Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

Wir wissen allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, die in der 16. Legislaturperiode bereits hier gewesen sind,dass es in diesem Hause eine Fraktion gibt, die in Bezug auf beide Punkte andere Auffassungen hat – sowohl, was das verfassungsgemäße Grundprinzip der Bundesrepublik Deutschland anbelangt, als auch, was die Aufgaben von Verfassungsschutzbehörden

des Bundes sowie des Landes Hessen betrifft. Das ist für mich ein Grund, hierüber zu debattieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es ist schon beachtlich, mit welchem Vokabular sich unsere neuen Kollegen von der Fraktion DIE LINKE in den letzten Wochen gegen Grundstrukturen der deutschen Verfassung, des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, ausgesprochen haben.

In einem Interview mit dem „Wiesbadener Kurier“ vom 21.05. dieses Jahres sagte beispielsweise Herr Schaus, der nun wohl hinausgegangen ist, um nicht wieder so emotional zu reagieren, Folgendes:

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Er hat eine Besuchergruppe! So viel Ernst muss sein!)

„Natürlich wollen wir Veränderungen wirtschaftlicher Verhältnisse“ – das ist noch okay – „und damit auch eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse“. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist schlichtweg verfassungswidrig.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Marjana Schott (DIE LINKE): Es ist Unsinn, was Sie da reden!)

Das wird sicherlich jeder Jurist, jeder bürgerlich Gebildete und hiermit jedes Mitglied der SPD-Fraktion bestätigen können. Daher können Sie fünfmal Nein sagen und haben dennoch unrecht.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nein!)

Wir haben in unserer Verfassung nämlich eine wirtschaftliche Grundordnung. Keiner hier im Raum hat auch nur ansatzweise erklärt – ich weiß nicht,woher Sie dies haben, daher müssen Sie noch im vorletzten Jahrhundert leben –, dass es um Kapitalismus gehe. Das Grundprinzip der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist die soziale Marktwirtschaft.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr van Ooyen, wenn Sie geschichtlich und wirtschaftspolitisch bei Karl Marx stehen geblieben sind, dann stelle ich fest: Das ist Ihr Problem. Belasten Sie uns aber nicht mit Ihren Problemen, und sagen Sie nicht, dass wir Kapitalismus machen wollten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Grundprinzipien unserer Verfassung heißen: Eigentumsschutz – daher ist es auch verfassungswidrig, was Herr Kollege Schaus gesagt hat –, Sozialstaatsprinzip, Tariffreiheit und noch einige andere Punkte, die Sie in Art. 1 bis Art. 19 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland nachlesen können.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das wollen Sie nicht. Das sagen Sie immer wieder. Der Verein, in dem Frau Kollegin Wissler Mitglied gewesen ist oder dem sie noch immer angehört, sagt auf seiner Internetseite, dass wirtschaftspolitisch eine andere Republik gewollt werde. Sie wollen eine Vergesellschaftung der Mittel haben. Sie wollen – das ist sehr interessant –, was in der Hessischen Verfassung,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Art. 41 der Verfassung!)

in Art. 41 – Frau Kollegin Wissler, danke, als hätten Sie gewusst, dass ich Ihren Zwischenruf benötigen würde –, steht. Jeder in diesem Hause weiß, und eine Enquetekom

mission des Landtags hat es ebenfalls festgestellt, dass Art. 41 nicht mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland im Einklang ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

In dieser Enquetekommission zur Verfassungsreform haben die Sozialdemokraten, die GRÜNEN, die Liberalen sowie die CDU in der letzten – ich bitte Sie, mich gegebenenfalls zu verbessern – Legislaturperiode einstimmig festgestellt, dass Art. 41 nicht mit den Grundsätzen der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar ist. Sie berufen sich daher auf etwas Verfassungswidriges. Herr van Ooyen, nehmen Sie dies zur Kenntnis. Prüfen Sie es, und sagen Sie bitte nicht noch einmal, Sie wären Demokraten. Das sind Sie nämlich nicht.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Doch!)

Da wir uns inhaltlich einig sind und da wir in der vergangenen Legislaturperiode derartige Debatten nie geführt haben, finde ich es schade, dass wir uns nun auf einmal, aufgrund der Anwesenheit der LINKEN, spalten lassen –

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ja, das ist doch schade!)

wir, die Parteien, die wirklich auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland stehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Da ich – ich zitiere einen Kollegen von soeben – von dieser Welt bin, verstehe ich das natürlich. – Frau Ypsilanti, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Herr AlWazir und die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, Sie müssen sich überlegen, was Sie tun. Sie müssen sich überlegen, ob Sie einen Konsens mit den vier Fraktionen, die alle auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland stehen, aufkündigen, da Sie meinen, mit den Stimmen der LINKEN in Hessen eine Ministerpräsidentin installieren zu müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich sage Ihnen, da gibt es Werte zu beachten.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ja, eben!)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege, was ist an dem Antrag falsch, den sowohl die FDP als auch die CDU eingebracht haben?

(Norbert Schmitt (SPD): Wir haben einen besseren!)

Sehr verehrter Herr Kollege Rudolph, ganz offensichtlich ist nichts falsch. Sie haben fast wörtlich vorgetragen, was die CDU und die FDP in Punkt 2 des Antrags geschrieben haben. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie in Anwesenheit der Fraktion DIE LINKE unter Beachtung sämtlicher parteipolitischer Probleme, die insbesondere die Sozialdemokraten haben, gesagt haben, dass Sie sich für eine wehrhafte Demokratie einsetzen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Rudolph, den Worten sollte man auch Taten folgen lassen. Genau dieser Absatz ist in dem Antrag der Sozialdemokraten, den sowohl die SPD als auch die GRÜNEN heute beschließen wollen, gestrichen worden. Das ist ein Auseinanderdividieren, und das kann ich nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der FDP)

Nun zu meiner letzten Bemerkung. Ich bin Herrn Kollegen Rudolph sehr dankbar dafür, dass er noch einmal darauf hingewiesen hat, welches Datum das Gesetz für den Verfassungsschutz des Landes Hessen trägt – nämlich das Datum des Jahres 1990. Ich will daran erinnern, dass im Jahre 1990 Herr Dr. Walter Wallmann Ministerpräsident des Landes Hessen gewesen ist. Stellvertretender Ministerpräsident war Herr Dr. Wolfgang Gerhardt, und der Innenminister dieses Landes ist Herr Gottfried Milde gewesen.

Wir haben damals – das sage ich ganz deutlich – in der ersten bürgerlichen Regierung dieses Landes ein Verfassungsschutzgesetz erarbeitet. Das hat sehr viel Zeit gekostet. Daran kann ich mich erinnern, weil auch ich dabei war. Das hat viele Diskussionen nötig gemacht, doch ist es letztlich für die Bundesrepublik Deutschland und die anderen Landtage eine Blaupause gewesen, um ein solches Verfassungsschutzgesetz zu installieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine der zentralen Forderungen der FDP von damals – lesen Sie dies bitte im Protokoll nach, sie wurde zunächst von dem innenpolitischen Sprecher, Dieter Posch, sowie im Anschluss von dem innenpolitischen Sprecher, Jörg-Uwe Hahn, formuliert – beinhaltet, dass wir weiterhin nicht akzeptieren wollen, dass der Verfassungsschutz nicht direkt vom Parlament kontrolliert wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage dazu, dass die Sozialdemokraten mitgemacht haben.Aus diesem Grunde haben wir in den Gesetzentwurf hineingeschrieben, dass es eine parlamentarische Kontrollkommission gibt und dass das Landesamt für Verfassungsschutz dem Parlament direkt berichtet und in allen Dingen verantwortlich ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten und den GRÜNEN, deshalb verstehe ich es wirklich nicht, dass wir uns jetzt auseinanderdividieren lassen.Wir haben zwei verschiedene Anträge, die aber in drei Punkten identisch sind. Ich verstehe nicht, dass wir den vierten Punkt nicht verabschieden, nur weil darin steht, dass wir auch weiter eine wehrhafte Demokratie brauchen. Ich appelliere an Frau Ypsilanti, ich appelliere an Herrn Al-Wazir, über ihre Schatten zu springen. Entweder wollen wir gemeinsam die Prinzipien der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Hessen ehren und halten, und wir wollen zum Zweiten den Verfassungsschutz richtig organisiert wissen, oder, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir schmieren kleine Brötchen, um irgendetwas Parteitaktisches zu machen.Ich glaube,es wäre bei einer prinzipiellen Sache – das ist eine prinzipielle Sache – wichtig,dass wir uns alle vier gemeinsam für alle vier Punkte aussprechen, die in dem Antrag stehen. Sollte Ihnen das heute nicht möglich sein,so empfehle ich, dass wir die Abstimmung in den Innenausschuss verlegen und dort versuchen, dass die vier zu der Demokratie und auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland stehenden Fraktionen eine einheitliche Bewertung abgeben können. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hahn. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Innenminister Bouffier das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Die Landesregierung und ich als verantwortlicher Minister für den Verfassungsschutz sind dankbar für diese Debatte, weil sie deutlich gemacht hat, dass doch der größte Teil dieses Hauses hinter der Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz steht. Ich hatte den Eindruck, dass zumindest vier Fraktionen der Position von Herrn Dr. Wagner ausdrücklich zustimmen. Ich glaube, Herr Rudolph hat das auch gesagt. Ich will mich ausdrücklich für die hervorragende Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Landesamtes für Verfassungsschutz bedanken.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich sehe, dass Bewegung im Plenum ist. Es wäre aus der Sicht der Landesregierung, auch ganz persönlich, mehr als des Versuches wert, dass sich die Gemeinschaft der Demokraten gerade in einer schwierigen politischen Situation, wie wir sie in Hessen haben, bewährt, wo der Trennungsstrich zwischen politischem Meinungskampf und Grundüberzeugung zu parlamentarischer Demokratie steht.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig!)

Deshalb kann ich nur hoffen, dass die Selbstverständlichkeit – ich sage es noch einmal: die Selbstverständlichkeit – des Bekenntnisses zur wehrhaften Demokratie wenigstens vier Fraktionen in diesem Hause aussprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)