Protokoll der Sitzung vom 24.11.2005

Wenn Roland Koch und Sie eben auch, Herr Wagner, gesagt haben, es sei gleichgültig, ob man die Einnahmesituation des Staates verbessere oder die Staatsausgaben reduziere, dann sagen Sie

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Habe ich nicht gesagt!)

doch, das hat er in einem Interview gesagt; ich kann es Ihnen vorlesen – das Gegenteil dessen, was Sie versprochen haben.

(Beifall bei der FDP)

CDU und FDP waren jahrelang der Meinung – und wir sind es noch immer –, dass wir eine nachhaltige Steuerentlastung der Bürger und eine Haushaltssanierung brauchen.Dazu braucht man aber den Mut,meine Damen und Herren, die Staatsaufgaben zu reduzieren, die Grundsatzfrage zu stellen:Welche Hoheitsaufgaben hat der Staat zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch? Das vermissen wir in der Tat.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist Ihre Vorstellung! Da kommt es heraus!)

Das hat nichts mit dem zu tun, was die SPD gestern in ihren Anträgen gesagt hat.

Diesen Mut hatte die CDU weder in den Ländern noch auf Bundesebene.Wer 3 % mehr Mehrwertsteuer von allen Menschen als Einnahmeverbesserung will, der hat sein eigenes Versprechen gebrochen. Die SPD hatte die Mehrwertsteuererhöhung total abgelehnt.

Es ist zudem auch wirkungslos. Jedes Jahr weniger Kaufkraft für alle Menschen in Deutschland und dann das Versprechen, bis zum Jahr 2009 20 Milliarden c für ein kleines Investitionsprogramm auszugeben, das ist die falsche Politik. Sie wird wirkungslos sein.

(Beifall bei der FDP)

Dass der Ministerpräsident in Wahrheit meiner Meinung ist,das hat er heute Morgen in einem Artikel in der „Stuttgarter Zeitung“ gesagt. Sie können es nachlesen: 24.11.; Überschrift: „Roland Koch: SPD und Union passen nicht zusammen“.

(Beifall bei der FDP – Dr.Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Richtig!)

In dem Artikel sagt er: CDU/CSU und SPD sind so diametral entgegengesetzt in ihrer Programmatik, dass sie zusammen keine großen Reformen auf den Weg bringen können. – Richtig so.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP) und Clemens Reif (CDU) – Norbert Schmitt (SPD):Wo er Recht hat, hat er Recht!)

Er sagt weiter: „Das ist völlig ausgeschlossen. Wenn das deutsche Volk das in den nächsten Jahren merkt, ist das kein Fehler.“

(Jürgen Walter (SPD):Was hätten wir denn machen sollen? Hätten wir den Wähler beschimpfen sollen?)

Meine Damen und Herren,wir haben es gemerkt.Und ich sage Ihnen: Mehr als 40 % der Bürger in Deutschland haben das gemerkt. Sie brauchen mehr Mut, um daraus auch Konsequenzen zu ziehen.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Sie haben sich verweigert! Von wegen, Mut!)

Das tun Sie nicht. Sie, Frau Merkel, Herr Platzeck und Herr Müntefering, verkünden als Ihre Hauptziele, Sie wollen sanieren. Meine Damen und Herren, Sie tun das nicht nachhaltig genug. Das ist nur eine Überschrift. Die Instrumente, die Sie zeigen, werden nicht zu einer Sanierung der Haushalte führen.

Sie sagen zweitens, Sie wollen reformieren. Sie sagen: Das geht nicht mit der SPD, die sind nicht mutig genug, die sozialen Sicherungssysteme zu reformieren. Und Sie sagen: Wir wollen investieren, und die SPD ist nicht konsequent genug.

Frau Kollegin Wagner, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich habe es gemerkt; ich bin im Schlusseinlauf.

(Heiterkeit bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte deutlich machen, dass es eine Möglichkeit gegeben hätte, mutiger zu sein, eine wirkliche Reformpolitik zu machen, sie eventuell auch mit den Mehrheiten auszutarieren, die es im Deutschen Bundestag gibt.

Deshalb sage ich Ihnen: Diese Koalitionsvereinbarung ist kein Neuanfang für die Bundesrepublik, und das ist auch keine Chance für Hessen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Grumbach, SPD-Fraktion.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist der Schaub des Südens! – Norbert Schmitt (SPD): Das sagt das Hähnchen aus der Wetterau!)

Meine Damen und Herren! Frau Wagner, ich verstehe, dass Sie an dieser Stelle getroffen reagieren;denn die Verliererinnen und Verlierer dieser Wahl sind in allen Parteien vertreten, aber in der FDP besonders.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage das einmal so flapsig.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Wer hat denn eigentlich Stimmen verloren? Die SPD ist der Verlierer!)

Die Menschen, die in dieser Gesellschaft wollen, dass die soziale Sicherung reduziert wird,haben allesamt verloren. Dazu gehört auch in der CDU der eine oder andere. Herr Merz gehört dazu. Bei den GRÜNEN gehört auch Herr Metzger dazu.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der hat aber gar nicht kandidiert!)

In der SPD gibt es auch den einen oder anderen, der verloren hat.Wir müssen damit leben,und ihr müsst damit leben.

Jetzt lassen Sie uns bitte auf den Punkt zurückkommen. Ich finde es ja schon ganz spannend, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU eine große Koalition als Chance für Hessen ankündigt. Was sind denn das für neue Verhältnisse? Wo ist die Bescheidenheit her? Bisher war die CDU die Chance für Hessen: „In Hessen mit Roland Koch“. Jetzt ist sie es nicht mehr, jetzt braucht sie eine Bundeskoalition. Mit Verlaub: neue Bescheidenheit, sehr nett.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn dann ausgeführt wird „Chance für die öffentlichen Finanzen“: danke für die Kehrtwendung. Hier in diesem Landtag haben wir darüber geredet, dass es die Hessische Landesregierung war, die die Chancen, die sie jetzt begrüßt, alle verbaut hat. Die Hälfte der Maßnahmen, über die wir hier reden, haben Sie abgelehnt.

(Beifall bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

An der Stelle ist es schon eine Rückkehr zur Realität, und ich glaube, aus dieser Realität lässt sich etwas machen. Dann lassen Sie uns darüber reden, wie wir die Chancen in Hessen selber nutzen. Die Frage ist dann, ob wir uns wirklich auf das Gebiet begeben, glücklich darüber zu sein, dass wir heute mit Rheinland-Pfalz im Wettbewerb über Wachstumsraten sind, mit Rheinland-Pfalz im Wettbewerb sind über die Zahl der Arbeitslosen und mit Rheinland-Pfalz im Wettbewerb sind um die jungen Menschen, die Beschäftigung kriegen oder nicht.

Ich finde es schon spannend, wenn sie jetzt, statt Ihre eigene Verantwortung zu beschreiben, statt zu beschreiben, dass diese Landesregierung nicht in der Lage war, mit ihrer Sorte von Ausbildungspakt genügend Ausbildungsplätze zu schaffen, sagen: „Wir brauchen jetzt Berlin.“ Das finde ich sehr faszinierend.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke, die Chancen für Hessen werden hier in der Debatte, in diesem Parlament und in diesem Land entstehen. Die Chancen in Hessen werden dadurch entstehen, dass wir darüber reden, dass wir eine bestimmte Form von Politik, die Kinder von weiterführender Bildung ausgrenzt, beenden müssen. Darin bestehen Chancen für die Kinder, Chancen für Hessen.

Da wird der Spielraum, der in der großen Koalition nicht besteht – bei uns gibt es da durchaus auch sehr differenzierte Meinungen; wir haben das bei der Föderalismusdebatte beredet –,auch für eine Bildungspolitik genutzt werden können, in der Menschen Chancen bekommen und

die Chancen für Hessen nicht darin bestehen, dafür zu sorgen, dass Ihre Haushaltsdefizite jetzt durch den warmen Segen, den andere für Sie organisiert haben, ausgeglichen werden. Das ist die Chance, auf die Sie setzen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Wagner, Sie haben in Ihrem Interview gesagt, die CDU in Hessen stehe für freiheitliche, christliche und konservative Politik. Sie haben nur die Freiheit derer im Sinne, die es sich leisten können. Das haben Sie mit der FDP gemeinsam. Sie haben an christlicher Politik jedenfalls das Mitleid und die Hilfe für die Schwachen nicht im Sinne, und Sie haben mit dem Begriff „konservativ“ eigentlich relativ wenig am Hut; denn Sie haben das zerstört, was Menschen in Hessen an Infrastruktur im sozialen Bereich aufgebaut haben.

Die Chance in Hessen,meine Damen und Herren,besteht darin, diese Regierung abzulösen, und nicht in der großen Koalition in Berlin. In Hessen werden wir selber Politik machen und nicht über irgendwelche anderen Ebenen reden müssen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Al-Wazir, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Wagner hat gesagt, sie finde es gut, dass eine Frau Kanzlerin ist. Sie hat auf meinen Zwischenruf, dass ich das auch gut finde, gesagt, ich solle nicht so schreien. Ich wollte Ihnen zustimmen, Frau Kollegin Wagner,