Deshalb bin ich gerne bereit, zu antizipieren, dass es vielleicht doch noch dazu kommt, dass wenigstens wir vier Fraktionen uns zur wehrhaften Demokratie bekennen. Wenn ich signalisiert bekomme, dass das möglich ist, bin ich froh darum.
Die größte Gefahr der Demokratie – Herr Kollege Hahn hat recht – ist immer, wenn sich die Demokraten um eines vermeintlichen kurzen Vorteils willen auseinanderbringen lassen.
Wir haben sehr viele Punkte, über die wir engagiert streiten können. Dann brauchen wir dieses Klein-Klein nicht. Meine Damen und Herren, deshalb lassen Sie mich nur noch wenige Anmerkungen machen. Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Herr van Ooyen, hat seine Rede begonnen mit: „Wir sollten die Kategorien des Kalten Krieges verlassen.“ Herr van Ooyen, der Schutz einer demokratischen Verfassung ist keine Kategorie des Kalten Krieges. Das ist eine Daueraufgabe für alle Demokraten.
Ihre Wortwahl zeigt, wo der Unterschied liegt. Sie versuchen, den Protest an allen Fronten aufzusammeln. Das ist politisch legitim.Immer dann,wenn der Punkt kommt,wo Sie klar bekennen sollen, wo Sie stehen, versuchen Sie auszuweichen.Sie haben heute mit Ihrer Rede im Grunde genommen alle Zweifel bestätigt.
Es ist dreimal gefragt worden: Herr van Ooyen, Fraktion DIE LINKE, seid ihr nun für die Abschaffung des Verfas
sungsschutzes, oder seid ihr es nicht? – Sie haben nicht die Kraft aufgebracht, hier Ja oder Nein zu sagen. Genau das ist es, was einen mit Sorgen erfüllen muss. Sie täuschen, Sie finassieren, und Sie weichen aus. Genau das ist doch das Problem.
Sie können im „Stern“ nachlesen, wie viele Mitglieder Ihrer Bundestagsfraktion in einem System aktiv als IM und als Hauptamtliche tätig waren, das eine andere Grundüberzeugung hat. Das darf man haben. Der Unterschied zwischen dieser Demokratie und jenem Staat, in dem viele tätig waren,die heute in der Partei DIE LINKE Karriere gemacht haben, ist Folgender: In einer parlamentarischen Demokratie ist es sogar erlaubt, für ihre Abschaffung einzutreten. Das ist nicht strafbar. Der Unterschied zu denen, die früher die DDR hochgehalten haben, ist der: Wenn Sie das in der DDR gefordert haben, sind Sie ins Zuchthaus gekommen.
Wenn Sie das bei uns fordern, dann sagen wir Ihnen, dass wir das für falsch halten. Aber wir stecken Sie nicht ins Gefängnis, in Einzelhaft und was auch immer. Meine Damen und Herren, das ist der wesentliche Unterschied.
Selbstverständlich darf man sich für ein anders Wirtschafts- und Sozialsystem einsetzen. Das ist in unserem Staat zulässig.Aber diese wertegebundene Verfassung hat eine Grundentscheidung getroffen. Die Eigentumsgarantie gehört dazu.
Wer die Verstaatlichung ganzer Wirtschaftszweige fordert, muss sich damit konfrontieren lassen – das tun wir –,
dass wir ihnen sagen: Sie stehen in Teilen – – Bei der LINKEN hat man das Problem, dass man immer von Teilen reden muss. Sie haben kein Grundsatzprogramm. Sie haben sehr viele Politschauspieler. Wer z. B. die Verstaatlichung ganzer Wirtschaftszweige in dieser Republik politisch umsetzen will, der darf dies fordern. Aber daraus kann doch nicht folgen, dass sich dieser Staat selbst blind macht. Der Verfassungsschutz greift nirgends ein. Er stellt fest, berät und gibt der Politik die Fakten. Zu entscheiden hat die Politik, demokratisch legitimiert. Aber dass sich ein Staat künstlich blind macht, damit die Gegner dieser wertegebundenen Verfassung sozusagen im Dunkeln wühlen können, genau das wollen wir nicht mehr haben. Denn genau das war der Fehler im System von Weimar. Genau das hat diesen Staat in früheren Zeiten dorthin geführt, wo wir nicht wieder hinwollen.
Ich habe mir angewöhnt, alles sorgfältig zu lesen, was veröffentlicht wird und was immer wieder gesagt wird. Schauen Sie in Ihre eigene Homepage. Da steht es. „Hermann Schaus, Landtagsabgeordneter der LINKEN,“ – Überschrift vom 21.05. – „hält die Arbeit des Verfassungsschutzes für absurd.“
Frage: „Fordern Sie die Abschaffung des Verfassungsschutzes in Hessen?“ Schaus: „Angesichts dessen, wie er agiert, wie er instrumentalisiert wird, ja.“
Wenn man im politischen Diskurs ist, dann habe ich noch Respekt vor denen,die wenigstens klar sagen,was sie wollen. Denjenigen, die versuchen, in einem Mäntelchen des Biedermanns zu erklären: „Wir sind es doch alle gemeinsam“, denen sage ich: Jedenfalls wir und diese Landesregierung sehen darin keinerlei Gemeinsamkeit. Da gibt es einen tiefen Graben.
Ich hoffe, dass es im Übrigen doch noch zu einer Einigung kommt. Deswegen will ich das nur noch mit wenigen Bemerkungen versehen.Wie ist das eigentlich mit der Kommunistischen Plattform? Wie ist das mit Ihrem Bekenntnis zur Zusammenarbeit außerparlamentarischer Kräfte, obwohl Sie genau wissen, dass auch gewaltbereite Kräfte dabei sind? Ich könnte Ihnen das alles vorlesen. Wie ist das eigentlich mit Äußerungen und Bekenntnissen, z. B. dazu, dass nicht nur das System überwunden werden müsse, sondern dass ausdrücklich auch Bündnisse mit denen geschmiedet werden müssten, von denen jedenfalls wir, alle anderen, der Auffassung sind, dass sie den Sachverhalt des Extremismus längst erfüllt haben?
Das könnte ich Ihnen detailliert vorlesen. Es gibt andere Gremien,in denen wir das vertiefen können.Aber jenseits dieser Frage bleibt doch noch eines, was hoffentlich klar sein muss: Eine wertegebundene Demokratie muss sich immer wappnen, dass Extremisten – ob von rechts oder von links, ob von Inländern oder von Ausländern, ob im Bereich des islamistischen Terrors oder was auch immer – rechtzeitig erkannt werden und dass rechtzeitig erkannt wird, was sich da entwickelt.
Die Frage, wie wir damit umgehen, ist eine, die dann hier zu entscheiden ist. Wir werden das Thema noch öfter diskutieren. Ich möchte gern zum Schluss an eine Begebenheit erinnern, die ich hier als Abgeordneter erlebt habe. Es gab einmal eine Zeit, in der auch die GRÜNEN die Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert haben. Das stand sogar in Ihrem Bundesprogramm. Ich glaube, das ist 1992 gestrichen worden.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In dem Bundesprogramm stand vieles! Wir hatten wenigstens eines!)
Herr Al-Wazir, Sie haben recht. Das gibt mir auch Hoffnung. Wenn man sich ansieht, was Sie schon alles gefordert haben, dann ist schon die Hoffnung begründet, dass das vernünftig wird.
Aber ich will auf Folgendes hinweisen: Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer, mit dem ich auch zusammen im Parlament gesessen habe, hat in einer Debatte des Deutschen Bundestages, konfrontiert mit dieser Programmatik der GRÜNEN, einmal gesagt: „Stimmt, das war einmal unsere Überzeugung. Ich sage heute:“ – so Joschka Fischer – „Ohne unseren Verfassungsschutz“ – und er hat damals hinzugefügt – „und die anderen Dienste könnte ich meine Arbeit als Bundesminister des Auswärtigen der Bundesrepublik Deutschland nicht in verantwortungsvoller Weise durchführen.“
Das ist genau so. Wir können nicht Krokodilstränen über Rechtsextremismus, Linksextremismus oder was auch immer vergießen, wenn wir versäumen, rechtzeitig das zu tun,was uns eigentlich alle miteinander verbinden müsste: Demokratie, Freiheit, Sicherheit und Menschenrechte garantieren. Das alles sind Errungenschaften, für die teilweise viele Menschen ihr Leben gelassen haben. Das sind keine Selbstverständlichkeiten. Eine der größten Gefahren der Demokratie ist, dass diese Freiheitsrechte als Selbstverständlichkeiten wahrgenommen werden.
Es gibt einen Satz, den 27 Staaten der Nato als ihr Leitbekenntnis unterschrieben haben. Er passt auch hier: „Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit.“
Vielen Dank, Herr Innenminister. – Nun hat sich Herr Kollege Dr.Wagner noch einmal zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In aller Kürze:Ich möchte zum weiteren Prozedere den Vorschlag des Kollegen Hahn aufgreifen und förmlich beantragen, dass die Anträge von FDP und CDU auf der einen Seite und von der SPD auf der anderen Seite dem Innenausschuss zur abschließenden Beschlussfassung überwiesen werden – und zwar aus folgenden Gründen. Ich will das kurz begründen.
Die FDP und die CDU haben ihren Antrag im Hinblick auf die Frage des Verfassungsschutzes am 27. Mai eingereicht. Ein Antrag der SPD ist eine Woche später eingereicht worden unter Streichung einiger Feststellungen aus dem FDP/CDU-Antrag. Das können wir nicht nachvollziehen, weil wir selbst in den Redebeiträgen von Herrn Rudolph festgestellt haben, dass die Passagen, die in Ihrem Antrag gestrichen worden sind, sogar zum Gegenstand seines Redebeitrags gemacht worden sind.
Wichtig ist uns Folgendes. Ich will noch einmal das aufgreifen, was der Herr Innenminister und auch Kollege Jörg-Uwe Hahn gesagt haben. Wir dürfen uns in einer solch grundsätzlichen Frage als demokratische Fraktionen nicht auseinanderdividieren lassen. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir zum Schluss im Zuge eines Kompromisses auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen und gemeinsamen Kampfes für unsere Demokratie und unsere Verfassung zu einem Beschlusstext finden, dem alle vier Fraktionen zustimmen können. Ich glaube, das ist auch eine wichtige Demonstration vor der Öffentlichkeit. Wir müssen klar und deutlich ein ungeteiltes Ja zu unserer Verfassung sagen – alle vier Fraktionen vor den Augen der Öffentlichkeit.Wir dürfen nicht kleinlich um einzelne Formulierungen streiten. Da wollen wir als FDP und CDU ausdrücklich auch kompromissbereit sein. – Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Wagner. – Nun hat sich Herr Kollege Rudolph noch einmal zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nur etwas zum Verfahren sagen. Das gehört zur Redlichkeit. Ja, das Verfahren macht Sinn, weil es in diesem Hause einen gemeinsamen Konsens von einer überwältigenden Mehrheit gibt. Das ist ein gutes Signal.