Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

die gesagt hat: Liebe Freunde, einen solchen Blödsinn doch bitte nicht bei uns.

(Beifall bei der FDP)

Von daher, liebe Kolleginnen: Es ist schön, was Sie hier vortragen. Aber Sie müssen sich darüber im Klaren sein, Sie müssen daraus auch Realität machen. Das ist Ihr Anspruch.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich erkläre das nachher!)

Wir werden vielleicht nochmals eine Debatte zu Staudinger führen. Wenn Sie glauben, Sie können die Menschen mitnehmen, indem Sie sie auf der einen Seite motivieren, zu demonstrieren, und Argumente in den Raum stellen, die – wenn man die TÜV-Gutachten liest, die veröffentlichten Gutachten und Messungen – so nicht haltbar sind, dann wird Ihnen das irgendwann in der Diskussion bestimmt auf den Fuß fallen.

Mit dieser Prophezeiung möchte ich eigentlich schon schließen. Eines aber möchte ich noch dazu sagen: Wir möchten klarmachen,dass wir hier keine Verhinderer sein werden. Aber wir werden alles, was Sie hier vorlegen, auf die Machbarkeit und auf die Finanzierbarkeit überprüfen.

Sie können nicht nur ein Argument bringen: das Thema Weltklima und Klimaerwärmung. Sie müssen auch sagen, dass wir in einem komplizierten Geflecht arbeiten. Daran werden Sie sich messen lassen müssen.

(Florian Rentsch (FDP): So ist es!)

Wir werden im Ausschuss immer wieder die Möglichkeit haben, darüber zu diskutieren. Das wird sich nicht von heute auf morgen entscheiden, auch wenn sich die Reden so anhören: Es gibt neue Mehrheiten, und morgen haben wir 40 % regenerative Energien. – Das ist vielmehr noch ein langer Weg,und wir werden noch über viele Details reden. Glauben Sie uns, wir sind dabei – aber mit kleinen Einschränkungen. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Rock, vielen Dank. Meine Damen und Herren, dies war die erste Rede unseres neuen Kollegen, hierzu den Glückwunsch des gesamten Hauses.

(Befall)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Pauly-Bender für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Rock, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich glaube, Sie könnten mein Sohn sein.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Das glaube ich nicht!)

Ich meinte, altersmäßig. – Ich fand es sehr traurig, dass sich Herr Rock vor seiner Rede nicht überlegt hat, dass wir neun Jahre lang eine Regierung hatten, die im Bereich der erneuerbaren Energien eine Aufgabenstellung hatte.

Sie hat in diesem Bereich nur einen 1,3- oder 1,5-prozentigen Zuwachs erarbeitet. 20 % hätte sie erarbeiten müssen. Womit sie sich heute rühmt, hatte Rot-Grün bereits angezettelt. Das ist die hessische Realität.

Meine Damen und Herren, die hessische CDU-Fraktion hatte offenbar eine Klausurtagung. Frau Apel hat theoretisch sehr artig zum Thema erneuerbare Energien vorgetragen. Wir brauchen allerdings Einstiege. Gerade am Standort Staudinger, zu dem ich reden möchte, haben wir die Gelegenheit, zu dokumentieren, dass man etwas gelernt hat. Ein solcher Kraftwerksbau hat in der Regel eine Laufzeit von etwa 50 Jahren. Das bedeutet: Es wäre die Aufgabe der Hessischen Landesregierung gewesen, sich in den letzten neun Jahren die Gedanken zu machen, die sie nun von ihrer Klausurtagung mitgebracht hat – nämlich zu der Frage: Welche Alternativen gibt es, am östlichen Untermain, einem Ballungsraum, einem Entwicklungsgebiet, in diesen Bereich einzusteigen? Wir wissen von den Bayern sowie den Anrainerkommunen, dass die Handwerkerschaft den Bürgermeistern die Türen einrennen, um sich zu beteiligen.

Herr Rock, wir haben am Vergleich von Seligenstadt und Rodgau gezeigt, dass es sehr darauf ankommt, wie man mit der Kommunalpolitik spricht – ob man erneuerbare Energien verteufelt und davor Angst macht oder ob man dafür wirbt und die Bürger sowie die Anrainerhandwerker miteinander ins Gespräch bringt. Ich kann Ihnen versichern, wir hätten eine solche Mehrheit in Rodgau nicht gefunden. Dort wohnen sehr vernünftige Menschen – wesentlich mehr als in Seligenstadt.

(Zuruf von der FDP: Na, na!)

Diese wollen dieses Thema begleiten, und sie wollen sich beteiligen.

Meine Damen und Herren, ich finde es schön, dass Sie, Herr Al-Wazir, den SPD-Antrag bereits auf glänzende Weise begründet haben. Wir freuen uns auf Ihre Beteiligung im Ausschuss. Frau Hammann hat bereits wichtige Punkte mit mir ausgetauscht, die wir mit Ihnen gemeinsam besprechen wollen, sodass wir uns ergänzen können.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einer muss es ja können!)

Ich habe auch gehört, dass sich die Fraktion DIE LINKE mit diesem Thema beschäftigt. Aber ich glaube, dass ich mich mit den örtlichen Abgeordneten, mit Herrn Lortz, Herrn Lenz sowie Herrn Rock, noch sehr lange werde beschäftigen müssen, wahrscheinlich den ganzen Sommer lang, um wenigsten Sie, die örtlichen Abgeordneten, zu mobilisieren, diesem Antrag zuzustimmen – nachdem wir eine Anhörung durchgeführt haben und falls er hier wiederum aufgerufen wird.

(Zuruf von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich könnte dies sehr persönlich halten.Wir haben in der Region 28 Ärzte, die vor diesem Großkraftwerk warnen. Ich persönlich habe einen Schwiegervater, der noch ein Drittel seiner Lunge besitzt, sowie eine bereits verstorbene Schwiegermutter, die elendiglich an Krebs verstorben ist und die ebenfalls in dieser Region gelebt hat.

Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger dieser Region sorgen sich um ihre Gesundheit. Wir wissen, dass am östlichen Untermain ein Mikroklima herrscht, bei dem man nicht alles machen kann. Wir wissen auch, dass heute in diesem Ballungsraum ein Groß

projekt nach vorne gebracht wird – der Ausbau des Flughafens. Wir haben noch alle in Erinnerung, welchen Wachstumsschub beispielsweise die Cargo-Erweiterung für den bayerischen Raum hatte. Wir können diese Region nicht übernutzen.

Meine Damen und Herren, ich hatte auch die Hoffnung, dass Herr Boddenberg sowie Frau Apel vielleicht ein bisschen Lobbyarbeit für den CDU-Bürgermeister aus Hainburg machen würden. Herr Bessel ist nämlich derjenige, dessen Verfahren gegen dieses Großprojekt aufgrund der vorgezogenen Genehmigung des Kohlelagers verkürzt wurde.Er zappelt und bekommt buchstäblich für sich, seine Anliegen, seine Beschlüsse sowie seine Bevölkerung keine Hilfestellung seitens der örtlichen Abgeordneten von der CDU, Herrn Lortz und Herrn Lenz. Man lässt ihn verhungern,weil seine Kommune nur 15.300 Einwohnerinnen und Einwohner hat und weil man denkt: Wenn da schon etwas steht, dann kann da auch wieder etwas hin, denn irgendwo muss sich die Baustelle befinden.

Meine Damen und Herren, es handelt sich um eine Entscheidung für die nächsten 50 Jahre. Deshalb kämpfen wir hier derart.Wir sind der Auffassung, dass man mit diesem Filetstück, so sagt man in der Kommunalpolitik zu einem besonders wertvollen Grundstück, des Rhein-MainGebiets – an diesem entlang entwickelt sich Franken bzw. das bayerische Gebiet, denn wir sind mittlerweile Transitstrecke und haben im Prinzip ein Autobahnkreuz, das nur diesen Namen nicht trägt – anders umgehen muss.

In diesem Zusammenhang sind wir von Herrn Koch sehr enttäuscht worden. Herr Koch, der heute abwesend ist – vielleicht wusste er, dass er heute abwesend sein würde, aber die Gründe sind mir im Prinzip egal –, hat einmal gesagt, ein Parlament dürfe einen solchen Antrag gar nicht entscheiden. Das ist mitnichten so. Das Parlament kann – das wollen wir heute tun – unseren energiepolitischen Willen ausdrücken:Wir wollen an dieser Stelle, da wir für die nächsten 50 Jahre entscheiden müssen, ein solches Großprojekt nicht haben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, stattdessen haben wir es in dieser Region – ich kann hier auch für Herrn Bessel sowie für die 30.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sprechen, die unsere Initiative bisher unterschrieben haben, und es werden immer mehr – als grob anstößig empfunden, dass die Hessische Landesregierung dieses Kraftwerk – das wurde von den örtlichen Abgeordneten nicht kritisiert – bereits im Juni des vergangenen Jahres zugesagt hat. Damals gab es in der Region noch keine regionale Anhörung, es gab noch nicht einmal ein Raumordnungsverfahren. Meine beiden Herren Minister, das sind rechtsstaatliche Minimalismen, denn auf einem energiepolitischen Kongress der CDU wusste man bereits, dass man dieses Projekt würde haben wollen.

Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang wirklich an die CDU appellieren und Sie fragen, ob Sie derart Ihre Rolle als Volkspartei verstehen. Es ist eine Schimäre, zu sagen:Wir werden die Preise halten. – Wir haben Minister gehabt, die sich mit dem Argument, man müsse die Monopole kontrollieren, als Retter der Preise dargestellt haben. Wir wissen doch alle, dass diese Monopole keine sozialstaatlichen Einrichtungen sind. Wir wissen, dass wir mit einem Energiemix für die Bevölkerung das Allerbeste tun, weil man nämlich die

Chance hat, die Preise gegenseitig in Konkurrenz zu stellen. Daher wollen wir dies.

Wir sind der Auffassung, dass ein Ministerpräsident eine Verantwortung für den Raum Rhein-Main hat und dass er diese in Anbetracht von Großprojekten in die Hand nehmen muss,und zwar freiwillig und rechtzeitig.Wir sind der Meinung, dass er die Bürgerinnen- und Bürgerstimmen – da war eine ganze „Straße“ auf der Straße;es sind schwangere Frauen sowie Frauen mit Kinderwagen unterwegs gewesen; alte Leute sind mitgegangen, die gesagt haben, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben für diese Region auf die Straße gegangen seien – ernst nehmen muss. Er muss seine Verantwortung in die Hand nehmen sowie dieser Region eine Gestaltungsverantwortung auf Landesebene geben. Das hätten wir erwartet.

Meine Damen und Herren von der CDU, da Sie vortragen, Sie wollten die energiepolitische Wende, werden wir Sie daran messen, und wir werden prüfen, ob Sie bei einer Entscheidung dieser Größe und für die Zeitdauer von mehreren Jahrzehnten Ihre Verantwortung erkennen oder nicht.

Meine Damen und Herren, nun noch eines zum Aufruf: Wir wollen im Ausschuss – –

Frau Kollegin Pauly-Bender, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Nur noch einen letzten Satz zu dem Aufruf: „Wir wollen im Ausschuss sprechen“. Wir sollten bitte alle nicht vergessen, dass ein Raumordnungsverfahren läuft. Man kann auch nachts arbeiten lassen, und wenn alle schön gesprochen haben, dann ist das Ding bereits genehmigt worden. Auch diesbezüglich werden wir aufpassen, meine Damen und Herren.

Ich appelliere an die örtlichen Abgeordneten:Verwenden Sie Ihren Einfluss in Ihrer Fraktion für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Frau Kollegin Pauly-Bender, vielen Dank. – Für die Landesregierung hat Herr Umweltminister Dietzel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Atomstrom ist zu riskant und Kohle zu dreckig. Wind und Sonne reichen nicht,und das Gas macht uns abhängig vom Ausland.“ Das ist kein Zitat von mir, sondern eines des „Spiegels“, erschienen in der vergangenen Woche.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Von wem denn?)

Wenn ich hier die Anträge anschaue,die wir in diesem Zusammenhang reichhaltig haben, dann stelle ich fest:

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Herr Al-Wazir,man müsste sich aufgrund der Themen,die in Form dieser Anträge in vielfältiger Weise auf dem Tisch liegen, insgesamt über die Auswirkungen der folgenden Forderungen unterhalten: „Stoppt das Kohlekraftwerk Staudinger“ und „Umstellung der Landesverwaltung auf Ökostrom“. Wir werden im Ausschuss ausreichend Gelegenheit haben, uns über diese Themen auszutauschen.

Meine Damen und Herren, Ministerpräsident Koch hat in seiner Regierungserklärung eindeutig die Eckpunkte der Energiepolitik in Hessen genannt. Er hat dabei auch von erneuerbaren Energien in einer Größenordnung gesprochen, auf die ich gleich noch kommen werde. Er hat ausgeführt, dass der Ausbau eine hohe Priorität in unserem Land hat. Wir wollen vermehrt die Diskussion über die Nachhaltigkeit in unserem Land aufnehmen, wohl wissend, dass der Begriff Nachhaltigkeit und deren Beschreibung vor etwa 200 Jahren von einem Hessen formuliert wurde,einem Förster,der später Hochschullehrer war.Ich denke, dass man dies nur weiterentwickeln muss, um die Dinge auf den heutigen Stand zu bringen.

Meine Damen und Herren, ich denke, dass wir vor großen Herausforderungen stehen, auf der einen Seite den Wohlstand in unserem Land zu sichern, auf der anderen Seite aber auch die Ressourcen für unsere Enkel und Urenkel nicht zu verbrauchen. Ich glaube, dass wir darüber eine große Einigkeit bekommen. Wir als Hessische Landesregierung wollen einen Dreiklang: erstens saubere Energie, zweitens sicher verfügbare Energie und drittens bezahlbare Energie.Wir werden eine Möglichkeit suchen,diesen Weg zu gehen und für diesen Weg zu streiten.