Protokoll der Sitzung vom 29.03.2006

Ich bin glücklich darüber, dass auch die CDU endlich zugegeben hat, dass es in diesem Bereich einen Bedarf gibt. Wir sind uns sogar einig, was die Höhe des Bedarfs betrifft. Wir alle gehen nämlich davon aus, dass wir es bis zum Jahr 2010 schaffen müssen, eine Betreuungsquote von 20 % zu erreichen. Dann stellen sich die Frau Ministerin und andere hierher und sagen, im Moment liege der Anteil – das schwankt immer ein bisschen, je nachdem, wer nach vorne kommt – zwischen 2 und 10 %. Das heißt, wir sind von dem eigentlichen Ziel weit entfernt.

Sehen wir uns an, was Sie jetzt machen. Sie schichten das Geld sozusagen in der Offensive für Kinderbetreuung um. Sie nehmen das Geld bei den Horten weg.

(Ministerin Silke Lautenschläger: Da steht es nicht!)

Ja, Sie nehmen das Geld weg, weil Sie für die Horte keine Mittel mehr zur Verfügung stellen. Das ist genau das, was passiert.

Stattdessen fördern Sie den Ausbau der Kleinkinderbetreuung. Wenn man sich die Richtlinien anschaut, stellt man fest, dass Sie genau das machen. Ich sage Ihnen, dass auch das nicht reicht.Sie sprechen hier von 20 %.Wenn es hochkommt, fördern Sie mit den zusätzlichen Mitteln pro Jahr ungefähr 600 bis 700 Plätze für die Betreuung unter Dreijähriger. Um bis zum Jahr 2010 für 20 % der Kinder entsprechende Plätze zu haben, brauchen wir noch mindestens 4.000 Plätze in diesem Bereich.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist Placebopolitik! Das ist eine Mogelpackung!)

Ehrlicherweise muss ich Ihnen dazu Folgendes sagen: Sie stellen sich hierhin und erzählen den Leuten, Sie würden diese 20 % bis zum Jahr 2010 erreichen. Das ist aber nicht das, was mit dieser Offensive für die Betreuung von Kindern möglich ist. Seien Sie gegenüber den Eltern endlich ehrlich. Legen Sie endlich einen Plan vor, aus dem hervorgeht, wie Sie für alle Kinder im Altern zwischen null und zwölf Jahren ein anständiges, qualitätsorientiertes und gutes Betreuungsangebot erreichen wollen. Versuchen Sie nicht weiter, die Öffentlichkeit zu täuschen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD)

Frau Schulz-Asche, vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.Wir sind damit am Ende der verbundenen Debatte über die drei Anträge angelangt. Dies waren der Antrag unter Tagesordnungspunkt 43, der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Kleinkind- und Hortbetreuung verbessern statt Mittel streichen, der Antrag unter Tagesordnungspunkt 30, Antrag der Fraktion der FDP betreffend verbesserte Betreuung von Kindern als zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe – Elternwille berücksichtigen, und der Dringliche Antrag unter Tagesordnungspunkt 78,Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU betreffend mit den richtigen familienpolitischen Rahmenbedingungen das „Ja“ zu Kindern erleichtern.

Alle drei Anträge sollen dem Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen werden. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch? – Dann ist das so entschieden.

Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 6:

Große Anfrage des Abg. Heidel (FDP) und Fraktion betreffend Mülltrennung vereinfachen – Haushalte entlasten, gelbe Tonne ade? – Drucks. 16/4662 neu zu Drucks. 16/4333 –

Es ist eine Redezeit von zehn Minuten verabredet. Ich darf Herrn Heidel für die FDP-Fraktion das Wort erteilen. Herr Heidel, bitte schön.

(Beifall bei der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Heinrich, das ist eine Große Anfrage, deswegen musst du jetzt auch eine große Rede halten!)

Das erwarten wir.

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der FDP stammt vom August letzten Jahres. Sie hat den Betreff: Mülltrennung vereinfachen – Haushalte entlasten, gelbe Tonne ade? – Die Antwort der Landesregierung auf diese Große Anfrage macht eines deutlich: Handeln ist dort angesagt.

Die Antwort zeigt, dass die von der FDP-Fraktion gestellten Fragen die richtigen Fragen sind. Man kann eindeutig feststellen, dass Bewegung in die Abfallwirtschaftspolitik gekommen ist. Man kann eindeutig feststellen, dass die Abfallwirtschaftspolitik in Hessen in Zukunft anders aussehen wird.

Wir, die Mitglieder der FDP-Fraktion, begrüßen die grundsätzliche Bereitschaft der Landesregierung, einen Modellversuch zur kombinierten Erfassung von Restmüll und Verpackungsabfällen in Hessen zu unterstützen. Auch uns ist klar, dass zuvor die finanziellen Rahmenbedingungen im Sinne aller Beteiligten zu klären sind. Wir sind der Auffassung, dass das eigentlich selbstverständlich sein muss.

Wir vermissen allerdings die Bereitschaft, das umzusetzen,also einen solchen Modellversuch in Hessen zu unterstützen. Hierzu haben wir leider noch keine Aktivitäten feststellen können. Der ausführliche Verweis auf andere Länder bringt Hessen nicht wirklich weiter. Ich darf das einmal so sagen. Handeln ist angesagt.

(Beifall bei der FDP)

Dass die gemeinsame Erfassung von Leichtverpackungen mit Restmüll sinnvoll ist, findet sich in der Antwort der Landesregierung auf unsere Frage 6 wieder. Da wird ausgeführt:

Bei gemeinsamer Erfassung von Leichtverpackungen mit Restmüll ist aufgrund materialgleicher Nichtverpackungen aus dem Restabfall grundsätzlich eine höhere Ausbeute für die aussortierten Fraktionen als bei der getrennten Erfassung möglich.

Das wollte ich hier festhalten.Weiter steht dort:

Eine höhere Ausbeute könnte sich bei gemeinsamer Erfassung auch aus der Tatsache ergeben, dass dann auch diejenigen Leichtverpackungen, die derzeit als Fehlwürfe über die Restmülltonne entsorgt werden, erfasst und sortiert werden können.

Selbstverständlich können in Hessen derzeit noch keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, ob damit höhere Mengen tatsächlich erreicht werden. Denn ein entsprechender Versuch wurde noch nicht gestartet.

Für uns stellt sich wirklich die Frage, warum in Hessen ein solcher Versuch noch nicht auf den Weg gebracht wurde. Herr Minister, wie lange gedenkt das Umweltministerium noch zu warten? Ich sage es wieder: Da ist Handeln angesagt.

Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zur Geschichte machen. Vor knapp 15 Jahren drohte der Müllnotstand. Dies war unter anderem so, weil die Menge an Verpackungsabfällen immer weiter anstieg. Das ist der Hintergrund, weswegen Bundesregierung und Bundesrat im Jahre 1991,also im vergangenen Jahrhundert,mit dem Erlass der Verpackungsverordnung die Notbremse gezogen haben. Hersteller und Betreiber wurden zur Rücknahme ihrer Verpackungen verpflichtet. Damit sollten Verpackungen vermieden und der Restabfall im Wesentlichen stofflich verwertet werden können.

Dazu mussten Verpackungen in stofflich verwertbarer Qualität hergestellt und zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutete zum damaligen Zeitpunkt – ich wiederhole, das war im vergangenen Jahrhundert;

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Jahrtausend!)

jawohl,Jahrtausend –,dass sie extra eingesammelt werden mussten. Dafür wurde das Duale System mit den gelben Tonnen bzw. den gelben Säcken eingeführt. Für die Bürgerinnen und Bürger führte das zu einem höheren Aufwand.Außerdem führte es zu höheren Kosten.Es ist deutlich geworden, dass die von den Herstellern zu zahlenden Entgelte für den grünen Punkt über den Preis des Produkts an den Verbraucher weitergegeben wurden.

Die damals erlassene Verpackungsverordnung erbrachte hinsichtlich der ökologischen Verbesserung der Verpackungen und deren Verwertung den erwünschten Erfolg. Bei den Verkaufsverpackungen, also den bei den privaten Endverbraucher anfallenden Verpackungen,ging der Verbrauch jährlich um 850.000 t zurück – ich wiederhole: 850.000 t jährlich.

Wir sollten aber auch eines festhalten: Seitdem hat sich viel verändert.

(Beifall bei der FDP)

Die Verpackungsverordnung, die aus dem vergangenen Jahrtausend stammt, ist völlig veraltet. Es wurde aus der Antwort auch deutlich, dass die durch die Einführung des Dualen Systems veranlasste Mülltrennung überdacht werden muss.

(Beifall bei der FDP)

Früher war die manuelle Trennung des Mülls die Grundvoraussetzung für eine hochwertige Verwertung der Stoffe, aus denen die Abfälle sind. Aber in neuerer Zeit hat ein technischer Fortschritt auf diesem Gebiet stattgefunden. Damit haben sich die Ausgangslage und die Ausgangsbedingungen der deutschen Abfallwirtschaft und der deutschen Abfallwirtschaftspolitik erheblich verändert. Das aufwendige Sortieren in den Haushalten per Hand ist jederzeit ohne ökologische oder ökonomische Einbußen durch eine automatisierte Mülltrennung ersetzbar.

Einschränkend will ich aber dazu sagen, dass Bioabfälle, Papier, Pappe, Karton und Glas sicherlich weiterhin ge

trennt gesammelt werden müssen. Nach unserer Auffassung sollte das auch geschehen.

Alle anderen Abfallfraktionen hingegen können vollautomatischen Sortieranlagen zugeführt und dann aufbereitet werden. Ganz anders, als man erwartet, können bei der Mülltrennung mit automatisierten Anlagen mehr Wertstoffe und Verpackungsmaterialien einer Weiterverwertung zugeführt werden, als wir es derzeit beim Dualen System haben.Auch das wird durch die Antworten auf unsere Fragen bestätigt.

Für die FDP steht deshalb fest: Die haushaltsnahe Mülltrennung, also die Trennung in den Haushalten, ist keine Voraussetzung für eine hochwertige Verwertung des Abfalls. Die Bürgerinnen und Bürger können von dem unnötigen Sammelaufwand einerseits und von unnötigen Kosten andererseits entlastet werden. Ich betone ausdrücklich, dass dies ohne ökologische Abstriche möglich ist.

Es kann sogar eine bessere Verwertungsquote erreicht werden. Die technischen Möglichkeiten dazu sind vorhanden. Dafür sind aber weitere Details in einem Versuch zu klären. Deshalb wiederhole ich unsere Aufforderung, einen solchen Versuch in Hessen zu starten. Hier ist jetzt in der Tat Handeln angesagt.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind der Meinung, die Landesregierung darf sich da nicht zurücklehnen und warten. Vielmehr muss sie im Auge behalten, was es an innovativen Vorgängen dazu in den anderen Ländern gibt. Sie muss aber auch selbst aktiv werden und auch Hessen die Chance bieten, die Möglichkeiten zu nutzen, die sich da auftun. Das, was sich finanziell rechnen könnte, sollte in einem Versuch ausprobiert werden. Das sollte angeleiert werden. Ein Gutachten aus Nordrhein-Westfalen zeigt,dass sich hierfür natürlich vorrangig die Ballungsräume anbieten.

Uns reicht es nicht aus, dass die Landesregierung in ihrer Antwort gesagt hat,dass sie für technische Entwicklungen offen ist und Modellversuche zur gemeinsamen Erfassung von Leichtverpackungen und Restmüll beobachten will. Ich sage es immer wieder: Hier ist Handeln angesagt.

Ich will noch einmal auf das in Nordrhein-Westfalen erstellte Gutachten eingehen. In dem Kapitel „Ergebnisse und Empfehlungen“ kommt man in diesem Gutachten zu dem Schluss, dass zur Absicherung und Erweiterung der bisher erworbenen Erkenntnisse weitere Großversuche hilfreich sein würden. Ein Gespräch mit den Abfallentsorgern der Stadt Wiesbaden und aus der Wetterau hat gezeigt, dass es gerade in den Großstädten zu einer hohen Fehlwurfrate kommt. Dort liegen die Zahlen weit über dem, was auf der Grundlage der Aussagen von Fachleuten in der Antwort auf die Große Anfrage angegeben ist.

Herr Heidel, Sie müssen zum Schluss kommen. Ihre Redezeit ist zu Ende.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Die Fachleute gehen von Fehlwurfraten von bis zu 55 % aus. Ich meine, das können wir für die Zukunft so nicht hinnehmen.Diese Vorteile der mechanischen Trennung müssen ökologisch genutzt werden, um auch im letzten Umkehrschluss die Möglichkeiten der finanziellen Einsparungen für die Bür

gerinnen und Bürger deutlich zu machen – in diesem Punkt geht das Gutachten von bis zu 10 % aus – und den Bürgerinnen und Bürgern diese Entlastung zugute kommen zu lassen.

Herr Heidel, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ein letzter Satz, Herr Präsident.

Aber ein kurzer Satz.