Protokoll der Sitzung vom 24.09.2008

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen zehn Jahren über kaum ein Projekt, über kaum ein Thema im Hessischen Landtag häufiger gesprochen als über den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Wir reden bei diesem Vorhaben – ich glaube, das darf man sagen – vom größten Bauprojekt in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahrzehnten. Wir reden über eine großartige Chance für die Menschen in unserem Lande. Wir reden an dieser Steller aber auch über eine sehr grundsätzliche Frage, was den Rechtsstaat und den Umgang von Politik und Gesellschaft mit einem Projekt anbelangt, das natürlich nicht nur Befürworter hat, sondern an dem auch Kritik geübt wird, die in verschiedenen Formen zum Ausdruck kommt.

Mit Blick auf die Vergangenheit unseres Bundeslandes hat der damalige Ministerpräsident Hans Eichel 1998 den Vorschlag gemacht,eine neue Form des Dialogs bei einem so großen Projekt zu suchen. Er hat damals die Einleitung eines Mediationsverfahrens vorgeschlagen. Wer sich die im Hessischen Landtag gehaltenen Reden zu diesem Projekt anschaut, der kann nachvollziehen, warum die damalige rot-grüne Regierungsmehrheit diesen Weg beschritten hat.Ich habe immer behauptet,dass das auch damit zu tun hatte, dass man versuchte, dieses für Rot-Grün starke Spannungsfeld, das mit einem möglichen Flughafenausbau verbunden war und ist,über den Wahltag zu schieben. Alle Parteien im damaligen Landtag haben aber deutlich gemacht, dass es mit Blick auf die Ereignisse an der Startbahn West – 15 Jahre zuvor – notwendig ist, einen neuen Weg des Dialogs zu suchen.

1997 hat der damalige Vorstandsvorsitzende der Lufthansa die Notwendigkeit eines Flughafenausbaus erstmals öffentlich gemacht. Manche beklagen, dass wir jetzt zehn Jahre weiter, aber noch nicht dabei sind, dieses Projekt auch baulich umzusetzen. Es ist aber Ausdruck eines starken Rechtsstaates, dass wir ein Verfahren haben, das jedwede Möglichkeit und Form der Kritik und des Protestes zulässt. Dieser Protest muss aber dort eine Grenze haben, wo er geeignet ist, Gewalt zu provozieren und am Ende Gewalt zu vollziehen.

(Beifall bei der CDU)

Schauen wir uns einmal an, wer damals gebeten worden ist, eine Mediation durchzuführen. Viele Vertreter gesell

schaftlicher Gruppen, bis hin zu den Bürgerinitiativen, waren aufgerufen, sich an einem friedlichen Dialog zu beteiligen. Das zeigt sehr deutlich, dass schon damals der Wunsch maßgeblich war, eine Eskalation um jeden Preis zu verhindern. Die Tatsache, dass ein Vertreter der Wirtschaft, Herr Niethammer, einer der drei Mediatoren war, und Pfarrer Oeser, einer der an den Protesten gegen die Startbahn 18 West aktiv Beteiligten, Teil des Mediationsteams war, zeigt das Bemühen, zu erreichen, dass die betroffenen Menschen bei einer so wichtigen Frage friedlich, fair und rechtsstaatlich miteinander umgehen.

Wenn man sich anschaut, was in den Achtzigerjahren passiert ist, will ich daran erinnern, dass alles einmal ganz „harmlos“ angefangen hat. 1980 ist das Hüttendorf an der Startbahn 18 West errichtet worden.Dieses Hüttendorf ist 1981 geräumt worden. 1984 wurde die Startbahn 18 West in Betrieb genommen.

Aber es hat auch nach dem Bau der Startbahn regelmäßig – jeweils anlässlich des Jahrestags der ersten Räumung des Hüttendorfs – Protestveranstaltungen gegeben. Manche sprachen verharmlosend von „Sonntagsspaziergängen“.

Aber es gab dann schlimme Ereignisse. Wir wollen heute davor warnen, dass sich so etwas in diesem Land jemals wieder ereignet.

(Beifall bei der CDU)

Als Ergebnis der damaligen Bewegung, die ihren Ursprung im Hüttendorf hatte, hat es tote Polizisten gegeben.Von dem, was dort passiert ist, haben sich alle distanziert. Joschka Fischer hat nach diesen schlimmen Ereignissen im Hessischen Landtag gesagt:

Es darf solche Dinge, wie sie am 2. November passiert sind, nie wieder geben. Es darf vor allem deswegen nicht weitergehen wie bisher – von der persönlichen Betroffenheit über die Katastrophe und von der Trauer der Angehörigen ganz zu schweigen –, weil wir sonst in einen Albtraum von Eskalation und Gewalt hineinlaufen.

Joschka Fischer spricht davon, dass es notwendig sei, Feindbilder abzubauen. Er spricht davon, dass das Recht durchgesetzt werden müsse.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das gilt für alle!)

Herr Al-Wazir, das gilt für alle.Aber es gilt vor allem für diejenigen, die politisch die Verantwortung dafür tragen, dass das,was damals als richtig erkannt wurde,auch in diesem und in den nächsten Jahren in Hessen stattfindet.

(Beifall bei der CDU)

Herr Al-Wazir, Joschka Fischer hat von Selbstkritik gesprochen.Aber es hat damals auch Stimmen aus den Reihen der Bürgerinitiativen gegeben. Einer der Sprecher, Herr Treber, hat damals gesagt, diese Tat – der Mord an den Polizisten – sei absolut unbegreiflich.

Aber derselbe Herr Treber sagt jetzt, 20 Jahre später, es müsse weiterhin Formen des zivilen Ungehorsams geben; denn sie seien notwenig, um Aufsehen zu erregen. Wir glauben, dass es erste durchaus sichere Anzeichen dafür gibt, dass viele, die an dem beteiligt sind, was aktuell im Kelsterbacher Wald passiert – wo in diesen Tagen ein neues Hüttendorf entsteht –, genau das Gegenteil von dem erreichen, was damals auch grüne Politiker für unsere Gesellschaft gewollt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist der Grund dafür, weshalb wir heute diesen Antrag einbringen.Wir wollen eben nicht nur über die wirtschaftlichen Fragen reden, sondern wir wollen deutlich machen, dass es gilt, den Anfängen zu wehren, wenn es um die Verhinderung von Gewalteskalation geht.

Wir sprechen darüber insbesondere anlässlich eines von der LINKEN für das kommende Wochenende geplanten Vorgangs,den ich als völlig inakzeptabel,ja sogar als skandalös bezeichnen möchte: Eine Fraktion im Hessischen Landtag lädt zur Eröffnung eines Fraktionsbüros im Hüttendorf im Kelsterbacher Wald ein und begründet dies damit, dass verhindert werden müsse, was der Rechtsstaat, die politische Mehrheit und die gesellschaftliche Mehrheit wollen.

Das passt in den Kontext vieler weiterer Punkte, die mit den LINKEN zu tun haben und darauf abzielen, Ressentiments zu schüren, Reiche – wie Sie sie nennen – zu diskreditieren, unsere Gesellschaft zu spalten, und sogar klassenkämpferische Überschriften haben, Herr van Ooyen.

(Beifall bei der CDU)

Dazu gehören Aussagen von Herrn Schaus, der sagt: Wir wollen Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse und damit auch eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse. – Dazu passen die Aussagen eines Ihrer Parteifreunde in Hamburg, der sagt: „Enteignen wollen wir sie nicht, dafür haben wir noch nicht die Mehrheit“, wenn er über die sogenannten Reichen spricht. Dazu passen Aussagen von Oskar Lafontaine, der sagt, kein Mensch könne im Laufe seines Lebens 10 Milliarden c auf verfassungsgemäße Weise anhäufen; das müsse enteignet werden. Das Ergebnis einer „fortdauernden Enteignung der Belegschaft“ und deren großer Beitrag zu Produktivität und Wertschöpfung berechtigen Herrn Lafontaine nicht zu der Aussage, dass die Enteignung ein rechtsstaatliches Mittel ist, Herr van Ooyen.

(Beifall bei der CDU)

Andere Mitglieder der LINKEN und auch Herr Lafontaine sagen:Wir müssen über unsere Kampfformen nachdenken. Ich sage deshalb, wir müssen neue Kampfformen entwickeln. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, was außer dem Aufruf zur Gewalt und der Provokation zur Gewalt ist denn damit gemeint?

(Beifall bei der CDU)

Frau Wissler, Sie tragen sich an jeder möglichen Stelle in genau dieses Buch ein, indem Sie versuchen, Eskalation zu verharmlosen und die außerparlamentarische Gewalt als eine natürliche Aufgabe der Politik zu definieren.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das habe ich nie gesagt!)

Doch, Frau Wissler, ich will Ihnen das beweisen. Ich finde, das müssen die Menschen in diesem Land wissen.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Das ist eine üble Verleumdung! Ich erwarte, dass Sie sich für diese Verleumdung entschuldigen! Sie haben uns gerade der Gewaltanstiftung bezichtigt! Entschuldigen Sie sich dafür, Herr Boddenberg!)

Es gibt eine linke Jugendbewegung. Mitglieder dieser Jugendbewegung [’solid] sind Vorstandsmitglieder der hes

sischen LINKEN. Ich glaube, Sie haben sich noch nie von der Jugendbewegung [’solid] distanziert.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das wäre ja noch schöner!)

„Das wäre ja noch schöner.“ Ich nehme es sehr ernst, was Sie da gerade gesagt haben.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Entschuldigen Sie sich dafür, Herr Boddenberg!)

Es wäre noch schöner, wenn Sie sich von dem distanzierten, was Sie selbst häufig propagieren.

(Beifall bei der CDU)

Diese linke Jugendbewegung wirbt auf ihrer Internethomepage mit Plakaten in dieser und ähnlicher Form.

(Der Redner hält ein Plakat hoch.)

Ich lese es vor; denn ich weiß nicht, ob alle es erkennen können: „Selbst machen, die Linke stark machen, Kapitalismus kaputt machen!“ Ich habe viele gefragt, was denn damit gemeint sei, wenn auf diesem Plakat angezündete Streichhölzer gezeigt werden. Jeder, den ich gefragt habe, hat mir gesagt: Das ist offensichtlich ein deutliches Signal der linken Jugend, dass man zündeln soll. Wozu braucht man sonst Streichhölzer?

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Ich erwarte nicht, dass Sie sich davon distanzieren; denn Ihre Art von Politik besteht offensichtlich auch in dieser Form der Eskalation bzw. der Provokation von Gewalt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist unerträglich! – Weitere Zurufe von der CDU)

Unser heutiger Antrag richtet sich an die demokratischen Parteien im Hessischen Landtag.Er richtet sich an Sie alle bei den GRÜNEN und bei der SPD, die Sie nach wie vor glauben, dass man gemeinsam mit dieser LINKEN Politik machen darf. Er ist nicht nur ein klares Bekenntnis zum Ausbau des Flughafens,sondern er richtet sich an Sie auch als ein Signal, dass Sie ein klares Bekenntnis zum Rechtsstaat und zu einer ordentlichen, rechtsstaatlichen und fairen demokratischen Auseinandersetzung abgeben müssen.Vor allen Dingen appelliert er an Sie, dass Sie im Hessischen Landtag gemeinsam mit uns der Gewalt eine klare Absage erteilen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke sehr, Herr Boddenberg. – Als Nächster hat Herr Frankenberger für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Boddenberg, Sie haben hier viel über die Fraktion – die Partei – DIE LINKE schwadroniert. Sie haben aber sehr wenig über den vorliegenden Antrag von CDU und FDP gesagt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich will das nachholen. Die Sozialdemokraten begrüßen es ausdrücklich,