. Das ist kein Text, an dem man einfach jedes Komma wieder ändern kann, sondern das ist ein Kompromiss. Dieser Kompromiss wird beschlossen oder nicht. Das müssen alle Beteiligten wissen. Sie dürfen sich nicht der Illusion hingeben, man könne die gleichen Verhandlungen fünfmal führen. Dann müssen wieder 50 Punkte aufgerufen werden.
Deshalb stimmt die Hessische Landesregierung dem zu, was wir dort jetzt vorgelegt haben. Ich gehe davon aus, dass es uns in beiden Kammern des deutschen Parlaments gelingen kann, dafür eine Mehrheit zu finden. Das wäre gut für Hessen, für ein bunteres Deutschland, für mehr Rechte in den Parlamenten und für mehr Chancen,unsere Stärken zu zeigen. – Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Wir sind am Ende der verbundenen Debatte über den Entschließungsantrag der CDU betreffend Föderalismusreform, den dazugehörigen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD.
Herr Hoff hat beantragt, alle drei Anträge zur weiteren Beratung an den Hauptausschuss zu überweisen. – Ich sehe überall Kopfnicken. Dann können wir so verfahren.