Vielen Dank, Herr Schmitt. – Wir sind damit am Ende der Aussprache in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes.
Der Gesetzentwurf soll zur weiteren Beratung dem Haushaltsausschuss überwiesen werden. – Kein Widerspruch. Dann können wir so verfahren.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Drittes Gesetz zur Wiederherstellung der Chancengleichheit an Hessens Schulen – Drucks. 16/4612 –
Es ist eine Redezeit von zehn Minuten vereinbart. Man kann diese Zeit in Anspruch nehmen, man muss es aber nicht. Zur Einbringung des Gesetzentwurfs darf ich Frau Habermann das Wort erteilen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eines der von der Kultusministerkonferenz beschlossenen Handlungsfelder nach PISA 2001 war die Stärkung der frühkindlichen Bildung, verbunden mit einer Flexibilisierung des Schuleingangs. Das Ziel war und ist, Kinder früher zu fördern und den Übergang zwischen Kindergarten und Grundschule so zu gestalten, dass der individuelle Entwicklungsstand der Kinder berücksichtigt wird und Ausgangspunkt für die Gestaltung des Unterrichts ist.
Hessen hat zwischen 1998 und 2004 mit dem Modellversuch Schuleingangsstufe bereits lange vorher begonnen, Erfahrungen mit dem neu gestalteten Schuleingang zu sammeln. Ziel der Konzeption war eine veränderte Einschulungspraxis, das Abschaffen der Rückstellungen und ein früherer Schulbeginn für alle. Prävention, der Einzug sozialpädagogischer Arbeit mit dem Ziel, Kinder besser und früher zu fördern und die Didaktik in entwicklungsheterogenen Lerngruppen zu entwickeln, standen inhaltlich im Mittelpunkt.
In dem Abschlussbericht nach Beendigung des Modellversuchs wird deutlich, dass er durchaus erfolgreich gearbeitet hat. Die Zahl der Kann-Kinder nahm zu, die der Wiederholer sank. Die Zahl der kürzer Verweilenden erhöhte sich. Rückstellungen kamen nur noch vereinzelt vor. Die Beteiligten haben übereinstimmend festgestellt, dass die Arbeit von Sozialpädagogen in der Grundschule unverzichtbar ist, und wünschen, dass keine Rückkehr zu den alten Strukturen der Einschulung an ihren Schulen stattfindet. Es ist auch gelungen, die Eltern von der Wirksamkeit eines veränderten Schulanfangs zu überzeugen und sie in die Arbeit einzubinden.
Im Zusammenhang mit der Einführung eines Bildungsund Erziehungsplans bietet die neue Schuleingangsstufe Chancen, die Kinder zu einem besseren Schulstart zu führen. Das ist ein Baustein, um die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft abzuschwächen, Leistungspotenziale auszuschöpfen und Schulversagen zu vermeiden.
Es ist allerdings bedauerlich, dass die Erkenntnisse dieses Modellversuchs im neuen Schulgesetz nur unzureichend berücksichtigt wurden. Wir haben bereits bei der Beratung des Schulgesetzes im vergangenen Jahr und in mehreren Initiativen gefordert,die Schuleingangsstufe in Hessen flächendeckend, aufbauend auf den Ergebnissen des Modellversuchs, einzuführen, um so den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule und die ersten Schuljahre der Kinder ohne Brüche und ohne Misserfolgserlebnisse zu gestalten.
Eine Möglichkeit für die Grundschulen wurde mit dem neuen Schulgesetz zwar eröffnet, aber die dazugehörige Verordnung, auf die das Schulgesetz verweist, existiert bis heute, ein knappes Jahr nach In-Kraft-Treten des Gesetzes, nicht. Offensichtlich ist der Landesregierung der Handlungsbedarf noch nicht bewusst geworden. Dafür sprechen auch Ausführungen der Kultusministerin in diesem Zusammenhang, wonach zukünftig nur noch die Schulreife der Kinder über deren Einschulung entscheidet.
Mit den bisherigen schulpolitischen Entscheidungen wurde jedoch nicht dafür gesorgt, dass noch mehr Kinder in Hessen diese ominöse Schulreife erreichen. In Hessen wurden im Schuljahr 2003/2004 mehr Kinder vom Schulbesuch zurückgestellt als noch 1999, und das trotz Vorlaufkursen und Sprachförderung.Es sind immer noch 9 % unserer Schulanfänger. Dabei zeigen die Ergebnisse der neuen Schuleingangsstufe eines sehr deutlich: Jedes Kind kann mit sechs Jahren erfolgreich die Schule besuchen, wenn Schulen die pädagogischen Spielräume haben, um auf die unterschiedliche Entwicklung von Kindern einzugehen.
Eine flächendeckende Schuleingangsstufe lässt die notwendige Differenzierung zu, um alle Kinder dort abzuholen, wo sie stehen. Ein flexibler Schuleingang ist damit ein Schritt zur Erhöhung von Bildungsqualität und Chancengleichheit in Hessen.
und erinnert fatal an die gesetzlichen Regelungen zur Ganztagsschule, die den Schulen die Auswahl unter drei möglichen Formen von Ganztagsschule zugestehen. Frau Kultusministerin, in der Realität haben Sie jetzt allerdings endgültig den Aufbruch der Schulen zu Ganztagsschulen ausgebremst. Zumindest in den nächsten drei Jahren wird es nach Ihrer Planung nicht mehr möglich sein, Ganztagsangebote an Schulen zu erweitern und – außer an Förderschulen – auch gebundene Ganztagsschulen einzurichten. Mit dem Schulgesetz wurden qualitative Verbesserungen im Schulbereich ins Schaufenster gestellt. Aber wenn die Schulen sich auf den Weg machen wollen und Interesse zeigen, ist der Laden ganz plötzlich geschlossen.
Viele andere Bundesländer haben sich inzwischen auf den Weg gemacht, die Erfahrungen aus den Versuchen zu einem neuen Schulanfang in den Regelbetrieb umzusetzen. Baden-Württemberg hat bereits 2001 eine verbindliche Kooperationsvereinbarung zwischen Kindergarten und Schule auf den Weg gebracht. Die Stichtagsflexibilisierung zur Einschulung ist längst eingeführt, und weitere Schritte sind in Vorbereitung. Sachsen-Anhalt hat seit dem letzten Jahr Regelungen für eine flächendeckende Schuleingangsstufe geschaffen, Schleswig-Holstein schon sehr viel länger, und Niedersachsen hat sich mit dem neuen Schulgesetz 2004 ebenfalls auf diesen Weg des Schulanfangs festgelegt.
Meine Damen und Herren, diese Liste ließe sich fortsetzen. Sie zeigt, dass in anderen Bundesländern mit der Verbesserung von Bildungschancen Ernst gemacht wird,während in Hessen gute Konzepte in der Schublade verstauben. Im Eiltempo werden in Hessen nur Maßnahmen umgesetzt, die neue Hürden aufbauen und für Chancenun
gleichheit und Auslese stehen, wie beispielsweise die überstürzte Einführung der verkürzten Gymnasialzeit.
Aber ohne Berücksichtigung des Anfangs, Frau Ministerin, hat Ihr selbst ernannter Bildungsleuchtturm keinen Stand und wird kläglich zusammenbrechen. Deshalb erwarten wir eine konstruktive Auseinandersetzung über unseren Gesetzentwurf.
Lösen Sie schrittweise Vorklassen und Vorlaufkurse auf. Ersetzen Sie sie durch die neue Schuleingangsstufe für alle Kinder. Gliedern Sie die Kinder aus den Förderschulen ein.Wir brauchen keine Förderschule im Grundschulbereich.Verzichten Sie auf Sitzenbleiben und Querversetzung und konzentrieren Sie die Ressourcen und Energien dort, wo mehr Chancengleichheit und erfolgreiche Förderung am aussichtsreichsten sind, nämlich am Anfang des Bildungsweges unserer Kinder. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit dem Schulgesetzentwurf Nummer drei.
Sie laufen alle unter dem Titel „Wiederherstellung der Chancengleichheit an Hessens Schulen“. Ich habe zu den anderen beiden Gesetzentwürfen schon festgestellt, dass der Inhalt der Gesetze mit der Wiederherstellung der Chancengleichheit nichts zu tun hat. In diesem Fall muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, hat er überhaupt nichts damit zu tun; denn es ist gar nichts abgeschafft worden.
Im Gegenteil,bei der letzten Gesetzesänderung ist im Gesetz festgeschrieben worden, dass die flexible Eingangsstufe nicht mehr als Modellversuch laufen muss, sondern ständig weitergeführt werden kann.Von daher ist es überhaupt keine Wiederherstellung, sondern im Grunde eine Bestätigung dessen, was bereits im Gesetz steht.
Aber ich möchte Ihnen noch etwas anderes sagen. Ihren Gesetzentwurf kann man in Anlehnung an einen Filmtitel von James Dean, der lautete „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, folgendermaßen modifizieren: Sie wissen überhaupt nicht, was Sie eigentlich wollen.
Das will ich Ihnen einmal sehr deutlich machen. Ihre politischen Konzepte lassen völlig eine klare Linie vermissen. Sie machen einen pädagogischen Zickzackkurs.Wäh
rend Frau Hartmann das verpflichtende letzte Kindergartenjahr fordert, spricht sich Frau Habermann für die verpflichtende Schuleingangsstufe aus.
Frau Hartmann, ich werde Ihnen den Widerspruch darin schon einmal erklären. – Ich zitiere Frau Hartmann:
In diesem Konzept haben wir auch festgelegt, dass es ein verpflichtendes Vorschuljahr sein soll und es den Eltern nicht anheim gestellt werden kann, ob sie ihre Kinder hinschicken oder nicht.
Das war das verpflichtende Kindergartenjahr. In derselben Plenardebatte sagt sie aber – das bezog sich damals auf die Kinderschule –:
Mir geht es auch darum, dass wir die Schulpflicht und den Leistungsdruck, der in der Schule unweigerlich entsteht, nicht um ein Jahr vorverlegen.
Was ist denn dann mit der flexiblen Eingangsstufe? Da wollen Sie doch, dass die Kinder ein Jahr früher eingeschult werden bzw. möglichst früh die Möglichkeit haben, in die Schule zu gehen.
Frau Henzler, sind Sie darüber informiert, dass der Modellversuch in Hessen die Schulklassen 1 und 2 umfasst und eine Eingangsstufe ab sechs Jahren vorsieht und kein Vorziehen der Eingangsstufe?
Ich habe es verstanden. – Natürlich weiß ich, was die Schuleingangsstufe ist. Aber ich weiß auch, dass wir das Alter, in dem die Kinder in Eingangsklassen einzuschulen sind, im Hessischen Schulgesetz deutlich verringert haben. Sie können in die normale Eingangsstufe, die es in Hessen auch gibt, bereits mit vier Jahren eingeschult werden. Wir fangen an, die Kinder immer früher einzuschulen, was von unserem Konzept her im Prinzip auch richtig ist.