Protokoll der Sitzung vom 24.11.2005

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen kann ich nur sagen: Die Argumente haben wehgetan, und dann reagieren Sie so, wie wir Sie kennen.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Um es auch ganz klar und deutlich vorweg zu sagen: Es geht nicht um die Frage von Neubauten. Es geht nicht um die Frage der Bereitstellung von zusätzlichen Büroräumen. Wir haben uns für PPP ausgesprochen. Wir haben auch nichts dagegen, dass, wenn die Verwaltung zusätzliche Räume braucht, man die anmieten kann. Um die Frage geht es hier überhaupt nicht.

Dass Private ein gutes Immobilienmanagement machen können, ist auch nicht die Frage dabei. Die Frage, die sich hier klar stellt, ist vielmehr: Muss man Vermögen des Landes Hessen,das man weiterhin braucht,verkaufen,um damit schlicht die strukturellen Probleme des Haushalts zu überdecken? Das ist die Kernfrage, um die es in dem Zusammenhang geht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, die LHO hat über Jahrzehnte hinaus sehr klar zum Ausdruck gebracht: Das Land Hessen kann nur Vermögen verkaufen, das es mittel- und langfristig nicht mehr braucht. Das war ein Grundsatz, ein guter Grundsatz und ein richtiger Grundsatz.

Zur Frage der Wirtschaftlichkeit. Ich habe mir jetzt verschiedene Wirtschaftlichkeitsberechnungen angesehen. Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen haben alle das Manko,dass sie so berechnet werden,dass sie jeweils stimmen sollen.

Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen.Jetzt belegen Sie uns, dass der Verkauf und die Zurückmietung die wirtschaftliche Lösung sei.Bei der Staatskanzlei haben Sie genau das Umgekehrte auch mit Argumenten untermauert und haben uns genau das Umgekehrte nahe gebracht. Den Widerspruch müssen Sie an dieser Stelle einmal erklären.

Wenn Sie sagen, Herr Minister, Sie haben ein gutes Geschäft gemacht, es sei ein gutes Geschäft geworden, dann sage ich: für den Verkäufer ja wohl. Ob es für das Land Hessen ein gutes Geschäft ist, das wird sich noch erweisen.Aber dann sind Sie nicht mehr Finanzminister.Das ist auch die Realität.

Ich will einmal darauf hinweisen: Was bedeutet das denn haushaltsmäßig? Darüber wird ja hier überhaupt nicht diskutiert. Sie haben nach wie vor ein strukturelles Defizit oberhalb von 2,2 Milliarden c. Das, was Sie verkaufen, überdeckt dies im Grunde genommen nur. Solche Maßnahmen zur „Haushaltskonsolidierung“ können Sie immer nur einmal machen.

(Norbert Schmitt (SPD): Strohfeuer!)

Aber das strukturelle Defizit bleibt.

(Beifall bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD):Wird größer!)

Kollege Kaufmann hat schon zu Recht darauf hingewiesen:Was ist denn aus dieser Regierung geworden, die mit dem Grundsatz angetreten ist: „Vermögen gegen Vermögen“? Das sind doch alles nur noch Sprüche von vor einigen Jahren. Das ist nackte Not aufgrund Ihrer Haushaltspolitik, die dazu führt, dass Sie das machen müssen, was Sie jetzt tun.

(Norbert Schmitt (SPD): Aus Unvermögen wird Vermögen verkauft!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen, indem ich sage: An der Stelle verstehe ich die FDP überhaupt nicht,die für Verkäufe ist.Aber was ist denn das Ergebnis dieses Verkaufs in dieser Größenordnung? Am Ende des Jahres können wir schlicht sagen:Das Vermögen ist weg, die Schulden sind höher geworden,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geld ist auch weg! – Norbert Schmitt (SPD): Das Unvermögen in dieser Landesregierung bleibt!)

und die Belastung auf Dauer durch höhere Mieten steht auch an.

Wer das einer Privatperson als geschickte Finanzpolitik verkaufen will, ich glaube, der hat überhaupt keine Chance, dies zu tun. Das ist das Gegenteil von seriöser Finanzpolitik; denn Sie lösen Ihre Probleme nicht, sondern Sie verschärfen die Probleme, und deswegen sind wir gegen diesen Verkauf.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kahl.Wir haben keine weiteren Wortmeldungen vorliegen.

Damit kommen wir zur Abstimmung: Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses, Drucks. 16/4673 zu 16/4603. Wer dieser Beschlussempfehlung die Zustimmung gibt, den bitte ich um Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen gibt es keine. Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der CDU und der FDP gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Es wurde vorgeschlagen, Tagesordnungspunkt 66 an den Haushaltsausschuss zu überweisen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Dann verfahren wir so.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2:

Regierungserklärung des hessischen Wirtschaftsministers betreffend „Einfacher planen, schneller bauen – Zukunft sichern“

Dieser Tagesordnungspunkt wird aufgerufen mit Tagesordnungspunkt 40:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend Mobilität als wichtiger Standortvorteil – Infrastruktur generiert Wachstum – Drucks. 16/4651 –

und Tagesordnungspunkt 70:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Berliner Koalitionsvertrag zügig umsetzen: Infrastrukturplanung vereinfachen und beschleunigen, Bürokratie abbauen – Drucks. 16/4687 –

sowie Tagesordnungspunkt 72:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend Mittelkürzung im Nahverkehr um 3,1 Milliarden c – Drucks. 16/4696 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt 20 Minuten.– Herr Kahl zur Geschäftsordnung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kündige für meine Fraktion zu dem aufgerufenen Themenkomplex die Vorlage eines weiteren Dringlichen Antrags an. Ich bitte, ihn im Laufe der Debatte nach der Feststellung der Dringlichkeit mit aufzurufen.

Dann verfahren wir so. – Wir beginnen mit der Rede des Herrn Wirtschaftsministers. Die vereinbarte Redezeit ist 20 Minuten. Herr Rhiel, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen und gilt gleichzeitig als Motor der Wirtschaft. Der Grad der Mobilität ist mit ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes. Das gilt für die Qualität aller Verkehrsträger und Verkehrssysteme.

Die heutige Situation in Hessen belegt, dass in Regionen mit stark ausgeprägten Verkehrsstrukturen auch die wirtschaftliche Ertragskraft stark ist. Arbeitsplätze entstehen dort,wo der Zugang zu den Verkehrsträgern gut gelöst ist. Mobilität ist somit ein elementarer Standortfaktor. Die jetzige Situation auf Deutschlands Verkehrswegen behindert jedoch wirtschaftliches Wachstum und wirtschaftliche Dynamik. Der tägliche Stau in Deutschland ist eine nicht hinnehmbare Geld- und Zeitvernichtungsmaschinerie, von der ökologischen Belastung einmal ganz abgesehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Studien belegen,dass die Anforderungen an die Mobilität wie auch die individuellen Kosten für die Mobilität steigen werden.Ein Bundesland wie Hessen, das sich in Europa in absolut zentraler Lage befindet,ist daher gut beraten,wenn es vor diesem Entwicklungshorizont schon jetzt Strategien und Maßnahmen entwickelt und umsetzt, um dem wirtschaftlichen Dynamisierungsprozess entsprechend Räume zu öffnen – zum Nutzen der Wirtschaft, aber auch der einzelnen Menschen.

Die Hessische Landesregierung stellt sich dieser Herausforderung für beide Zielgruppen. Zum einen müssen wir für die regionalen Verkehre – besonders in den Ballungsräumen, aber auch für die überregionalen Pendlerströme – die Angebote zügig ausbauen. Zum anderen sind wir als Transitland mitten in Deutschland und in Europa mit wichtigen Verkehrsdrehkreuzen besonders gefordert. Der Bundesverkehrswegeplan belegt, dass der Personenverkehr bis zum Jahre 2015 um 15 %,der Güterverkehr sogar um 60 % zunehmen wird.

Hessen geht bei der Lösung dieser Probleme komplexe, aber geradlinige und ideologiefreie Wege.Wir bevorzugen keine Verkehrsträger, wir benachteiligen aber auch keine, sondern wir führen sie nutzerorientiert zusammen. Wir setzen auf die Verkehrsträger, die jeweils besonders geeignet sind, um die Angebotsstrukturen im Sinne von mehr Mobilität für die Menschen und Warenströme zu verbessern. Wir werden noch intensiver vernetzte Strukturen schaffen. Für uns steht fest: Der einzelne Verkehrsteilnehmer wird künftig je nach Reiseziel und fallweise zwischen den einzelnen Verkehrsträgern stärker wechseln können. Das bedeutet mehr Möglichkeiten zu individueller Aufwand-Nutzen-Optimierung für die Verkehrsteilnehmer bei gleichzeitiger Schonung der gesamtwirtschaftlichen und ökologischen Ressourcen. Das ist unsere Zielsetzung.

Für uns steht weiter fest: Es wird dabei nicht einen einzigen großen Wurf bei der Problemlösung geben.Wir brauchen vielmehr ein aufeinander abgestimmtes Maßnahmenbündel, das sich aus den Kernbereichen Planen, Bauen und intelligentem Verkehrsmanagement rekrutiert und aus dem die Verkehrsangebote Zug um Zug erwachsen.

Dies alles ist ein kundenorientierter evolutionärer Prozess – frei von Glaubensüberzeugungen, verknüpft mit dem Bewusstsein, dass die Verkehrsinfrastruktur nie

Selbstzweck ist, sondern dass der Verkehr eine dienende Funktion hat. Genau dies ist die Richtschnur des verkehrspolitischen Handelns dieser Landesregierung.

Wir alle wissen, die Herausforderungen sind groß und erfordern schnelles Handeln. Die Verkehrspolitik muss die Umwelt-, Raumordnungs-,Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie nicht zuletzt die Wünsche der Bürger und der Unternehmen berücksichtigen. Deshalb verbessern wir die Rahmenbedingungen, bauen Bürokratie ab und wollen die Verfahren beschleunigen. Genehmigungsverfahren müssen nicht zwangsläufig teuer,kompliziert und zeitaufwendig sein.

(Beifall bei der CDU)

Verfahren mit schneller Entscheidungsfindung sollen die Auftragsbücher der Wirtschaft füllen und nicht die Gerichts- und Behördenkassen.

(Beifall bei der CDU)

Die zur Verbesserung des Planungsprozesses von Herrn Ministerpräsidenten Koch und mir eingesetzte Kommission unter Leitung meines Vorgängers, Herrn Kollegen Posch, hat bereits konkrete Vorschläge zur Verfahrensbeschleunigung auf den unterschiedlichsten Ebenen entwickelt. Sie können zeitliche Einsparpotenziale von sage und schreibe bis zu vier Jahren mit sich bringen. Deshalb möchte ich auch hier der Kommission für ihre wertvolle Arbeit danken.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Straffung und Beschleunigung des Planungswesens geschieht in dem Wissen, dass auf allen Ebenen und in allen Bereichen ein hohes Maß an Rechtssicherheit gegeben sein muss. Auch der Koalitionsvertrag in Berlin enthält die Verfahrensbeschleunigung als politisches Ziel.Hessen wird dieses Vorhaben der Bundesregierung unterstützen. Konzentriertes Planen bedeutet, zielgerichtet zu planen, schnell zu bauen, Kosten zu sparen und die Wirtschaft zu stärken. Unser Ziel ist, dass in Deutschland bereits ab dem nächsten Jahr ein neues, ein schlankes und einfaches Planungsrecht in Kraft tritt.

Trotz der engen Korsettstangen des bisherigen Planungsund Finanzierungsrechts wird aber für jedermann in Hessen sichtbar: Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wird in allen Landesteilen intensiv vorangetrieben. Wir haben gerade in den letzten Monaten scheinbar unlösbare Probleme gelöst. Frankfurt und das Umland werden rechtzeitig zur WM mit dem sechsstreifigen Ausbau der A 66 zwischen Wiesbaden und Frankfurt die dringend notwendige Kapazitätserweiterung erhalten.