Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie recht herzlich zur heutigen Plenarsitzung begrüßen. Zunächst einmal stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest. – Dagegen werden keine Einwände erhoben.

Zur Tagesordnung für den heutigen Tag darf ich auf Folgendes hinweisen. Noch offen sind folgende Punkte: 2, 12, 13, 16 bis 18, 20 bis 28, 30, 32, 34 bis 37, 39 bis 43.

Zwischenzeitlich ist noch eingegangen: ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Privatisierung der Deutschen Bahn AG, Drucks. 17/90. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 44 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit den Tagesordnungspunkten 36 und 40 aufgerufen werden. – Es gibt keinen Widerspruch. Dann wird so verfahren.

Zum Ablauf der Sitzung gebe ich Ihnen folgende Hinweise.Wir haben uns darauf verständigt,dass wir heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von einer Stunde tagen.

Wir beginnen mit den Anträgen für eine Aktuelle Stunde. Das sind die Tagesordnungspunkte 26 bis 28. Interfraktionell haben sich die Fraktionen auf eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion geeinigt. Nach der Aktuellen Stunde fahren wir mit Tagesordnungspunkt 2 – Wahlen – fort.

Ich darf in dem Zusammenhang auf eine Mitteilung hinweisen, die auf Ihren Plätzen verteilt worden ist: Nach dem Tagesordnungspunkt 2, den Wahlen, soll ein sogenanntes Rundumfoto gemacht werden. Ich wäre dankbar, wenn dann alle anwesend wären.

Entschuldigt fehlen Herr Ministerpräsident Roland Koch – ab 10.30 Uhr – und, krankheitsbedingt, Herr Staatsminister Karlheinz Weimar.

Wie ich schon gesagt habe, soll nach dem Tagesordnungspunkt 2 die besagte Aufnahme für einen Bildband über die Landeshauptstadt Wiesbaden gemacht werden.

Noch ein Hinweis auf eine Ausschusssitzung: Eine Viertelstunde vor Ende der Mittagspause, also voraussichtlich um 13.45 Uhr, trifft sich der Sozialpolitische Ausschuss im Sitzungssaal 510 W.

Last, but not least haben wir heute auch ein Geburtstagskind in unseren Reihen. Frau Sabine Waschke begeht heute ihren Geburtstag. Ich spreche Ihnen im Namen des gesamten Hauses die allerherzlichsten Glückwünsche aus.

(Allgemeiner Beifall – Abg. Sabine Waschke be- kommt einen Blumenstrauß überreicht.)

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 26:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Bürgerrechte bewahren – Bouffier bremsen) – Drucks. 17/70 –

Das Wort hat Frau Kollegin Öztürk.

Sehr verehrter Herr Präsident, guten Morgen, meine Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur frühen Stunde eine schwere Kost: Aber vielleicht

kann man so ein Thema auf nüchternen Magen am besten bewältigen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ich habe gut gefrühstückt!)

Wir, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, haben zu der Aktuellen Stunde mit dem Titel „Bürgerrechte bewahren – Bouffier bremsen“ eingeladen,weil wir in dieser und in der vergangenen Woche der Presse sehr verwundert entnehmen mussten, welche Alleingänge und Vorstöße der Herr Innenminister zu dem Thema „Onlinedurchsuchung, Befugniserweiterung des BKA“ unternommen hat.

Wir möchten hier noch einmal klarstellen: Mit uns GRÜNEN wird es keine Onlinedurchsuchungen geben. Deswegen thematisieren wir das heute.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben letzte Woche der Presse entnehmen können, dass es eine wirklich sehr heftige Debatte gab. Wir haben uns als Fraktionen im hessischen Parlament dazu geäußert. Der Hessische Datenschutzbeauftragte, Herr Prof. Ronellenfitsch, brachte seine große Besorgnis über die Befugniserweiterung des BKA zum Ausdruck.

Während diese Debatte lief und im Parlament noch in keiner Weise ein vernünftiger Austausch darüber stattfinden konnte, gab es den Alleingang des Herrn Innenministers: Der Kompromiss zwischen Justizministerin Zypries und Innenminister Schäuble reiche ihm nicht aus, und er wolle das heimliche Betreten von Wohnungen ermöglichen.

Herr Innenminister, ich frage mich, wie Sie eigentlich auf diese Idee kommen konnten. Haben Sie die Mehrheitsverhältnisse in diesem Parlament vergessen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es ist uns bekannt, dass Sie mehr Videoüberwachung, mehr Überwachung im Internet und überhaupt mehr Überwachung wollen; damit gaukeln Sie den Menschen Sicherheit vor. Wir haben allerdings erfahren, dass das Bundesverfassungsgericht die Einführung von Kennzeichenlesegeräten für verfassungswidrig hält und dem ganz klar einen Riegel vorgeschoben hat. Anstatt daraus Lehren zu ziehen, lassen Sie schon wieder solche Testballons steigen, mit denen ich überhaupt nichts anfangen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Statt neue Gesetzesvorstöße zu unternehmen, die eindeutig verfassungswidrig sein werden, plädiere ich dafür, die Polizeigesetze,die wir haben,endlich verfassungskonform zu gestalten und sie überhaupt erst einmal zu aktualisieren, damit wir hier Entwicklungen nachholen und gescheit für die Zukunft arbeiten können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es ist ganz klar, dass mit dem BKA-Gesetz ein weiterer Schritt in Richtung Entföderalisierung unternommen wird und dass das Ganze unter dem Deckmantel Terrorismusbekämpfung stattfindet. Wir wissen aber auch, dass die Länder mit dem BKA bisher in einem ausreichenden Umfang zusammengearbeitet haben und dass sich das Prinzip der Aufgabenteilung dort bewährt hat.Wir wollen auf gar keinen Fall, dass das aufgeweicht wird, dass da

durch unterschiedliche Verantwortungsbereiche vermischt und damit auch die Bürgerrechte eingeschränkt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Innenminister, als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind wir entschieden dagegen und werden Ihnen immer ganz genau auf die Finger schauen, um herauszufinden, welche Testballons Sie in Zukunft steigen lassen werden.

(Zurufe von der CDU)

Es ist spannend, zu sehen, ob das BKA-Gesetz einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht überhaupt standhalten wird. Wir finden es sehr bedenklich, dass Sie, statt das abzuwarten, alleine einen Vorstoß wagen.

Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, damit das Parlament die Gelegenheit hat, sich dagegen zu äußern. Es ist klar, in diesem Haus gibt es keine Mehrheit für Onlineüberwachungen.Wir finden, dass dadurch die Bürgerrechte eingeschränkt werden. Wir finden, dass dadurch eine Sicherheit vorgegaukelt wird, die es nicht gibt.

Wir sind eher dafür, dass die vorhandenen Mittel stärker genutzt werden und dass eine bessere Vernetzung erfolgt, statt immer mehr Überwachungsmöglichkeiten einzuführen.Anscheinend soll uns das mehr Sicherheit bringen.

Herr Innenminister, bitte respektieren Sie den Wunsch der Bürgerinnen und Bürger, die keinen Überwachungsstaat wollen,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Oh Mann!)

die Bürgerrechte zu wahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich bin daher auf die Debatte sehr gespannt,wie es die anderen Fraktionen sehen. Meiner Meinung nach werden wir in Zukunft genau hinschauen müssen, welche Testballons von welcher Ecke hochkommen. Wir möchten auf gar keinen Fall, dass die Bürgerrechte eingeschränkt werden.

Ich freue mich, heute hier in der Debatte bestimmt die Mehrheit des Parlaments finden zu können. Aufgrund dessen – wie gesagt –: keine Einschränkung der Bürgerrechte und in Zukunft ganz genau hinschauen. – Meine Damen und Herren, ich bedanke mich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Öztürk. – Das Wort hat Herr Kollege Greilich von der FDP-Fraktion.

Meine Damen und Herren! Ich freue mich natürlich, dass sich die GRÜNEN wieder dazu bekennen, was sie früher immer schon einmal erzählt haben, nämlich als Bürgerrechtspartei einzutreten. Ich erinnere mich an Zeiten, als Herr Schily Bundesinnenminister war und die GRÜNEN mitregiert haben.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den haben wir rechtzeitig abgegeben! – Heiterkeit)

In dieser Zeit haben wir Verschärfungen des Polizei- und Staatsrechts wie in keiner Zeit davor gehabt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Anlass der heutigen Aktuellen Stunde war die Ankündigung des hessischen Innenministers Volker Bouffier, bei der Onlinedurchsuchung einen hessischen Sonderweg gehen zu wollen. Inzwischen hat es einen Rückzieher gegeben, sodass man eigentlich meinen könnte, die Aktuelle Stunde hätte sich erledigt. Mitnichten ist das so, im Gegenteil.

Wir haben uns bei dieser Gelegenheit mit der Frage des BKA-Gesetzentwurfs auseinanderzusetzen, der vorliegt und der erhebliche Kompetenzerweiterungen für das Bundeskriminalamt und erhebliche Folgeregelungen hat, die in Hessen eine entsprechende Konsequenz haben werden.

Das grundsätzliche Spannungsverhältnis, in dem wir uns bewegen, ist die Frage der Gewährleistung der Bürgerrechte, der verfassungsmäßigen Rechte einerseits und der staatlichen Eingriffe andererseits, die zur Wahrung der Sicherheit notwendig sind. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu wahren, ohne das Maß zu verlieren, ist die Grundaufgabe.Dabei ist eine Grundaussage:Wir müssen nicht danach fragen, was technisch möglich ist, was man alles machen könnte, sondern danach, was wirklich nötig ist, um unsere Sicherheit zu gewährleisten.