Die LINKEN heben immer wieder ihre Gemeinsamkeiten mit außerparlamentarischen Gruppen hervor. Es ist gut, dass wir wieder einmal darüber diskutieren. Die LINKEN, insofern muss ich professionellen Respekt zollen, sagen selbst, für sie sei die außerparlamentarische Bewegung von außerordentlich großer Bedeutung. Das sei ihnen geschenkt. Sie sollten in diesem Hause allerdings einmal darstellen, ob Sie der Aufforderung der Stadt Kelsterbach folgen. Oder werden Sie ihr nicht folgen?
Diese Frage hätten wir doch gerne geklärt. Damit wir es auf einen Punkt bringen, Herr Al-Wazir, der Sie nach mir reden: Bevor Sie sich zur gemeinsamen Gestaltung dieses Landes aufraffen, wird man doch eine Antwort auf die Frage erwarten können, ob die Grundzüge des Rechtsstaats in einer rot-rot-grünen Koalition Geltung haben oder nicht.
Sie hoffen, dass Ihnen dieses Thema erspart bleibt. Sie hoffen, dass Sie sich wegmogeln können. Jetzt komme ich wieder zur SPD. Lieber Herr Kahl, wenn Frau Ypsilanti schon nicht da ist, kann man von Ihnen erwarten, dass Sie hier sagen: „Mit den LINKEN geht nichts, wenn sie nicht vorher räumen“? Das hätte ich gerne einmal gewusst.
Ich werde Ihnen sagen, was Sie tun werden. Entweder kommen Sie gar nicht ans Pult, oder Sie werden sagen: Das ist jetzt wieder das falsche Thema.
(Zuruf von der SPD: Das ist zu durchsichtig! – Reinhard Kahl (SPD): Gestern hätten Sie zum Besoldungsgesetz reden können! – Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)
Herr Kahl, ich schätze Sie aus professioneller Sicht durchaus. Diese Bemerkung lasse ich Ihnen aber nicht durchgehen.
Meine Damen und Herren von der SPD, Ihr parlamentarischer Geschäftsführer weiß ganz genau, in welch bescheidener Lage er ist. So einen Quatsch, ein Thema, über
das man durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann, in einen Zusammenhang mit einer Grundfrage des Rechtsstaats zu stellen –
(Beifall bei der CDU und der FDP – Petra Fuhr- mann (SPD): „So ein Quatsch“, das war richtig! – Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN)
das ist doch Ihr Problem. Herr Kahl, es sind nicht mehr viele im Hause, die die damaligen Geschehnisse miterlebt haben. Ich war junger Abgeordneter, als Holger Börner vor dem Parlament stand. Wir haben doch eine Geschichte.
Wenn wir nicht blind sind, dann müssen wir doch sehen und uns überlegen, wie wir klugerweise verhindern können, dass sich Zustände verfestigen, die am Ende wieder zu bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen in Hessen führen. Diese Verhältnisse dürfen nicht wiederkommen.
Deshalb gilt es, den Anfängen zu wehren. Das, was wir hier gehört haben, ist eine grundsätzlich andere Position als die, die die Landesregierung vertritt. Ich denke, dass wir nicht nur zu Recht darüber diskutieren, sondern dass auch die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land einen Anspruch darauf haben,zu erfahren und zu wissen,wo die Grenzen verlaufen – nicht der politischen Opportunität in diesen und jenen Sachfragen, sondern zwischen dem, was in diesem Staat hingenommen werden kann oder hingenommen werden muss, und dem, was nicht mehr geht.
Der Kernsatz ist – das will ich noch einmal herausarbeiten –: Frau Wissler sagt, es gebe ein Recht auf Widerstand. Das ist Ihre Position, die Position der LINKEN, die Sie hier noch einmal verkündet haben.
(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Verfassung! – Gegenruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nein, das ist nicht Verfassung!)
Der Kollege Beuth hat es eben schon ausgeführt. Ich erwarte von der SPD und den GRÜNEN, dass sie hierher kommen und sagen: In einem Rechtsstaat gibt es kein Recht auf Widerstand.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Gibt es auch kein Recht auf Streik mehr?)
Wenn Sie beginnen, rechtsstaatliche Mechanismen zu relativieren, wie Sie das permanent und in bewusst falscher Weise tun, dann geraten Sie auf eine schiefe Ebene und in eine Situation, die Sie am Schluss nur noch mit massivster Polizeigewalt in den Griff bekommen können und in der alle staatlichen Institutionen infrage gestellt werden.
Es ist schon interessant: Herr Schaus hat öffentlich erklärt, die Vorarbeiten der Fraport im Kelsterbacher Wald seien „eine Provokation, die leicht zu einer Eskalation führen“ könne. Meine Damen und Herren, die Vorarbeiten der Fraport – man mag diese Entscheidung der Fraport für richtig oder falsch halten, aber das ist nicht mein Thema – sind gerichtlich ausdrücklich gestattet und für rechtmäßig erklärt worden.
Wer ein Recht nutzt, das ihm ein Gericht eingeräumt hat, der provoziert keine Eskalation, sondern der nimmt sein Recht in Anspruch.Wenn sich ein Mitglied des Hauses in seiner Funktion als Sprecher der Fraktion der LINKEN hinstellt und sagt:„Die Tatsache,dass du dein Recht nutzt, das dir das Gericht gegeben hat, führt dazu, dass es zu einer Eskalation kommt“, dann ist das eine Verdrehung der Umstände und der Tatsachen.
Es ist der durchschaubare Versuch, diejenigen, die sich nicht an Recht und Gesetz halten, freizusprechen. Fraport ist das Opfer der Aggression, die jede Nacht dort stattfindet. Man weiß ja, worum es geht, wenn jede Nacht Zäune niedergerissen werden, wenn alles zertrampelt wird. Das ist eigentlich kein Ausdruck rechtstreuen Verhaltens. Wenn sich die Fraport dagegen wehrt, dann schreien Sie „Haltet den Dieb“ – nach dem Motto: Warum machst du das eigentlich? Und weil du das machst, müssen fantasiebegabte Leute ihren Widerstand öffentlich und gewalttätig ausleben.
Das, was Dr. Wagner sagt, ist richtig. Sie haben ein gebrochenes Verhältnis zum Rechtsstaat. Das wäre, für sich genommen, zwar bedauerlich, aber noch nicht wirklich schlimm. Schlimm wird es, wenn eine Fraktion, die diesen Rechtsstaat, seine Grenzen und seine Grundvoraussetzungen nicht akzeptiert, in die Lage gerät, in diesem Land zu regieren – ob nun direkt oder indirekt. Darin liegt das Problem.
Frau Ypsilanti, es freut mich, dass Sie wieder anwesend sind.Was machen Sie denn,wenn es so ist? Am 30.11.läuft die Frist ab. Die Stadt Kelsterbach sagt: Wir wollen, dass geräumt wird. – Wird dann Frau Ministerpräsidentin Ypsilanti sagen: „Jawohl, wir halten Recht und Gesetz ein“? Oder werden Sie versuchen, sich wegzuducken? Oder werden Sie mit Willi van Ooyen telefonieren oder diskutieren und sagen: „Wir müssen einmal gucken, wie wir das Problem lösen“?
Herr Schmitt, Sie sollten nicht lachen. – In der hessischen Polizei und weit darüber hinaus ist das Andenken an die beiden – –
Lieber Herr Schmitt, ich versuche es wirklich sehr ernsthaft. Sie sind Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Landesverband Hessen, wenn ich richtig informiert bin.Von dem kann ich erwarten, dass er sich diesem Thema ernsthaft stellt.
Herr Schmitt, ich erwarte von Ihnen und Ihrer Fraktion, dass Sie Verständnis dafür haben, wenn wir darauf hin
weisen, dass am 7. September ein aus dem Widerstand gegen die Startbahn West bekannter Mann – was öffentlich ist: Herr Michael Wilk – dort seine Aktivisten versammelt und einen Vortrag mit dem Titel „Militanter Widerstand damals und heute – ein kritischer Beitrag. Wie kommen wir zu aktivem Widerstand?“ gehalten hat. Das war nicht irgendwann, das war vor wenigen Tagen.
Dann müssten Sie Verständnis dafür haben – ich habe dieses Verständnis, und ich finde, jeder müsste es haben –, dass sich Polizeibeamte Sorgen machen, wenn sie sehen, dass dort rechtswidrig Hütten errichtet, Baumhäuser gebaut und im Internet zum Widerstand und eben nicht zur Akzeptanz von Recht und Gesetz aufgerufen wird. Sie müssten dafür Verständnis haben, dass man sich als Polizist darüber Gedanken macht und sagt: Zwei unserer Kollegen sind dort erschossen worden; es hat genauso angefangen, und deshalb wehret den Anfängen.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Es gäbe hierzu noch eine Menge auszuführen. Ich will hier festhalten: Es gibt für die dort errichteten Hütten keine rechtliche Grundlage. Die Stadt Kelsterbach hat zur Räumung aufgefordert. Die Polizei, ausdrücklich von mir dazu ermuntert, hat bisher in sehr kluger Weise versucht, deeskalierend zu wirken. Man kann für oder gegen diesen Ausbau sein. Man kann auch zum Kaffeetrinken dorthin gehen und sich solidarisieren. All das muss man gelegentlich ertragen.
Aber es geht nicht, dass wir die Grenze, die der Rechtsstaat zieht, überschreiten.Wir dürfen sie nicht überschreiten lassen. Es geht nicht, dass wir nicht klar und deutlich sagen, wo das Ende einer solchen Entwicklung ist. Nicht nur die Polizei, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger und nicht zuletzt diejenigen,die sich dort aufhalten,haben einen Anspruch darauf, dass wir klar sagen, was geht und was nicht.
Dass sich eine Fraktion dieses Landtags bei klaren Verhältnissen entschließt, dort rechtswidrig ein Fraktionsbüro einer Landtagspartei einzurichten, geschieht, soweit ich weiß, zum ersten Mal – auch in ganz Deutschland. Das ist ein unglaublicher Vorgang, und es ist der Beweis dafür, dass die Fraktion der LINKEN ein gebrochenes Verhältnis zum Rechtsstaat hat und völlig ungeeignet ist, in unserem Land Verantwortung zu tragen.