Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Wir als Sozialdemokraten sagen, der energiepolitische Teil muss jetzt zurückgezogen werden. Die Landesregierung hat die Entwürfe gemacht, sie kann auch neue machen. Sachkompetenz gibt es in diesem Lande genug, und wenn Sie in der Landesregierung keine finden, fragen Sie andere.

Hessen braucht die Chance für Innovation und Beschäftigung, deswegen weg mit den Barrieren, deswegen auch weg mit den Hindernissen.Das betrifft auch die Frage,wie mit Bundesrecht umgegangen wird, wie mit Windkraft umgegangen wird. Hier möchte ich noch etwas schildern, weil ich glaube, dass ein grundlegendes Problem der bisherigen Landesregierung und der CDU in der Sicht und der Tradition der Technikentwicklung liegt. Sie haben die Tonnenideologie im Kopf, die überall, besonders im Osten,gescheitert ist.Das sind gigantische Kraftwerksblöcke mit Riesenleitungsnetzen über große Strecken.Ihre ganze Argumentation richtet sich darauf, mit solchen Konstruktionen zu arbeiten. Deswegen schreiben Sie, dass mit der Wasserkraft nicht mehr viel zu machen sei, weil Sie überhaupt nicht im Blick haben, dass es sinnvoll sein kann, ein Drittel der stillgelegten Wasserkraftanlagen – alleine in Nordhessen gibt es 1.000 stillgelegte Wasserkraftanlagen – wieder in Gang zu setzen und kleine Insellösungen zu machen, ohne dass das ökologische Gleichgewicht gestört wird.

(Zuruf der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Ich habe die Zahlen schon reduziert. In Südhessen und Mittelhessen gibt es weitere. Natürlich sind das nur kleine Beiträge, aber das ist genau der Punkt. Sie kalkulieren immer nur mit großen Brocken, aber wir brauchen jeden kleinsten Beitrag; denn jedes Jahr, das wir gewinnen, bedeutet, dass wir vielleicht 0,1 oder 0,2 ˚C unter den 2 ˚C bleiben. Dafür lohnt es sich. Schließlich haben Sie die Folgen in Ihren eigenen Klimaberichten schon beschrieben. Das sind nicht gleichmäßig 2 ˚C plus, sondern das bedeutet Trockenheit für die eine Hälfte der Landwirtschaft und übermäßigen Regen für die andere Hälfte. Ich denke, wir müssen handeln statt reden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Gleiche gilt für die Windkraft. Herr Al-Wazir hat schon gesagt, ohne die Windkraft werden Sie Ihre eigenen Ziele von vor fünf Jahren nicht mehr erfüllen können.Das weiß auch jeder, und das müssen Sie auch wissen.

Zu Staudinger wird Frau Pauly-Bender gleich noch ein paar Worte sagen, etwas angereichert mit der Meinung ihrer Region. – Der Jahreszeit angemessen lassen Sie mich schließen mit einem völlig unbekannten Zitat: Der Worte sind genug gewechselt, meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch endlich Taten sehen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Grumbach. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Apel für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ziel jeglicher klimapolitischer Überlegungen muss es sein, Energie zu allen Zeiten sicher, preisgünstig und klimafreundlich zu erzeugen und Verlässlichkeit in der Energiepolitik unter Beweis zu stellen. Über den Weg zur Erreichung dieses Ziels müssen wir miteinander ringen, immer die Zukunftsfähigkeit unserer Energiegesellschaft, die Endlichkeit der Ressourcen und den Klimawandel im Blick. Dabei spielen auch Akzeptanzprobleme eine her

ausragende Rolle, weil die miteinander konkurrierenden Interessen teilweise beträchtlich sind.

Selbstverständlich erwartet man zu jeder Zeit die Verfügbarkeit von bezahlbarer, von sauberer Energie und bekämpft gleichzeitig nahezu jede Form von Energieerzeugung. Selbstverständlich will man sauberen Windstrom forcieren, die dazu notwendigen Anlagen aber bitte nicht vor der eigenen Haustür haben. Selbstverständlich soll Energie aus der Kraft der Sonne produziert werden, aber niemand ist bereit, den hierfür erforderlichen Preis zu zahlen. Selbstverständlich will man Hunger in der Welt bekämpfen, die Natur schützen, Feld und Wald nachhaltig bewirtschaften und die Schönheit der Landschaft erhalten, aber gleichzeitig einen beträchtlichen Anteil der Energieerzeugung durch Biomasseproduktion abdecken.

Selbstverständlich sollen die Energieerzeugungsanlagen weit weg sein, der vor Ort nachgefragte Strom aber nicht über Hochspannungsleitungen transportiert werden. Selbstverständlich gehört es zum guten Ton, Bau und Betrieb von Kernkraftwerken ebenso abzulehnen wie von Kohlekraftwerken.

Die Zielkonflikte gerade in der Energiepolitik sind so enorm, dass niemand für sich in Anspruch nehmen kann, diese Probleme heute schon gelöst zu haben. Die vermeintlichen Heilsbringer, egal ob mit oder ohne alternativen Nobelpreis, die innerhalb von fünf Jahren auf 90 % unserer heutigen Stromversorgung ohne Wohlstandsverlust verzichten wollen, befriedigen vielleicht ihr persönliches Ego, befriedigen aber nicht im Geringsten die Interessen eines Landes und seiner Bürger.

(Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Herr Kollege Grumbach, Sie haben eben auf die Möglichkeit des Ausbaus der Wasserkraft hingewiesen. Ich darf vielleicht daran erinnern,dass im Jahr 1997 im Lande Hessen die Förderung des Landes für den Ausbau von Wasserkraftanlagen eingestellt worden ist.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Zu dem Zeitpunkt gab es keine Nachfrage!)

Damals war die CDU nicht in der Regierungsverantwortung, wie Sie wissen.

Die Komplexität der ernormen ökologischen wie ökonomischen Fragestellungen verlangt vielmehr neue Allianzen zwischen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Eine Kultur der Nachdenklichkeit, der problemorientierten Neugier, der ergebnisoffenen Forschung und des verantwortlichen Diskutierens miteinander ist nötig, um die Frage einer sicheren, preisgünstigen und klimafreundlichen Energieversorgung so anzugehen, dass ökonomische Erfordernisse und ökologische Interessen miteinander in Einklang gebracht werden können.

Die CDU-Fraktion in diesem Haus stellt sich dieser Verantwortung nicht erst heute, sondern von Anfang an. Wir wollen für eine ökonomisch wie ökologisch nachhaltige Energiepolitik einen sehr ambitionierten Weg beschreiten,dessen Umsetzung anspruchsvoll und nicht immer bequem ist, insbesondere dann, wenn Entscheidungen jetzt getroffen werden müssen, deren positive Wirkungen sich unter Umständen erst zu einem späteren Zeitpunkt zeigen.

Dabei kommen wir nicht mit einem fertigen Konzept daher.Wir wollen in einen ergebnisoffenen Dialog mit allen Akteuren eintreten, um einerseits herauszufinden, ob es

möglich ist, bis zum Jahre 2020 bis zu 40 % unserer Energieversorgung durch erneuerbare Energien zu decken,

(Gernot Grumbach (SPD): Nicht das Ob, sondern das Wie ist der spannende Punkt!)

und gleichzeitig die Frage zu beantworten, wie die dann noch fehlenden 40 % ökonomisch wie ökologisch vertretbar abgedeckt werden können. Dabei lassen wir uns von der Überzeugung leiten, dass die preisgünstigste Energieform diejenige ist, die erst gar nicht nachgefragt wird. Ein besonderes Augenmerk dieser Strategie muss daher auf wirtschaftlich sinnvolle Formen der Energie- und CO2Einsparung in der Industrie, beim Verkehr und bei Gebäuden gelegt werden. In diesem Zusammenhang erinnere ich an unsere Parlamentsinitiative aus dem vergangenen Jahr, mit der wir für eine erhebliche Ausweitung steuerlicher Vergünstigungen für Energiesparmaßnahmen im selbst genutzten Gebäudebestand geworben haben.

Die vergangenen neun Jahre waren geprägt von einem erheblichen Ausbau der Biomassenutzung, Biomasse von land- und forstwirtschaftlichen Flächen, mit dem wir unter erheblicher Ausweitung der Fördermöglichkeiten – um das 25-Fache – das Erzeugungspotenzial versechsfacht haben. Wir wollen einerseits diesen Weg weiterhin beschreiten und andererseits neue Möglichkeiten ins Auge fassen.

Die Nichtvermehrbarkeit von Anbauflächen zwingt dazu, über Möglichkeiten nachzudenken,wie der Energieertrag je Flächeneinheit gesteigert werden kann. Wir wissen, dass beispielsweise mit dem Anbau von Raps je Hektar nur etwa 1.500 l Heizöl substituiert werden können, mit dem Anbau schnell wachsender Hölzer auf der gleichen Fläche aber bereits eine Substitutionsleistung von 5.000 l erreicht werden kann.

Angesichts der Energieknappheit und des weltweiten Kampfes um energetische Rohstoffe muss auch die Frage beantwortet werden, ob und in welchem Umfang wir uns erlauben können, land- und forstwirtschaftliche Fläche bei uns aufgrund von Naturschutzüberlegungen aus der Produktion zu nehmen und gleichzeitig unseren Rohstoffhunger durch Importe aus Drittländern zu decken, weil die Erhaltung der „heilen Welt“ bei uns und die gleichzeitige Einhaltung unserer Naturschutzstandards unter Umständen den Hunger in der Welt fördern.

Immer knapper werdende fossile Energievorräte und die großen Herausforderungen des Klimawandels verlangen höchste Anstrengungen der Industrie,den Einsatz moderner und hoch effizienter Kraftwerke und im Gegenzug das Abschalten ineffizienter Dreckschleudern. Wir brauchen neue Kraftwerke, deren Standorte so gewählt werden, dass ihre Abwärme vor Ort vollständig genutzt oder aber in ein Fernwärmeverbundnetz eingespeist werden kann. Das fordert aber im Umkehrschluss von der Gesellschaft und der Politik, die dringend erforderliche Modernisierung des Kraftwerksparks zu unterstützen. Wir als CDU-Fraktion in diesem Hause stellen uns dieser Verantwortung und finden uns dabei in bester Gesellschaft mit dem Bundesumweltminister.Wenn Herr Gabriel den Bau neuer Kraftwerke für unverzichtbar hält,müsste das manchem seiner Parteifreunde zu denken geben.

(Beifall bei der CDU)

Die Politik vor Ort darf sich nicht verstecken.

(Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

An Standorten, an denen der Bau von Kohlekraftwerken geplant ist, müssen verantwortungsvolle Politiker aller Parteien den Bürgern die Notwendigkeit neuer Kraftwerksprojekte erklären und sich der Diskussion vor Ort stellen. – Meine Damen und Herren, dieses Zitat stammt nicht von einem vermeintlich fehlgeleiteten Kraftwerkslobbyisten, sondern aus dem energiepolitischen Thesenpapier von Bundesumweltminister Gabriel vom April 2008.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben es nur nicht verstanden!)

Wir brauchen in einem verantwortungsvollen Energiemix auch hoch effiziente Kohlekraftwerke, bei denen das bei der Energieerzeugung entstehende CO2 abgetrennt und am Kraftwerksstandort als Rohstoff verwendet wird, aus dem sich synthetische Brenn- und Treibstoffe herstellen lassen. Ein Kraftwerk Staudinger, das den bei der Verbrennung entstehenden Schadstoff CO2 nicht emittiert, sondern an Ort und Stelle als Grundstoff für die Herstellung synthetischen Treibstoffs einsetzt, ist denkbar, machbar und hoch innovativ. Gefragt sind Kraftwerksbauer, Hochschulen und das gesamte Know-how unserer Industrie, um neue Wege zu beschreiten und mittelfristig bei Kohle- und Gaskraftwerken durch den Einsatz innovativer Technologien CO2-Freiheit anzustreben.

Im Energiemix der Zukunft benötigen wir eine massive Ausweitung der Nutzung der Geothermie, sei es aufgrund der geologischen Strukturen im Oberrheingraben oder durch Nutzung der Erdwärme an den osthessischen Bergbaustandorten. Wir wollen, dass Hessen bundesweit eine Vorreiterrolle einnimmt in einer nachhaltigen Energieversorgung, die auf einen hohen Anteil erneuerbarer Energien setzt und gleichzeitig fossile Energieträger fördert.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen auf der Suche nach dem richtigen Weg für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Energie- und Klimaschutzpolitik mit Experten aus Industrie und Forschung sowie mit Bürgern und Politikern in einer mehrtägigen Anhörung diskutieren, welche Möglichkeiten realisierbar und akzeptabel sind, was ökonomisch machbar und ökologisch vertretbar ist. Deswegen beantragen wir die Überweisung unseres Antrags an den Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Apel. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mehrere Anträge vor. Ich möchte für unsere Fraktion gerne dazu Stellung nehmen.

Zunächst zum Kraftwerk Staudinger. Die LINKE unterstützt die Bürgerinitiative „Stopp Staudinger!“ gegen die Erweiterung des Kraftwerks. E.ON plant mit dem Neubau des Blocks 6 den größten Kohlekraftwerksblock der Welt mit einer Leistung von 1.100 MW. Es geht hierbei eben nicht um die Ersetzung einzelner Kraftwerksblöcke durch einen angeblich effektiveren und umweltschonen

deren Block – diesen Eindruck versucht E.ON zu erwecken –, sondern es geht um einen Ausbau und damit um mehr Gewinn für den Kraftwerksbetreiber.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist ja ungeheuerlich! – Axel Wintermeyer (CDU): Es geht auch ein bisschen um die Energieversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger!)

E.ON sagt selbst auf der Homepage: Während wir in den vergangenen Jahren am Kraftwerk Staudinger durchschnittlich 2 Millionen t Kohle pro Jahr verfeuert haben, werden wir nach Inbetriebnahme von Block 6 jährlich wahrscheinlich 3 bis 3,5 Millionen t Steinkohle benötigen. – Dabei ist dieses Kraftwerk schon jetzt Hessens „größte Dreckschleuder“, wie der Hessische Rundfunk die Anlage genannt hat.Nach dem Kraftwerksausbau würde also deutlich mehr CO2 als jetzt in die Atmosphäre geblasen. Deswegen muss der Bau von Block 6 verhindert werden.

Die Bürgerinitiative hat in wenigen Wochen über 30.000 Unterschriften für eine Petition gesammelt. Mehrere Tausend Menschen haben im Juni letzten Jahres gegen den Neubau von Block 6 demonstriert. Das heißt, in dieser Region wird der Neubau nicht gewünscht. Man würde sich über die Wünsche und Interessen der dort lebenden Menschen hinwegsetzen, wenn man den Neubau zulassen würde.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die LINKE stehen die Umwelt und die Gesundheit der Menschen im Vordergrund. Es ist nicht hinnehmbar, dass E.ON Gewinne zulasten der Menschen in der Region einstreicht. Unser Motto im Wahlkampf lautete – das ist auch jetzt noch unsere Motto –: „Menschen vor Profite“, nicht umgekehrt.

(Beifall bei der LINKEN – Axel Wintermeyer (CDU):Wie soll Energie bezahlbar bleiben?)

Die LINKE unterstützt zudem die Forderung hessischer Bürgerinitiativen, Organisationen, sozialer Bewegungen und Umweltverbände nach einer Gesamtbelastungsstudie für alle Neu- und Ausbauvorhaben im Rhein-MainBallungsraum, denn selbst wenn die Grenzwerte bei den einzelnen Baumaßnahmen eingehalten werden, kumulieren sich diese Belastungen und stellen in der Gesamtbilanz eine erhebliche Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Daher haben wir einen Änderungsantrag zum Antrag der SPD-Fraktion gestellt und hoffen auf Zustimmung.

Die Position der LINKEN ist ganz klar.Wir stehen an der Seite der Bürgerinitiativen. Wir wollen den Stopp des geplanten Baus von Block 6 und eine deutliche Verringerung des CO2-Ausstoßes des Steinkohlekraftwerks Staudinger.