Protokoll der Sitzung vom 24.01.2006

schnellstmöglich auseinander zu setzen; denn das ist letztendlich die Grundlage für alle späteren Schritte in die Selbstständigkeit.

Zu der bedarfsgerechten Personalentwicklung. Schulen müssen in Zukunft ihr Lehrpersonal selbstständig auswählen dürfen. Das ist richtig. Das ist ein entscheidender Punkt im Rahmen der Autonomie. Wenn die Landesregierung vorhat, dass die Schulen im nächsten Schuljahr 50 % und später 100 % ihrer Lehrer selbst auswählen dürfen, geschieht das immer noch über Ausschreibungen, und Ausschreibungen sind mit Bürokratie verbunden. Man muss verschiedene Leute einladen, begründen, warum man wen auswählt usw. Verträge zu schließen ist den Schulen nicht möglich, denn sie verfügen noch nicht über die entsprechende Rechtsstellung. Die Verträge müssen die Staatlichen Schulämter für sie schließen.

Es reicht also nicht, dass der Schulleiter Einblick in die Rangliste bekommt, wie sie jetzt ist – obwohl es ein wichtiger Schritt ist, wenn er sich die ganze Liste ansehen kann.Viel wichtiger wäre es jedoch, die Rangliste in einen Personalpool umzuwandeln, der nicht nur die Daten enthält, die jetzt in der Rangliste stehen, sondern in dem sich auch noch andere Daten finden, z. B. die Lehrbefähigung für ein Fach, die nicht über ein Examen erworben worden ist. Das steht dann nicht in der Rangliste; aber für diese Person wäre es wichtig.

Außerdem kann dort auch stehen, aus welchem Land der Bewerber kommt, welche Sportarten er treibt und welche Musikinstrumente er beherrscht. Das kann für eine Grundschule sehr wichtig sein. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine türkischstämmige Lehrerin, die Deutsch unterrichten kann. Stellen Sie sich vor, wie wichtig diese Frau für Schulen in einem sozialen Brennpunkt mit sehr vielen Migrantenkindern türkischer Herkunft wäre, da sie beide Sprachen beherrscht.

(Beifall bei der FDP)

Von daher ist es wichtig, dass wir diese Rangliste umwandeln und dass die Schulleiter gezielt darauf zurückgreifen und sich denjenigen auswählen können, den sie für ihre Schule brauchen.

Damit bin ich bei der Rolle des Schulleiters. Es ist gesagt worden, dass diese Rolle neu definiert werden muss. Der Schulleiter muss mehr zu einem Manager und Personalchef werden. Dass man ihm das mit Deputatstunden vergüten sollte, wage ich zu bezweifeln. Er muss sich entscheiden können:Will er mehr Managerfunktionen wahrnehmen und dafür auf das Unterrichten verzichten? Oder kann er besser unterrichten und stellt lieber einen Manager ein,den er für die anderen Aufgaben braucht? Mit Deputatstunden ist es nicht getan. Man muss dem Schulleiter die Möglichkeit geben,diese Deputatstunden in Geld umzuwandeln, sodass er selbst entscheiden kann, wie seine Schule geführt wird.

(Beifall bei der FDP)

Über die notwendige Autonomie der Schulen als Qualitätsentwickler besteht zum Glück fraktionsübergreifend Einigkeit. Auf Drängen der FDP wurde – damals im Einvernehmen mit allen Fraktionen und auch auf der Grundlage eines SPD-Antrags – ein Modellprojekt gestartet, auf das wir uns alle verständigt haben. Es befindet sich in der Umsetzungsphase – leider läuft es sehr schleppend – und sollte so bald wie möglich evaluiert werden.

Leider geht auch das Programm „Selbstverantwortung plus“ nicht so reibungslos und von allen Gremien unter

stützt über die Bühne, wie dies von den Schulen gewünscht wird. Es ist klar: Wenn die Schulen selbstständiger werden, haben andere Behörden weniger Aufgaben. Es ist sehr schwer, Aufgaben abzugeben; denn dann ist man nicht mehr so bedeutend. Ich denke, das Kultusministerium muss sehr darauf achten – und auch lenkend eingreifen –, dass man den Schulen keine unnötigen Steine in den Weg legt.Wenn das Projekt scheitern würde, wäre das wirklich eine Katastrophe. Wir alle haben uns auf diesen Weg verständigt, und die Schulen wollen ihn gerne gehen.

(Beifall bei der FDP)

Zwar lässt sich mehr Autonomie an den Schulen nicht über Nacht einführen – ob wir dafür noch zehn Jahre brauchen, weiß ich nicht; vielleicht geht es doch ein wenig schneller –,aber mit einem abgestimmten Gesamtkonzept als Grundlage könnte den Schulen eine bessere Orientierung für die Entwicklung und Umsetzung vor Ort gegeben werden. Zunächst einmal müssen wir die Ziele definieren, und dann können wir Schritt für Schritt weitergehen. Die Landesregierung muss daran noch arbeiten. Wenn sie auf uns hört, helfen wir ihr dabei gerne.

(Beifall bei der FDP)

Frau Henzler, vielen Dank. – Herr Irmer, Sie haben als Nächster das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Wagner, ohne Schärfe hineinbringen zu wollen: Zumindest was den Geschichtsunterricht angeht, habe ich den Eindruck, dass Sie Opfer hessischer Bildungspolitik geworden sind; denn die Zahlen, die Sie hier genannt haben, sind nicht ganz valide.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich hatte Christean Wagner als Kultusminister!)

Er musste das übernehmen, was vorher war. Das wissen Sie. Das war das Problem.

Meine Damen und Herren, wir wetteifern in letzter Konsequenz darum, dass wir parteiübergreifend sagen: Es muss sich etwas verändern.Es muss sich etwas verbessern, am besten noch schneller als in der Vergangenheit. – Das ist alles richtig. Das impliziert logischerweise aber im Umkehrschluss, dass es in der Vergangenheit erhebliche Schwächen gegeben haben muss. Denn wenn es keine Schwächen gegeben hätte, müssten wir heute keine Verbesserungen vornehmen. Das heißt im Klartext: Das, was Sie fordern, geht an Ihre eigene Adresse zurück, denn das ist das Versäumnis Ihrer langjährigen Bildungspolitik in Hessen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Wagner, bei aller Sympathie: Sie haben den Philologenverband zitiert.

(Jürgen Walter (SPD): Reden wir jetzt darüber, wer schuld ist? Aber Sie gestehen ein, dass wir eine Misere haben!)

Wir hatten in der Tat eine Misere.

(Jürgen Walter (SPD):Wir haben jetzt eine Misere! Jetzt reden wir darüber, wer schuld ist! Seit sieben Jahren haben wir eine Misere!)

Lieber Herr Kollege Walter, wir hatten eine Misere. Das stimmt. Das hat sich darin ausgedrückt – ich zitiere sinngemäß eine „dpa“-Meldung vom Januar 1999, vor der Landtagswahl 1999 –, dass ein bayerischer Professor, öffentlich nachzulesen, erklärt hat: Und jetzt erkläre ich das für die Hessen noch einmal. – Lieber Kollege Walter, das war das Ergebnis Ihrer Bildungspolitik. Das wollen wir hessischen Schülern in Zukunft ersparen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Jürgen Wal- ter (SPD): Das lag daran, dass er vorher Dialekt geredet hat! Ich habe das verstanden, denn ich komme aus Bayern! – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Walter, lassen Sie mich ausreden. Ich habe das Mikrofon.Ich bin ein bisschen lauter.– Genau das war das Problem, vor dem wir standen. Sie haben doch durch Ihre Regierungspolitik in den Jahren zuvor die hessische Bildungspolitik zum Gespött gemacht. Sie stand auf einer Stufe negativer Art mit der Bremer Bildungspolitik. Wir haben in der Tat unglaublich viel gemacht. Das, was die Kultusministerin heute vorgetragen hat, ist in unseren Augen in der Tat eine kleine Revolution, wenn man das konsequent zu Ende denkt, und zwar im positiven Sinne des Wortes.

Ich wollte noch einen Schlenker machen, weil der Kollege Wagner den Philologenverband zitiert hat, dem ich, zumindest meistens, aus Überzeugung angehöre – was das Zitat angeht, nicht ganz so. Aber es gibt auch andere Zitate.Ich war 1998 bei der Vollversammlung als Gast dabei. Es gab einen Antrag des Wolfgang-Ernst-Gymnasiums aus Büdingen. Diese Schule hat folgenden Antrag gestellt – ich zitiere wörtlich –:

Der Vorstand [des Philologenverbandes] wird ausdrücklich alle diejenigen Kräfte unterstützen, die eine baldige Verwendung des Kultusministers Hartmut Holzapfel im fernen Europa in die Wege leiten.

Dieser Antrag ist einstimmig beschlossen worden. Im Übrigen ist er in Teilen erfüllt. Kollege Holzapfel, in aller Freundschaft, ist mittlerweile im Europaausschuss.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

So weit zum Philologenverband im Jahre 1998. Das war ein allgemeiner Rundumschlag des Philologenverbandes.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist peinlich für Sie, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren, wir haben heute eine Reihe von Vorschlägen und Vorstellungen gehört, was wir anders machen wollen. Dass wir das heute in veränderter Form machen können, hängt damit zusammen, dass wir in der Vergangenheit einiges verändert haben, indem wir Grundlagen gelegt haben. Diese Grundlagen will ich gerne noch einmal in der gebotenen Kürze in Erinnerung rufen. Denn ohne diese von uns gelegten Grundlagen wäre das, was die Kultusministerin heute in ihrer Regierungserklärung zu Recht gesagt hat, überhaupt nicht vorstellbar.

Ich fange damit an, dass wir zunächst einmal – das hat Frau Kollegin Wagner eben in einem heftigen Zwischenruf deutlich gemacht – mit dem aufgeräumt haben, was wir von Ihnen hinterlassen bekommen haben. Das waren,

ob Sie es hören wollen oder nicht, über 100.000 Stunden Unterrichtsausfall jede Woche. Diesen Ausfall abzubauen war eine gigantische Leistung. Was die letzte Regierung von 1999 bis 2003 gemacht hat, war ein Qualitätssteigerungsprogramm par excellence.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben 2.900 Lehrer zusätzlich eingestellt und 1.600 Referendarstellen zusätzlich zur Verfügung gestellt.Auch da will ich an die Adresse von Rot-Grün sagen: Sie haben in Ihrem Wahlprogramm 1995 erstens versprochen: „Es gibt keinen Personalabbau im Lehrerbereich.“ Sie haben dieses Versprechen gebrochen. Sie haben 400 Stellen abgebaut. Sie haben zweitens versprochen: „Wir werden die Zahl der Referendarstellen um 400 erhöhen.“ Auch dieses Versprechen haben Sie gebrochen. Sie haben es nicht gemacht. Das ist der Unterschied zu dem, was wir heute machen.

Sie wissen, dass es Vertretungsmittel in einem Umfang von 4,4 Millionen c gab. Heute haben wir annähernd das Zehnfache. Wir haben schulformbezogene Stundentafeln und Lehrpläne eingeführt, in der Hauptschule die Stundentafel erhöht, in der Grundschule die Stundentafel von 87 auf 92 Jahreswochenstunden erhöht, gegen heftige Opposition von Ihnen Vorbereitungskurse eingeführt,Orientierungsarbeiten in der Klasse 3 eingeführt, Vergleichsarbeiten eingeführt, die Versetzungsbestimmungen präzisiert, Grundschulen inhaltlich erst einmal definiert. Das gab es zu Ihrer Zeit überhaupt nicht. Da wusste keiner, wofür die Grundschule da ist.Wir haben sie inhaltlich definiert, indem wir gesagt haben: Sie dient der Vorbereitung auf die weiterführenden Schulen.

Die Einführung von Sprachvorlaufkursen habe ich angesprochen. Wir haben die flexible Einschulung und die Querversetzung eingeführt, den Erhalt des Fächerprinzips umgesetzt, die Naturwissenschaften gestärkt.Weitere Stichworte sind: Begabtenförderung, Eliteförderung, Praxistage, SchuB-Klassen, Abschlussprüfungen an Hauptund Realschulen, Oberstufenreform, Lehrerbedarfsplan. Allein über das letzte Thema können wir einen Abend verbringen.Außerdem haben wir mit einem Seiteneinsteigerprogramm zur Gewinnung von Lehrern und der Flexibilität bei der Lehrereinstellung begonnen. Das gab es zu Ihrer Zeit noch überhaupt nicht. Das waren für Sie doch böhmische Dörfer.

Das Landesabitur kommt. Weitere Stichworte sind: Verkürzung der Schulzeit von neun auf acht Jahre, was den gymnasialen Bildungsgang angeht, Lehrerfortbildung als Pflichtveranstaltung eingeführt, Lehrerfortbildung professionalisiert, Schulinspektoren neu eingeführt, die Lehrerausbildung verändert, Lehrerausbildung aus einem Guss,das Amt für Lehrerbildung und das Institut für Qualitätsentwicklung eingeführt, schuleigenes Fortbildungsbudget eingeführt, Zentren für Lehrerbildung an den Universitäten eingeführt.

Meine Damen und Herren, wenn ich diese sechseinhalb Jahre Revue passieren lasse,sage ich im Namen der CDULandtagsfraktion: Es ist unglaublich, was hier von dieser Fraktion in den letzten sechs, sieben Jahren Positives geleistet worden ist.

(Beifall bei der CDU und der Abg.Dorothea Henz- ler (FDP))

Sie hatten nie die Kraft, solche Veränderungen auch nur ansatzweise vorzunehmen. Um zu zeigen, was das Ergebnis ist, zitiere ich, was nicht so häufig vorkommt, die Ge

werkschaft Erziehung und Wissenschaft. Sie hat ein Gutachten herausgegeben, wohlgemerkt allerdings auf Bundesebene. Der hessische Landesverband ist völlig beratungsresistent. Ich zitiere aus dem „Wiesbadener Kurier“ vom 11.07.2005:

Die Lernbedingungen für Schüler wie auch ihre Chancen auf einen qualifizierten Schulabschluss klaffen zwischen den einzelnen Bundesländern immer weiter auseinander.Dies ist das Fazit einer jetzt veröffentlichten Studie der Bildungsforscher Klaus Klemm und Rainer Block... im Auftrag der... GEW.

Jetzt kommt es:

Gute Lernvoraussetzungen wie auch Chancen auf einen qualifizierten Arbeitsplatz nach Schule und Studium sehen die Autoren besonders

auf Platz 1 –

auf Platz 2 –