Protokoll der Sitzung vom 23.02.2006

Eine zweite Bemerkung. Ihre Ausführungen, Frau Kollegin Sorge, zu dem Thema Hochschule usw. geben mir Anlass zu der Sorge,dass Sie sehr wenig mutig sind.Um es etwas brutaler zu sagen: Sie vertrauen nicht darauf, dass Landtagsabgeordnete genauso klug sein können wie die Bundesregierung.

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ziemlich arrogant!)

Wir Liberale vertrauen darauf,dass Landtagsabgeordnete mindestens genauso klug sind wie die Bundesregierung

(Beifall bei der FDP)

und dass wir die Aufgaben,die wir erfüllen müssen,selbstständig erfüllen können.

(Michael Siebel (SPD): Das lässt sich dem Handeln dieser Regierung nicht entnehmen! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Wir brauchen – darauf hat Frau Abg. Faeser hingewiesen – als Landtagsabgeordnete kein Scheckbuch, um das zu machen, was wir für unser Land für richtig halten.

Deshalb darf es das nicht geben, was meine ehemalige Generalsekretärin vor einigen Tagen gefordert hat, nämlich dass dem Bund jetzt wieder eine Zuständigkeit – sozusagen eine Rückwärtszuständigkeit – im Bereich der Hochschule und des Hochschulbaus gegeben wird.

(Michael Siebel (SPD): Die hat es begriffen, Herr Hahn!)

Wenn es eine Geldfrage ist, antworte ich: jawohl. Wenn die Aufgabe des Hochschulbaus nunmehr wieder auf der Länderebene ressortiert, wo sie im Übrigen bis zum Jahr 1969 auch gelegen hat,muss das Geld,das der Bund in den letzten Jahrzehnten für diese Aufgabe erhalten hat, den Ländern natürlich im Verhältnis 1 : 1 zur Verfügung gestellt werden.

(Michael Siebel (SPD): Ist das der Fall, Herr Hahn?)

Das wäre die Logik, meine sehr verehrten Damen und Herren: parteiübergreifend Ebenen organisieren. Ich vertraue darauf,dass die Landtagsabgeordneten – sie können ja einmal eine andere politische Auffassung als die Bundesregierung haben; das ist in einer Demokratie auch gut so – selbst wissen, was in ihrem Land richtig und was falsch ist.

Eine Bemerkung zum Justizvollzug. Liebe Kollegin Faeser, ich mache vieles gemeinsam mit meinem Fraktionsvorsitzenden-Kollegen Wolfgang Kubicki; aber in manchen Dingen stimme ich mit ihm nicht überein.

(Nancy Faeser (SPD): Offensichtlich!)

So ist das in der Frage des Justizvollzugs. Ich frage Sie ganz dezidiert zurück, was denn eigentlich bei den Eingriffswirkungen auf Personen der Unterschied zwischen dem Justizvollzug und dem Polizeirecht ist.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ein sehr guter Hinweis!)

Beim Polizeirecht sind wir der Auffassung, dass es Ländersache ist. Da kämpfen wir alle wie die Löwen und Löwinnen darum, dass das tatsächlich Ländersache ist und bleibt.

(Nancy Faeser (SPD): Das ist ein ständiger Eingriff ins Grundgesetz! Das ist etwas völlig anderes! Das ist wirklich absurd! Damit stehen Sie in der Fachwelt völlig allein!)

Sie sagen: Der Justizvollzug darf nicht auf Länderebene ressortiert sein. Diese Logik ist mir schlicht fremd.

Eine letzte Bemerkung – ich sage das sehr deutlich und nicht nur in meiner Funktion als Vorsitzender dieser Fraktion, sondern auch als Sprecher der Vorsitzenden aller Landtagsfraktionen und der Bundestagsfraktion –: Die FDP wird dem Kompromiss zustimmen. Aber die FDP wird dem Kompromiss unter der einen Bedingung zustimmen, dass es die verbindliche, belastbare Verabredung zwischen der großen Koalition in Berlin einerseits und der FDP andererseits gibt, dass in einem zweiten Schritt, noch beginnend in diesem Jahr, die Reform der

Bund-Länder-Finanzbeziehung in Angriff genommen wird.

Wenn diese Bedingung nicht erfüllt wird, scheitert die gesamte Reform.Ich bin mir aber sehr sicher,dass die Union und die SPD wissen, was sie tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hahn. – Das Wort hat Herr Staatsminister Stefan Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, man kann an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, dass die Föderalismusdiskussion und die Entflechtung von Bundes- und Länderaufgaben eine Initiative gewesen ist, die von den Ländern ausgegangen ist. Der Prozess dauert mittlerweile mehr als zwei Jahre. Wir gehen davon aus, dass er mit dem Beginn eines Gesetzgebungsverfahrens im Frühjahr dieses Jahres zu einem guten Abschluss kommt.

Die Föderalismusdiskussion hat das Ziel, Bundes- und Landeskompetenzen zu entflechten, aber insbesondere auch Gestaltungsspielräume für die Landespolitik, insbesondere die Landesgesetzgebung zu erhalten. Deswegen war es auch ein klares Ziel der Hessischen Landesregierung, an dieser Stelle verantwortlich mitzuarbeiten und den Versuch zu unternehmen, genau diese Gestaltungsmöglichkeiten für die Länder zu bekommen. Deswegen wird die Landesregierung den Reformgesetzen im Bundesrat uneingeschränkt zustimmen. Wir gehen davon aus, dass auch die Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestages diesen Reformgesetzen zustimmen.

Kritik, insbesondere an den Positionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,ist auch heute wieder von dieser Stelle zu äußern, denn letztendlich sind ausschließlich wieder Anregungen im Hinblick auf mehr Zentralismus gemacht worden,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

zentralistische Positionen bei der Umweltgesetzgebung und zentralistische Positionen im Verbraucherschutz, in Angelegenheiten der Europäischen Union und der Bildungspolitik. Gegenstand dieser Reformbemühungen ist aber ein anderer Ansatzpunkt gewesen, nämlich die Entflechtung der Kompetenzen von Bund und Ländern in der Bundesgesetzgebung auf der Grundlage der Neuzuordnung von Sachmaterien von Bund und Ländern, nicht aber lediglich eine Erweiterung der Kompetenzen der Bundesgesetzgebung. Es ist daher auch kein Zufall, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keine wesentlichen Chancen für die Landespolitik sieht, die sich aus der Föderalismusreform ergeben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, die größte Chance, die sich Ihnen bietet, besteht darin, dass Sie mit Erfolg auf die lähmende Inflexibilität der Gesetzgebung der letzten Jahre

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie überhaupt zugehört? – Kordula SchulzAsche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer schreibt Ihnen Ihre Rede?)

nein, ich habe Ihnen schon zugehört, Frau Sorge, ich komme auch noch darauf – die Grundstrukturen unseres Gemeinwesens auf eine politische Agenda gesetzt haben. – Ich komme schon noch darauf.

Die Föderalismusreform ist in dem Sinne nicht abgeschlossen, sondern sie ist ein weiter gehender Prozess. Dem ersten Schritt müssen weitere folgen. Wir müssen nämlich wieder die Fähigkeit gewinnen, in eigener Verantwortung zu entscheiden, mit welchen Schwerpunkten, aber auch mit welchen Methoden wir das Land nach vorne bringen und zukunftsfähig gestalten können. Deswegen bieten auch die jetzt verabredeten Reformgesetze vielfältige Chancen für die Landespolitik.Wir werden mit dem Föderalismusgrundsatz Ernst machen, dass ein Land selbst bestimmen können muss,wie beispielsweise sein öffentlicher Dienst modern und leistungsgerecht geordnet und auch finanziert wird.

(Beifall der Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) und Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Die Landesregierung wird alle Entwicklungspotenziale im Bereich von Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungspolitik nutzen.

Ich will an der Stelle auch auf den Justizvollzug eingehen.

(Nancy Faeser (SPD): Da bin ich gespannt!)

Ich glaube, dass der Kollege Hahn das richtig gesagt hat. Föderalismus und die Zuordnung von eigenen Kompetenzen bedeutet auch die Übernahme von eigenen, neuen Verantwortlichkeiten.

(Nancy Faeser (SPD): Es gibt keinen fachlichen Grund dafür!)

Man darf keine Angst vor diesen Verantwortlichkeiten haben,sondern man muss die Chancen,die sich aus diesen neuen Verantwortlichkeiten ergeben, intensiv nutzen, um mehr Eigenständigkeit und mehr Autonomie, mehr Möglichkeiten der Gestaltung auf Landesebene zu erreichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Nancy Faeser (SPD): Sie nutzen das populistisch! Das ist völlig falsch! Das sieht die gesamte Fachwelt anders!)

Man darf nicht dann, wenn man Verantwortlichkeiten bekommt,den Kopf in den Sand stecken oder aber nach dem Bund rufen, weil man sich diesen Verantwortlichkeiten entziehen will. Das ist der entscheidende Punkt im Rahmen der Föderalismusdiskussion.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Deswegen werden wir die Wiederherstellung der Eigenständigkeit der Länder bei Verwaltungsverfahren und Behördenorganisation bei der Ausübung von Bundesrecht nutzen, und wir werden auch den bundesgesetzlichen Bestand kritisch zu durchforsten haben, um auf den Abbau bürokratischer Genehmigungs- und Bewilligungsverfahren zu drängen. Das bedarf dann keiner Bundesratsinitiative mehr, soweit das Land im Wege der neuen Abweichungsgesetzgebung selbst neues Recht erlassen kann.

Die konkreten Auswirkungen der Föderalismusreform werden sich, da bin ich sicher, erst in einigen Jahren zeigen. Gleichwohl ist die Landesregierung zuversichtlich, dass die Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten der Länder und die Entflechtung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern der richtige Weg ist, politischen Innovationen Raum zu geben und damit auch die

notwendige Modernisierung unseres Landes voranzubringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Grüttner. – Meine Damen und Herren, nachdem die Debatte beendet ist, kommen wir zur Abstimmung über die beiden Anträge. Wir stimmen zuerst über Tagesordnungspunkt 27 ab, Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Gesetzgebungskompetenz für den Justizvollzug auf Bundesebene belassen, Drucks. 16/5149. Wer stimmt zu? – SPD und GRÜNE. Dagegen? – CDU und FDP. Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 80:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Einigung über Föderalismusreform – Drucks. 16/5333 –