Protokoll der Sitzung vom 23.02.2006

Was für die Wirtschaft gilt, das muss doch auch für die öffentliche Hand gelten,insbesondere nachdem die Landesregierung die neue Verwaltungssteuerung mit der Kosten/Leistungsrechnung eingeführt hat. Laut Regierungsprogramm verfolgt sie mit Nachdruck, wie ich gelesen habe, das Ziel, bis Ende des Jahres 2008 die neue Verwaltungssteuerung flächendeckend einzuführen. Mit der unvorstellbaren Summe von rund 500 Millionen c hat sie dafür das Softwareprogramm R3 von der Firma SAP eingekauft. Wir sehen das nach wie vor sehr kritisch, wie Sie wissen, meine Damen und Herren, und haben die hohen Kosten immer moniert.

Vor diesem Hintergrund erwarten wir geradezu von der Landesregierung, dass sie in absehbarer Zeit auf der Grundlage dieses Systems in der Lage ist, die konkreten Planungskosten von der Vorplanung bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses für größere Maßnahmen oder Bundesprojekte auszuweisen. Dafür bedürfte es eigentlich aus meiner Sicht keines Antrages. Das ist verwaltungstechnisches Alltagsgeschäft.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn das SAP nicht leisten kann,dann ist das Geld in den Sand gesetzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die pauschalen Stückkosten, die der Haushalt 2006 für Planung und Bau von Landes- und Bundesstraßen pro Streckenkilometer ausweist, stellen mich jedenfalls nicht zufrieden. Der Haushalt weist Stückkosten von rund 247.000 c für Planung und Bau von einem Kilometer Landesstraßen und rund 73.000 c für einen Streckenkilometer Bundesstraße aus. Dieser Pauschbetrag für einen Kilometer Straße, egal ob Brücke, ob Tunnel oder einfache Fahrbahn, entspricht eben nicht der Realität – Herr Kollege Posch, Sie haben das soeben hier sehr ausführlich deutlich gemacht –, weil die Kosten für unterschiedliche Maßnahmen selbstverständlich auch unterschiedlich hoch sind und nicht zuletzt die topographischen, aber insbesondere auch die naturschutzfachlichen Gegebenheiten hier eine Rolle spielen.

Herr Minister Rhiel – wenn Sie vielleicht so freundlich wären und Aufmerksamkeit zeigen könnten –, hier muss Ihre Verwaltung noch schwer nachbessern. Ansonsten ist das SAP-Projekt nicht zu rechtfertigen.

(Beifall bei der SPD)

Das Anliegen des Antrages kommt, wie ich bereits sagte, sehr nachvollziehbar daher. Aber, Herr Kollege Posch, es ist eigentlich nur ein Nebenkriegsschauplatz, den Sie hier eröffnet haben, den man auch thematisieren muss. Aber Ihr Kernanliegen ist ein ganz anderes. Die Überschrift Ihrer Presseerklärung zum Antrag entlarvt Sie an dieser Stelle. Ich zitiere:

Was kostet den Bauherrn die Umsiedlung von Fledermäusen?

Im Text habe ich gelesen, die Forderung nach Kostenausweisung sei „nicht nur ein Beitrag zur Transparenz des Mitteleinsatzes, sondern auch zur Klarheit über die Kosten, die beispielsweise dem Land bei einer Umsiedlung von Fledermäusen, Kammmolchen oder der Errichtung eines Gründaches entstehen“.

Ich frage Sie allen Ernstes: Wann und wo wurden in Hessen in großem Stil solche Umsiedlungen vorgenommen? Allenfalls in Einzelfällen. Mir sind solche Umsiedlungen jedenfalls nicht bekannt.

Im Übrigen: Die Kammmolche an der A 49 haben bekanntlich zur Verlegung der Trasse geführt, und – man höre und staune – damit können die Baukosten um rund 40 Millionen c abgesenkt werden.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Auf Kosten der Nachtruhe von Menschen!)

Damit haben sich die Planungskosten in Höhe von 50 Millionen c fast amortisiert.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Hahn, ich darf Ihnen an dieser Stelle sagen: Ich gehöre zu denen, die den Menschen wesentlich näher stehen als den Kammmolchen, um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist aber in Stadtallendorf anders!)

An dieser Stelle möchte ich ganz klar zum Ausdruck bringen: Auch wir halten die Verkürzung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte für eine eminent wichtige Aufgabe, die wir mit aller Ernsthaftigkeit dringend angehen müssen. Planungszeiträume – Sie haben es gesagt, Herr Kollege Posch – von 20 bis 30 Jahren sind nicht mehr vermittelbar. Vor allem sind die Menschen vor Ort, die auf eine Ortsumgehung warten, nicht mehr bereit, so lange Planungszeiträume hinzunehmen.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass oftmals gerade betroffene Anwohner oder auch Bürgerinitiativen aufgrund ihrer Partikularinteressen, die sie über das Allgemeinwohl stellen, Maßnahmen über Jahre hinweg blockieren. Ich habe es deshalb sehr begrüßt, dass die Regierung Schröder bereits im Mai 2005, zu einem Zeitpunkt, als die Posch-Kommission in Hessen nur Ankündigungen vorgenommen hat, einen Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Planungsverfahren vorgelegt hat. Leider – das muss ich an dieser Stelle auch feststellen – ist dieser Gesetzentwurf am Widerstand der GRÜNEN in Berlin gescheitert.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Aha!)

Mittlerweile hat die große Koalition einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt. Nach zahlreichen Gesprächen mit den Ländern sind viele positive Anregungen aus den Bundesländern aufgenommen worden, und ich gehe davon aus,

dass über den Bundesrat noch weitere positive Verbesserungen am Ende aufgenommen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Beschleunigung der Verfahren setzen wir nicht auf Stimmungsmache, sondern wir wollen eine Verkürzung der Verfahren erreichen, ohne die Beteiligungsrechte und ohne den Umweltschutz einzuschränken. Damit soll nicht zuletzt auch der Anteil der Planungskosten an den gesamten Investitionskosten spürbar reduziert werden.

Dass dies möglich ist, hat bereits das Planungsbeschleunigungsgesetz gezeigt, das seit 1991 in den neuen Bundesländern hilft.

(Michael Denzin (FDP): Ja!)

Herr Kollege Denzin, ich will an dieser Stelle gar nicht verhehlen, dass die SPD im Bundestag 1991 davon noch nicht so ganz überzeugt war. Dem ist so.Aber inzwischen hat sich dieses Gesetz bewährt.

(Zustimmung des Abg. Michael Denzin (FDP))

In den vergangenen 14 Jahren konnten die Planungszeiträume in den fünf neuen Bundesländern rekordverdächtig verkürzt werden. Neue Verkehrswege, für jeden erkennbar, für jeden sichtbar, wenn man die neuen Bundesländer bereist, konnten auf der Grundlage dieses Gesetzes in wenigen Jahren vom ersten Entwurf zur Baureife geführt werden. Allein die Begrenzung des Rechtsweges auf eine Instanz ersparte dort im Schnitt zwei Jahre.Selbst bei Großprojekten wie dem Ausbau der Autobahn A 14 zwischen Dresden und tschechischer Grenze waren es trotz mehr als 2.500 Einwendungen pro Abschnitt – pro Abschnitt, meine Damen und Herren – nur etwas mehr als drei Jahre.

Das ist übrigens nicht meine Bewertung, das ist die Bewertung des Verkehrsministers des Freistaates Sachsen, der als Zeuge an dieser Stelle sicher unverdächtig ist.

Das Gesetz ist ein gutes Beispiel für Bürokratieabbau und für Kostenreduzierung, für Beschleunigung, die wir dringend benötigen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Der neue Entwurf basiert auf folgenden Eckpunkten:

Wie Sie alle wissen, beträgt die Geltungsdauer des Planfeststellungsbeschlusses heute fünf Jahre; sie soll künftig auf zehn Jahre mit einer Verlängerungsoption auf 15 Jahre ausgedehnt werden.

Es wird analog zum Ostgesetz die Eininstanzlichkeit allein beim Bundesverwaltungsgericht für Bundesverkehrsprojekte eingeführt.Auf Erörterungstermine – das Thema hat uns in diesem Plenum sehr beschäftigt – innerhalb des Anhörungsverfahrens kann künftig verzichtet werden, wenn keine Einwendungen vorliegen. Es sollen Erleichterungen zur Ermittlung von betroffenen Grundstückseigentümern geschaffen werden.

Zudem sollen Vorbereitungen für Vorarbeiten zur Baudurchführung künftig rechtlich verbessert werden. Das heißt, nach dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses soll eine gesetzliche Duldungspflicht in bestimmten Fällen Untersuchungen auf dem Grundstück eines klagenden Eigentümers ermöglichen. Das ist wieder ein überaus wichtiger Punkt für unser eigenes Flughafenverfahren.

(Beifall bei der SPD)

Nicht zuletzt nenne ich die Einführung von Ausschlussfristen für neue Einwendungen und Stellungnahmen nach

Ablauf der Auslegung der Pläne im Rahmen von Erörterungsterminen, was ja bislang möglich war, also die so genannten formellen und materiellen Präklusionsfristen.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: Mit dem, was bisher schon vorliegt,werden wir einen guten Weg beschreiten können. Ich bin auch überzeugt, dass das eine oder andere noch dazukommen wird.

Zweck von Planungsverfahren ist es doch gerade, mit verfassungsrechtlichen Garantien einen Ausgleich zwischen Interessen und Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen. Deshalb darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und von dem einen Extrem nicht in das andere fallen. Übrigens habe ich den Eindruck, das Verbandsklagerecht scheint für die FDP die Wurzel allen Übels zu sein.

(Dieter Posch (FDP):Wo steht denn das?)

Man muss es schon als Ironie des Schicksals bezeichnen, dass ausgerechnet auf Betreiben der FDP das Verbandsklagerecht im Jahre 1980 in Hessen eingeführt wurde.

(Nicola Beer (FDP): Eben!)

Ich erinnere mich übrigens an Freidemokraten wie Otto Wilke, der als Mitglied dieses Hauses nicht nur den Anspruch der FDP als eine Rechtsstaatspartei,

(Norbert Schmitt (SPD): Das waren noch Freidemokraten!)

sondern auch den Anspruch als eine Bürgerrechtspartei damit verbunden hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Nicola Beer (FDP):Aber die FDP hat das Bürgerrecht eingeführt! Was ist vom Gerichtshof aufgehoben worden?)

Herr Kollege Posch, ich erinnere Sie daran, dass der Baustopp an der A 44 durch das Bundesverwaltungsgericht nur deshalb verhängt werden konnte, weil das Gericht massive Verfahrensfehler festgestellt hat.

Es tut mir Leid.

Ich komme gleich zum Ende. Gestatten Sie mir noch einige wenige Abschlusssätze.

Meine Damen und Herren, für die Verzögerung der Bauarbeiten von nunmehr fast vier Jahren haben die Menschen dort oben kein Verständnis, ich auch nicht.