Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich dachte nur, dass möglicherweise zunächst die GRÜNEN ihren Antrag begründen oder im Zusammenhang mit dem Antrag der FDP diskutieren wollen.

Herr Posch, ich kann mich an vielen Stellen mit dem, was Sie hier gesagt haben, einverstanden erklären. Es ist – davon gehe ich einmal aus – Konsens über alle Parteigrenzen hinweg, dass das Regionale Dialogforum und das Mediationsverfahren am Ende sehr dazu beigetragen haben, dass dieses in jeder Hinsicht gewaltige Projekt mit seinen positiven wie auch negativen Wirkungen in einer sehr sachlichen Atmosphäre diskutiert und weiterentwickelt worden ist.

Meine Damen und Herren, aber ich glaube, wir sollten zunächst schon einmal sagen, dass dieses Projekt nach wie vor ein Projekt ist, das, wenn wir es denn realisieren, viele andere Tagesordnungspunkte ein wenig in den Hintergrund drängen könnte. Wir haben in den letzten Tagen, Wochen und Monaten zu wenig darüber gesprochen, dass wir durchaus mit einem Ausbau eines Flughafens und den anderen großen Infrastrukturprojekten gewaltige Chancen in diesem Land haben.

Wenn es Teil des Regionalen Dialogforums war und weiter sein soll, dazu beizutragen, dass dies wechselseitig von allen Beteiligten so gesehen wird, und wir nämlich nicht nur beispielsweise über das Thema des Lärmschutzes,sondern auch darüber reden, dass dort die Unternehmen Arbeitsbedingungen haben müssen, die sie wettbewerbsfähig halten, dann sind wir sehr dafür, dass wir diesen Dialog nicht nur fortführen, sondern weiter intensivieren.

(Beifall des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Das ist sehr nett, Herr Abg. Milde. – Dazu muss man sehen, dass wir auf der Welt nicht allein sind.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Frau Kollegin Wissler, man muss schon hin und wieder in Erinnerung rufen, dass wir auf der Welt nicht allein sind. – Es gibt zurzeit in Europa Investitionsvorhaben im Umfang von 70 Milliarden c für den Ausbau verschiedener Flughafenstandorte. Jetzt will ich gar nicht über diese gewaltige Investitionsgröße reden, sondern will sagen, dass natürlich auch an vielen anderen Plätzen Ausbauten solcher Verkehrsprojekte und Flughäfen mit sehr kritischer Begleitung stattfinden.

Ich will ein Beispiel herausnehmen, von dem ich glaube, dass es in einer sehr vorbildlichen Weise gelungen ist, alle Betroffenen an einen Tisch zu setzen und nicht nur zu beraten, was die besten Wege – insbesondere im Lärmschutz, aber auch in vielen anderen umweltrelevanten Fragen – sind, sondern am Ende auch verbindliche Unterschriften unter Vereinbarungen zu bekommen, die dann zu einem Weniger an gerichtlicher Auseinandersetzung und damit zu einem offeneren und sachlicheren Dialog in der Region geführt haben. Wien ist ein gutes, ein vorbildliches Beispiel dafür, wie Dialog stattfinden kann.

Herr Kaufmann, wenn ich das sagen darf – darüber haben wir oft gestritten –: Ich finde es bis heute schade, dass sich die Bürgerinitiativen weitestgehend aus dem Regionalen Dialogforum und irgendwann aus der Mediation verabschiedet haben. Ich wünschte, dass sich jetzt, wo ein Planfeststellungsbeschluss auf dem Tisch liegt, die Bürgerinitiativen engagierter und aktiver in diesen Dialog einbringen. Ich habe ihnen nicht vorgeworfen, dass sie sich nicht einbringen.Aber sie waren in ihren Bereichen und häufig in ihren Zielgruppen engagiert.

Deswegen ist es mein Wunsch oder unser Wunsch – ich bin gespannt, was die Fraktionen zu den Vorschlägen der Landesregierung sagen werden –, dass wir es schaffen, noch etwas mehr an Breite in diesem Regionalen Dialog zu gewinnen.

Washington – das war ein Bericht in der „FAZ“ am Samstag – hat offensichtlich noch weniger Probleme als viele Standorte in Europa, auch als wir in Hessen. Der Tenor dieses Berichts in der „FAZ“ zu einem großen Ausbauvorhaben am Flughafen in Washington war:Dort ist es seit vielen Jahren gelungen, dass vom Vorstandsvorsitzenden der Betreibergesellschaft bis hin zur – das meine ich nicht

abwertend – letzten Bürgerinitiative regelmäßig offen über die Vorhaben des Flughafens geredet worden ist. Wenn ich das recht in Erinnerung habe, haben selbst grüne Bundestagsabgeordnete zu diesem konkreten Projekt gesagt: Es scheint eine wichtige Grundlage für gute Lösungen zu sein, dass man rechtzeitig miteinander spricht.

Insofern muss man heute sagen, dass es richtig war, rechtzeitig eine Mediation zu begründen. Sie wissen auch, dass beispielsweise ich das anfangs deswegen kritisch begleitet habe, weil wir gesagt haben: Das war 1998 nur ein Versuch von Rot-Grün, über den Wahltermin zu kommen. – Aber sei es drum, einmal unabhängig von den Motiven im Nachgang und bis heute und hoffentlich auch in Zukunft muss man sagen, dass das ein sehr richtiger und notwendiger Schritt war.

Natürlich an mehreren, aber an einer zentralen Stelle gibt es Streit, nämlich in der Frage, was eigentlich zwischenzeitlich im Planfeststellungsbeschluss von dem angekommen ist, was aus dem RDF heraus – Auftraggeber war die Mediation – im sogenannten Anti-Lärm-Pakt an Vorstellungen formuliert worden ist. Da gehe ich ein bisschen weiter über das hinaus, was Kollege Posch vorgetragen hat, beispielsweise die Frage des von Herrn Wörner vorgeschlagenen Lärmindex. Dazu steht in der Begründung der Vorbehalt, dass, wenn es im weiteren Verfahren gelingt, zu einer anerkannten Größe zur Begutachtung und Evaluation zu kommen, der Planfeststellungsbeschluss vorsieht,dass das Eingang in das weitere Verfahren findet.

Ich glaube, insofern sind wir auf einem guten Weg. Wir sind bei ersten Schritten auf einem sehr wichtigen Weg für Hessen. Heute schreibt die „Frankfurter Rundschau“: Fraport darf jetzt die Ameisen umsiedeln. – Das will ich nicht ironisch verstanden wissen, sondern das zeigt, wie sehr wir uns auch mit Hunderten und Tausenden Detailfragen zu beschäftigen hatten und zukünftig haben. Deswegen wird das auch weiterhin kein einfacher Dialog sein. Ich glaube aber, ein solches Beispiel und eine solche Überschrift zeigen,wie weit mittlerweile Umweltrecht gerade bei solchen Großvorhaben stattfindet.

Deswegen brauchen wir weiter eine breite Beteiligung – ich wiederhole – angesichts der Komplexität dieser gewaltigen Aufgabe. Ich habe ein bisschen im Archiv nachgeschaut.Der Planfeststellungsbeschluss zur Startbahn West von 1971 hatte den Umfang von 20, 25 Seiten. Der heutige Planfeststellungsbeschluss hat insgesamt einen Umfang von zweieinhalbtausend Seiten, was schon zeigt, dass diese Verwaltung vor gewaltigen Herausforderungen stand und an vielen Stellen auch dem Rechnung getragen hat, was das Regionale Dialogforum bisher geliefert hat.

Wir haben oft darüber gesprochen – ob das Vorschläge technischer Art zur Vermeidung von Fluglärm am Flugzeug selbst sind, aber auch ob es verschiedene offene Türen sind, um dem Gesetzgeber noch die Möglichkeit zu geben, nachzujustieren.All das ist Teil dieses Planfeststellungsbeschlusses.

Wichtig ist in dieser Debatte, dass wir uns alle auch für den zukünftigen Dialog vornehmen, dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit weiterhin für alle Beteiligten Geltung haben muss. Das gilt nicht nur für die Frage der Auseinandersetzung, sondern das gilt auch für die Anerkenntnis, dass in einem Rechtsstaat ein solches Verfahren an verschiedensten Stellen einer Abwägung unterliegt.

Deswegen finde ich es manchmal ein wenig einseitig, wenn in der Frage der Abwägung nur der Lärmschutz und

nur der Naturschutz diskutiert werden, aber die Fragen der Interessen der Arbeitgeber, der Unternehmer dort, in diese Abwägung in der öffentlichen Diskussion aus meiner Sicht zu wenig einfließen.

Herr Kaufmann, wir haben an verschiedenen Stellen auch über diesen Punkt gestritten. Ich glaube, diese Anerkenntnis ist wichtig, auch im zukünftigen Dialog.Wir sollten Airlines und erst recht der Fraport unterstellen – Sie haben an anderer Stelle Gelegenheit, einzuwirken –, dass sie versuchen, ebenfalls mit dieser Abwägung ein solches Projekt vorzunehmen, d. h. auch die Beteiligten auf der Produzentenseite, wenn ich das so sagen darf,Verschiedenes unternommen haben und weiterhin unternehmen werden, um die Situation im Umland des Flughafens zu verbessern.

Abschließend – es wundert mich, dass Herr Posch das nicht angesprochen hat – will ich schon noch sagen, dass mich ein wenig die Position der SPD verwundert. Es hat einen offenen Brief des Kollegen Posch an Ihre Fraktionsvorsitzende Ypsilanti gegeben, in dem Herr Posch daran erinnert hat, was eigentlich aus der Ankündigung vom Dezember geworden ist, dass man das Planfeststellungsergebnis noch einmal juristisch würde prüfen wollen.

Wenn ich es richtig verstanden habe, hat Herr Walter zwischenzeitlich irgendwann einmal bei einer Veranstaltung des Regionalen Dialogforums gesagt: Aus meiner Sicht ist der Planfeststellungsbeschluss, wie er ist, halt so, wie er ist, und nicht veränderbar. – Ich habe Sie so verstanden. Herr Walter, vielleicht sagen Sie etwas dazu. Ich finde schon,dass diese Positionierung der SPD jetzt irgendwann notwendig ist – bei allem, was wir vor dem Landtagswahltermin an Streit in der Frage gehabt haben –: Warum legt ihr jetzt einen Planfeststellungsbeschluss vor?

Wir haben immer gesagt, wir haben es zum rechten Zeitpunkt gemacht – damit die Menschen wussten, worüber sie am 27. Januar auch zu entscheiden haben. Ich finde, mehrere Monate nach dieser Zeit des Wahlkampfes haben die Menschen ein Recht darauf, zu wissen, was die SPD in dieser äußerst grundsätzlichen und für die Zukunft sehr wichtigen Frage für die Zukunft unseres Standortes und unseres Bundeslandes heute sagt.

Auch von unserer Seite natürlich ein herzliches Dankeschön an Herrn Prof.Wörner. Er hat eine tolle Arbeit geleistet und wird uns hoffentlich auch in Zukunft in irgendeiner Form mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das war der letzte Satz in einem Zwischenkapitel beim Ausbau des Frankfurter Flughafens. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Boddenberg. – Ich erteile das Wort Herrn Kaufmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vertreter der beiden Wortbruchfraktionen,

(Widerspruch des Abg. Frank Lortz (CDU))

die nämlich das Nachtflugverbot versprochen haben, den Ausbau nur mit Nachtflugverbot, jetzt aber das Gegenteil für richtig halten, haben jetzt einen neuen Trick erfunden.

Das wird aus den Worten, die der Kollege Posch hier gefunden hat, nicht so deutlich wie aus seiner Presseerklärung, die zu der Rede verteilt wurde. Darin geht es nämlich um das Ziel des lärmarmen Nachtflugzeugs.

(Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Michael Boddenberg (CDU): Ist das Ihres nicht?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist so etwas Ähnliches wie der Glaube an ein Wunder. Ein lärmarmes Nachtflugzeug gab es schon einmal im Zweiten Weltkrieg – das waren die Nachtlastensegler, die unbeobachtet von irgendwelcher Überwachung Güter transportiert haben. Ich glaube allerdings nicht, dass der Flugverkehr des 21. Jahrhunderts mit Segelflugzeugen abzuwickeln ist.

Ansonsten kann man – das sage ich auch in Richtung des Kollegen Boddenberg, der hat das auch angesprochen – als lärmarmes Nachtflugzeug vielleicht noch den fliegenden Teppich bezeichnen; und damit sind wir vollends im Bereich des Märchens.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle hört die Lustigkeit aber auch auf. Sie setzt an dem Wort „Wortbruchfraktion“ an, nämlich daran, etwas zu versprechen, von dem Sie wissen, dass Sie es nicht halten können. Das lärmarme Nachtflugzeug ist das neue Beispiel dafür.

(Beifall der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, ich möchte aber die heutige Debatte gar nicht dafür nutzen, um über den Planfeststellungsbeschluss zu diskutieren. Das findet zurzeit vor Gericht statt und wird auch noch eine Weile dauern. Vielmehr wollen wir uns mit der Frage beschäftigen – und so lauten auch die Anträge –, wie die Arbeit nach der Beendigung des Regionalen Dialogforums weitergehen soll.

Die FDP hat in ihrem Antrag dazu einen wunderbaren Satz formuliert, einen dreifachen Superlativ: „Oberstes Ziel... soll der maximale Einsatz für die größtmögliche Lärmminderung sein.“ Das ist ein dreifacher Superlativ, gemäß dem Motto: superer gehts nicht mehr.

Aber das ist natürlich nicht ganz richtig. Beim Regionalen Dialogforum war es so angelegt, und so steht es auch im Mediationsergebnis, dass es um den Dialog geht,

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

nämlich um das Sprechen zwischen denjenigen, die den Luftverkehr zu vertreten haben,und den Menschen,die in der Region leben und unter diesem Verkehr leiden müssen. Dabei ist der Dialog das Wichtigste. Im Mediationsergebnis heißt es, dass nach dem Mediationsverfahren der Dialog mit der Region fortgeführt werden muss und es vor allem zu einem fairen und offenen Dialog kommen soll.

Meine Damen und Herren, ich muss hier heute konstatieren,dass das Regionale Dialogforum diesen fairen und offenen Dialog nicht leisten konnte.

Das will ich Ihnen an einem Beispiel vorführen. Es geht um den Beschluss des Landtags vom 12. Dezember des vergangenen Jahres. Übrigens haben mittlerweile diejenigen, die damals dafür gestimmt haben, in diesem Hause keine Mehrheit mehr; diejenigen, die dagegen waren, hätten eine Mehrheit. Vielleicht sollte man einmal darüber nachdenken, ob wir diesen Beschluss nicht aufheben sollten. Ich habe es vorhin dem Kollegen Walter gesagt. Denn

dieser Beschluss wird in der weiteren Diskussion missbraucht, wie Sie gleich merken werden.Vielleicht wäre es ein netter Vorschlag, sich dies nach der Sommerpause einmal vorzunehmen. Man denke einmal darüber nach.

Ein Charakteristikum am 12. Dezember war nicht nur diese Beschlussfassung des Landtags, sondern – Sie werden sich erinnern – auch die gemeinsame Erklärung der Luftverkehrswirtschaft, von Herrn Prof. Wörner und der Landesregierung. In dieser gemeinsamen Erklärung steht z. B. der wunderbare Satz – ich darf zitieren –:

Nach den bisherigen Diskussionen stehen zu weiteren Prüfungen unter anderem die Anhebung des Anfluggleitwinkels, die Anhebung der Rückenwindkomponente, laterale und vertikale Optimierung von Start- und Landeverfahren sowie Dedicated Runway Operations an.

Das wurde am 12.12. gemeinsam unterschrieben, unter anderem auch von der Deutschen Flugsicherung.

Aber am 16. Oktober des vergangenen Jahres, also etwa zwei Monate vorher, hat die Deutsche Flugsicherung schriftlich erklärt, dass die Erhöhung des Anfluggleitwinkels und die Anhebung der Rückenwindkomponente nicht mit den ICAO-Regeln in Übereinstimmung zu bringen seien und deshalb von ihr abgelehnt werden müssten. Darüber hinaus hat sie gesagt, dass die Dedicated Runway Operations grundsätzlich nur bei sehr geringen Verkehrslasten möglich seien, wie sie in Frankfurt nicht vorliegen.

Meine Damen und Herren, warum sage ich Ihnen das? – Am 12.12.2007 haben wir eine bejubelte gemeinsame Erklärung der Luftverkehrswirtschaft, der Landesregierung und von Herrn Wörner, und zwei Monate vorher sagt die Luftverkehrswirtschaft in Form der Deutschen Flugsicherung bereits: Das machen wir nicht, das geht nicht.