Ich muss auf zwei, drei Dinge Bezug nehmen, die Frau Fuhrmann hier erklärt hat.Frau Fuhrmann,Sie haben sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Sie müssen sich darüber im Klaren sein,dass vieles von dem,was Sie heute vorgetragen haben, auch davon abhängig ist, ob Sie den kurzen Sprint, den Sie als SPD angetreten haben, zu Ende führen oder nicht. Das werden wir in aller Ruhe beobachten und dann sehen, ob Sie wirklich dort ankommen, wo Sie hinwollen.
Am meisten hat mich an Ihren Ausführungen verwundert, dass Sie als SPD – die Kollegen der LINKEN natürlich auch – immer das Bild einer Gesellschaft malen, die am Abgrund steht, in der so viele Dinge schlecht laufen, so viele Dinge schlecht sind und es den Menschen schlecht geht. Das ist das Bild, das Sie hier immer wieder zu malen versuchen.
Da frage ich mich immer – vielleicht sollte sich das jeder in diesem Hause fragen –: Wer hat die Bundesrepublik Deutschland in den letzten zehn Jahren regiert? – Die SPD hat dieses Land in den letzten zehn Jahren regiert.
(Beifall bei der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat sie am allerlängsten regiert? – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie von der SPD erklären immer und jedem, wir brauchten einen gesetzlichen Mindestlohn. Als Sie die Kohl-Regierung abgelöst haben, hätten Sie doch die Chance gehabt,einen Mindestlohn einzuführen.Da hat kein Mensch in Deutschland an so etwas gedacht.
Sie haben das nicht durchgesetzt. Sie hatten die Mehrheit und haben keine Mindestlöhne eingeführt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihre Partei regiert dieses Land seit zehn Jahren. Deshalb ärgert es mich, wenn Sie hier immer so tun, als hätten Sie mit den Verhältnissen in diesem Land nichts zu tun. Sie sollten mit ein bisschen
Jetzt möchte ich gerne etwas zur Agenda 2010 sagen. Das Thema, das die Ministerin ins Zentrum ihrer Regierungserklärung gestellt hat, war: Wirkt die Agenda 2010? Gibt es weniger Arbeitslose und mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte? Das ist das Thema, dem ich mich hier widmen möchte.
Die Agenda 2010 wirkt; das ist sicher richtig. Wirkt sie aber so,wie es sich die Initiatoren damals überlegt haben? Sind die Ziele erreicht worden, ist die Agenda so umgesetzt worden, wie man sich das damals vorgestellt hat? An dieser Stelle muss ich feststellen, dass die Agenda 2010 zu einem Symbol geworden ist. Man ist dafür, oder man ist dagegen, aber wir sollten die einzelnen Aspekte der Agenda einmal konkret betrachten. Was war wirksam, was war nicht wirksam? Ich glaube, dass es die Agenda 2010 gerade im Bereich des Arbeitsmarktes verdient, dass man ein wenig konkreter hinschaut.
Genau das möchte ich tun. Ich möchte mich mit den vier Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt beschäftigen, die den Kern der Agenda 2010 ausmachen. Das erste Gesetz für moderne Dienstleistungen beinhaltet die Zeitarbeit, Erleichterungen der Einführung neuer Formen der Arbeit,die Förderung der beruflichen Weiterbildung und die Gewährung von Unterhaltsgeld durch die Arbeitsagenturen.
Ich möchte mich hier auf das Thema Zeitarbeit konzentrieren. Von den genannten vier Punkten ist der Aspekt Zeitarbeit am erwähnenswertesten, denn hier sind Änderungen im Bereich der Verleihzeit und der Angleichung der Löhne der Stammbelegschaften umgesetzt worden. Das hatte zur Folge, dass die Zeitarbeitsfirmen Jobmotor Nummer eins in Deutschland geworden sind. 730.000 Menschen sind in Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. Darunter sind 66.000 Beschäftigte, die ergänzende Hilfe nach SGB II bekommen. Das sind gut 9 %. Dieser Prozentsatz liegt weit unter dem Durchschnitt der Beschäftigten allgemein. Man kann also nicht sagen, dass die Zeitarbeit in diesem Bereich besondere Probleme aufwirft. Sie müssten sich die Zahlen einmal genauer anschauen. Das ist nicht so.
Der positivste Effekt im Bereich der Zeitarbeit ist der sogenannte Klebeeffekt. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht die höchste Zahl nennen, die von Gutachten ausgewiesen werden, sondern einen Mittelwert nehmen. Danach bekommen 25 % der Menschen, die über Zeitarbeitsfirmen in Betriebe kommen, dort eine Festanstellung. Das ist der positivste Effekt der Zeitarbeit. Genau dieser Effekt muss gestärkt werden.
Damit stehen wir in absolutem Widerspruch zu dem, was Frau Fuhrmann hier erklärt hat und was mit Zahlen überhaupt nicht zu belegen ist.
Sie müssen sehen, dass in Deutschland rund 1 % der Arbeitnehmer in Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind. In Frankreich sind es 2,1 %, in den Niederlanden 2,5 % und in England 5 % der Beschäftigten.Hier zeigt sich,dass wir sogar ein bisschen Luft nach oben haben und in diesem Sektor noch mehr Beschäftigung initiieren können. Für
mich bedeutet das: Hartz I ist der Teil der Agenda, der wirklich wirkt. Deshalb ist er wirklich gut und muss von uns unterstützt werden.
Kommen wir zum Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Das Pseudonym dafür ist die Ich-AG. Das ist wohl jedem im Bewusstsein. Außerdem gehören dazu die Bekämpfung der Schwarzarbeit – das haben sich schon viele auf die Fahne geschrieben –, die Einrichtung von Jobcentern sowie Regelungen der Beschäftigungsarten, Minijob und Midijob.
Von diesen vier Punkten ist der bekannteste die sogenannte Ich-AG. Dieser Ansatz hat viele Menschen in eine echte Katastrophe geführt. Schauen Sie sich an, wie viele Menschen in der Schuldnerberatung gelandet sind, die in eine Ich-AG abgedrängt worden sind.
Ich glaube, dass das Thema Ich-AG kein positives Thema war. Ich glaube auch, dass die Initiativen, die im Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt genannt sind, kein Erfolg waren, dass sie wenig positive Entwicklung gezeigt haben und deshalb nicht weiterverfolgt gehören.
Das ist Einschätzungssache, Herr Kollege. – Ich denke, das zweite Gesetz kann man ruhig in der Schublade verschwinden lassen.
Das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt betrifft die Restrukturierung und den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit in die Bundesagentur für Arbeit. Diese Umstrukturierung – da werden mir viele recht geben – hat vor allem die Beraterfirmen gefreut.Die haben daran richtig viel Geld verdient.
Ob sich außer dem Wechsel des Namens wirklich etwas maßgeblich geändert hat, müsste mir einmal jemand beweisen. Da habe ich größte Zweifel.
Ich denke, es ist allgemein bekannt, dass wir, die FDP, einen ganz radikalen Lösungsansatz vertreten, was die Arbeitsagentur betrifft. Dazu stehen wir. Darum glauben wir auch, dass Hartz III nicht gewirkt hat.
Jetzt komme ich zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt.Das ist das Gesetz,womit die Agenda 2010 eigentlich am meisten verbunden wird und das auch immer wieder im Zentrum des Interesses steht. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ist das zentrale Gesetz der Agenda 2010, zumindest was die Auslegung angeht. Es ist seit dem 01.01.2005 gültig. Ob dieses Gesetz tatsächlich zur Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit beigetragen hat, lässt sich bei dieser Datenlage momentan nicht wirklich im Detail evaluieren.
Die Einschätzung, dass dieses Gesetz eine grundsätzliche Änderung des alten Sozialstaats herbeigeführt hat, ist sicherlich unbestritten. Das Ziel, den Sozialstaat weiterzuentwickeln, also von einem alimentierenden Staat zu einem aktivierenden Staat überzugehen und eine aktivierende Arbeitsmarktstrategie zu schaffen, ist zumindest
Die beiden Elemente der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik, nämlich Fördern und Fordern, müssen aber dringlich – darin stimmen wir mit den GRÜNEN überein – weiter vorangetrieben, umgesetzt und verfeinert werden. Da besteht noch viel Handlungsbedarf.
Zu der erhofften Offensive und den erhofften positiven Strukturveränderungen aufgrund der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ist es vielerorts nur bedingt gekommen, da die verschiedenen Verwaltungen nicht immer wirklich konstruktiv zusammenarbeiten. Ich glaube, dort wird viel Augenwischerei betrieben.Wer sich einmal die Details anschaut, bemerkt, dass es im System an vielen Stellen noch knirscht.
Jedenfalls hat die Zusammenlegung von zwei Verwaltungen oftmals einen Stellenmehrbedarf ausgelöst, anstatt Personalreserven zu heben.Auch das ist eher bedauerlich und nicht positiv zu sehen.
Warum ist es dazu gekommen? Ich will es Ihnen sagen: Die Vorbereitung, die rechtliche und verfassungsmäßige Absicherung, der Zeitplan und die Vorgaben für die Umsetzung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt waren schlecht. Diese schlechten handwerklichen Arbeiten waren sozusagen das Markenzeichen der Regierung Schröder, und das hat sich auch im vierten Gesetz in der Form fortgesetzt.
Erschreckend ist allerdings, dass das kleine Pflänzchen des aktivierenden Fallmanagements, das in den Argen und in den Optionskreisen immer stärker wächst und das auch von den Menschen vor Ort – von den Fallmanagern – intensiv gefördert wird, durch Bundesarbeitsminister Scholz, der ebenfalls ein SPD-Politiker ist, drangsaliert wird.
(Florian Rentsch (FDP): Das hat der Generalsekretär der SPD gesagt! – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))
Bei Hartz IV ergibt sich aus Sicht der Liberalen somit ein durchwachsenes Bild. Noch nie hat ein Gesetz im Nachkriegsdeutschland eine solch gewaltige Auswirkung auf die gesellschaftliche Entwicklung gehabt. Das Absurde daran ist, dass es so wirksam war, obwohl es nur schleppend und unvollständig umgesetzt worden ist. Vielleicht lag es gerade an dieser schleppenden und unvollständigen Umsetzung, dass es diese Wirkung erzielen konnte.
Ich will noch einmal etwas zu den Erfolgszahlen sagen,die Frau Ministerin Lautenschläger hier vorgetragen hat. Mit den Zahlen ist es immer so eine Sache: Wer lange genug sucht, findet immer die Zahlen, die er braucht.
Von daher möchte ich Ihnen einmal die Zahlen der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit vom 28. August vortragen. Der Abbau der Arbeitslosigkeit konzentriert sich, wie auch in den vergangenen Monaten, auf den Rechtskreis des SGB III. Hier sank die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat um 8,3 % und im Vergleich zum Vorjahresmonat um 24,5 %. Im Rechtskreis des SGB II, also bei den Langzeitarbeitslosen, sank die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat um
1,7 % und im Vergleich zum Vorjahresmonat um 11 %. Das ist logisch: Dadurch steigt nämlich auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Arbeitslosen an sich. Diese statistische Entwicklung kann man also auch anders interpretieren.
Darum ist es wichtig, dass endlich eine wissenschaftliche Evaluation vorgelegt wird. Dann können wir tatsächlich einschätzen, wie und wo das SGB II, also die Umsetzung von Hartz IV, wirkt und wo wir unbedingt nachsteuern müssen.