Protokoll der Sitzung vom 21.02.2006

(Michael Siebel (SPD): Dann schaffen Sie doch mehr Bereichspolizisten!)

sondern in jeder Gemeinde, in jeder Stadt ist das ganz besonders gut zu spüren. Da ist es ziemlich egal, wer wofür zuständig ist. Entscheidend ist zunächst einmal, dass wir uns gemeinsam darum kümmern.

Kommunale Politik muss sich zu integraler Sicherheitspolitik weiterentwickeln. Auf der Ebene der Kommunen gibt es kein einziges Thema, das nichts mit Sicherheit zu tun hätte. Das fängt bei der Bauplanung und der Bauleitplanung an. Wenn wir darauf achten, dass Menschen Angst haben und deshalb in bestimmte Räume nicht mehr gehen – weil sie dunkel oder verwinkelt sind –,wenn wir darauf achten, dass wir Straßenschluchten schaffen, die hell sind, und dass z. B. die Stadtwerke die Haltestelle nicht an der dunkelsten Stelle einrichten, dann kostet das alles wenig Geld. Aber ich habe es noch nie erlebt, dass bei der Beratung eines Bebauungsplans jemand einmal darauf hingewiesen und gefragt hat:Was bedeutet das unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit?

(Günter Rudolph (SPD): Das ist doch alles in Ordnung!)

Wohnungsbaupolitik, Belegungspolitik, Stadtplanung – wir haben in Hessen zu beklagen, dass es Städte gibt, die bei ihrer Wohnungs- und Städteplanungspolitik bedauerlicherweise nicht darauf geachtet haben,

(Günter Rudolph (SPD): Das stimmt!)

dass nicht eine ungewöhnlich große Menge von schwierigem Publikum an einer Stelle versammelt wurde oder, einfacher ausgedrückt, Gettos produziert wurden. Das ist keine Frage polizeilicher Arbeit. Das ist eine Frage integraler kommunaler Sicherheitspolitik. Meine Damen und Herren, deshalb brauchen wir für erfolgreiche Sicherheitspolitik die Kommunen als Partner.

So verstanden wird daraus eine Präventionskonzeption, die weit über das hinausgeht, was Präventionsräte gemeinhin sind.

Ich bedanke mich außerordentlich: Wir haben in Hessen bei 426 Städten und Gemeinden mittlerweile 120 Präventionseinrichtungen oder -räte.

(Günter Rudolph (SPD): Damit haben wir angefangen!)

Das müssen noch mehr werden. Dort wird mit Herzblut, mit großem Einsatz für die Prävention gearbeitet. Ich glaube, wir sollten gemeinsam darauf achten, dass diese Präventionseinrichtungen dort, wo sie noch nicht sind, geschaffen werden. Das Land entlastet sich hier von keinerlei Verpflichtung, sondern es geht immer darum, wie wir Sicherheit intelligent als gesamtgesellschaftliche Aufgabe nicht nur definieren, sondern auch realisieren.

Ein besonders wichtiger Beitrag ist es, wenn es dabei um das Thema Jugend und Gewalt geht.In Hessen gibt es eine ganze Fülle von Einrichtungen, Initiativen, die sich um diese Dinge kümmern. Sie kennen die zum Teil: SMOG in Osthessen, die AGGAS hier und in Mittelhessen, das Streitschlichterprogramm im Wetteraukreis und vieles andere mehr. Das sind über 100 Initiativen, und das ist ausdrücklich zu begrüßen. Wir, das Land, koordinieren im

Landeskriminalamt ein Projekt unter dem Stichwort „Netzwerk gegen Gewalt“. Dieses Netzwerk gegen Gewalt wird kontinuierlich ausgebaut. Es braucht ständig weitere Partner. Das Netzwerk gegen Gewalt zeigt nicht, ob ich sechs oder sieben Polizisten in der Station habe, sondern ob ich auf eine Herausforderung, die häufig vielfältige Ursachen hat, vielfältige und differenzierte Antworten geben kann. Deshalb braucht innere Sicherheit auch und gerade diese Partner.Das reicht vom Jugendamt bis in die Vereinswelt hinein.

Ich füge hinzu: Meine Damen und Herren, wenn wir über Sicherheit reden, dann brauchen wir auch die Elternhäuser und die Schulen.

Wenn wir junge Menschen in ein Leben begleiten wollen, damit sie ihren Platz ohne Gewalt und Drogen finden, dann müssen wir breit aufgestellt sein.

Um den Bogen zu dem zurückzuschlagen, was der Bürger vor Ort erfährt und mitbekommt: Dazu gehört so etwas wie unser Schulschwänzerprogramm. Nach allen Erfahrungen der Kriminologen wissen wir, dass Schulschwänzen häufig der Einstieg in eine Abstiegskarriere ist.

(Zuruf der Abg. Silke Tesch (SPD))

Genau deshalb haben wir in Fulda, aber auch im LahnDill-Kreis zwei Projekte aufgelegt, um das näher zu bearbeiten und zu erfahren. Nach allem, was ich sehe, werden wir das im Land dauerhaft ausbauen. Dabei gibt es zwei Komponenten. Das eine ist die pädagogische Hilfe, das andere die repressive Maßnahme durch die Polizei.

Meine Damen und Herren, in der Summe wird ein Bild daraus. Hierher gehört die Aktion „Gewalt sehen – helfen“, von Frankfurt ausgehend und mittlerweile in einer ganzen Reihe von Städten: damit es nicht mehr passiert, dass in einer Fußgängerzone mit Tausenden von Menschen jemand überfallen wird, und wenn die Polizei kommt, ist nicht ein Einziger bereit, als Zeuge zur Verfügung zu stehen.Niemand soll den Helden spielen,aber wir wollen Zivilcourage fördern. Heute hat jeder ein Handy und kann die Polizei rufen. Das machen wir in vielfältigsten Projekten. Aus Zeitgründen kann ich das hier nicht alles vortragen.

Daraus sehen Sie: Die erste große Säule – Prävention – hat vielfältige Facetten. Diese Facetten sind in aller Regel vor Ort erfahrbar.

Sie werden nicht weniger wichtig, wenn ich Ihnen nur das Stichwort demographischer Wandel nenne. Die Bevölkerung altert dramatisch. Das Empfinden für und die Nachfrage nach Sicherheit steigen ständig. Deshalb müssen wir uns auch in diesen Bereichen neu orientieren.Wir tun das.

Meine Damen und Herren, ich will noch einen zweiten Komplex erwähnen:die Verfolgung von Straftaten.Das ist natürlich unser Kerngeschäft. Dabei muss klar sein: Der Staat muss alles tun, um Straftaten aufzudecken, und den Täter relativ schnell identifizieren,damit die Justiz ihn aburteilen kann. Das ist deshalb notwendig, weil der Bürger sein Vertrauen in diesen Staat nicht zuletzt daran misst, wie wir mit Kriminalität umgehen. Der Bürger darf nicht den Eindruck bekommen, der Staat stünde der Kriminalität ohnmächtig gegenüber. Das stimmt nicht. Wir tun sehr viel.

Von diesem Ansatz her war es z. B. notwendig, in Hessen die Polizei überhaupt einmal mit dem gesetzlichen Rahmenwerk zu versehen, damit sie ihre Aufgabe wahrnehmen kann.

Wenn wir jetzt schon darüber diskutieren, vielleicht erinnern Sie sich noch: Schleierfahndung, finaler Rettungsschuss,Videoüberwachung,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

Einsatz von Kennzeichenlesegeräten,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

Verlängerung des Unterbindungsgewahrsams – nicht ein einziges dieser Stichworte gab es unter Rot-Grün.Das haben wir gemeinsam mit der FDP gemacht, und das war notwendig.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, seien Sie so lieb, und achten Sie auf die Redezeit.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das macht er von Beginn an!)

Herr Präsident, ich bemühe mich und will das sehr in Stichworten machen.

Es kann doch nicht sein, dass wir – gerade in einer Zeit, in der sich Technik revolutionär verändert – der Polizei Fahndungsmöglichkeiten vorenthalten, die sie überhaupt in den Stand versetzen, erfolgreich zu fahnden.

Dazu gehört – nur dieses Beispiel möchte ich Ihnen noch bringen – das Stichwort Videoüberwachung. Welche Diskussionen haben wir darüber geführt? Meine Damen und Herren,ich sage es relativ schlicht.Wir sind in Hessen,was dieses Instrument anbelangt, führend. Wir können nachweisen, dass überall dort, wo wir die Videoüberwachung eingesetzt haben, die Kriminalität zurückgegangen ist. Ich habe keinerlei Verständnis für eine Diskussion, wie sie z. B. in Frankfurt am Main geführt wird. Dort schlägt die Polizei vor, die Videoüberwachung zum Schutze der Bürger zu verstärken, z. B. um den Bahnhof, das Sportfeld, den Römer herum und an anderen Stellen. Das sind die Vorschläge der Polizei, der Praktiker, die seit Jahren damit arbeiten; und dann gibt es eine Diskussion, die ich wirklich nicht mehr nachvollziehen kann. Die Videoüberwachung ist keine Einschränkung der Freiheit, jedenfalls nicht so, wie ich Freiheit definiere. Es geht nicht um die Freiheit der Drogendealer. Es geht um die Freiheit der Menschen, wieder dort ohne Angst hingehen zu können, wo sie als Bürger in ihrer Stadt sein wollen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es gibt vielleicht viele ideologische Momente,die man dagegen ins Feld führen könnte. In der Sache habe ich jedenfalls noch keine gehört. Ich kann nicht verstehen, wie man es fertig bringen kann,den Bürgerinnen und Bürgern ohne sachliche Begründung ein Mehr an Sicherheit zu verweigern. Wir werden deshalb als Land in dieser Frage weiter am Ball bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Ähnliches gilt für Graffiti und vieles andere. Vor unserer Zeit wurde Graffiti nicht ver

folgt. Wir verfolgen das. Bei jedem Polizeipräsidium gibt es dafür eine besondere Einheit. Die Graffiti erhöhen in der Statistik die Straftaten und belasten die Statistik. Nur, diese Straftaten gab es vorher auch, man hat sie aber nicht verfolgt, und das war falsch.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Quatsch!)

Dazu nur eine Zahl: Wir hatten im Jahre 2004 immerhin 4.177 Geschädigte, und davon waren 2.533 Privatleute. Das muss auch einmal klar gesagt werden: Graffiti ist kein Kunstwerk und keine Selbstverwirklichung, es ist in erster Linie Sachbeschädigung und ein Nachteil für die Opfer.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Chris- tean Wagner (Lahntal) (CDU))

Dazu gehören unsere Anstrengungen, Gewalt in der Familie zu vermeiden. Dazu gehören auch unsere DNA-Anstrengungen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das geht ja nicht von der Rechtslage!)

Meine Damen und Herren, ich will das jetzt sehr kurz zu Ende bringen. Wir sind eines der erfolgreichsten Länder in der Anwendung der DNA-Analyse. Wir waren eines der ersten Länder, die die retrograde Erfassung der Straftäter bereits im vergangenen Jahr beendet haben. Wie wichtig das ist, können Sie immer dann sehen, wenn es gerade um Sexualstraftäter geht. Ich hätte nicht verantworten wollen, dass da jemand draußen herumläuft, nur weil wir es in der zurückliegenden Zeit nicht geschafft hätten, die retrograde Erfassung hinzubekommen. Dass wir es hinbekommen haben, war eine großartige Leistung des Landeskriminalamtes, und dafür will ich mich ausdrücklich bedanken.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden dort – das haben Sie dankenswerterweise beschlossen – mithilfe von Experten das Personal verdoppeln, weil wir glauben, dass die DNA-Analyse eine unverzichtbare Maßnahme der Kriminalitätsbekämpfung ist. Ich werbe dafür, was den rechtlichen Rahmen angeht, sie genauso auszustatten wie z. B. die Fingerabdrücke.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. So verstanden, hat die innere Sicherheit viele Facetten. Natürlich gehört auch eine vernünftige Ausstattung dazu: von Fahrzeugen über Schutzwesten, über Computer – ich sage nur beispielhaft, POLAS und COMVOR sind bundesweit Vorzeigemodelle, die alle anderen von uns übernehmen – bis hin zur Kleidung. Eine so ausgerüstete Polizei ist auch in der Lage,herausragenden Anforderungen zu begegnen.

Wenn wir jetzt auf die WM zugehen – das würde die Zeit sprengen –, darf ich Ihnen so viel sagen: Sie ist eine große Herausforderung. Wir sind gut vorbereitet. Niemand mit Sinn und Verstand kann erwarten, dass nicht an irgendeiner Stelle etwas passiert. Durch die Umstellung der Schichten, durch den gesamten Einsatz der hessischen Polizei werden wir die Sicherheit auf hohem Niveau garantieren. Ganz nebenbei, die hessische Polizei freut sich auf diese Weltmeisterschaft, obwohl wir wissen, dass wir dort in besonderer Weise gefordert sein werden.

Zum Abschluss, Herr Präsident, zwei Bemerkungen zu dem Antrag der SPD:Bundeswehr,Polizei und Sicherheit. Meine Damen und Herren, der Antrag der SPD geht am Problem vorbei.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Nichts Neues!)