Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein sehr emotionales Thema. Das merkt man. Frau Pauly-Bender, wir haben in den letzten Wochen vieles über Moral hören dürfen, darüber, warum bestimmte Menschen gewählt werden. Ich glaube, man muss bei dieser Debatte sehr vorsichtig sein.Der neue Landtag hat,jedenfalls in den letzten Stunden, versucht, Diskussionen mit guten Argumenten, relativ unemotionale Debatten zu führen. Das war bei Ihnen leider nicht der Fall.
Beim Thema Ausgrenzung fühlen wir uns nicht angesprochen.Wir fühlen uns deshalb nicht angesprochen, weil wir mit der LINKEN bei jedem Thema heute, gestern und in der vergangenen Woche sachlich diskutiert haben. Herr van Ooyen wird sich nicht darüber beschweren können, dass wir eine Diskussion in der Sache geführt haben, um den besten Weg gestritten haben. Deshalb teile ich von dem, was Sie vorgetragen haben, nichts. Nichtsdestotrotz führen wir diese Debatte sachlich.
Frau Kollegin, man muss schon einen Unterschied machen – das trifft auch für die GRÜNEN zu –, ob man ein Thema gemeinsam behandeln will oder ob man es gemeinsam zum Antrag erhebt und als Antragsteller gemeinsam hier vorträgt. Das ist ein Unterschied, und diesen Unterschied haben wir mit unserem Antrag demonstriert.
Die FDP war die einzige und erste Partei, die 1991 eine Stasiüberprüfung verlangt hat, damals aufgrund der Nähe zur ehemaligen DDR. Das war natürlich ein Stück weit ein Zeichen der Solidarität mit den Ostländern, wo diese Überprüfung zuerst stattgefunden hat. Wir haben das als gute Übung in diesem Hause mehrmals wiederholt, und ich halte es für völlig richtig, das zu machen.
Herr Kollege van Ooyen, ich will Ihnen sagen, warum ich mir nicht vorstellen kann, mit der Linkspartei bei einem so sensiblem Thema als Antragsteller aufzutreten: Es gibt eine Verharmlosung der Historie der DDR durch Ihre Leute in einem Ausmaß, das man sie sich eigentlich kaum vorstellen kann.
Das erfolgt in verschiedenen Sentenzen. Aber auch Teile der Bevölkerung haben leider völlig vergessen, was das für ein Unrechtsregime war. Ich will Ihnen nur das Beispiel nennen, das der Kollege Boris Rhein in der Debatte vor fünf Jahren angeführt hat. Viele Stasispitzel waren Ärzte, die mittels falscher Diagnosen, z. B. Krebsdiagnosen, Menschen Angst gemacht haben, um sie zu einem bestimmten Handeln zu bewegen. Dieses Unrechtsregime war so subtil, hat Menschen in so schwierige Situationen gebracht, dass man immer wieder daran erinnern muss, was das für ein System war. Deshalb sind die Äußerungen eines Mitglieds Ihrer Partei aus den letzten Wochen so kritikwürdig. Sie lauten: „Wir wollen nicht die DDR, aber wir wollen auch nicht die Bundesrepublik, wir wollen irgendetwas dazwischen.“ – Was soll das sein? Wir wollen die Bundesrepublik, und das sollte für alle in diesem Hause gelten.
Ich finde,es ist Aufgabe jedes deutschen Parlaments – und gerade des Hessischen Landtags –, die Vergangenheit der DDR immer wieder zu beleuchten. Hessen ist ein Grenzland. Ich bin in Kassel, in der Nähe zur DDR, groß geworden. Meine Familie stammt aus der ehemaligen DDR. Ich habe dort viele Verwandte, und einige meiner Verwandten mussten sich mit diesem Unrechtsregime auseinandersetzen. Herr Kollege van Ooyen, ich glaube, es ist wichtig, dass wir mit unserer Bildungspolitik und mit allem, was dieses Parlament tut, dazu beitragen, dass nicht in Vergessenheit gerät, was dort geschehen ist.
Wir werden diesen Antrag nicht stellen, weil das eine gute Übung ist oder einer Floskel entspricht, sondern weil es wichtig ist, dass wir das machen.
Außerdem werden wir unsere Ergebnisse veröffentlichen. Für uns ist es völlig klar, dass wir unsere Ergebnisse wie in den letzten Jahren veröffentlichen werden. Auf die Debatte bin ich sehr gespannt.Herr Kollege Gotthardt hat es bereits gesagt.
Abschließend darf ich für die FDP-Fraktion sagen: Für uns ist das Thema Stasiüberprüfung nur eines von vielen Themen, über die wir hier in den nächsten Monaten diskutieren werden. Es geht um die Gedenkstätten und darum, wie man mit einem solchen Regime in der Verarbeitung und in der Bildungspolitik umgeht. Das ist ein zentrales Thema.
Dort ist viel passiert. Aber wir werden es forcieren, dass dort weiterhin viel passiert; denn wir werden nicht zulassen, dass so etwas in Vergessenheit gerät. So etwas darf nicht in Vergessenheit geraten. – Vielen Dank.
Danke schön, Herr Rentsch. – Als nächster Redner hat Herr van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ein Thema, dessen Behandlung hoffentlich
zur Beruhigung beiträgt. Jedenfalls merke ich, dass Sie jetzt zuhören. Das ist in diesem Bereich ganz wichtig.
Es geht darum, dass niemand von uns die Tätigkeit der Stasi rechtfertigen wird. Niemand hat so intensiv an der Aufarbeitung der DDR-Geschichte und der SED-Geschichte gearbeitet wie die Partei DIE LINKE.
Das ist eindeutig so. Sie haben Ihre Geschichte, nämlich die Geschichte der sogenannten Blockflöten, noch nicht aufgearbeitet.
Die Geschichte der sogenannten Blockflöten ist nirgendwo aufgearbeitet. Sie haben sie einfach aufgenommen, ohne – –
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist eine Verhöhnung aller Opfer! – Michael Boddenberg (CDU): Pit Metz hat auch mitgearbeitet! – Weitere Zurufe von der CDU)
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ich muss Sie erneut darum bitten, diesem Redner zuzuhören. Er hat selbstverständlich die Chance, seine Ausführungen so vorzutragen, dass alle mithören können.
Früher hatte ich immer den Eindruck – in der Ecke, aus der ich stamme, sind selbst die Kartoffeln katholisch –, dass in der CDU vornehme Leute sind. Ich lerne dazu.
Es geht nicht darum, dass wir eine Strategie zur Rechtfertigung der Stasi entwickeln wollen, sondern darum, dass wir Verfolgung und Bespitzelung generell und substanziell ablehnen. Als Kriegsdienstverweigerer bin ich überall bespitzelt worden, natürlich auch von der Stasi. Möglicherweise bin ich sogar von Putins KGB bespitzelt worden, wenn wir in Moskau – oder Leningrad, wie es damals hieß – waren,um darüber zu diskutieren,wie sich die Friedensbewegung verhält. Natürlich haben wir das gemacht.
Aber es gibt möglicherweise auch Akten bei der Sûreté, weil wir damals, als Rudolf Scharping noch friedensengagiert war, gemeinsam gegen die Giftgaslager in Rheinland-Pfalz und in Bitche in Frankreich aktiv waren.
Natürlich hat die CIA Informationen gesammelt, was das Zeug hielt, wenn wir uns darum gekümmert haben, dass jemand, der nicht in den Vietnamkrieg wollte, auch nicht dorthin musste, sondern eine andere Möglichkeit erhielt, in Freiheit zu kommen, wenn er die Desertion als ein Mittel, gegen den Krieg zu agieren, wichtig genommen hat.All das hat mich – oder uns – natürlich wesentlich geprägt; denn wir waren in allen Punkten gegen den Krieg engagiert.
Mein letzter Arbeitgeber ist die Behindertenwerkstatt der Praunheimer Werkstätten. Dort bin ich seit über zehn Jahren.
Davor war ich Geschäftsführer der Werkstatt Frankfurt. Das ist eine Beschäftigungsgesellschaft mit immerhin 1.200 Mitarbeitern.
Herr Boddenberg, mein damaliger Vertreter war übrigens ein CDU-Mitglied, das Sie gut kennen. Aber wir haben uns gut vertragen.
Ja, natürlich. – Meine Lohnabrechnungen habe ich immer vorlegen müssen. Die Steuerfahnder waren alle zwei Jahre bei uns und haben geschaut, ob wir das richtig machen.
Ich will noch ein persönliches Wort zu Frau Birthler sagen. Frau Birthler habe ich 1992 eingeladen. Sie hat beim Ostermarsch gesprochen. Deshalb gibt es durchaus enge Beziehungen. Das tut uns gar nicht weh.