Protokoll der Sitzung vom 25.09.2008

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Plenarsitzung und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest. Wird dem widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Beschlussfähigkeit des Hauses gegeben.

Bevor wir in die Beratungen eintreten, möchte ich einige Erläuterungen zum Stand der Tagesordnung geben. Es sind noch folgende Tagesordnungspunkte offen: die Tagesordnungspunkte 4, 8 bis 12, 17 bis 36, 38 bis 42, 45, 47, 49, 51, 53 bis 65, 67 bis 74 und 80 bis 82.

In der Zwischenzeit ist noch ein Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Telekom-Arbeitsplätze in Kassel und Gießen sichern, Drucks. 17/704, eingegangen. Er liegt auf Ihren Plätzen. Ich darf fragen, ob die Dringlichkeit bejaht wird. – Dem wird nicht widersprochen. Dann ist das der Fall.Wir verständigen uns sicherlich darauf, dass dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 83 wird und nach Tagesordnungspunkt 68, da er sich auf die Aktuelle Stunde zu diesem Thema bezieht, aufgerufen und ohne Aussprache abgestimmt wird. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann können wir bezüglich dieses Dringlichen Antrages so verfahren.

Zum Ablauf der Sitzung – ich habe eben darauf hingewiesen,welche Tagesordnungspunkte noch nicht erledigt sind – haben sich die parlamentarischen Geschäftsführer darauf verständigt, dass wir heute bis zur Erledigung der Gesetzeslesungen tagen. Sie wissen, dass wir unter anderem dritte Lesungen haben. Die Mittagspause beträgt eine Stunde.

Wir beginnen mit den Anträgen für die Aktuellen Stunden, den Tagesordnungspunkten 67 bis 71. Wie bei den Aktuellen Stunden üblich, haben sich die Fraktionen auf eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion pro Aktuelle Stunde geeinigt.Wie bereits ausgeführt, werden nach den Aktuellen Stunden die Dringlichen Entschließungsanträge ohne Aussprache aufgerufen. Nach den Aktuellen Stunden fahren wir dann mit Tagesordnungspunkt 27 fort.

Bevor wir in die Beratungen und Diskussionen in den Aktuellen Stunden gehen: Vorgestern war schon darauf hingewiesen worden, dass die Landtagself gestern gespielt hat. Die Landtagself war gestern bei der Interessengemeinschaft IG-Nied zu Gast. Das war das letzte Spiel in dieser Saison.Es war bereits die dritte Begegnung der beiden Teams. Bislang konnte jede Mannschaft jeweils ein Spiel für sich entscheiden. Das ist dieses Mal nicht zu unseren Gunsten ausgegangen. Vielleicht hat es daran gelegen,dass die beiden Teamchefs Lothar Quanz und Günter Rudolph nicht dabei sein konnten.

Trotz des Fehlens von Herrn Quanz und Herrn Rudolph hat die Mannschaft bis zur 15.Minute gut mitgehalten. Sie geriet erst in der 17. Minute mit 0 : 1 in Rückstand. Christian Losch verkürzte kurz darauf zum 1 : 1, war jedoch ebenso wie seine Mannschaftskollegen beim Doppelschlag der IG-Nied kurz vor der Pause machtlos, den 1 : 4Rückstand zu verhindern. Auch nach der Pause fand die Mannschaft nicht die Mittel, um die robust angreifenden Gegner in den Griff zu bekommen. So wurde der Keeper Mark Weinmeister in der 42. Minute erneut überwunden, und es stand nun 1 : 5. Mir ist aufgeschrieben worden, in besonderer Weise darauf hinzuweisen, dass Weinmeister insbesondere in der zweiten Spielhälfte immer wieder mit tollen Reflexen glänzte.

(Beifall)

Aber er konnte es nicht verhindern, dass sein Team noch weiter in Rückstand geriet. Kurz vor Spielende erhöhte die IG-Nied noch auf 1 : 6. Das war das Endergebnis. – Aber wir alle wissen, dass das Landtagsteam nicht um der Siege willen spielt bzw. die Siege nicht im Vordergrund stehen, sondern die sportlichen Botschaften des Parlaments für einen guten Zweck. Deswegen hat Mark Weinmeister im Anschluss an das Spiel einen Spendenscheck von Präsident Norbert Kartmann an die Vertreter der Suchthilfe Fleckenbühl überreicht. Herzlichen Dank für das Engagement und das Hinnehmen einer Niederlage.

(Beifall)

So weit zu sportlichen Aktivitäten.

Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 67 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Gesundheit ist keine Ware – Qualität geht vor Rendite im Krankenhaus) – Drucks. 17/685 –

Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Spies das Wort.

Meine Damen und Herren! Schaut man sich die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ von heute Morgen an, titelt sie mit „Krankenhäuser in Not“. Wir sprechen über ein spezielles Krankenhaus, das auch seine liebe Not hat.Am 13. September berichtete die „Oberhessische Presse“ und am 17. September die „Frankfurter Rundschau“, gegenüber dem Universitätsklinikum Gießen-Marburg liege die Behauptung der unzureichenden Behandlung von Patienten vor, die vom Klinikum bestritten werde. Ob und was an diesen Fällen dran und vorwerfbar ist, muss einer geordneten Prüfung und Klärung der zuständigen Aufsichtsbehörde zugeführt werden. – Punkt zu diesem Teil.

Meine Damen und Herren, solche Berichte über unzureichende Personalausstattung reißen nicht mehr ab. Eine Abteilungsleiterin beklagt einen Stellenabbau von 25 % in ihrer Klinik. „Abenteuerliche Vorkommnisse in einer Klinik“ stehen in einer Zeitung. Eine frisch gebackene Mutter klagt über zu wenig Personal, das ihr beim Stillen helfen könnte. Die Personalvertretung konstatiert eine kontinuierlich zunehmende Überlastung des Personals, dem aus den daraus resultierenden Folgen keinerlei Vorwurf gemacht werden kann.

Neben faktischen Problemen besteht allerdings – das ist viel schlimmer – eine fundamentale Vertrauenskrise. Die Hälfte der Missstandsbeschreibungen von Patienten, die man in der Stadt, auf der Straße und bei zufälligen Begegnungen erzählt bekommt, ist schon beim ersten Hinsehen nicht haltbar. Das eigentlich Beunruhigende daran ist, dass das Vertrauen so tief erschüttert ist und Menschen ganz andere Ursachen damit in Zusammenhang bringen. Jetzt rächen sich die Fehler, die der Herr Ministerpräsident – er ist leider nicht da – bei diesem Leuchtturmprojekt, das diese Landesregierung durchgeführt hat, begangen hat.

(Dr.Walter Lübcke (CDU):Was soll das wieder?)

Der Verkauf war nicht nur falsch, er war vor allem handwerklich in einem Maße dilettantisch, das seinesgleichen sucht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Deshalb haben die Menschen kein Vertrauen mehr. Diese Landesregierung und der Ministerpräsident haben in ihrer wahrhaft provinziellen Selbstüberschätzung im absoluten Mehrheitswahn alle Warnhinweise und den Willen der Mehrheit der Menschen vor Ort vollständig ignoriert. Sie wussten ganz genau, welche Risiken mit einer Privatisierung durch Personalabbau verbunden sind. Sie haben sich nicht darum gekümmert.

Uniklinika haben nämlich schon immer eine besonders knappe Personaldecke, die kränksten Patienten und die kürzeste Liegezeit. Schon immer arbeitete das Personal an der Grenze der Belastungsfähigkeit. Deshalb konnte Ihr Leuchtturmprojekt gar nicht funktionieren. Statt Sicherungen in Bezug auf Personalstärke und Arbeitsbedingungen,statt Transparenzregelungen und einer verantwortungsbewussten Mitspracherolle des Landes haben Sie nach der Devise: „aus den Augen, aus dem Sinn“, agiert.

Auch der Betreiber muss sich fragen lassen,ob er die in einem solchen Fall gebotene Transparenz zu jedem Zeitpunkt hat wahren lassen. Dementi statt Transparenz sind nicht der richtige Weg. So sichert man keine Qualität und kein Vertrauen. Das ist das, worauf es ankommt. Es kommt darauf an, in der Region das Vertrauen in diesen Betrieb zu sichern. So falsch der Ausverkauf der Hochschulmedizin war, so wenig kann irgendjemand wollen, dass das Ganze jetzt schiefgeht.

(Beifall des Abg.Torsten Warnecke (SPD))

So wenig kann irgendjemand wollen, dass diese Klinika durch die Fehler, die in der Vergangenheit gemacht worden sind, Schaden nehmen. Nötig sind klare Vorgaben für die Personalausstattung, vor allem eine systematische, neutrale Untersuchung der Auswirkungen der Privatisierung insgesamt. Das hätte man von Anfang an einplanen und vereinbaren müssen. Die Tatsache, dass Sie das nicht gemacht haben, ist der fundamentale Fehler dieser Landesregierung in der Privatisierung.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Dringend nötig ist auch eine Klärung der Interessenkonflikte, in die Sie die ausgeliehenen Landesbediensteten durch diese Privatisierung gebracht haben.

Gesundheitsversorgung ist keine Ware, die in Fabriken hergestellt wird, sondern ein öffentliches Gut. Deshalb wollen die Menschen sie in öffentlichen Einrichtungen gesichert und bereitgestellt bekommen. Wer das ignoriert, wird daran scheitern. Die Landesregierung ist allerdings bei dieser Frage, Vertrauen zu schaffen, bei Weitem nicht mehr satisfaktionsfähig. Sie hat durch ihr unqualifiziertes Vorgehen ein umstrittenes Projekt, das man wenigstens hätte gut machen müssen, gefährdet und damit Arbeitsplätze und Versorgung weit über das hinaus in Gefahr gebracht, wie es hätte bei einer Privatisierung umgangen werden müssen. Meine Damen und Herren, deshalb sind Sie in Mittelhessen abgewählt worden.

Eine neue Landesregierung wird unsere Universitätsklinika wieder zu dem machen müssen, was sie waren. Sie muss den Beschäftigten und den Ärzten dabei helfen, Leuchttürme der Wissenschaft, der Lehre und der erstklassigen Versorgung zu garantieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Herzlichen Dank. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Ralf-Norbert Bartelt das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Christdemokraten finden es nicht gut, wenn das Schicksal einer Patientin mit einem bösartigen Tumor der Leber politisch instrumentalisiert wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Was ist denn in der Universitätsklinik Gießen-Marburg geschehen? Eine 62-jährige Patientin begab sich zur Abklärung unklarer Oberbauchbeschwerden ins Krankenhaus. Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt behauptete die betreuende Hausärztin,die ihren Namen nicht nennen möchte, die Diagnostik und Therapieempfehlungen seien fehlerhaft gewesen. Ohne das fachlich zu substanziieren, behauptete sie zudem eine Kausalität, dies liege an der Privatisierung, der private Träger stelle Wirtschaftlichkeit vor medizinische Sorgfalt.

Nun sahen politische Kräfte, die aus ideologischen Gründen ohnehin etwas gegen die Privatisierung von Trägerschaften haben, ihre Chance. Mittlerweile wurde der Verlauf aber aufgeklärt. Nach Mitteilung des Ärztlichen Geschäftsführers Seeger wurde ein Karzinom richtig diagnostiziert. Die Vorgehensweise wurde mehrfach in der Tumorkonferenz interdisziplinär diskutiert.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Weiß das der Spies nicht?)

Eine spezifische Therapie wie Chemotherapie, Strahlentherapie bzw. Immuntherapie konnte bedauerlicherweise nicht angeboten werden. Der Patientin wurde wegen der Tragik und der Schwere des Falls angeboten, die Zweitmeinung einer anderen Universitätsklinik einzuholen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Herr Spies weiß das nicht!)

Auch die derzeit behandelnde Onkologin, die nicht im Klinikum arbeitet, sagte, dass es keine Hinweise auf ärztliche Fehler gebe. Sie äußerte sich zudem entsetzt, dass versucht wurde, aus dem Thema politische Vorteile ziehen zu wollen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Peinlich als Arzt!)

Das Klinikum erklärte ergänzend, es sei jederzeit bereit, den Fall vor der unabhängigen Schiedsstelle der Landesärztekammer mit unabhängigen Gutachtern, denen die Beteiligten zustimmen müssen, überprüfen zu lassen. Genau das ist der Weg, solche Fälle zu beurteilen. Ich kann das nicht beurteilen, was dort war – Sie aber auch nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Folgerichtig kritisierte die kritische Presse: „Heiße Luft füllt Katheter“ – „Wetzlarer Neue Zeitung“ vom 20.09.2008, „Ein Fall wird politisch instrumentalisiert“ – „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 22.09.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Unappetitlich!)

Ihnen geht es doch um etwas ganz anderes, um eine Kampagne gegen private Investitionen in Kliniken.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie greifen, grenzend an Demagogie, zu emotionalisierenden Mitteln, weil Ihnen die Argumente in der Sache ausgehen.

Beachten Sie einmal folgende vier Punkte:

Erstens. Deutschland ist im internationalen Vergleich bei der medizinischen Versorgung weiterhin führend, wiewohl mittlerweile 27 % der Kliniken in Deutschland in privater Trägerschaft sind.

Zweitens. Speziell in Gießen-Marburg werden 40.000 Patienten mit Steigerungsraten stationär jährlich behandelt. Die Zahl der ärztlichen Mitarbeiter stieg von 2006 auf 2008. Im Jahr 2008 werden 50 neue Pflegekräfte eingestellt. 367 Millionen c wurden oder werden in Gebäude und Infrastruktur investiert, 100 Millionen c in eine Stiftung für Hochschulmedizin.

Drittens. Überlastungen im Pflegebereich sind auch nach Angaben von ver.di durch die Unterfinanzierung der Krankenhäuser zu erklären. Eine Gewerkschaftssprecherin erklärte in der „FR“ vom 23.09., bezogen auf GießenMarburg, in der nicht privatisierten Uniklinik Frankfurt am Main sei es kaum besser. Pflichtgemäß fügte sie hinzu – ich will es vollständig zitieren –, es scheine wohl in privatisierten Kliniken etwas schlimmer zu sein, ohne dies aber zu belegen.