Protokoll der Sitzung vom 30.03.2006

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg.Michael Boddenberg (CDU))

Ach, Herr Boddenberg. – Ich weiß nicht, wie oft ich es schon von diesem Pult aus gesagt habe: Die Enquetekommission, die sich bereits im Jahr 2002 Gedanken über die nachhaltige Energieversorgung gemacht hat, hat damals schon festgestellt, dass es unter einer Prämisse – 80 % Reduzierung von CO2 – mit erneuerbaren Energien zu machen ist bis zum Jahre 2050.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Aber das Szenario der FDP und der CDU, die gewünscht haben, dass der Einsatz der Atomkraft auch in einem Szenario berücksichtigt würde, bedeutet einen Zubau von 50 bis 70 neuen Atomkraftwerken in Deutschland. Wo wollen Sie das realisieren? Ihre Energiepolitik ist doch absoluter Blödsinn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Ein völliger Unsinn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Arbeitsplätze haben wir doch nicht bei der Atomkraft.

(Michael Boddenberg (CDU): Sagen Sie das doch einmal in Biblis!)

Machen Sie sich doch nicht lächerlich. Wo sind die Arbeitsplätze? Sie sind im Bereich der erneuerbaren Energien.

(Lebhafte Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich bitte auch zu später Stunde um Aufmerksamkeit für die Rednerin.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das fällt einem aber schwer!)

Meine Damen und Herren, Sie können die Realität doch nicht ausklammern. In einem Sektor haben wir einen Zuwachs an sicheren Arbeitsplätzen, und das ist der Bereich der erneuerbaren Energien.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Mittlerweile gibt es in Deutschland 160.000 Arbeitsplätze, die mit dieser Branche in Verbindung zu bringen sind.Wir wissen auch, dass die Ökoenergie den Jobboom verspricht. Ich habe extra für Sie die Zeitung mitgebracht, in der dargestellt wird, wie viele Beschäftigungsmöglichkeiten bereits jetzt vorhanden sind und wie viele künftig noch hinzukommen werden.

Frau Kollegin Hammann, bitte kommen Sie zum Schluss.

Meine Damen und Herren,die Ökoenergien sind der Jobmotor.

(Michael Boddenberg (CDU): Wer hat denn etwas dagegen?)

Wir werden im Jahre 2020 500.000 Arbeitsplätze in diesem Bereich haben. Erkennen Sie doch die Notwendigkeit erneuerbarer Energien, und hören Sie endlich mit dieser rückwärts gewandten Energiepolitik auf, die auf die Atomkraft setzt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Wirtschaftsminister Rhiel.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Energiepolitik ist wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Deswegen müssen wir die Frage, wie eine dauerhafte, preiswerte und ökologisch verantwortbare Energiepolitik gestaltet werden kann,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine nachhaltige Energie!)

vor allem in ihrer dienenden Funktion für die Abnehmer, für die Voraussetzungen zum Wirtschaften wie auch für die privaten Haushalte sehen. Deswegen hat diese Frage eine umfassende Dimension, für die der Energiemix ein wichtiger Punkt ist, für die aber auch andere Faktoren eine wesentliche Rolle spielen.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zur Sache!)

Alle drei Ziele miteinander zu verknüpfen bedeutet in vielen Fällen auch das Aushalten von und das Entscheiden zwischen Zielkonflikten. Die Energieversorgung in der Bundesrepublik Deutschland hängt vor allem davon ab, dass die Primärenergien außerhalb Deutschlands gefördert werden. Daher sind wir in einen internationalen Wettbewerb eingeschaltet. Die Energiepreise in Deutschland hängen davon ab, wie sich die Weltmarktpreise für die Primärenergie, die als Basis für die Stromerzeugung und -versorgung dient, verändern. Wir wissen, dass nicht nur das Verhältnis von Angebot und Nachfrage die Preise bestimmt, sondern dass auch politische Gründe in den verschiedenen Spannungsregionen dieser Welt, aus denen wir die Primärenergie beziehen, eine Rolle bei der Preisentwicklung spielen. Deshalb muss bei der Energiepolitik die Frage berücksichtigt werden, ob diese Herkunftsländer und Fördergebiete dauerhaft und sicher zu erschließen sind.

Meines Erachtens können wir diese Frage heute nicht 100 % positiv beantworten, wir müssen aber daran den

ken, dass – wie hier schon ausgeführt wurde – die fossilen Brennstoffe nicht ewig verfügbar, sondern endlich sind.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch das Uran nicht! – Norbert Schmitt (SPD):Warum kürzen Sie dann laufend die Mittel für den Klimaschutz?)

Deswegen ist die Beantwortung der Frage, wie heute in Deutschland eine Energiepolitik in Verantwortung für die nationale Politik aussehen muss, international, mehr noch – wie die Diskussionen der letzten Monate zeigen – auf europäischer Ebene zu verankern.

Eine vernünftige nationale Energiepolitik muss deshalb dauerhaft in eine gesamteuropäische Strategie eingebunden sein.Wir müssen grenzüberschreitend denken. Damit kommt eine neue Dimension in die Betrachtung hinein, die für Deutschland eine große Rolle spielt. Es stellt sich die Frage, wie weit die Marktmacht der Versorgungsunternehmen in Deutschland durch grenzüberschreitende europäische Energiepolitik relativiert werden kann. Das bedeutet, dass wir über Grenzen hinweg mehr Durchfluss haben müssen und dass die Kuppelstellen, wie man sie nennt, erweitert werden müssen.Alles das ist notwendig, um Marktmacht zu relativieren und um zu mehr Wettbewerb zu kommen.

Wenn wir dieses richtige Ziel ins Auge fassen und es verfolgen, führen wir automatisch auch eine Diskussion über den akzeptierbaren und richtigen Energiemix. Damit kommen wir zu der Frage, ob Kernkraft beispielsweise in Frankreich eher erlaubt ist als in Deutschland. Wenn in Frankreich auf der Basis von Kernkraft produzierte Energie nach Deutschland geleitet wird,dürfen wir diese Energie, wenn wir den moralischen Finger heben, überhaupt abnehmen?

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich stelle das nur deshalb in den Raum, um deutlich zu machen, dass wir in Deutschland allein durch die Diskussion über diesen Punkt zu einer rationaleren Diskussion ohne Emotionen und ohne Ideologien gezwungen werden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben Sie schon getan!)

Wenn wir über bezahlbare Energie in Deutschland sprechen, kommt ein weiterer Punkt hinzu. Die Energiepreise in Deutschland bestimmen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen, wie wir gerade an den beiden Standorten von GM in Rüsselsheim und in Schweden in Trollhättan festgestellt haben. Die unglaublich hohe Preisdifferenz bei der Energie hier und dort zeigt, wie schwierig es ist, den Standort Deutschland zu halten.

(Zurufe von der CDU: Jawohl!)

Wir müssen auch darüber sprechen, warum die Strompreise für den Endverbraucher in Deutschland so hoch sind.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Darauf haben wir eine ganz einfache Antwort: Wenn sich Herr Boddenberg mit seinem Laptop an der Steckdose neu auflädt,

(Norbert Schmitt (SPD): Er lädt sich neu auf, sehr gut!)

zahlt er mit dem Strompreis etwa 34 % für staatliche Abgaben. Ein wichtiger Punkt, der auf die Tagesordnung gehört, ist die Frage, ob wir nicht auch über die Belastungen diskutieren müssen, die insbesondere in den Zeiten der rot-grünen Koalition in Berlin

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh, oh!)

durch die Einführung der Ökosteuer und anderer Abgaben entstanden sind, wodurch die Steuern und damit der Energiepreis in Deutschland so sehr in die Höhe getrieben wurden. Es lohnt sich, darüber zu streiten. Es ist ein wichtiges Thema für die Standortzukunft der Wirtschaft in Deutschland. Es darf allerdings keine ideologischen Scheuklappen geben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist getrennte Abstimmung über die einzelnen Absätze des Entschließungsantrags der FDP, Drucks. 16/5420, beantragt worden.

Ich stelle den ersten Absatz zur Abstimmung. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion. Das langt noch nicht ganz. Wer ist dagegen? – Dagegen sind SPD und GRÜNE.Wer enthält sich? – Die CDU. Damit ist der erste Absatz abgelehnt.

Wer dem zweiten Absatz seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Absatz angenommen.

Wer dem dritten Absatz zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Das sind SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Damit ist dieser Absatz angenommen.

Wer dem vierten Absatz seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Auch dieser Absatz ist angenommen. Damit ist der Antrag so beschlossen.