Protokoll der Sitzung vom 29.03.2006

und ist nach meiner Auffassung im Antrag der FDP-Fraktion leider unzureichend formuliert.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP):Ach nee!)

Nationale Identität ist durch gemeinsame Geschichte, Kultur und nicht zuletzt durch die gemeinsame Muttersprache geprägt.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das ist doch gar nicht wahr!)

Als demokratische Nation tragen wir alle die Verantwortung für diese Grundlagen unseres Zusammenlebens und damit auch für die Gestaltung der Zukunft.Wir Deutsche haben auf der Basis der europäischen Zivilisation im Laufe der Geschichte unsere nationale Identität und Kultur entwickelt, zu der auch unsere Gesellschaft gehört. Die ganzheitliche Förderung der deutschen Sprache steht im Zentrum des Antrages der CDU-Fraktion, der die Landesregierung auffordert, an dieser Stelle ihren klaren Kurs in diesem Politikfeld zu wahren und fortzuführen.

Das werden wir tun, indem wir die deutsche Sprache auch in ihren mundartlichen Erscheinungsformen im In- und Ausland fördern und schützen. Dieses positive Bekenntnis zur deutschen Sprache als Teil der Identität unseres Volkes hebt sich deutlich von einem eher chauvinistischen Ansatz ab, der die eigene Nation über andere stellt. Respekt, Toleranz und auch Empathie gegenüber anderen Völkern und Sprachen sind ebenfalls Bestandteil unseres nationalen Selbstverständnisses und unserer Politik für unser Land. Deshalb ist die Förderung der deutschen Sprache im Hinblick auf die europäischen Perspektiven von besonderer Bedeutung und auch Bestandteil der europäischen Kultur. Sie hat Gewicht, denn sie ist das Kommunikationsmittel der größten Sprachgemeinschaft der Europäischen Union.

Ein Bonner Sprachwissenschaftler hat erst unlängst darauf hingewiesen,dass Deutsch die Sprache ist,die im Zentrum Europas die größte Verbreitung hat und vielfache Verflechtungen mit ihren Nachbarstaaten aufweist. Sie ist damit bei offenen Grenzen wesentliches Mittel zur Herstellung von Sprachkontakten menschlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art. Deswegen ist der Förderung der deutschen Sprache auch ein europäischer Auftrag immanent, der sich bei uns in Hessen niederschlagen muss. Deshalb heißt es in dem CDU-Antrag,

Einen Moment, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren, ich darf Sie um etwas Aufmerksamkeit bitten.

dass das Erlernen der deutschen Sprache eine wesentliche Voraussetzung für die politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Integration zugewanderter Menschen ist oder, um es mit Simon Dach zum Ausdruck zu bringen: „Die Red’ ist uns gegeben, damit wir nicht allein für uns nur sollen leben und fern von Leuten sein.“

Daher muss man über den Antrag der GRÜNEN hinausdenken, der inhaltlich überhaupt nicht begründet worden ist,der sich lediglich auf eine gesellschaftliche Mitwirkung der hier lebenden Menschen bezieht und damit keinerlei Differenzierung des diffus verwendeten Gesellschaftsbegriffs beinhaltet.Deshalb können wir als Landesregierung einem solchen Antrag nur distanziert gegenüberstehen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dem der CDU auch!)

Man kann nicht von der Hand weisen, dass das Beherrschen der deutschen Sprache der maßgebliche Schlüssel für alle in Deutschland lebenden Menschen bezüglich ihrer jeweiligen persönlichen Zukunft besonders unter beruflichen Gesichtspunkten ist. Dies betrifft ganz besonders unsere Mitmenschen mit Migrationshintergrund. Deshalb – das will ich an dieser Stelle nicht ausführlich

darstellen – hat die Landesregierung im Rahmen ihrer erfolgreichen und weithin anerkannten Politik der Integration auch auf die frühzeitige und konsequente Förderung der deutschen Sprache Wert gelegt und diese damit in den Mittelpunkt ihres Handelns gerückt. Ich erinnere hierbei an Vorlaufkurse, an das Erlernen von Deutsch, an die Sprachtests, aber auch die Funktion von Sprache zur beruflichen Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, die an dieser Stelle ihre Probleme haben.

Dies ist auch im Konzert der Bundesländer anerkannt worden, denn als Folge unserer Politik hat die Kultusministerkonferenz schon im Herbst 2005 das Land Hessen mit der Federführung im Bereich der Migrantenförderung in allen 16 Ländern betraut, was die deutschlandweit vorbildliche Arbeit unseres Landes deutlich macht und nachhaltig zum Ausdruck bringt.In diesem Sinne sage ich, dass die Maßnahmen, mit denen die Hessische Landesregierung die Förderung der deutschen Sprache in den Fokus der Bildungs-, aber auch der Integrationspolitik gelegt hat, das Ziel haben,

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

dass alle Menschen in Hessen auf der Basis einer gemeinsamen Sprache, besonders jedoch in Bildungseinrichtungen des Landes,miteinander kommunizieren müssen.Ziel ist dabei auch, um es mit John Locke zu sagen: „Viele Trugschlüsse und Irrtümer... gehen auf Kosten der Wörter und ihrer unsicheren oder missverstandenen Bedeutung.“

In diesem Sinne erhält die Beherrschung der deutschen Sprache für alle in Deutschland lebenden Menschen eine Frieden stiftende und erhaltende Funktion in unserer Gesellschaft.Dies hat auch zur Folge,dass langfristig gesehen der Pflege und verständlichen Anwendung der deutschen Sprache ein höherer Stellenwert in der Öffentlichkeit zukommt. Die allgemeine Stärkung der deutschen Sprache und des Sprachbewusstseins als das zentrale Kommunikationsmittel in Deutschland trägt damit schließlich auch zur gesellschaftlichen Integration und dem friedvollen und friedlichen Zusammenleben in unserem Land bei.

Aus den genannten Gründen unterstützt die Hessische Landesregierung den vorliegenden Antrag der CDUFraktion. Die Hessische Landesregierung wird ihre Politik der Förderung der deutschen Sprache konsequent weitergehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Das Wort hat Frau Kollegin Wagner, FDP-Fraktion.

Herr Grüttner, ich finde, dass Ihre Entgegnungen der Diskussion nicht angemessen waren.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich nehme für meine Fraktion – in diesem Fall auch für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – in Anspruch, dass wir beide zu Beginn unserer jeweiligen Anträge eine klare Einordnung der Bedeutung der deutschen Sprache und ihrer Kultur als ein gesellschaftliches Kommunikationsmittel genannt haben. Sie können nicht sage, dass Ihr An

trag in dieser ersten Einleitung etwa besser ist. Ich halte das nicht für wirklich zielführend.

Wir haben uns klar dafür ausgesprochen, dass die deutsche Sprache in ihrer literarischen Ausprägung als ein kostbares Gut anzusehen und zu pflegen ist. Wir haben auch im Rahmen der europäischen Einigung darauf hingewiesen, dass die deutsche Sprache von großer Bedeutung ist.

Herr Grüttner, ich sehe nicht ein, dass Sie angesichts der Tatsachen, die jetzt alle Fraktionen – auch Herr Lenz – über schlechten Sprachgebrauch vorgetragen haben, den wir wöchentlich aus den Presseerklärungen einzelner Ressorts dieser Landesregierung hören, sagen: Es ist alles in Ordnung. – Wir haben in unseren Antrag ganz bewusst Punkt 2 des GRÜNEN-Antrages übernommen, indem wir gesagt haben: „Parlament und Regierung sind in besonderer Weise gehalten, die deutsche Sprache in Rede und Schriftform in vorbildlicher Weise anzuwenden”.

Ich kann Ihnen nur sagen: wieder eine Presseankündigung, jede Woche, am schlimmsten das Kultusministerium. Liebe Frau Wolff, am 09.03. kündigten Sie in einem Grußwort eine Veranstaltung des Hessischen Kultusministeriums an. Das kann man überhaupt nicht vorlesen, weil es kaum zu lesen ist. Da steht in Englisch: „Get“. Dann gibt es in Großbuchstaben „KONEK“ und dann „Ted“. Das heißt „Kompetenz in Netzwerken aktivieren“. Dann steht darunter: Round-Table-Gespräch, Podiumsdiskussion LUSD, LUSD ist eine Abkürzung und heißt zu Deutsch: Lehrer- und Schülerdatenbank.

Meine Damen und Herren, Sie predigen hier wirklich Wasser, und Sie saufen Wein. So geht das nicht.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe ganz ausdrücklich gesagt:Wir sitzen alle im Glashaus. Wer das will, muss sich an die eigene Nase fassen. Herr Corts weiß, was ich vorhin bewusst genannt habe. Wir hatten eine Zusammenkunft von Beamten aus dem Wirtschafts-, dem Wissenschafts- und dem Kultusministerium, die mir eine Stunde lang eingeredet haben, dass junge Schüler nicht in der Lage seien zu verstehen, wenn die Überschrift „Werbemaßnahmen“ als Interesse für naturwissenschaftlichen Unterricht heißt. Nein, das musste „Tekno now“ heißen. Kein Mensch versteht das.

Meine Damen und Herren, das Schlimme ist, dass wir nicht mehr die Traute und den Mut haben, uns gegen die angebliche Kompetenz von Mitarbeitern zu wehren. Deshalb sage ich Ihnen, Herr Grüttner und vor allem auch Herr Metz: Wenn dieser Widerspruch so ist, dann sollten wir überlegen, was der Deutsche Bundestag seit 1966 als Institution eingeführt hat. – Der Deutsche Bundestag hat einen Redaktionsstab der Gesellschaft für deutsche Sprache eingerichtet, der alle Gesetzes- und Verordnungsentwürfe auf Verständlichkeit und sprachliche Richtigkeit überprüft.

Übrigens ein Hinweis, den Prof. Kirchhof in den letzten Wochen immer wieder zur Steuergesetzgebung gegeben hat: Es ist undemokratisch, wenn am Ende der Bürger die Gesetze, die wir erlassen, noch nicht einmal versteht. – Deshalb sage ich: Das ist nicht nur eine Sprachübung, das ist nicht nur eine Frage der Kulturübung, sondern das ist eine Frage der Sprachfähigkeit von Regierung und Volksvertretung gegenüber der Bürgerschaft, die Transparenz und Demokratie wünscht.

Vielen Dank, Frau Kollegin Wagner. – Das Wort hat der Kollege Al-Wazir, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Grüttner, am Anfang hatten Sie Recht, als Sie gesagt haben, dass jeder hier, wenn er nur lange genug sucht, auch in seinem eigenen Bereich ein Beispiel vorweisen kann. Das ist so. Das haben außer den Mitgliedern der Landesregierung eigentlich alle zugegeben.

Ich kann mich erinnern, dass die Grüne Jugend Hessen zur vorletzten Kommunalwahl ein Plakat entworfen hat, auf dem „Mach ein Kreuz – easy voting“ stand. Schon damals habe ich mich fürchterlich darüber aufgeregt.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Glauben Sie es mir, oder glauben Sie es mir nicht. – Am Beginn dieser Legislaturperiode hat der Hessische Landtag den seit fast 60 Jahren so heißenden „Unterausschuss Staatshaushaltsrechnung“ in „Unterausschuss für Finanzcontrolling“ umbenannt. Als der parlamentarische Geschäftsführer meiner Fraktion zu mir kam und gesagt hat, das sei ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen, die Ausschüsse würden in dieser Legislaturperiode mit neuen Namen versehen, habe ich geantwortet: Das unterschreibe ich nicht.Warum kann der Ausschuss nicht weiter „Unterausschuss Staatshaushaltsrechnung“ heißen?

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Sehr gut!)

Frau Wagner, ich war der Einzige. Der parlamentarische Geschäftsführer ist dann zu der Mehrheitsfraktion zurückgegangen und hat gesagt: Der Fraktionsvorsitzende will das nicht unterschreiben, der Ausschuss soll weiterhin „Unterausschuss Staatshaushaltsrechnung“ heißen.

Dann kam die Rückmeldung von Frank Gotthardt, das müsse so sein, weil „Finanzcontrolling“ ein feststehender Begriff sei.Ich habe inzwischen einmal nachgeschaut.Das ist zwar ein feststehender Begriff, aber der Ausschuss, der jetzt so heißt, macht alles Mögliche, nur nicht das. Aber das ist ein anderes Problem.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich meine nur, wenn wir hier eine ernsthafte Debatte führen wollen – natürlich kann man sie auch auf eine lustige Art und Weise führen, weil das, was mit der deutschen Sprache in den letzten Jahren in bestimmten Bereichen passiert ist, absurd ist –, sollten wir uns bemühen, selbstkritisch zu sein: in unseren eigenen Parteien, bei den Publikationen unserer eigenen Fraktionen. Aber, Herr Minister Grüttner, wir sollten auch dem kritisch gegenüberstehen, was die Landesregierung täglich an Öffentlichkeitsarbeit leistet.

Ich stelle fest, dass sich unser eigener Sprachgebrauch zunehmend verändert. Als ich in den Landtag gekommen bin, haben alle ganz selbstverständlich von den „IT-Mitteln“ im Haushalt gesprochen. Die gab es seit Anfang der Siebzigerjahre, und die hießen damals „Mittel für Informationstechnologie“. Inzwischen stelle ich aber fest, dass in den kursorischen Lesungen zunehmend von den „EiTi-Mitteln“ gesprochen wird. Ich frage mich, was inzwischen eigentlich passiert ist.

Ein anderes Beispiel: Mit unseren Gesundheitspolitikern streite ich mich über eine bestimmte Frage. Als die Diskussionen über die Veränderungen im Gesundheitswesen – bei den Krankenhäusern – anfingen, wurde immer gesagt:Wir wollen das System auf Fallpauschalen umstellen. – Das hat jeder verstanden. Irgendwann ist irgendetwas passiert, und alle sprachen nur noch von „DRGs“. Ich habe gefragt: Was ist denn das? Dann wurde mir gesagt: Na, das sind Fallpauschalen. – Sagt das doch gleich, habe ich geantwortet.

Die Selbstkritik, die ich in meiner Fraktion auch praktiziere – –

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Was diese Selbstkritik betrifft: Ich hätte es gern, dass wir einen solchen Antrag zum Anlass nehmen, in unseren jeweiligen Verantwortungsbereichen selbstkritisch zu sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letzter Punkt. Mit der Sprachförderung von Migranten hat das Ganze natürlich auch etwas zu tun. Aber das ist nicht die Hauptsache. Herr Staatsminister, ich sage das einmal so: Wenn die Deutschen, also diejenigen, deren Muttersprache Deutsch ist, kein richtiges Deutsch sprechen, wie soll man es dann von denen verlangen, die Deutsch als Zweitsprache lernen? Insofern müssen wir bei denen anfangen, deren Muttersprache Deutsch ist.

Wir haben in unserem Antrag ausdrücklich geschrieben, dass die deutsche Sprache „eine der bedeutenden Trägerinnen europäischer Kultur auch für die Zukunft“ sei. Mit der nationalen Identität ist das aber, mit Verlaub, nur schwer in Einklang zu bringen. Deshalb warne ich davor, in dem Zusammenhang auf die nationale Identität zu sprechen zu kommen. Die CDU-Fraktion hat in ihrem Antrag richtigerweise geschrieben, dass Deutsch die alleinige oder regionale Amtssprache in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien, Luxemburg, Italien und Liechtenstein sei. Deswegen ist das nicht nur eine deutsche Debatte, sondern auch eine Debatte über die deutsche Sprache.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir uns selbstkritisch mit dem auseinander setzen können – und auch die Größe haben, uns mit dem auseinander zu setzen –, was von der Landesregierung in den letzten Jahren zunehmend an Öffentlichkeitsarbeit kommt.