Protokoll der Sitzung vom 29.03.2006

Frau Hölldobler-Heumüller,Sie erhalten das Wort zur Erwiderung. Bitte sehr.

(Gerhard Bökel (SPD): Fragen Sie doch einmal, warum die CDU das als Dringlichen Antrag der Fraktion eingebracht hat!)

Herr Kollege Walter, ich hatte es befürchtet. Ich hatte befürchtet, dass Sie das einfach nicht verstehen. Meine Rede war eigentlich lang genug, dass Sie Zeit gehabt hätten, darüber nachzudenken.

Ich habe es Ihnen gesagt: Mir liegt nach wie vor an einer inhaltlichen Diskussion zu diesem Thema. Dazu gehört auch, dass man über die Gefahren diskutiert. Sie versuchen,hier die Mitglieder des Plenums bei einem Thema zu trennen, bei dem das überhaupt nicht sein muss. Warum machen Sie das? Sie machen das aus wahltaktischen Gründen.

Sie haben keinen einzigen Verbesserungsvorschlag für dieses Gesetz genannt. Ich glaube durchaus, dass dieses Gesetz novellierungsbedürftig ist.

Sie sind der Auffassung, dass darüber einige Genossen noch ziemlich gut versorgt werden. Dabei wollen Sie es

belassen. Es soll so intransparent bleiben, wie es gegenwärtig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Sie haben ein Thema in den Wahlkampf gezerrt, das 80 % der Mitglieder dieses Hauses nicht verstehen.

(Reinhard Kahl (SPD): Das ist nicht zu glauben!)

Ich würde dazu gerne auch die Mitglieder Ihrer Fraktion befragen. Dieses Thema ist unglaublich kompliziert. Sie haben das auf dem Niveau der „Bild”-Zeitung unter die Bürger gebracht.

(Reinhard Kahl (SPD): Soll ich Ihnen die Rede geben,die Herr Frömmrich dazu im Kreistag gehalten hat?)

Das ist wirklich unter aller Kanone und einer parlamentarischen Auseinandersetzung nicht würdig.

(Beifall der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Daran habe ich Kritik geübt. – Über die Inhalte unterhalte ich mich gerne mit Ihnen.Da werden wir uns des Öfteren Seite an Seite wieder finden. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Das darf doch wohl nicht wahr sein! Das ist nicht zu glauben!)

Für die Fraktion der FDP erhält Herr Kollege Michael Denzin das Wort.

Danke schön. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

(Gerhard Bökel (SPD): Bei euch ist die Richtung klar!)

Herr Kollege Walter, ich stimme dem ersten Satz Ihrer Kurzintervention zu. Sie haben Recht, die Kollegin Heumüller-Heudobler – –

(Zurufe – Jürgen Walter (SPD): Michael, sag einfach Frau Kollegin! Ich mache das auch so!)

Frau Kollegin, Entschuldigung, ich werde Ihren Namen lernen. – Frau Kollegin Hölldobler-Heumüller hat zunächst einmal so gesprochen, dass der Eindruck entstanden ist, als würde sie genauso wie wir dafür eintreten, dass Zäune eingerissen werden sollen. Diese Zäune schützen nicht nur, sondern sie hindern auch, sich auszubreiten. Es geht auch darum, Platz zu schaffen, damit man sich am Markt marktgerecht und wettbewerbsgerecht verhalten kann.

Allerdings hat sie dann Auflagen verkündet, die die GRÜNEN im Sparkassengesetz haben wollen.Diese Auflagen würden aber letztlich dazu führen, dass aus den Zäunen, die Sie als nicht erhaltenswert ansehen, Mauern würden. Frau Kollegin, wenn alle Ihre Forderungen umgesetzt würden, dann würde auch eine noch so gut geführte Sparkasse ihrem Auftrag nicht mehr gerecht werden können. Denn sie würde das wirtschaftlich nicht durchstehen können.

Alle Mitglieder dieses Hauses wollen, dass das Drei-Säulen-System erhalten bleibt. Warum diskutieren wir denn darüber, ob gewisse gesetzliche Einschränkungen aufgehoben bzw. gelockert werden sollen? Die Meinung der SPD hingegen ist, dass man alles so lassen sollte, wie es derzeit ist.

Wir diskutieren es deshalb, weil die Sparkassen nach dem Wegfall der Gewährträgerhaftung, nach den Auflagen und Kriterien von Basel II in ihrer Kreditvergabe nicht mehr so gestellt sind, wie sie das noch vor einigen Jahren waren, weil sie eine stärkere und breitere Eigenkapitalbasis brauchen, weil sie sich natürlich in den Rankings ganz andere Messlatten anlegen lassen müssen, als das früher der Fall war. In Hessen hat man das richtigerweise ein Stück in dem Verbundsystem aufgefangen. Das ist bundesweit schon modellhaft geworden.Wir können stolz darauf sein. Ich gratuliere auch dem Sparkassen- und Giroverband dazu.

Nur, das Verbundsystem reicht alleine nicht, um nicht nur in einer Entwicklung bestehen zu können, die in dem Sektor der Banken – Onlinebanking ist schon angesprochen worden – zu anderen Handelsformen und zu anderen Wettbewerbern führt, sondern auch in dem Druck und in der Ausrichtung z. B. von der Genossenschaftsseite her, die sich schon viel früher für den Wettbewerb aufgestellt hat, als die Sparkassen das hinter ihren Schutzzäunen gemacht haben, oder im internationalen Wettbewerb bestehen zu müssen, den wir natürlich nicht draußen halten können und vielleicht auch nicht draußen halten sollen.

Wie kommen jetzt die Sparkassen mit eingeschränkter Geschäftsfähigkeit – so deutlich muss man das ausdrücken – in dieser Entwicklung zurecht? Gerade wer möchte, dass dieses System im Grundsatz erhalten bleibt, muss schauen, wo wir von der Gesetzgeberseite her Schranken gesetzt haben, die heute nicht mehr zu halten sind. Wir von der FDP sprechen in diesem Zusammenhang die Frage der Kapitalbildung an. Da sind wir nicht alle unterschiedlicher Meinung.Wir sind nur unterschiedlicher Meinung, ob dies optional sein soll oder ob man sagen muss, sie müssen Stammkapital bilden.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP))

Wir kommen deshalb dahin, Herr Kollege Boddenberg, weil es das Wichtigste ist, die Eigentümerfrage zu klären und zu definieren.Im Moment sind die Kommunen Träger der Sparkassen. Diese Trägerschaft beinhaltet aber keine konkreten Gesellschafteranteile. Sie haben keinen Eigentumscharakter in dem Sinne. Bei jeder Disponibilität, wenn ich sie herstellen möchte, muss ich zunächst einmal klarstellen,dass Eigentum und Eigentumscharakter gebildet sind. Ich war auch erst der Meinung, wir machen es einfach, wir machen es optional im Gesetz. Dann können die einen so und die anderen so entscheiden. – Das geht aber nicht auf.

Das Beispiel mit der Bilanzierung in den Wirtschaftsplänen der kommunalen Träger ist zwar nur ein formales Beispiel, aber es zeigt die Notwendigkeit, die Eigentümerfrage zu klären, überdeutlich. In einigen Jahren werden wir überall die kaufmännische Buchführung in den öffentlichen Haushalten haben. Wie wollen sie denn ihre Sparkasse oder ihre Sparkassenanteile bilanzieren? Das können sie doch überhaupt nicht.

(Clemens Reif (CDU): Ja!)

Das ist nur ein formales Beispiel. Das Wichtigere ist das Wirtschaftliche, das Betriebswirtschaftliche, die Disponi

bilität auch des Eigentums. Jetzt sagen wir: nicht unbegrenzt, sondern in den Schranken der „Sparkassenfamilie“, also aller, die in diesem Sparkassenverbund dazugehören. Dabei bleiben wir auch. Das ist eine unabdingbare Forderung von uns.

Jetzt kommen die Zweifel. Hält das denn in Brüssel stand? Da haben wir einschlägige Aussagen, die der Minister vorgetragen hat. Ich gehe davon aus, dass sie belastbar sind.

Dann kommt die Frage von Herrn Walter, was passiert, wenn geklagt wird. Herr Walter, vordergründig würden dann eher Kommunen klagen, nicht die freien Banken.

(Jürgen Walter (SPD): Ja, klar!)

Sie können sich allenfalls diskriminiert fühlen und aus diesem Grund klagen, wie auch immer. Wer klagen will, Herr Walter, kann das heute schon auf der Grundlage des rheinland-pfälzischen Gesetzes.

(Beifall der Abg.Nicola Beer und Roland von Hun- nius (FDP) – Zuruf des Abg. Jürgen Walter (SPD))

Da haben wir in Hessen nur den einen Unterschied – zumindest in unserem Entwurf, den Regierungsentwurf kennen wir noch nicht –: Wir verankern noch zusätzlich, dass das Kopfinstitut, nämlich die Helaba, das genauso aus der Sparkassenfamilie heraus kaufen kann,wie sie das bei der 1822 gemacht hat. Das bräuchte die Helaba aber überhaupt nicht, wie wir alle wissen, weil sie das ohnehin über die 1822 machen kann, und zwar auch im Wege der Fusion so, wie es heute schon läuft.

Frau Kollegin Heudobler-Heumüller,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hölldobler-Heumüller!)

jetzt komme ich noch einmal zu dem, was Sie eben fragend oder auch kritisch angesprochen haben. Heute gehen schon die Fusionen. Das haben wir gerade erlebt, Wetterau/Vogelsberg.Einige haben wir in den letzten Jahren erlebt, andere werden noch kommen. Das ist aber doch schon genau der wirtschaftliche Druck, der sich in Fusionen vollzieht, die irgendwo im Schattenbereich zwischen privater Bankbetätigung – –

(Ministerpräsident Roland Koch reicht dem Red- ner einen Zettel mit dem Namen der Abg. Marga- retha Hölldobler-Heumüller.)

Danke schön, Herr Ministerpräsident. Ich werde es mir jetzt wirklich einprägen, Frau Kollegin Hölldobler-Heumüller.

(Heiterkeit und Beifall – Zuruf des Ministerpräsi- denten Roland Koch)

Es ist doch genau der Druck, der auf die Institute wirkt, die unterschiedlich aufgestellt sind. Es gibt Institute, die überhaupt nicht um Fusionen spekulieren müssen. Sie brauchen keine Angst davor zu haben. Sie brauchen kein Stammkapital, um Anteile zu kaufen oder zu verkaufen. Sie halten sich. Aber die Welt ist nicht überall gleich. Es gibt Institute, über die offen diskutiert wird. Ich möchte diese Diskussion hier nicht forcieren. Da müssen wir doch Wege finden. Diese Fusionen im Schattenbereich zwischen öffentlicher Treuhänderschaft bzw. kommunaler Treuhänderschaft auf der einen Seite und privater Banktätigkeit an der Front in zunehmendem Wettbewerb auf der anderen Seite werden auf Dauer so allein nicht lösbar sein.

Herr Walter hat diese Frage auch schon angesprochen. Herr Ministerpräsident und Herr Wirtschaftsminister, ich hätte gerne natürlich auch einmal eine Antwort darauf, wo Ihre Motivation außer den von uns gemeinsam gesehenen Notwendigkeiten aus der Entwicklung heraus liegt bzw. ob Sie über diese Notwendigkeiten hinaus noch eine andere Motivation haben; ich nenne jetzt konkret das Rhein-Main-Gebiet. Das wäre natürlich interessant.

(Zuruf des Abg. Dieter Posch (FDP))

Da sage ich, wir wollen einen gesetzlichen Rahmen so schaffen, dass sich innerhalb des Sparkassensektors Entwicklungen ergeben und vorangetrieben werden können, ohne dass die Politik diese steuert. Darauf kommt es an. Wenn das von der Politik nicht gesteuert und nicht per Gesetz eingeschränkt oder gelenkt stattfindet, Herr Walter, dann wird in diesem Prozess auch nicht die Gefahr auftreten, die Sie vorhin hier angesprochen haben, dass nämlich dann die Großen die Kleinen oder – Frau Kollegin Hölldobler-Heumüller hat es angesprochen –

(Beifall des Abg. Roland von Hunnius (FDP) – Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

die Starken die Schwachen schlucken, sondern dann wird sich ein ganz anderer Prozess von Kooperationen oder auch von Verschmelzungen, Fusionen, Erweiterungen usw. ergeben.