Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN – Lebhafte Zurufe und Widerspruch von der CDU)

Herr Ministerpräsident, warum erheben Sie nicht einfach nach § 20 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags Einspruch?

(Zuruf der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

In § 20 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags heißt es – –

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das hat er doch gemacht!)

Nein, nein, das haben Sie nicht gerade getan. – Dort heißt es:

Erhebt die Landesregierung Einspruch gegen ein vom Landtag beschlossenes Gesetz..., so findet eine weitere Lesung statt.

(Zurufe von der CDU)

Wir haben kein Problem mit einer weiteren Lesung.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Mein letzter Punkt. Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, Sie hätten im Vorfeld bereits deutlich darauf hingewiesen, dass das nicht gehen würde. Soll ich Ihnen das einmal vorlesen?

(Minister Volker Bouffier: Nein!)

Nein, Sie wollen das nicht hören?

(Minister Volker Bouffier: Das stimmt doch gar nicht!)

Doch, doch, Sie haben gesagt, Sie hätten deutlich darauf hingewiesen, so würde das nicht gehen. Soll ich Ihnen einmal die Formulierung nennen? – Ministerbüro HMWK, Fax vom 23.05.:

Meines Erachtens ist es nicht notwendig, dass die §§ 1 bis 6 vorzeitig außer Kraft treten.

Weiter heißt es:

Ich empfehle daher, die Außerkrafttretensregelung zu streichen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ja, was denn sonst noch?)

Ja, und in der Begründung zu dem Ganzen heißt es:

(Zurufe von der CDU)

Die gewünschten gesetzlichen Wirkungen werden auch bei einer Regelung zum Erhebungszeitraum für Studienbeiträge erzielt. Einer Außerkraftsetzung der gesetzlichen Vorschriften bedarf es nicht.

Herr Ministerpräsident, das bedeutet faktisch – da Sie nicht gesagt haben, wenn das unterbleibe, könnten Sie dieses Gesetz nicht unterzeichnen –, dass das etwas ganz anderes gewesen ist als das, was Sie hier im Wortlaut gesagt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Wir erleben hier heute ein wirkliches Novum. Wir befinden uns in der 17.Legislaturperiode des Hessischen Landtags – seit dem Jahre 1946 gerechnet. Nach meiner Kenntnis hat es einen solchen formalen Widerspruch zu einem vom Landtag beschlossenen Gesetz nur ein einziges Mal – ich glaube, in der 2. oder 3. Periode des Hessischen Landtags – gegeben. Damals war es durchaus ein formaler Fehler, der, Herr Ministerpräsident, im Folgenden geheilt wurde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein Widerspruch damals nicht aus derart billigen parteipolitischen Gründen erfolgt ist, wie wir das gerade erlebt haben.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Ministerpräsident Koch.

Herr Kollege Al-Wazir, ich möchte lediglich, dass nicht zwei Dinge im Raum stehen bleiben. Erstens. Das, was Sie am Ende verlangt haben, was wir tun sollten, war ausdrücklich das, was ich als eine der beiden Möglichkeiten angeboten hatte.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens. Wenn Sie aus einem Schreiben des Ministeriums zitieren, dann müssen Sie das auch vollständig tun. Das Ministerium hat empfohlen, eine andere Fassung zu wählen, da die eine Fassung, die Außerkraftsetzung der Paragrafen, vorab nicht zu machen sei. Es war Ihr gutes Recht, dieser Empfehlung nicht zu folgen, und das haben Sie getan. Gleichzeitig haben Sie aber auch Ihre ursprüngliche Fassung nicht beschlossen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig!)

Die ursprüngliche Empfehlung lautete, dass man es so oder so hätte machen können. – Es wäre aber weniger klug gewesen,es derart zu machen,wie Sie es ursprünglich wollten. Sie hätten es, da es Ihnen von dem Ministerium vorgeschlagen wurde, klüger machen können. Doch am Ende haben Sie sich dafür entschieden, beide Versionen nicht zu machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hierzu sage ich ganz – –

Herr Ministerpräsident, einen Augenblick, bitte. – Ich bitte die Regierungsbank, zu schweigen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schlechter Verlierer! – Lachen und demonstrativer Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege, auch wenn ich aufgrund der veränderten Verhältnisse eine andere Rolle habe, so ergibt sich bei einer nüchternen Betrachtung von außen, so glaube ich, doch relativ schnell, wer hier ein schlechter Verlierer ist. Ich kann während dieser Debatte nicht erkennen, wo wir verloren haben sollen.Wir weisen lediglich auf etwas hin.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eines muss unter uns ebenfalls klar sein:Sie haben gesagt, Sie jagten die Regierung. Das ist Ihr Programm. Wir haben zugesagt – unabhängig, ob Jäger oder Gejagter –, Ihnen zu jedem Punkt jede mögliche sachliche Hilfestellung zu geben. Dafür haben Sie sich am Dienstag noch wortreich bedankt. Wir werden Ihnen im Detail sagen, wie es aus unserer Sicht richtig ist. Wir werden Ihnen aber nicht hinterherlaufen, bitten und betteln, damit Sie alles derart machen, wie wir das wollen.Aber genau das erwarten Sie.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist die kochsche Verlogenheit!)

Ich bleibe dabei:Wir sind Berater, aber nicht Kindermädchen der Mehrheitsfraktionen. Meine Damen und Herren, dabei bleibt es auch.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Abg. Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt in diesem Landtag eine Mehrheit für die Abschaffung der Studiengebühren, aber noch viel wichtiger ist, dass es auch in der Gesellschaft eine solche Mehrheit gibt.Das wurde mit 80.000 Unterschriften dokumentiert, die die Menschen gegen Ihr Gesetz abgegeben haben.

(Zurufe von der CDU)

Sie werden bei allen formalen und Taschenspielertricks nicht verhindern können, dass die Studiengebühren abgeschafft werden und dieses Gesetz nicht zu halten sein

wird. Sie haben während der konstituierenden Sitzung gesagt, diese Regierung sei ein Partner des Parlaments. Partner des Parlaments heißt: Im Landtag entscheidet die Mehrheit. – Ich erinnere aber an die Rückkehr in die Tarifgemeinschaft der Länder und daran, dass der Innenminister dies nicht umsetzen möchte. Die Mehrheit hat entschieden, dass es keine weiteren Abschiebungen nach Afghanistan geben sollte, aber Ihr Abschiebeminister setzt das nicht um.

Jetzt haben Sie auch bei den Studiengebühren etwas gefunden,aufgrund dessen Sie der Meinung sind,diesen Gesetzentwurf angreifen zu können. Ich finde, die Arroganz dieser Regierung ist nicht zu überbieten. Sie haben nach dem 27. Januar dieses Jahres nichts kapiert. Sie haben nicht verstanden, dass Sie die Menschen in Hessen nicht mehr an der Regierung haben wollen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Hugo Klein (Freigericht) (CDU): Das stimmt nicht!)

Seit dem 5. April dieses Jahres hätte es für Sie diverse Möglichkeiten gegeben, Ihre Einwände vorzutragen. Es hätte die Möglichkeit gegeben,dies in den Plenardebatten zu tun; und Sie hätten dies während der Ausschussberatungen tun können. Am letzten Dienstag, als Frau Lautenschläger gesprochen hat, hätte es diese Möglichkeit ebenfalls gegeben. Ebenso hätte die Möglichkeit bestanden, eine dritte Lesung zu beantragen. Das haben Sie weder vor noch in der Sitzung getan,doch nun sagen Sie,dass es angeblich formale Fehler gebe.

Herr Koch, Sie werden dieses Gesetz nicht aufhalten; und Sie werden die Studiengebühren nicht halten können – genauso wenig werden Sie sich auf der Regierungsbank halten können.