Protokoll der Sitzung vom 27.08.2008

Schon allein dieses Missverhältnis spricht eindeutig dafür, die weitere Umwandlung und den Leerstand von Wohnraum zu beenden. Das Hauptargument für die Umwidmung von Wohnraum kommt vonseiten der Grundstücksund Wohnungseigentümer und steht dem Interesse der Wohnungssuchenden diametral entgegen. Gewerbemieten liegen über Wohnmieten, und die Verknappung des Wohnangebots lässt die Preise der Ware Wohnraum steigen.

Machen wir uns nichts vor, der gewollte Leerstand von Gewerbeflächen hat mit den viel gepriesenen Kräften des freien Marktes herzlich wenig zu tun. Die Abschreibungsmöglichkeiten, die steuerlichen Vergünstigungen und die staatlichen Zuschüsse für gewerbliche Vermietungen sind nicht weniger marktverzerrend, als es Gesetze sind, die die Eigentumsverpflichtung des Grundgesetzes erfahrbare Realität werden lassen.

Wir sollten den Städten und Gemeinden mit dem Gesetz ein Instrument an die Hand geben, um Wohnungspolitik sozial gestalten zu können.Wir halten es für sinnvoll,in einer Anhörung zu dem Gesetzentwurf mit Mietervereinen und den Vertretern von Städten und Gemeinden zu beraten, wie die Regelungen für den Mieterschutz verbessert werden können. Die Menschen, die Erfahrungen aus der Praxis haben, sollen sich in das Gesetzgebungsverfahren einbringen können. Daher bitte ich Sie, dem Anliegen unseres Gesetzentwurfs Ihre Zustimmung zu geben; denn Wohnen ist ein Menschenrecht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Milde das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich musste eben aufpassen, bei der Rede hat es mir meine Schuhe ausgezogen.

(Tarek Al-Wazir und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zeigen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in den vergangenen Jahren ausführliche Debatten zu dem Thema Wohnraumzweckentfremdung geführt. Frau Kollegin Wissler, es ist bezeichnend, wenn man sich die Geschichte dieses Gesetzes anschaut, dass ausgerechnet Sie zu diesem Thema reden. Ich weiß nicht, ob Sie sich damit einmal beschäftigt haben.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

In den Siebzigerjahren gab es insbesondere in Frankfurt Häuserkämpfe mit kriegsähnlichen Zuständen – da sind Pflastersteine geflogen, es gab harte Auseinandersetzungen und große Polizeieinsätze.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das war eine Situation, in der die großen Parteien gesagt haben: Wir müssen handeln. – Der Ausgang war, dass im Frankfurter Westend Villen von den Eigentümern in Hochhäuser umgewandelt worden sind. Die Eigentümer hatten sich damals überlegt, ein Hochhaus mit Gewerbeflächen bringt mehr, als in einer teuren Villa in der Innenstadt zu wohnen. In Frankfurt gab es zu dieser Zeit viel zu wenig Wohnraum. Es war eine völlig andere Situation, als der Staat dort gehandelt hat.Es ist ein massiver Eingriff in Eigentumsrechte.

Aber das Eigentum ist durch die Verfassung in Deutschland geschützt. Sie können nicht einfach – ich weiß, dass Sie darüber anders denken, aber die Verfassung gibt es nicht her – in Deutschland jemandem etwas wegnehmen oder ihm vorschreiben, wie er mit seinem Eigentum umgehen soll,wenn es kein erhebliches öffentliches Interesse dafür gibt. Jetzt ist die Frage, ob auch nur eine Ihrer Behauptungen, die Sie in die Problembeschreibung des Gesetzentwurfs geschrieben haben, stimmt.

In der Tat ist es so, dass in Frankfurt derzeit Gewerbeimmobilien leer stehen. Das führt im Übrigen dazu, dass nicht sinnloserweise zusätzlich Wohnraum in Gewerbeimmobilien umgewandelt wird, sondern da die wirtschaftliche Vernunft bei den Menschen regiert, die Gewerbeimmobilien bauen, führt das dazu, dass sie logischerweise ihre Gewerbeimmobilien, die sie haben, in Wohnraum umwandeln. Das ist genau das, was wir insgesamt wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Frau Wissler, was Sie gemacht haben, werfe ich Ihnen nicht vor. Aber es zeigt ein bisschen, dass Sie sich nicht ernsthaft mit dem Thema beschäftigt haben.Sie haben das Gesetz abgeschrieben, das 2006 übrigens ausgelaufen ist. Es ist nicht abgeschafft worden. Wir haben darüber gar nicht mehr abgestimmt, sondern wir haben eine Verordnung abgeschafft, aber schon 2004.Wir brauchten das Gesetz auch nicht mehr.Als wir das abgeschafft haben – –

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie haben es doch abgeschafft?)

Wir haben die Verordnung abgeschafft. Es gibt einen Unterschied zwischen Verordnung und Gesetz. Das Gesetz brauchten wir in der Tat nicht mehr.

In dem alten Gesetz gab es, als es ausgelaufen war, relativ viele Bezüge zum Bundesrecht,zu Verordnungen usw.,die es alle in dieser Form nicht mehr gibt. Diese Bezüge haben Sie alle übernommen.

Es ist schön,dass Sie abgeschrieben haben und das gezeigt haben. Das alte Gesetz war schließlich ein Gesetz, das wir einmal beschlossen hatten. So schlecht kann es nicht gewesen sein. Aber es hat in seine Zeit gehört. Es passt heute überhaupt nicht mehr in die Zeit.

Es ist grober Unfug, von Spekulanten zu reden. Ich will Ihnen sagen, dass das ewige Gerede von Spekulantentum bei Immobilien dummes Zeug ist. Ohne die Menschen, die bereit sind, mit ihrem persönlichen Eigentum Wohnraum zu schaffen, hätten wir keine Wohnungen. Alleine könnte der Staat in Deutschland das so nicht leisten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deswegen will ich Ihnen auch sagen, dass wir in Deutschland keine Gettos haben.Warum eigentlich gibt es auf der ganzen Welt nirgends eine so befriedigte Wohnraumsituation wie in Deutschland? Weil wir ein faires Nebeneinander von staatlichem und privatem Wohnungsbau haben. Wenn Sie den einen Teil verteufeln, nämlich die privaten Investoren, dann machen Sie logischerweise das Gesamtsystem kaputt.

Ich sage Ihnen: Wir haben in Deutschland allen Grund, stolz darauf zu sein, dass wir diese Wohnverhältnisse haben. Übrigens gab es Anfang des 20. Jahrhunderts überhaupt keine Reglementierung im Markt. Da hatten wir massive Wohnungsüberschüsse. Das ist der beste Markt gewesen, den wir jemals in Deutschland hatten, als es überhaupt keine Regulierungen bei dem Thema gab, als es keine Gängelungen gab. Die Menschen haben gebaut, haben sich dem Markt angepasst, haben versucht, damit Geld zu verdienen, und alle Seiten waren zufrieden. Wir sollten uns vielleicht diese Zeit zum Vorbild nehmen und nicht eine Zeit, in der gegängelt wurde.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben heute die erste Lesung, und es wird auch noch im Ausschuss beraten. – Da Tarek Al-Wazir den Kopf schüttelt, will ich sagen: Mit dem Thema Wohnungsbau kann man sich in der Tat näher beschäftigen. Ich will nicht sagen, dass wir in einigen Bereichen nicht etwas beim Wohnungsbau tun könnten, aber bestimmt nicht das, was jetzt gefordert wurde. Es hat in den Auswirkungen dazu geführt,dass ein Selbstständiger oder ein Freiberufler,der zu Hause in seinem Keller ein Architekturbüro eingerichtet hat oder – ich weiß nicht, wo der Kollege Blum angefangen hat – vielleicht eine Anwaltskanzlei eröffnet hat, erleben musste, dass Wohnungsämter mit dem Zollstock gekommen sind und nachgemessen haben, welcher Anteil gewerblich und welcher Anteil privat genutzt wurde. Das sind irre Folgen eines solchen Gesetzes.

Herr Kollege Milde, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ich höre auf, vielen Dank. – Derjenige, der zu Hause Wohnraum in eine Anwaltskanzlei oder etwas anderes umwandelte, musste dann an anderer Stelle Wohnraum schaffen, und zwar 30 % plus. Das ist ein irrer Vorgang, der marktwirtschaftlich nicht nachvollziehbar ist und der insgesamt den Staat überfordert. Wir wollen keine Gängelei mehr, sondern wir wollen einen fairen, freien Wohnungsmarkt. Der funktioniert in Deutschland, und wir brauchen diese Staatsdoktrin nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Milde. – Ich erteile Frau Hölldobler-Heumüller für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Vorredner hat schon darauf hingewiesen, dass der linke Gesetzentwurf die Wiederaufnahme eines Gesetzes aus dem Jahr 2005 ist, das zu erheblich anderen Zeiten entstanden ist. Von daher müsste das inhaltlich genauer angeschaut werden, statt es einfach in der Form zu übernehmen.Aber ich denke, das ist Ihrer noch nicht so breiten Erfahrung geschuldet.

(Zuruf von der CDU:Das haben Sie aber schön for- muliert!)

Der Kollege hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Verordnung damals aufgehoben worden ist. Das geschah gegen den Widerstand der GRÜNEN.Wir wollten an der Verordnung festhalten. Das Gesetz haben sie dann auslaufen lassen. Das ist klar, ein Gesetz ohne Verordnung macht keinen Sinn. Das ist der zweite Punkt, den wir uns anschauen müssen.

Dass wir wieder ein Wohnraumzweckentfremdungsgesetz wollen,steht in unserem Parteiprogramm.Das war unsere Haltung 2004, das ist unsere Haltung heute. Aber es gibt einen wesentlichen Unterschied zu den LINKEN.Wir sagen: Wir wollen dieses Wohnraumzweckentfremdungsgesetz dort, wo Wohnungsmangel herrscht. Sie wollen es offenbar flächendeckend. Das ist ein wichtiger Unterschied; denn da, wo kein Wohnungsmangel herrscht, brauchen wir auch kein Wohnraumzweckentfremdungsgesetz.

Denn es handelt sich – Sie haben darauf hingewiesen – um einen gravierenden Eingriff in die Eigentumsrechte. Das heißt, der Eingriff muss unbedingt auf das notwendige Maß beschränkt sein.Auch die Frage der Billigkeit ist dabei zu erörtern.

Auf der anderen Seite gibt es Regionen, wo die Hälfte der Wohnungen in der Innenstadt leer steht. Da bin ich froh, wenn der Raum irgendwie genutzt wird. Auch in diesen Regionen macht das, was Sie vorsehen, wenig Sinn.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Deswegen brauchen wir eine Klärung, wie die Verordnung oder das Gesetz aussehen kann.

Herr Milde, Sie haben schon die Grundlagen des Grundgesetzes angesprochen. Ich will daraus zitieren. Darin steht:

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Da gibt es ohne Zweifel eine Verpflichtung, tätig zu werden, wenn man sieht, dass das nicht funktioniert. Im Rhein-Main-Gebiet müssen wir die Zahlen kontrollieren. Wir gehen davon aus, dass 7.000 Wohnungen fehlen. Die LINKEN gehen von 25.000 Wohnungen aus. Das ist eine erhebliche Differenz.Aber es wird eine Anhörung geben, wo wir nachfragen können. Raum ist nicht beliebig ver

mehrbar. Steigende Preise und weitere Verknappung zeichnen momentan das Bild.

Von dem, was als schwarze Minderheitsregierung zusammengeschrumpft ist, sind bisher keine Ideen gekommen,was da zu tun sei.Sie treiben die Bevölkerung mit Ihrer Politik – das hatten wir heute Morgen schon – eher in die städtischen Gebiete, indem Sie keine Ideen haben, wir man den ländlichen Raum stärken könnte, indem Sie beim ÖPNV kürzen, sodass die Leute eher in die Städte ziehen müssen, und indem Sie nicht in der Lage sind, für eine gescheite Technikanbindung in den ländlichen Räumen zu sorgen.

Der einzige Beitrag, den Sie dazu leisten, billigen Wohnraum im Ballungsraum zu schaffen, ist der von Ihnen geplante Ausbau des Frankfurter Flughafens. Dort findet wirklich Wertminderung statt. Dort wird Wohnraum entwertet durch Lärm und Emissionen. Das ist allerdings ein ganz gravierender Eingriff in den Grundbesitz. – Wir wollen, dass der Grundbesitz, den es gibt, sinnvoll genutzt wird.

Als das Zweckentfremdungsgesetz noch galt, gab es jährlich 400 bis 600 Hinweise. Das zeigt, es hatte durchaus Wirkung. Es geht auch nicht nur um Umnutzung von Wohnraum zu Büroraum, sondern es geht auch um Leerstand, um Neubau nach Abriss. Es geht auch darum, dass alle Bevölkerungsschichten bezahlbaren Wohnraum in der Nähe ihrer Arbeitsplätze finden können.

Frau Wissler, ich darf Sie kurz darauf hinweisen – Sie haben es auch in Ihrer Presseerklärung stehen –: Die vielen Büroleerstände werden wir dadurch nicht in den Griff bekommen. Das ist an dieser Stelle deutlich. Die Wirkungsweise des Gesetzes geht in die andere Richtung.

Der Wohnraum im Ballungsraum ist nicht nur durch Planungsrecht und durch Wohnungsbauförderung ins Gleichgewicht zu bringen. Ohne Eingriffe – auch darauf wurde hingewiesen – werden nur die Wohlhabenden in der Nähe ihrer Arbeitsplätze im Rhein-Main-Gebiet Wohnraum finden. Zusätzlich zum Planungsrecht und zur Wohnungsbauförderung brauchen wir auch ordnungspolitische Ergänzungen. Das sind z. B. auch die zehn Jahre Kündigungsschutz bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Das ist die Fehlbelegungsabgabe oder, wie hier, das Wohnraumzweckentfremdungsverbot. Das Wohnraumzweckentfremdungsverbot ist aber nicht allein selig machend.Da braucht es mehr.Das ist uns auch klar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns geht es um ein sinnvolles Gesetz, ein Gesetz mit Augenmaß, das Missstände reguliert. Ich glaube, die Eckpunkte und Grenzen sollten wir nach der Anhörung gemeinsam festlegen.

Herr Kollege Milde, wenn es Auswüchse geben sollte, würde ich davon gerne in der Anhörung hören. Eigentlich wären die eine Sache für die „Bild“-Zeitung, aber davon ist mir nichts bekannt. Von daher gesehen, müssten wir prüfen, ob es diese schwierigen Fälle wirklich gab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)