Protokoll der Sitzung vom 11.11.2008

Warten wir also einmal ab, was am 18. Januar 2009 zwischen 8 und 18 Uhr geschieht.

Herr Koch, wenn es um die Ergebnisse des Koalitionsvertrages ging, haben Sie am allerlautesten zum Thema Flughafen geschrien. Dabei haben wir doch nichts anderes gemacht, als das hineinzuschreiben, was Sie jahrelang versprochen haben und was Fraport selbst beantragt hat, nämlich das Nachtflugverbot.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Außerdem waren wir der Meinung, dass man aus rechtsstaatlichen Gründen darauf bestehen sollte, dass vor der Schaffung irreversibler Fakten, nämlich der Rodung des Waldes, das Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beendet ist.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, wir GRÜNEN haben uns in der ganzen Zeit an nichts anderem als unseren Inhalten orientiert. Genau damit gehen wir auch in den Wahlkampf, der jetzt beginnt und der am 18. Januar 2009 mit der Landtagswahl enden wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bürgerinnen und Bürger bekommen jetzt wieder das Wort. Die Fragen, die

sie sich am 18. Januar 2009 stellen müssen, sind sehr einfach. Eine lautet: Braucht Hessen die Energiewende? – Wir meinen, Hessen braucht sie dringender denn je. Erst letzte Woche wurde eine Untersuchung veröffentlicht,der zufolge sich Hessen bei dem Einsatz erneuerbarer Energien auf einem beschämenden 14. Platz im Vergleich der 16 Bundesländer befindet.

(Zuruf: Das ist peinlich!)

Da frage ich: Glaubt denn irgendjemand, dass die angebliche Begeisterung der hessischen CDU für die erneuerbaren Energien anhält, falls sich am 18. Januar 2009 eine Mehrheit für die CDU und die FDP ergeben würde?

(Zuruf: Das glaubt niemand!)

Ich komme zur nächsten Frage: Braucht Hessen eine andere Bildungspolitik? – Wir meinen, Hessen braucht sie dringender denn je. Liebe Kolleginnen und Kollegen, erst gestern wurde Hessen mit den Ergebnissen der dritten PISA-Studie in Folge bescheinigt, dass es bei einem Vergleich der Bundesländer bestenfalls mittelmäßig ist. Beim Schwerpunktthema Naturwissenschaften befinden wir uns nach fast zehn Jahren Verantwortung der CDU für das Kultusministerium auf einem beschämenden 12. Platz bei 16 Bundesländern. Herr Banzer erklärt zu diesem Ergebnis, dass er sich darüber freut. Mit dieser Form der Schönrednerei knüpft er langsam an seine Vorgängerin Karin Wolff an.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Ist denn irgendjemand der Meinung, die hessische CDU könne im Bildungssystem Reformen durchführen, sollte es mit der FDP am 18. Januar 2009 wieder zu einer Mehrheit kommen?

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss meiner Rede. – Braucht Hessen mehr Fairness bei der Sozialpolitik und im gesellschaftlichen Umgang? – Wir meinen, Hessen braucht dies dringender denn je. Die brutalstmöglichen Kürzer bei den Frauenhäusern und den Schuldnerberatungsstellen werden nicht mehr auf einmal vom Saulus zum Paulus werden, wenn sie denn wieder die Mehrheit haben.Wir jedenfalls glauben nicht, dass dies der Fall sein wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen werden wir in die Auseinandersetzung um die Sache gehen. Da ist klar, dass wir, die hessischen GRÜNEN, auch weiterhin die ökologische und moderne Stimme der Vernunft sein wollen. Bei uns entscheidet der Inhalt. Wir sind auch in der Lage,das,was wir wollen,umzusetzen.Deswegen gilt auch für die Neuwahl und die nächste Legislaturperiode: Machen wir das Beste daraus. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank.– Auch beim Beifall bekommt jeder die gleiche Zeit, unabhängig davon, wie groß die Fraktion ist.

Die nächste Wortmeldung stammt von Frau Abg.Wissler. Sie spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! An uns wird die Abwahl Kochs nicht scheitern, das hatten wir als LINKE versprochen. Das wollten wir am 4. November 2008 auch in die Tat umsetzen.

Die Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, dass die Rechte in der SPD lieber ihre eigene Partei gegen die Wand fahren lässt, als auch nur einen Meter nach links zu rücken.Vier Abgeordnete der SPD waren nicht bereit,das umzusetzen, was ihre Wähler wollen,

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist wohl die Höhe! – Weitere Zurufe von der CDU)

und ihre eigene Genossin, also nicht jemanden der LINKEN, zur Ministerpräsidentin zu wählen. Deshalb hat sich DIE LINKE für Neuwahlen ausgesprochen.

In den letzten Jahren gab es nur zwei Wahlen, die die SPD gewonnen hat. Die eine war in Rheinland-Pfalz mit Kurt Beck als Spitzenkandidat. Die andere war die in Hessen mit Andrea Ypsilanti als Spitzenkandidatin. Beide waren erfolgreich, weil sie bei vielen Menschen für eine andere SPD standen. Sie standen für eine andere SPD als die der Agenda 2010 des Herrn Schröder und des Herrn Müntefering.

Frau Ypsilanti und Herr Beck, beide wurden von den Rechten in der SPD gestürzt. Mit Herrn Steinmeier und Herrn Müntefering sind die Schröderianer zurück an die Spitze im Bund gelangt. Damit ist klar: Die SPD steht fest auf dem Boden der Agenda 2010. Sie steht für die HartzGesetze, die Rente mit 67 und die Kriegseinsätze der Bundeswehr.

Ich halte es nicht für zielführend, darüber zu spekulieren, ob die vier Abweichler von irgendjemandem angestiftet oder gar bezahlt wurden.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So etwas überhaupt nur in den Raum zu stellen ist unglaublich! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich habe gerade eben gesagt, dass ich das nicht für sinnvoll halte.

(Zurufe von der CDU)

Das wurde in der Öffentlichkeit so diskutiert. Ich halte das nicht für zielführend.

Viel entscheidender ist doch, wessen Interessen sie mit ihrem Handeln bedienen. Das sind eben nicht die Interessen der Menschen,die sie gewählt haben und die auf einen Politikwechsel gehofft haben. Denn deswegen hatten sie SPD gewählt. Mit ihrem Handeln betreiben sie das Geschäft der politischen Rechten und der Konzerne, allen voran der Fraport und der Energiekonzerne.

(Beifall bei der LINKEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Und Opel!)

Hessen hat gezeigt: Jeder Versuch, die SPD nach links zu ziehen, scheitert. Deshalb ist DIE LINKE als Alternative links von der SPD so dringend nötig.

Die Neuwahl zum Hessischen Landtag findet inmitten einer tiefen Krise des weltweiten Kapitalismus statt. Mit dieser Krise bricht das Lügengerüst des Neoliberalismus, das in den letzten Jahren aufgebaut wurde, wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Vordenker, die an den freien Markt glauben und jahrelang die Privatisierung der Absicherung aller Lebensrisiken beschworen haben, rufen jetzt, nachdem bei ihnen aufgrund des Risikos das Schicksal zugeschlagen hat, nach Steuergeldern, damit die Verluste der Banken und der Konzerne auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.

(Horst Klee (CDU): Ich bin für die Verlängerung der Redezeit! – Axel Wintermeyer (CDU): Mit denen wolltet ihr zusammengehen!)

Diejenigen, die die Deutschen noch vor wenigen Jahren für ihre mangelnde Risikobereitschaft gescholten haben, fordern nun staatliche Hilfen für die Banken,die das Geld ihrer Anleger verpulvert haben. Unter den Opfern befinden sich viele kleine Anleger, die durch die Aushöhlung der gesetzlichen Altersversorgung praktisch gezwungen wurden,ihr Geld an den Finanzmärkten anzulegen,um im Alter würdig leben zu können. Deren Geld ist futsch. Die rettet niemand.

Die Krise, die wir derzeit erleben, ist nicht dem Versagen einzelner Manager geschuldet. Es handelt sich um das Versagen des kapitalistischen Systems. Denn das führt immer wieder zu Spekulation und Überproduktion. Deshalb läuft das immer wieder aus dem Ruder.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie wollen das System überwinden! Was wollen Sie dann? – Aloys Lenz (CDU): Sie wollen zurück zum Sozialismus!)

An der Krise der Automobilindustrie lässt sich dieser Irrsinn verdeutlichen. Die Konzerne verweigern jede Lohnerhöhung und wollen gleichzeitig mehr Autos verkaufen. Aber Autos kaufen keine Autos. Jeder weitere Lohnverzicht wird die Krise nur verschärfen, anstatt eine Lösung herbeizuführen. Die große Masse der Bevölkerung hat am Aufschwung der vergangenen Jahre ebenso wenig wie an der Explosion der Aktienkurse teilgehabt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Explosion!)

Die Menschen, die mit ihrer täglichen Arbeit für den Wohlstand in der Gesellschaft sorgen,müssen auch in dessen Genuss kommen. Deshalb brauchen wir endlich wieder Lohnerhöhungen. Außerdem brauchen wir den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,71 c, wie es ihn in Frankreich gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen einen Schirm zum Schutz der Arbeitnehmer. Allen voran brauchen wir diesen für die Leiharbeiter, die zu Tausenden aus den Betrieben abgezogen werden. Wir brauchen aber keinen Schirm zum Schutz der Aktionäre.

(Zuruf von der CDU: Sprechen Sie einmal zur Sa- che!)

Folgende Frage muss beantwortet werden: Wer zahlt für die Verluste, die sich aus dieser Krise ergeben? – Wir denken, diejenigen, die in den letzten Jahren profitiert haben, müssen zahlen.Deshalb fordert DIE LINKE eine Abgabe für Millionäre zur Finanzierung der staatlichen Rettungspakete.

(Beifall bei der LINKEN)

Angesichts der Opel-Krise stellt sich Ministerpräsident Koch als Retter der Arbeitsplätze dar. In Wahrheit hat er aber durch seine Politik Arbeitsplätze vernichtet. Allein 10.000 Stellen sind im Land Hessen entfallen, seitdem er Hessen regiert. Gerade Herr Koch ist in den letzten Jahren als Prediger des freien Marktes aufgetreten und hat in Hessen privatisiert, was privatisiert werden konnte. Das reicht vom Universitätsklinikum bis hin zu einem Gefängnis. Welche Auswirkungen das auf die Arbeitsplätze hatte, können wir gerade feststellen.

Diese Regierung ist ein Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Herr Ministerpräsident, auch wenn Sie jetzt Kreide gefuttert haben, ist Ihr Name untrennbar mit ausländerfeindlichen Wahlkämpfen, mit dem Sozialkahlschlag der „Operation düstere Zukunft“ und mit schwarzen Kassen verbunden. Ich weiß, das wollen Sie nicht hören. Aber man kann nicht immer laut „Law and Order“ schreien und dann selber Rechtsbruch begehen, meine Damen und Herren.

(Horst Klee (CDU): Ich bin für die Verlängerung der Redezeit für Sie! – Heiterkeit bei der CDU)

Ihr Verhalten im ersten halben Jahr spricht Bände.Sie waren kein Partner des Parlaments. Ihre Regierung hat sich geweigert, Beschlüsse des Landtags umzusetzen – beim Wiedereintritt in die Tarifgemeinschaft der Länder, beim Schulbesuch für Kinder ohne Aufenthaltsrecht oder beim Abschiebestopp für afghanische Flüchtlinge.