Meine Damen und Herren, wir haben ein System, in dem unsere Länderfinanzausgleichszahlungen so hoch sind und das nicht schnell zu verändern ist. Deswegen müssen wir aufpassen, welches die Herausforderungen an unsere Finanzpolitik sind, wenn es um die Finanzierung unserer Leistungskraft geht, nämlich um das Bruttoinlandsprodukt. Das ist die eigentliche Herausforderung. Die genannten Summen von 214 oder 184 c sind schlimm und mögen drücken, aber die sind nicht das Kernproblem.
Das Kernproblem, das uns von Jahr zu Jahr mehr beschäftigt und den Länderfinanzausgleich in Schwierigkeiten bringen wird, liegt in Folgendem: Wenn wir einen Euro des Bruttoinlandsprodukts betrachten, den wir hier
in Hessen erarbeiten, dann hat der natürlich Aufwendungen in Bildung, in Wissenschaft und Forschung, in Infrastruktur und Sicherheit zur Voraussetzung. Ein Land wie das unsere ist international. Kollege Bouffier schützt mit seinen Einrichtungen zur inneren Sicherheit öffentliche Einrichtungen in der Größenordnung von einigen Hundert. In Mecklenburg-Vorpommern sind das keine zwei Dutzend. Das bedeutet beträchtliche finanzielle Aufwendungen, die dort zur Verfügung zu stellen sind.
Festzustellen ist, dass Ihnen als Landesgesetzgeber pro Euro des Bruttoinlandsprodukts, das hier erarbeitet wird, am Ende 8 Cent zur Verfügung stehen, die Sie im Haushalt für Bildung,Infrastruktur und anderes ausgeben können; Ihren Landeskollegen in Mecklenburg-Vorpommern jedoch stehen davon 25 Cent zur Verfügung.
Das bedeutet: Wenn uns jetzt die Bundesregierung im Hochschulpakt vorgibt, dass wir die Hochschulausgaben nicht mehr nach Einwohnern oder nach Steueraufkommen erbringen, sondern als Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts,dann haben wir eine andere Ausgangsposition im Vergleich der Bundesländer, die unserem Haushalt große Anstrengungen abverlangt.
Meine Damen und Herren, wenn Sie das konkret sehen, sind wir sehr nahe an den Debatten dieses Nachmittags. Mit 27 Studierenden pro 1.000 Einwohner hat Hessen die höchste Studierendenquote aller Flächenländer. Das ist ein beachtliches Bild. Das ist eine notwendige Voraussetzung für unser hohes Bruttoinlandsprodukt. Aber man muss auf der anderen Seite auch sehen, dass wir damit überproportional viele Studienplätze finanzieren – obwohl wir dann in der Logik dieses Bruttoinlandsprodukts pro Studienplatz deutlich weniger Geld zur Verfügung haben als manche der von uns finanzierten Nachbarn.
Es wird aber schlimmer, denn diese Aufwertung der Bedeutung des Bruttoinlandsprodukts führt dazu,dass wir in den letzten Jahren immer größere Anteile zur wirtschaftlichen Entwicklung ganz Deutschlands beitragen. Die Bedeutung dessen, was in Hessen erarbeitet wird, für die Bundesrepublik Deutschland steigt von Jahr zu Jahr an. Die Finanzierung der öffentlichen Lasten dafür bleibt jedoch gleich – weil wir die Gewinne, die wir daraus erzielen, zu 80 % an die anderen Bundesländer überweisen. Das ist die Struktur, unter der der Hessische Landtag in den nächsten Monaten arbeiten muss.
Wir können eine lange Diskussion darüber führen, ob das gut oder schlecht ist.Wir können darüber reden,ob das im Jahr 2018 oder früher anders wird.Aber für die Ausgaben dieses Jahres und für den Haushalt des kommenden Jahres wird das die entscheidende Frage sein. Deshalb rate ich, gut zu überlegen, wo wir für was Geld ausgeben oder auf Einnahmen verzichten.
Das gilt dann auch für die Bereitstellung von jährlich zusätzlich bis zu 110 Millionen c aus dem Landeshaushalt für die Universitäten zum Ersatz der Studienbeiträge aufgrund unausweichlich begrenzter Mittel.
Die müssen dann im Gegenzug irgendwo anders geopfert werden. Ich sehe die GRÜNEN an, ich sehe uns an – keiner schreibt in sein Programm: zusätzliche Schulden. Das bedeutet, für jeden Euro, den man woanders ausgibt, insbesondere aber für jeden Euro an Einnahmen, auf den man verzichtet, muss irgendjemand ein Opfer bringen.
Es ist wichtig, dass man nicht nur die Begünstigten benennt, sondern auch die Opfer. Meine Damen und Herren,dazu müssen wir in der parlamentarischen Diskussion gemeinsam kommen.
Dazu muss ich sagen: Derzeit reden wir über einen Haushaltsplan, der für das Jahr 2008 noch eine Nettoneuverschuldung von 548 Millionen c aufweist.
Im kommenden Jahr haben wir nach den Ihnen bekannten Planungen für eine fortgesetzte Reduzierung der Nettoneuverschuldung einen zusätzlichen Einsparbedarf von mehr als 250 Millionen c – wobei das auch inzwischen – –
Wir müssen im nächsten Jahr 250 Millionen c einsparen, und wir müssen das 250-Millionen-c-Ziel kritisch betrachten unter dem Gesichtspunkt, wie die wirtschaftliche Entwicklung weitergeht, ob die vom Finanzplanungsrat und uns gemeinsam erwarteten 500 Millionen c Mehreinnahmen durch Steuern zustande kommen oder nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die Ausgangsposition,unter der die Landesregierung einen Haushaltsplanentwurf vorlegen wird, und das ist die Ausgangsposition, unter der jeder einzelne Einsparvorschlag und jeder einzelne Mehrausgabenvorschlag aus dem Parlament zu sehen ist.Wir sind – das sieht man dem Kollegen Schmitt im Gesicht noch nicht so ganz an – in dieser Frage eine Schicksalsgemeinschaft.
Herr Kollege Schmitt, deshalb ist es einfach, schnell einmal in den letzten drei Monaten für die Finanzierung der Studienbeiträge 28,7 Millionen c zu finden, indem man über Zinskosten redet, und es kann sein, dass Sie einen Konsens über diese Definition finden.Aber man darf niemandem verschweigen, dass Sie in Anerkenntnis der Tatsache – wenn Sie es auch akzeptieren –, im nächsten Jahr noch 250 Millionen c strukturell einsparen zu müssen, diese mit zusätzlichen 70 Millionen c belastet haben. So einfach ist die Rechnung am Ende.
Meine Damen und Herren, da darf es keine windigen Wege geben. Es geht nicht darum, für den November und
den Dezember eines Jahres per Gesetz noch schnell eine Deckung zu finden, wenn man weiß, dass diese Ausgabe das ganze kommende Jahr auftritt. Kollege Wagner hat nicht nur die Krawatte von Herrn Al-Wazir übernommen, sondern er vertritt im Augenblick die Fraktionsführung.
Er wird den Satz kennen, den ich jetzt vorlese. Ich sage auch als Credo der Landesregierung: Wir sind dem Ziel der Nachhaltigkeit auch in der Haushalts- und Finanzpolitik verpflichtet. Zukünftige Generationen verlangen zu Recht, dass wir sie nicht mit Schulden überlasten.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Reinhard Kahl (SPD):Ach du liebe Zeit! Das sagen Sie! – Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Thomas Spies (SPD): Eine ganz neue Erkenntnis!)
Meine Damen und Herren, diese Frage wird uns in den nächsten Tagen und Wochen beschäftigen,mich z.B.in der Föderalismuskommission. In der Föderalismusdebatte ist die Sache nicht ganz so einfach. Denn entgegen den fröhlichen Gesichtern der sozialdemokratischen Kollegen hier werden wir dort als eines der vorbildlichen Länder angesehen.
Wir sind das Land mit der viertgeringsten Verschuldung in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind das Land, das in den letzten Jahren eine Verschuldungsentwicklung genommen hat, um die sich andere gerne bewerben würden. Wir stehen nur im Wettbewerb mit den beiden süddeutschen Ländern; das ist in Ordnung. Dort haben wir die Probleme, die ich beschrieben habe.Aber diese anderen Bundesländer werden mich und damit Sie in den nächsten Monaten fragen, ob wir bereit sind, eine Verfassungsänderung zu beschließen – übrigens am Ende auch eine Verfassungsänderung in den Länderverfassungen –, die eine Nettoneuverschuldung Null oder eine jedenfalls an sehr viel strengere Kriterien als in der Vergangenheit angepasste Verschuldung vorgibt.
Aber natürlich wird das auch eine Frage der Länder sein. Wir werden in der Frage abstimmen müssen. Das heißt, wir als Hessen, auch wir als Hessischer Landtag, müssen uns entscheiden, ob wir uns an diesen Maßstab halten wollen. Dann geht es aber nicht mehr um 250 Millionen c strukturelle Mindereinnahmen und um 70 Millionen c mehr, sondern dann geht es um signifikant weitere Hunderte von Millionen c, die dazukommen. Wenn der Hessische Landtag das in Deutschland mitträgt, werden wir nicht gemeinsam eine andere Politik hier machen können.
Deshalb müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass eine der zentralen Aufgaben der Landespolitik sein wird, ob wir es schaffen,tatsächlich mit einer schwarzen Null in das Haushaltsjahr 2011 zu kommen. Das wird für alle bedeuten, dass es weniger Zeit für Mehrausgaben und mehr Zeit für die Diskussion über die Konsolidierung des Haushalts geben wird.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Bei der schwarzen Null denke ich immer an Weimar!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das geschieht nicht nur auf der Basis der letzten Jahre. Das muss auch unter Betrachtung der aktuellen Situation geschehen, in der die im Haushalt veranschlagten Steuereinnahmen nach Finanzkrise und ähnlichen Entwicklungen für ein Land wie den Finanzplatz Hessen nicht ganz selbstverständlich sind.
Verehrter Herr Kollege Kahl, nur damit keiner glaubt, dass wir das in den nächsten Jahren diskutieren: Es wird den Hessischen Landtag auf Initiative der Landesregierung wiederum in den nächsten Wochen beschäftigen. Sie werden bereits in den nächsten Tagen die entsprechende Entscheidungsvorlage der Landesregierung bekommen, indem wir den zuständigen Ausschuss des Hessischen Landtags fragen werden, ob Sie die im Haushaltsplan 2008 eingeplante Privatisierung von Landesimmobilien des Leo-III-Portfolios unterstützen oder ablehnen. Weil potenzielle Investoren Berechenbarkeit brauchen, ein wirtschaftlich vernünftiger Verkauf die Teilnahme einer großen Zahl möglicher Investoren voraussetzt und allein die Einleitung des Bieterverfahrens einen zweistelligen Millionenbetrag erfordert,
halte ich es für vernünftig, dass die Landesregierung den Haushaltsausschuss fragt, ob an dieser Stelle eine Bereitschaft besteht,das im Haushaltsplan beschlossene Verfahren, das am Ende der Zustimmung des Haushaltsausschusses des Hessischen Landtags bedarf, prinzipiell durchzuführen.
(Norbert Schmitt (SPD): Das war knapp an der Wahrheit vorbei! Es gibt gar keinen Markt, das wissen Sie auch!)