Protokoll der Sitzung vom 27.08.2008

diesen Projekten scheitern, wird die Strafe schnell und für die Bürgerinnen und Bürger und ihre Arbeitsplätze unwiderruflich kommen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich im Übrigen darauf hinweisen: Es gibt noch weitere Projekte, die ebenso wichtige Bausteine für den wirtschaftlichen Aufschwung in Nordhessen sind. So investiert das Land in viele kleinere Projekte im Rahmen der Regionalförderung. Ich könnte Ihnen jetzt eine ganze Anzahl von erheblichen Millionenbeträgen vortragen, mit denen in Arbeitsplätze, in Modernisierung, in Ausweitung von Unternehmungen investiert worden ist. Ich bin gerne bereit, Ihnen das schriftlich zuzuleiten, damit Sie es endlich zur Kenntnis nehmen.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): So ist es!)

Ich will hinzufügen, und darauf können wir Hessen besonders stolz sein: Was das logistische Gewerbe angeht, gibt es inzwischen bundesweit einen richtigen Schwerpunkt in Nordhessen. Dort sind unzählige zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden.Mittlerweile arbeiten rund 60.000 Beschäftigte in der Logistik in Nordhessen. In ganz Hessen konnte die Zahl der Arbeitsplätze in der Logistik seit 2005 um 3 % auf über 200.000 gesteigert werden.

Lassen Sie mich noch ein Wort zur Kulturregion Nordhessen verlieren, eine wichtige, notwendige Ergänzung zur Attraktivität dieses Raumes. Die Neugestaltung der Museumslandschaft Hessen Kassel ist eines der ehrgeizigsten derartigen Projekte bundesweit. Kassel ist der drittgrößte deutsche Museumsstandort, und Sie wissen, dass das Land Hessen bis 2014 dort insgesamt 200 Millionen c investiert.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, Nordhessen hat sich ausgezeichnet entwickelt. Es gibt einigen Anlass dafür, dass sich alle 110 Abgeordneten im Hessischen Landtag darüber freuen können.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Der Aufschwung kann aber jederzeit durch eine falsche Politik aufs Spiel gesetzt werden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und die machen Sie gerade!)

Deshalb sage ich: Es darf keine infrastrukturelle Totalverweigerung geben.

Ich will einmal auf die Schlangenbader Erklärung der GRÜNEN zu sprechen kommen. Sie sagen dort:Wir wollen ein modernes, gerechtes, ökologisches und nachhaltig wirtschaftendes Hessen in einer globalisierten Welt. – Dem stimme ich zu. Das ist ausdrücklich konsensfähig.

Aber zu einer modernen und wirtschaftlich erfolgreichen Region Hessen – auch Nordhessen, um das es heute insbesondere geht – in einer globalisierten Welt gehört eben auch eine leistungsfähige Infrastruktur.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage an die Adresse der GRÜNEN: Natürlich müssen wir immer wieder abwägen. Wir müssen zwischen den Notwendigkeiten, die ich beschrieben habe – Arbeitsplätze, Wohlstand – und den Belangen des Umweltschutzes und der Natur abwägen. Ich will, sozusagen als Fußnote, festhalten: Vor inzwischen vier Jahrzehnten hat meine Partei im Hinblick auf Herrn Gruhl sicher einen Fehler gemacht.

(Günter Rudolph (SPD): Oh, Selbstkritik!)

Dazu sind wir im Gegensatz zu Ihnen in der Lage.

(Lachen bei der SPD)

Wir haben vor mehreren Jahrzehnten den Anregungen unseres Parteifreunds Gruhl nicht ausreichend Folge geleistet. Da haben sich die GRÜNEN sehr viel Kompetenz und viele Anhänger erworben. Das wollen wir ganz entspannt sagen. Die GRÜNEN haben im Natur- und Umweltschutz eine ganze Menge bewegt.Wir dürfen das aber nicht verabsolutieren. Politik besteht darin, dass wir immer wieder zwischen mehreren Zielen abwägen, und ich kritisiere, dass wir den Umweltschutz zuweilen zulasten der Menschen verabsolutieren.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Lassen Sie mich einen letzten Gedanken äußern. Zu einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik gehört natürlich auch ein Bekenntnis zur Marktwirtschaft. Ich hatte gestern das Vergnügen, mit Herrn van Ooyen in der Sendung „Stadtgespräch“ des Hessischen Rundfunks zu diskutieren. Als dieses Thema angesprochen wurde, sagte Herr van Ooyen: „Marktwirtschaft ist nur eine Floskel.“ Wer auf diese Art und Weise unverantwortlich mit dem Fundament unseres Wohlstandes umgeht, der ist eine Gefahr für Nordhessen, für ganz Hessen und für alle Arbeitsplätze in Hessen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb frage ich die SPD und auch die GRÜNEN: Glauben Sie, dass Sie mit diesen LINKEN, die die Verstaatlichung der Großindustrien für eine gute Idee halten, das Wirtschaftsland Hessen ökonomisch wie ökologisch voranbringen können?

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Die Wirtschaft warnt deshalb vor den möglichen Gefahren. Ich zitiere:

Die Linkspartei verspricht den Wählern teure Wohltaten, verschweigt aber, woher das Geld kommen soll. Den Wählern ist nicht klar, dass sie am Ende die Zeche selbst zahlen müssen, durch höhere Abgaben oder sogar durch den Verlust ihrer Arbeitsplätze.

(Zurufe von der SPD)

Der Präsident der Handwerkskammer Rhein-Main sagt: „Das wäre eine Katastrophe für den Wirtschaftsstandort Hessen.“

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Nordhessen ist auf einen sehr erfolgreichen Weg gebracht worden. Als CDU-Fraktion freuen wir uns, dass Nordhessen zu einer bedeutenden Logistikregion, einem Zukunftsstandort für Wissenschaft und Forschung, zu einem kulturellen Zentrum und zu einem attraktiven Ziel für Touristen in Deutschland geworden ist. Auf Erfolgskurs wird Nordhessen aber nur bleiben, wenn nicht eine wirtschaftsfeindliche Politik Arbeitsplätze vernichtet. Der Wirtschaftsjournalist Manfred Köhler hat in der „FAZ“ vor wenigen Tagen den wirtschaftspolitischen Vorstellungen von Frau Ypsilanti nicht ohne Grund attestiert, sie wolle eines der stärksten Bundesländer zum Experimentierfeld machen.

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Wagner, Sie müssen zum Schluss kommen. Die Redezeit ist um.

Ich komme zum Schluss. Ich bringe nur noch dieses Zitat. – Er sagt:

Dass...das Wirtschaftsleben regelrecht zur Disposition zu stehen scheint, irritiert dieser Tage am meisten. Auch eine linke Landesregierung bleibt allerdings auf funktionierende Unternehmen angewiesen – irgendwer muss schließlich die Steuern erwirtschaften, die über den Landeshaushalt verteilt werden.

Ich schreibe dies denjenigen ins Stammbuch, die auf dem Wege sind, die Chancen von Nordhessen zu verspielen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Dr. Wagner. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Kaufmann Gelegenheit zur Einbringung des Antrags.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein gewisser Absturz war das schon, Herr Kollege Dr.Wagner. Nachdem gestern der große Chef gesprochen hat, haben wir heute – beinahe zum selben Thema – den kleinen Chef gehört, der in der ihm eigenen Art, wie gewohnt, die Seriosität seiner Argumentation nicht so sehr in den Vordergrund gerückt und wieder einmal den Beweis erbracht hat,dass Juristen,wie der alte Spruch lautet, buchstäblich zu allem fähig, aber keineswegs bei allem sachkundig sind.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Der Vortrag des Kollegen Dr. Wagner erinnert doch sehr an eine auf der Flucht zurückgelassene Feldhaubitze, die irgendetwas in die Gegend ballert, plan- und ziellos, aber dafür lautstark.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Inhaltlich haben wir nämlich keinerlei Neuigkeiten hören dürfen.All die Lobhudeleien, die die CDU von sich gegeben hat, kennen wir schon aus mehreren Plenardebatten in diesem Hause, z. B. am 31. Januar 2007, als wir im Plenum einen Antrag der CDU-Fraktion mit dem Titel „Nordhessen auf der Überholspur“ diskutiert haben, der das überaus beliebte Thema Straßenbau in Nordhessen zum Gegenstand hatte. Warum wir heute dieselben Sätze hören und lesen, ohne dass beim Projekt A 44 in der Zwischenzeit auch nur ein Meter Straße mehr gebaut worden ist, bleibt das Geheimnis der Antragsteller.

(Florian Rentsch (FDP): Da sind Sie der Richtige!)

Der eigentliche Grund der Antragstellung im letzten Jahr war, im Vorfeld der Landtagswahl möglichst intensiv Selbstlob zu verbreiten. Heute ist die Wiederholung des gestrigen Versuchs das Leitmotiv der CDU und der FDP – diesmal haben Sie zusammen einen Antrag gestellt –,

nämlich zu versuchen,Verwirrung zu stiften,insbesondere bei der SPD. Meine Damen und Herren, wenn dieser Versuch genauso erfolgreich ist wie der Baufortschritt bei der A 44 in den letzten neun Jahren unter Roland Koch, ist uns GRÜNEN nicht bange.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Bedauern Sie das, Herr Kaufmann?)

Wenn man sich den Inhalt des Antrags der CDU und der FDP ansieht, muss man feststellen, dass dort leider sehr viel Ideologie verbreitet wird.Wenn man dem Herrn Kollegen Dr.Wagner zugehört hat, muss man das umso mehr feststellen. Bei Ihnen geht, wie so oft, gefestigte Meinung der Ahnung deutlich vor.Ahnung zu haben heißt ja, überhaupt etwas zu wissen. Mit der steten Wiederholung der Behauptung, dass für den wirtschaftlichen Erfolg eine gut ausgebaute Infrastruktur maßgebliche Voraussetzung sei, beschwören Sie zwar Ihre Vorurteile, liefern aber keinerlei Beitrag zu irgendeiner Problemlösung. Der Kollege Dr.Wagner hat aus dem Artikel der „HNA“ zitiert,in dem es heißt, dass das Wirtschaftswachstum in Nordhessen kräftiger als in Südhessen und kräftiger als in NordrheinWestfalen, Niedersachsen und Thüringen war – allerdings bezogen auf die Jahre 1997 bis 2006. Das ist das Ergebnis der Helaba-Studie, die diesen Zeitraum untersucht hat. Herr Dr. Wagner, ist Ihnen nicht aufgefallen, dass dieses grandiose Wirtschaftswachstum in Nordhessen ohne eine zusätzliche Autobahn ausgekommen ist? Denn die 4,3 km zusätzliche Straße können das ja nicht gebracht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute kann man in der Zeitung eine klare Feststellung des ifo-Instituts – das ist nicht unbedingt reine grüne Lehre – lesen, in der dargelegt wird, dass Infrastrukturprojekte für den wirtschaftlichen Erfolg nicht ausschlaggebend sind. Das ist die Erkenntnis des ifo-Instituts. Insofern sollten Sie vielleicht wirklich einmal versuchen, Ihre ideologische Verblendung zu überwinden.

Nordhessen ist doch keineswegs Terra incognita, sodass es darum ginge, die ersten Schneisen in unerforschtes Territorium zu schlagen, damit sich die Menschen dort überhaupt begegnen können.Auch in Nordhessen gibt es eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur, die den Erfordernissen sowohl der Wohnbevölkerung als auch der Wirtschaft weitestgehend angemessen ist – sonst gäbe es nämlich die Erfolge nicht, die Sie gerade vorgetragen haben.