Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 15. Plenarsitzung und darf Sie sehr herzlich begrüßen.
Ich möchte die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen. Wird dem widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Der Landtag ist beschlussfähig.
Zur Tagesordnung einige Hinweise. Noch offen sind die Tagesordnungspunkte 3 und 4, 9 bis 16, 18 bis 21, 24 bis 39, 42, 45, 47 bis 53, 55 bis 58, 61 bis 63, 65 bis 70, 72 bis 82 sowie 88 bis 90.
Tagesordnungspunkt 21 wird auf Wunsch der antragstellenden Fraktion von der Tagesordnung abgesetzt und in der Plenarsitzung im September gelesen.
Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Beteiligung der „Roten Hilfe e. V.“ als Anzuhörende einer schriftlichen Anhörung des Innenausschusses des Hessischen Landtags, Drucks. 17/579. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Dem wird nicht widersprochen, dann ist das der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 91 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, nach Tagesordnungspunkt 72, der Aktuellen Stunde zu diesem Thema, aufgerufen werden. – Dem wird nicht widersprochen.
Ebenfalls eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Verurteilung von Extremismus in Hessen, Drucks. 17/580. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Dem wird nicht widersprochen. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 92 und kann, wenn Sie nicht widersprechen, nach Tagesordnungspunkt 76, der Aktuellen Stunde zu diesem Thema, aufgerufen und abgestimmt werden. – Dem wird nicht widersprochen, dann ist so zu verfahren.
Ich komme zum Ablauf der Sitzung.Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis zur Erledigung der Gesetzeslesungen bei einer Mittagspause von einer Stunde.
Wir beginnen, wie am Donnerstagmorgen üblich, mit den Anträgen für Aktuelle Stunden. Das sind die Tagesordnungspunkte 72 bis 76. Interfraktionell haben sich die Fraktionen auf eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion je Aktuelle Stunde geeinigt.
Wie eben schon gesagt,werden nach Tagesordnungspunkt 72 die Tagesordnungspunkte 89 und 91, zwei Dringliche Entschließungsanträge zum Thema,ohne Aussprache aufgerufen und sofort abgestimmt. Nach Tagesordnungspunkt 73 wird Tagesordnungspunkt 88, ein Dringlicher Entschließungsantrag zum Thema, ohne Aussprache aufgerufen und sofort abgestimmt. Nach Tagesordnungspunkt 76 werden die Tagesordnungspunkte 56, ein Entschließungsantrag, sowie die Tagesordnungspunkte 90 und 92, zwei Dringliche Entschließungsanträge zum Thema, ohne Aussprache aufgerufen und sofort abgestimmt.
Nach der Aktuellen Stunde fahren wir mit Tagesordnungspunkt 11 fort. Erlauben Sie mir, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, eine Bemerkung.Wir sind bekannt als ein sehr engagiert diskutierendes Parlament. Die Themen, die in den Aktuellen Stunden aufgerufen werden, schließen nicht aus, dass mit besonderer Emotionalität
diskutiert wird. Ich wäre allen Fraktionen sehr verbunden, wenn wir das Maß an Fairness einhalten würden, das wir uns selbst durch Geschäftsordnung und ähnliche Bestimmungen auferlegt haben.
Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Schutz unserer Demokratie und unseres Rechts- staates vor revolutionären Zielen der Linkspartei) – Drucks. 17/558 –
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beginne diese Aktuelle Stunde mit einem Zitat, das auch die Frage beantwortet,warum wir diese Aktuelle Stunde beantragt haben. „Wenn jemand der Meinung ist, eine Gesellschaft durch eine Revolution zu verändern, dann ist das keine Grund, warum er nicht zum Polizeigesetz reden darf.“ Frau Wissler, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der LINKEN, hat dies vor einer Woche im Hessischen Rundfunk gesagt.
Hintergrund dieser Äußerung ist, dass die Fraktion DIE LINKE im Rahmen der Anhörung zum Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung die Rote Hilfe als Anzuhörende benannt hat. Mit dem Wort „jemand“ hat Frau Wissler die Rote Hilfe gemeint.
Welche Ziele hat die Rote Hilfe? Sie sagt von sich selbst: Antirepressionsarbeit und Rote Hilfe sind notwendig, um Revolution zu machen und Krieg dem imperialistischen Krieg entgegenzusetzen. Die Rote Hilfe hält Deutschland für ein nationalstaatlich fixiertes, bürgerlich-kapitalistisches Herrschaftssystem, das von unterschiedlichen Unterdrückungsmechanismen strukturiert und geprägt wird.
Ich zitiere aus der Stellungnahme der Roten Hilfe, die sie im Rahmen dieser Parlamentsanhörung zum HSOG abgegeben hat:
Die Terroranschläge vom 11. September 2001 dienten in der BRD zur Konstruktion einer angeblichen „allgemeinen Bedrohungslage“... Eine tatsächliche Bedrohung durch „islamistische Terroristen“ vermochten die Behörden der BRD noch in keinem Fall überzeugend darzulegen.
Die Rote Hilfe hat sich unter anderem auf die Fahne geschrieben,die noch einsitzenden RAF-Häftlinge zu unterstützen.
Die Rote Hilfe sagt, die Stadtguerillabewegung und der staatliche Kampf gegen sie hätten in den Siebzigerjahren das Scheitern des deutschen Rechtsstaats deutlich gemacht. Heute, so die Rote Hilfe, bewiesen dieselben Gefangenen durch ihr unbeugsames Verhalten auch das Scheitern des Repressionsapparats.
Nicht wenige Mitglieder der Gruppe sind dem Verfassungsschutz zufolge gewaltbereite Radikale. Die Rote Hilfe wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet und als linksextremistisch eingestuft.
Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund dieser Aussagen muss man feststellen,dass dies eine für eine Anhörung zu einem Sicherheitsgesetz im Hessischen Landtag völlig untaugliche Gruppierung ist.
Frau Wissler hat vor einer Woche die Anhörung der Roten Hilfe mit dem Argument verteidigt, die Gruppe habe Erfahrung mit der Polizei und sei daher für eine Anhörung zum HSOG besonders geeignet.
Das ist in etwa so, als ob ich Kriminelle, die im Gefängnis einsitzen, zu einer Änderung des Strafgesetzbuchs befragen würde.
Es muss für das parlamentarische Verfahren einen klaren Grundsatz geben: Eine Zusammenarbeit mit verfassungsfeindlichen Organisationen, ob links oder rechts, widerspricht dem Ansehen eines demokratischen Parlaments und seiner Selbstachtung.
Vor diesem Hintergrund möchten die Fraktionen der FDP und der CDU für die Zukunft sicherstellen, dass vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestufte Organisationen keinerlei Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren mehr bekommen.
Nach allem, was bekannt ist, gibt es eine große Nähe zwischen der Roten Hilfe und der LINKEN. Zumindest aber gibt es eine deutliche Sympathie der LINKEN für die Rote Hilfe. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass sich die Rote Hilfe in Darmstadt das Büro mit der örtlichen DKP und mit der örtlichen LINKEN teilt.
DIE LINKE hat keine Probleme, mit verfassungsfeindlichen Gruppierungen zu kooperieren, weil sie selbst – partiell jedenfalls – verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Es verwundert daher nicht, dass DIE LINKE die Abschaffung des Verfassungsschutzes bzw. zumindest die Einstellung der Beobachtung durch den Verfassungsschutz fordert.
Vor dem Hintergrund der Aussagen von Frau Wissler ist es unverständlich, dass Frau Ypsilanti vor einer Woche in der Zeitschrift „Stern“ erklärt hat, die sechs hessischen Landtagsabgeordneten der LINKEN machten nicht den schlechtesten Eindruck.
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD, Herr Steinbrück, sieht das anders. Er sagt, sollte Frau Ypsilanti im Wiesbadener Landtag zur Wahl antreten und verlieren, werde das sie selbst, die SPD in Hessen und die BundesSPD vor der Bundestagswahl schwer beschädigen.Werde sie aber gewählt, so Steinbrück, sei sie abhängig von der LINKEN und den Traumata des Herrn Lafontaine.
Die Linkspartei will, wie sie selbst sagt, unsere demokratische und rechtsstaatliche Ordnung überwinden. Sie hat ein ungeklärtes Verhältnis zur ehemaligen SED-Diktatur. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Huber, sagte vorgestern wortwörtlich Folgendes:
Die Linkspartei ist und bleibt aber Nachfolgepartei der PDS und damit auch Nachfolgepartei der SED. Als Kirche können wir nicht davon absehen, was Christen unter der Herrschaft der SED angetan wurde. Deshalb ist für uns eine klare Auseinandersetzung der Linkspartei mit der Rolle der SED in der DDR... unerlässlich.
Ich komme zum Schluss. – Nicht nur die Kirche sagt Nein zur Linkspartei, auch die Hessen sagen Nein zu einer Aufwertung der Kommunisten durch die demokratischen Parteien. So steht es sehr deutlich auf der ersten Seite der heutigen Ausgabe der „Frankfurter Rundschau“. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Wagner. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Kaufmann das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Schutz unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates vor revolutionären Zielen der Linkspartei“ – so lautet der Titel, den sich die CDU für diese Aktuelle Stunde ausgesucht hat.
Herr Kollege Dr. Wagner, man muss sich etwas wundern: Darüber haben Sie relativ wenig geredet.Insbesondere zu dem Thema revolutionäre Ziele haben Sie nicht viel gesagt. Dabei ist das doch, wie ich finde, etwas, was uns aufschrecken muss.
Wissend, dass ein echter Revolutionär wie Lenin den Deutschen so etwas wie eine Revolution schon deshalb überhaupt nicht zutraute, weil sie beim Stürmen eines Bahnhofs zuvor Bahnsteigkarten kaufen müssten, erheben sich wahrhaft drängende Fragen: Verkauft DIE LINKE jetzt Bahnsteigkarten?