Die Probleme der beobachtbaren und eben auch angesprochenen Wahlverdrossenheit haben doch nichts oder nur ganz wenig mit dem aktiven Wahlalter zu tun. Die Wahlverdrossenheit hat mehr damit zu tun, wie die Politiker – ob ehren- oder hauptamtlich – vor Ort aufklärend unterwegs sind, ob die politisch Verantwortlichen präsent sind, und damit, ob sie niemals nachlassen, aufzuzeigen, welche Konsequenzen eine geringe Wahlbeteiligung hat. Das Verhindern einer geringen Wahlbeteiligung ist genauso wichtig wie das Anbieten vielfältiger Partizipationsmöglichkeiten.
Das wissen wir doch alle:Wenn die Wahlbeteiligung hoch genug ist, haben weder am rechten noch am linken Rand Menschen eine Chance, in die Landtage, in die Parlamente einzuziehen, bei denen man sich fragt, ob sie noch auf dem Boden der Verfassung stehen – Parteien und Gruppierungen, die mit den Rezepten von vorgestern die Probleme von heute oder morgen lösen wollen. Unseres Erachtens liegt hier die wahre Aufgabe der demokratischen Parteien.
Den Kollegen von der SPD darf ich daran erinnern, dass die SPD beim Wahlrecht alternierend vorzugehen scheint: Einmal stimmt sie zu – Rot-Grün –, einmal lehnt sie es ab – damals, als hier die CDU mit der FDP regiert hat –, und jetzt stimmt man dem wieder zu.
Wir möchten beim Wahlrecht mit 18 Jahren bleiben. Warum? Mit 18 Jahren erreicht man – darauf hat der Vertreter der FDP bereits hingewiesen – die volle Geschäftsfähigkeit.Mit 18 Jahren müssen sich die jungen Männer entscheiden, ob sie zur Bundeswehr gehen oder einen Zivildienst absolvieren. Mit 18 Jahren ist man bei allen Landtagen, beim Bundestag und auch beim Europaparlament wahlberechtigt. Da stellt sich dann für uns die Frage: Ist das kommunale Wahlrecht zweitklassig? Sind die Wahlen zu den Ausländerbeiräten eher unwichtig, damit man da einmal üben kann? Will man damit die in den Kommunalparlamenten oder den Ausländerbeiräten ehrenamtlich Tätigen abwerten? – Wir sind hier anderer Auffassung als die Redner der LINKEN, der SPD und wahrscheinlich auch der GRÜNEN.
Viel wichtiger als die populistische Absenkung des Wahlalters ist unseres Erachtens, dass man gemeinsam nach Lösungen sucht, wie die §§ 4c der HGO und der HKO mit Leben erfüllt werden können – wie es tatsächlich vor Ort gelingt, Kinder und Jugendliche bei Planungen, die sie betreffen, in geeigneter Weise zu beteiligen. Wo immer das
Seien Sie doch ehrlich: Dort, wo man das Wahlalter abgesenkt hat, ist es gar nicht zu einem gesteigerten Interesse an der Wahlbeteiligung gekommen. Das zeigt, dass hier kein Zusammenhang besteht.
In Richtung der LINKEN darf ich sagen: Bleiben Sie sich doch treu. Sie als LINKE sind gegen die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf 18-Jährige und wollen das Jugendstrafrecht bis zum 21. Lebensjahr verlängert haben. Sie wollen, dass das Jugendstrafrecht bis zum 21. Lebensjahr angewendet wird, weil die Betreffenden noch nicht reif genug seien.Aber mit 16 sollen sie wählen gehen? Ich finde, hier sollten Sie zu einer einheitlichen Lösung kommen.
Einige werden sich daran erinnern: Die Kommunalen Spitzenverbände waren immer gegen die Absenkung des Wahlalters – wie 1999 auch die Fraktionen der SPD, der FDP und der CDU.
Wir werden im Innenausschuss und dann auch hier im Plenum, wenn es zur Abstimmung kommt, sehen, wie sich dieses Mal die Mehrheitsverhältnisse gestalten. Für die CDU-Fraktion darf ich sagen,dass wir beim Wahlalter mit 18 Jahren bleiben werden. – Besten Dank.
Schönen Dank, Herr Kollege Bellino. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Öztürk das Wort.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! DIE LINKE hat heute ein Thema aufgegriffen, das uns in diesem Hause schon bekannt ist, die Herabsetzung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre. Dieses Thema hat uns in der Vergangenheit mehrmals beschäftigt, und mir scheint, es wird uns auch in Zukunft öfter beschäftigen. Wir GRÜNE haben dieses Thema in der Vergangenheit mehrmals aufgegriffen, und es freut mich, dass es noch heute spannend und aktuell ist.
Meine Damen und Herren, wenn ich mir die Debatte heute anschaue und die Protokolle der Debatten von 1998 – als es eingeführt wurde – und von 1999 – als es wieder abgeschafft wurde –, dann sehe ich fast dieselben Argumente. Nichts hat sich geändert.
Schon damals ging es um die angebliche Verfassungswidrigkeit, die Neuartigkeit, die Rechtsprechung, es war schon damals die Rede vom Zwei-Klassen-Wahlsystem. Wie wir aber gerade gehört haben, ist dieses Recht heute in mindestens sechs deutschen Bundesländern eingeführt worden. Es funktioniert und wird praktiziert.Warum also die Aufregung?
Daher spricht eigentlich nichts dagegen, Jugendlichen ab 16 Jahren das Wahlrecht auf kommunaler Ebene einzuräumen. Damit würden wir die Beteiligung dieser jungen Menschen stärken,damit würden wir vor allen Dingen die parlamentarische Demokratie stärken.
Meine Damen und Herren, wir reden immer vom demografischen Wandel. Wir sagen, es werden immer weniger Kinder geboren,und die Gesellschaft altert.Aber wir wollen uns keine konkreten Gedanken darüber machen, wenn es darum geht, wie wir Jugendliche früher an die Politik, wie wir sie behutsamer an die parlamentarische Politik heranführen können. Denn gerade durch die Beteiligung der jungen Leute würde nach meiner Meinung die parlamentarische Demokratie mit Leben erfüllt werden.
Daher finde ich diesen Ansatz wichtig und richtig. Ich muss als GRÜNE aber hinzufügen, dass wir bei unseren Gesetzentwürfen,die wir zur Änderung der HGO und der HKO vorgelegt haben, bisher immer eine umfassende Änderung vorgezogen haben.Wir haben in den Debatten gesehen, dass es nicht nur darum geht, das Recht zur Wahlbeteiligung auf 16 Jahre herunterzusetzen, denn allein damit würde man die Politikverdrossenheit natürlich nicht abbauen, sondern man muss die verschiedenen Baustellen, die es gibt, einfach angehen.
Daher stelle ich fest,dass sich in den HGO-Entwürfen der SPD einige unserer Ansätze wiederfinden. Auch im Gesetzentwurf der LINKEN findet sich nun einer unserer Ansätze.Wir, die GRÜNEN, wollten dies nicht punktuell, sondern komplett ändern. Nichtsdestotrotz werden die Ansätze weiterhin verfolgt, und daher freue ich mich auf die Anhörung, die es hierzu geben wird, meine Damen und Herren.
Ja,es ist spät.Trotzdem müssen wir uns die Zeit nehmen. – Ich glaube ebenfalls, dass bereits alle Argumente, auch seitens meiner Vorredner, ausgetauscht worden sind. Diese will ich auch gar nicht wiederholen, sondern darauf hinweisen, dass es unsere gemeinsame Pflicht ist, da wir in der Tat über Politikverdrossenheit sprechen, was ich für ein sehr wichtiges Thema halte, hieran etwas zu ändern. Wenn ich mir das Bild vergegenwärtige, das wir hier abgeben, dann stelle ich fest, dass ich mir manchmal nicht so ganz sicher bin,ob wir dieser Verdrossenheit eher zu- oder abträglich sind.
Daher möchte ich, ohne weitere Kommentare anzuführen, als GRÜNE sagen: Gespannt verfolgen wir die Gesetzentwürfe sowie die Debatten hierzu.Wir unterstützen diesen Ansatz. Wir wollen aber auch die anderen Gesetzentwürfe, die es zur Änderung der HGO gibt, am 1. Oktober gemeinsam in der Anhörung debattieren. Das ist heute die erste Lesung, und es wird nicht die letzte sein. Daher freue ich mich, dass die Themen, die die GRÜNEN immer wieder zutage gebracht haben, aufgegriffen werden. – Danke sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Öztürk, Sie haben völlig recht damit, dass wir die Argumente bereits in den Jahren 1998 und 1999 ausgetauscht haben; und es gibt Dinge, über welche unterschiedlich geurteilt wird. Das, was im Jahre 1998 falsch war, bleibt heute noch genauso falsch. Das, was damals richtig war, ist heute ebenfalls richtig.
Daher bleibt mir nur, zu sagen: Das Ganze macht keinen Sinn. Junge Menschen wollen ernst genommen werden, und ich finde, das sollte sich die Politik hinter die Ohren schreiben. Wir sollten die jungen Menschen ernst nehmen, und zwar unabhängig davon, ob diese 15, 16 oder 17 Jahre alt sind. Wenn man junge Menschen ernst nimmt, dann durchschauen diese sehr schnell, dass dies nicht lediglich eine „Nummer“ ist, bei der gesagt wird:Wir wollen uns, da es uns nichts kostet, modern geben, da wir hoffen, ein paar Wähler zu finden.
Meine Damen und Herren, liebe Frau Öztürk, ich will mich sehr kurz halten, da ich finde, dass die Kollegen Greilich und Bellino dies derart vorgetragen haben, dass sich die Landesregierung nur nahtlos anschließen kann. Daher möchte ich nur eine kurze Überlegung vortragen.
Lieber Herr Kahl, ein parlamentarischer Geschäftsführer hat gelegentlich schwierige Aufgaben zu erfüllen, das weiß auch ich. – Wenn wir die jungen Leute aber ernst nehmen, und das sollten wir, dann müssen Sie mir einmal erklären, wie Sie einem jungen Mann oder einer jungen Frau Folgendes klarmachen wollen: Bei allen Fragen, die für dich ganz wichtig sind, wie beispielsweise dein Ausbildungsvertrag, die Frage, ob du bei einem Fitnessstudio einen Vertrag abschließen kannst oder ob du dir eine DVDSammlung kaufen kannst oder nicht,haben wir immer betont: Pass auf, du bist noch nicht so weit, dass du dies wirklich vernünftig beurteilen kannst. Das ist der Grund, weshalb man erst mit 18 Jahren geschäftsfähig ist.
Das ist der einzige Grund. Man macht dies nicht, um die Menschen zu ärgern, sondern man sagt: Pass auf, du bist noch nicht in der Lage, völlig zu übersehen, was das bedeutet. – Das sollen Sie einem jungen Menschen erklären. Das halte ich für richtig, und zwar nicht nur von Berufs wegen. Sie müssen ihm aber gleichzeitig sagen: Pass auf, bei all den Dingen,die dein tägliches Leben bedeuten und dir so wichtig sind, wie beispielsweise dein Handyvertrag – das ist der Klassiker –, wollen wir dir nicht die Chance geben, dass du selbst entscheidest, da du noch nicht so weit bist. Das Wahlrecht, also die Beantwortung der Frage, wie du und deine Mitbürger nun auch auf kommunaler Ebene in wichtigen Fragen der Zukunft entschieden haben wollen, kannst du allerdings wahrnehmen.
Ich gebe Ihnen dies mit Brief und Siegel, da es derart durchsichtig und unrealistisch, aber auch nicht wirklich wahrhaftig ist, und rate Ihnen, dies in jeder Schulklasse zu diskutieren, denn die meisten jungen Leute werden sehr deutlich sagen: Das durchschauen wir. Nehmt uns dann so ernst, wenn wir mit 16 Jahren wählen sollen, dass wir auch die Geschäftsfähigkeit erhalten, und sagt uns bei allen anderen Fragen, die uns interessieren, nicht: Pass auf, du bist noch nicht so weit, daher müssen wir dich ans Händchen
nehmen, aber wählen sollst du können. – Das ist unlogisch und falsch. Das ist bereits im Jahre 1998 falsch gewesen, und es darf nicht dazu kommen.
Das ist schlichter und billiger Populismus. Dieser hat Ihnen noch nie etwas gebracht, doch der größte Clou ist die Bürgerbeteiligung sowie der Kampf gegen die Politikverdrossenheit.Aus Zeitgründen möchte ich Ihnen dies aber nicht alles vorbeten. Schauen Sie sich die Nachbetrachtungen zu den Wahlen an. Vergleichen Sie die Länder, in welchen die Beteiligung dieser Altersklasse eingeführt wurde, mit Hessen. Dann werden Sie feststellen, dass dies gar nichts gebracht hat. Das liegt auf der Hand, denn die meisten 16-Jährigen interessieren sich überhaupt nicht für das Wahlrecht, sondern wollen ernst genommen werden. Ich nehme sie ernst,indem ich sowohl hier als auch gegenüber jeder Klasse, von der ich hierzu befragt werde, sage: Ich möchte, dass Verantwortung, Chancen und Pflichten gleich gehalten werden. Das heißt: mit 18 Jahren bitte voll dabei, alles andere sind lediglich Schauanträge.
Es ist vereinbart worden, den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung dem Innenausschuss, federführend, sowie dem Sozialpolitischen Ausschuss, beteiligt, zu überweisen. Wird dem widersprochen? – Das ist nicht der Fall, dann wird so verfahren.
Die parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, dass nun auch Tagesordnungspunkt 6 aufgerufen werden soll, allerdings mit der Maßgabe, dass der Tagesordnungspunkt nur kurz eingebracht wird und dass keine weitere Aussprache erfolgt. Dieser soll gleich an die Ausschüsse überwiesen werden. Wird dem widersprochen? – Das ist nicht der Fall.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Reisekostenvergütung für die Beamten und Richter im Lande Hessen (Hessisches Reisekostengesetz – HRKG) – Drucks. 17/627 –
Gleiches soll für den Tagesordnungspunkt 7 gelten – also ohne Aussprache der Fraktionen. Dieser soll ebenfalls gleich an die Ausschüsse überwiesen werden.
Petitionen, ja. – Da wir uns darauf verständigt haben, dass der Gesetzentwurf ohne Aussprache eingebracht und gleich an die Ausschüsse überwiesen wird, erteile ich nun Herrn Greilich für die Fraktion der FDP zur Einbringung des Gesetzentwurfs in der von mir dargestellten kurzen Art und Weise das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das bedeutet, dass ich auf die Begründung verzichte und lediglich den Gesetzentwurf einbringe, derart war es wohl besprochen. – Es geht um das Gesetz zur Änderung des Hessischen Reisekostengesetzes und damit um die Wegstreckenent
schädigung für die Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst, die ihren privaten Pkw für Dienstfahrten – also nicht für Fahrten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte, sondern für Fahrten im Interesse des Arbeitgebers – nutzen.