Protokoll der Sitzung vom 29.03.2006

Wenn wir es allerdings schaffen, dass bei der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs eine Form des Übergangs gefunden wird, bei der kein Land zunächst einmal in absoluten Zahlen weniger hat, sondern nur die Zuwächse anders verteilt werden, dann glaube ich, dass es durchaus eine Chance gibt, weil das auch den schwachen Ländern einen Anreiz bietet, mehr für ihre Wirtschaft zu tun und das Geld nicht in den Konsum, sondern in Investitionen zu stecken, damit die Wirtschaft wächst.

Da ist es schon beachtlich, einmal zu sehen, wie sich Hessen bei den Investitionen entwickelt hat.Wir haben unser

Geld auf einem sehr hohen Niveau in Investitionen gesteckt.Wir haben zuletzt 1,4 Milliarden c über alle Haushaltstitel hinweg in das Land Hessen investiert. Wir müssen auch von anderen Ländern verlangen, dass sie, wenn sie von uns Geld bekommen, damit Projekte finanzieren, die dazu beitragen, dass diese Länder von allein wieder aus ihrer Finanzierungskrise herauskommen.

Wir müssen einfach konstatieren:Wir werden das System des Länderfinanzausgleichs nie so gestalten können, dass wir gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland schaffen. Diese Wunschvorstellung von gleichen Lebensverhältnissen kann nur sehr relativ sein.

(Reinhard Kahl (SPD): Das steht doch im Grundgesetz!)

Es muss so sein, wie ich eben gesagt habe, dass wir uns mit anderen Spitzenregionen in Europa vergleichen können und nicht als allererstes Ziel haben, in Deutschland absolut gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen. Ein gerechtes Finanzausgleichssystem investiert in die Zukunft und nicht in den Konsum.

Deswegen, finde ich, sollten wir wirklich stolz darauf sein, dass wir als Hessen die größten Zahler in den Länderfinanzausgleich sind. Das bleiben wir gerne auch in Zukunft. Wir wollen aber erreichen – dies sage ich zusammenfassend –, dass wir auch nach dem Länderfinanzausgleich noch Spitze in Deutschland sind. Das bringt dann auch etwas weniger Häme auf der Seite der Opposition, wenn wir hier Haushalte aufstellen.Wir werden diesen Weg, weniger Schulden aufzunehmen, in Hessen konsequent weitergehen.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal dem hessischen Finanzminister Karlheinz Weimar ganz herzlich dafür danken, dass er mit der Reform des Finanzausgleichssystems den Hessen einen deutlich dreistelligen Betrag eingespart hat

(Reinhard Kahl (SPD): Ist der Haushalt 2006 zurückgezogen?)

und dass er mit seiner konsequenten Sparpolitik in Hessen dafür gesorgt hat, dass Hessen unter den westlichen Flächenländern die niedrigste Neuverschuldung hat. Wir können auf dieses Land wirklich stolz sein.– Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Kollege Kahl für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Milde, habe ich Sie eben richtig verstanden – das muss ich als Vorbemerkung fragen –, dass Sie den Haushalt 2006, der verabschiedet worden ist, jetzt zurückgezogen haben? Denn das wäre die Konsequenz. Gegenüber dem Jahr 2005 steigt die Nettoneuverschuldung im Haushalt 2006. Eben haben Sie etwas ganz anderes erzählt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir debattieren heute über den Länderfinanzausgleich aufgrund eines Antrags der

Fraktion der CDU. – Das ist doch schlicht so. Da amüsiert er sich noch darüber, dass er in diesem Jahr wieder mehr Schulden macht und gleichzeitig erklärt wird, es seien weniger.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist die „Trendwende“!)

Das ist schon hervorragend.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen sind ein sehr komplexes System. Ich habe hier die neueste Zusammenfassung mitgebracht. Herr Kollege Milde, es wäre vielleicht ganz gut gewesen, wenn Sie, bevor Sie Ihren Antrag geschrieben hätten, einmal in dieses Papier geschaut hätten. Dann wäre der Antrag garantiert etwas besser geworden – um es ganz vorsichtig zu sagen.

Meine Damen und Herren, wir haben im Jahr 2001 eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs gehabt. Wir haben damals in diesem Parlament gemeinsam für diese Neuordnung gestritten, da es nicht sein kann, dass sowohl Geber- als auch Nehmerländer bestraft werden, wenn sie bessere Steuereinnahmen haben. Das war die Situation vor dem Jahr 2001. Das war – um es klar zu sagen – sicherlich eine falsche Weichenstellung.Wir haben dann im Jahr 2001 eine Änderung gehabt.

Es geht in diesem Zusammenhang eigentlich immer wieder um die gleiche Frage, nämlich darum, dass wir beim Länderfinanzausgleich ein klares Spannungsfeld haben: Die eine Seite ist die Solidarität mit den finanzschwachen Ländern im Hinblick auf die Forderung des Grundgesetzes, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen der Bundesrepublik zu schaffen. Die andere Seite ist selbstverständlich die Anreizfunktion zur Verbesserung der eigenen Steuereinnahmen. Dieses Spannungsfeld muss immer gesehen werden. Deswegen sage ich ganz klar: Auch die SPD ist immer dabei, wenn es darauf ankommt, genau dieses Spannungsfeld für die Zukunft in dem Sinne auszubauen, dass auch die Anreizfunktion zur Verbesserung der eigenen Steuereinnahmen ein wichtiger Punkt des Länderfinanzausgleichs ist.

Nur sehe ich da schon etwas eigenartige Formulierungen des Finanzministers. Heute Morgen lesen wir: „Reformbedarf des Länderfinanzausgleichs“. Im März hat der Finanzminister noch gesagt – wie hieß das so schön? –: „Der Länderfinanzausgleich muss aufgekündigt werden.“ Er wollte sogar aus dem Länderfinanzausgleich austreten. Meine Damen und Herren, so kann man mit diesem Thema nicht umgehen. Denn, Herr Milde, Sie haben mit einem vollkommen Recht:Wir brauchen zur Veränderung des Länderfinanzausgleichs eine klare Mehrheit im Bundesrat. Mit solchen markigen und großen Worten, wie sie der Finanzminister hier zum Ausdruck bringt, kann man garantiert für Hessen nichts erreichen.

Sie müssen sich in diesem Zusammenhang einmal überlegen: Wie war das denn im Jahr 2001? Meine Damen und Herren, ich kann mich noch daran erinnern, wie dieser Kompromiss vom Ministerpräsidenten hier in diesem Parlament gefeiert wurde. Das war die Realität. Zu diesem Kompromiss müssten Sie mindestens einmal stehen und nicht solche markigen und großen Worte machen, wie Sie das in den letzten Wochen getan haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir führen die Debatte auf der Grundlage eines Antrages betreffend – wie der Kollege Milde so schön sagte – Hes

sen Spitzenzahler im Länderfinanzausgleich. Meine Damen und Herren, zum Spitzenzahler im Länderfinanzausgleich nur einige wenige Bemerkungen,um das einmal ein ganzes Stück zu relativieren.Wir haben im Jahre 2005 1,3 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich gezahlt. Jetzt schauen wir uns einmal die Zahlen an.

(Minister Karlheinz Weimar:Wir haben 1,6 Milliar- den c bezahlt!)

1,3 Milliarden haben Sie in Ihrer Bilanz.

(Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar)

Dazu kann ich gleich etwas sagen. Sie haben 1,3 Milliarden c in Ihre Bilanz des Haushaltes 2005 hineingeschrieben. Es ist eindeutig, dass nachgezahlt werden muss. Herr Minister, aber bei dem Nachzahlen und dem Vorauszahlen sind Sie nicht immer derjenige, der das am besten übersehen kann. Dazu will ich gleich noch etwas sagen.

(Lachen des Ministers Karlheinz Weimar)

Also 1,3 Milliarden c – das heißt, wir haben den niedrigsten Wert seit dem Jahre 1995. Ich will Ihnen einige Zahlen einmal verdeutlichen. Wir müssen feststellen, beispielsweise haben wir 1998 – das letzte Jahr der Regierung Eichel – in den Länderfinanzausgleich 1,6 Milliarden c eingezahlt. Die Zahlungen in den Länderfinanzausgleich gehen von Jahr zu Jahr zurück. Sie können uns nicht etwas vom Spitzenplatz erzählen, wenn von Jahr zu Jahr die Zahlungen in den Länderfinanzausgleich eindeutig zurückgehen. Das sind die Realitäten, um das klar und deutlich zu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Es hat schlicht den Grund, dass die Finanzkraft Hessens im Gegensatz zu anderen Bundesländern zurückgegangen ist. Ich kann Ihnen die offiziellen Zahlen nennen.Wir haben im Jahre 2005 einen Prozentsatz von 116,5 %. Wir hatten im Jahre 2000 125 %, im Jahre 2001 125 %, im Jahre 2002 119 % – um einmal zu verdeutlichen, was mit der Finanzkraft des Landes Hessen geschehen ist. Heute davon zu sprechen, dass wir einen Spitzenplatz hätten, geht eindeutig an der Realität vorbei.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt komme ich zu dem Antrag.

(Lachen des Ministers Karlheinz Weimar)

Wir stellen fest,am 15.03.2006 hat der Finanzminister eine Presseerklärung abgegeben: „Hessen größter LFA-Zahler unter den Bundesländern“. – Wenige Tage später kommt ein Antrag der CDU-Fraktion unter dem Titel „Hessen Spitzenzahler im Länderfinanzausgleich“. Das heißt also, aufgrund einer Pressemitteilung ist sehr schnell – was „sehr schnell“ bedeutet, werde ich Ihnen gleich sagen – ein Antrag der CDU-Fraktion entstanden, auf einem Niveau, das relativ gering ist, um es ganz vorsichtig auszudrücken.

Meine Damen und Herren, über die beiden ersten Punkte des Antrages können wir sehr schnell Einigkeit erzielen. Kein Problem, dass andere Bundesländer klagen wollen – das können wir nur negativ zur Kenntnis nehmen. Deswegen muss es darauf ankommen, dass wir im System des Länderfinanzausgleichs in diesem Spannungsverhältnis bleiben, wie ich das eben aufgezeigt habe.

Wenn Sie sich aber die nächsten Punkte anschauen, dann werden Sie feststellen, dass anscheinend der Antrag der CDU-Fraktion in einen Berichtsantrag übergeht. Dage

gen ist erst einmal nichts zu sagen. Das kann man so machen. Das haben wir auch so gemacht. Jetzt soll Folgendes gefragt werden – meine Damen und Herren, hören Sie es sich bitte genau an –: „welche Zahlungen Hessen seit 1999 in den Länderfinanzausgleich geleistet hat“.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das interessiert doch jeden!)

Meine Damen und Herren, die Frage wird gestellt, und in der zuvor herausgegebenen Pressemitteilung des Finanzministers steht schon genau die Antwort.Es steht darin:In dieser Zeit sind 14,8 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich gezahlt worden. – Was ist das denn für ein Antrag, Herr Kollege Milde? Es steht alles in der Pressemitteilung, und drei Tage später fragen Sie den Finanzminister. Dazu kann ich nur sagen: Entweder lesen Sie die Pressemitteilung Ihres eigenen Finanzministers nicht, oder Sie machen hier einen reinen Schauantrag, der mit Informationsbedürfnis überhaupt nichts zu tun hat.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das geht so weiter. Jetzt kann ich – das will ich aufgrund der Zeit nicht im Detail machen – die Zahlen aus den Neunzigerjahren nennen. Die waren in dem Zusammenhang schon in der Zeit genauso hoch. Das ist gar kein neues Thema, was Sie hier aufgreifen. Hessen ist seit Jahrzehnten der größte Nettoeinzahler im Länderfinanzausgleich, und das hat mit dieser Regierung überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD):Von wegen Jammerlappen!)

Das Nächste ist in dem Zusammenhang, dass Sie fragen – wie heißt das so schön? –, „in welcher Höhe das Land im Zeitraum von 1999 bis 2005 neue Schulden aufgenommen hat“. Das fragen Sie diese Regierung wirklich. Ich schaue wieder in diese Pressemitteilung des Finanzministers. „So habe Hessen in dieser Zeit 8,6 Milliarden c Kreditmittel aufgenommen“. So weit zu dem Informationsbedürfnis der CDU-Fraktion, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Lächerlicher geht es im Grunde genommen nicht mehr.