Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

Herr Kollege Blum, wir können also feststellen: Das Thema Steuer ist bei der FDP ganz offensichtlich in allerbesten Händen – nämlich dann, wenn Sie nichts zu melden haben, können Sie hier prima darüber reden. Deswegen suchen Sie sich auch die Bühne hier im Hessischen Landtag aus,wo zur Erbschaftsteuer letztendlich nichts zu entscheiden ist.

Meine Damen und Herren, im Bundestag liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, den ganz offensichtlich mittlerweile niemand mehr haben will. Der Bundesrat hat erhebliche Änderungswünsche. Die CSU sagt, so geht es schon einmal gar nicht, und alle sagen, daran muss man kräftig ändern.

Das war das gefundene Fressen für die Kolleginnen und Kollegen von der FDP und insbesondere für den Kollegen Blum, in einem alltäglichen Kampf gegen die wachsende Bedeutungslosigkeit der FDP jetzt einmal wieder eine Lanze für die eigene Klientel zu brechen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wie viel habt ihr bei der Landtagswahl verloren? Sehr überheblich!)

Herr Kollege Hahn, wie heißt es in Ihrem Antrag? Ich zitiere:

Der Gesetzentwurf führt... zu zum Teil massiven Steuererhöhungen insbesondere für die Erben bzw. Übernehmer von mittelständischen Personengesellschaften.

Tja, meine Damen und Herren, da ist sie wieder, die Partei der Besserverdienenden, genauer gesagt: der gegebe

nenfalls Abgabefrei-erben-Wollenden. Hier wird beklagt, dass man etwas bezahlen und sich an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen soll.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Sie haben es durch Beifall bestätigt, dass Sie die Erbschaftsteuer am liebsten komplett abschaffen wollen.

Herr Kollege Blum, vielleicht sollte man Sie noch einmal darauf hinweisen: Die Behauptung, mit dem Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuer, wie ihn die Bundesregierung in den Bundestag eingebracht hat, würde das Erbschaftsteueraufkommen wachsen, ist – wir sagen: leider – falsch.

(Zuruf des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Nach den Modellrechnungen aus dem Bundesfinanzministerium, die auch Sie nicht bestreiten können, wird in den ersten fünf Jahren ihrer Wirkung bundesweit ein Einnahmeausfall von 460 Millionen c durch diese vorgelegte Reformgesetzgebung zu erwarten sein.

Das ist nun wirklich kein Mehraufkommen, sondern nach meiner Wahrnehmung eher ein Einnahmeverlust.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Deswegen frage ich Sie: Können Sie besser rechnen als der Finanzminister? – Das mag ja sein, aber in der Vergangenheit konnten Sie das bisher noch nicht belegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Herr Kollege, selbst wenn Sie recht hätten und es ein Mehraufkommen gäbe, dann fänden wir es umso wichtiger, dass es endlich einmal voranginge. Denn eines ist doch wohl klar: Die Erbschaftsteuer ist eine Gerechtigkeitssteuer, deswegen kann die FDP mit ihr überhaupt nichts anfangen. Das ist logisch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, mit ererbtem und geschenktem Vermögen erhält der Begünstigte, der Erbe, ein leistungsloses Einkommen.Deshalb ist das Gemeinwesen berechtigt – wir meinen sogar,dass es verpflichtet ist –,einen größeren Anteil als bisher zur Finanzierung der Gemeinschaft zu verlangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie sich einmal die Zahlen der OECD – diese ist, wie man weiß, keine tief sozialistische Organisation – anschauen, dann werden Sie feststellen, dass in der Bundesrepublik Deutschland der Anteil der vermögensbezogenen Steuern, gemessen am gesamten Bruttoinlandsprodukt, 0,9 % beträgt. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 2,0 %. Das ist mehr als das Doppelte. Auch der Durchschnitt der Eurozone ist höher. Dieser liegt sogar bei 2,2 %.

Meine Damen und Herren, was heißt das? Um sich endlich auf den Durchschnitt vergleichbarer Staaten hinzubegeben, müssten wir das Aufkommen der Erbschaftsteuer mindestens verdoppeln. Genau das wäre der richtige Weg – insbesondere unter dem Aspekt, dass die Erbschaftsteuer eine Gerechtigkeitssteuer ist.

Welche Situation haben wir? Im privaten Bereich wurden in unterschiedlicher Form erhebliche finanzielle Mittel in Form von Erbschaften angehäuft. Das ist sehr begrüßenswert. Wenn wir aber gleichzeitig feststellen, dass die öf

fentlichen Hände auf allen Ebenen massiv verschuldet sind, dann hat zumindest während der Zeit des Erwerbs dieser Vermögen, die jetzt zur Vererbung anstehen, das Gleichgewicht zwischen der Finanzierung der Gemeinschaft und der Vergütung der Privaten nicht ganz gestimmt.Ansonsten hätte dieses Missverhältnis,dass die öffentlichen Hände verschuldet sind,die Privaten aber in erheblichem Maße wachsende Mengen vererben können, nicht entstehen können. Spätestens dann ist der Zeitpunkt eines Ausgleichs unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit erreicht, und man muss sagen: Jetzt soll die Gemeinschaft ihren Anteil davon erhalten, und nicht nur die Brosamen. Genau deshalb ist die Erbschaftsteuer auch eine Gerechtigkeitssteuer.

Meine Damen und Herren, zurzeit ist man sich – das haben wir gehört – in der Großen Koalition nicht einig. Wir weisen nur darauf hin, dass man sich in diesem Hause noch einigen sollte, auch wenn es heute etwas schrille Töne gegeben hat, da es nicht sein kann, dass die Erbschaftsteuer am Ende des Jahres 2008 mangels einer entsprechenden Novelle tatsächlich ganz in sich zusammenfällt.

Das Bundesverfassungsgericht hat keineswegs verlangt, dass die Erbschaftsteuer abgeschafft wird. Es hat nur gesagt, dass die bisherige und völlig ungleiche Bewertung der verschiedenen Vermögensarten aufhören muss. Das Vermögen solle, egal in welcher Form es anfällt, gleich bewertet werden. Damit wird überhaupt nichts darüber ausgesagt, ob eine Erbschaftsteuer sinnvoll ist oder nicht. Sie muss nur gerecht sein – auch im Sinne der unterschiedlichen Verteilung der Vermögensarten. Genau das ist die Aufgabe.Ich denke,es sollte vielleicht auch in Berlin noch gelingen, dies hinzubekommen.

Wir GRÜNE hegen natürlich am derzeitigen Gesetzentwurf erhebliche Kritik. Das ist überhaupt keine Frage. Der Gesetzentwurf orientiert sich z. B. an einem völlig antiquierten Gesellschaftsbild. Das wird schon durch die Steuerklassen markiert sowie aufgrund der Frage, welche Personengruppen in die verschiedenen Steuerklassen I, II bzw. III einsortiert werden.Wir sind da ganz anderer Meinung, denn im Prinzip ist diese Steuer sozusagen in Progression zur Vermögensmenge, nicht aber am Verwandtschaftsgrad orientiert zu erheben. Dies ist, wenn es nötig ist,und dies ist es in einigen Fällen,allein mit Freibeträgen zu regeln – nicht aber mit unterschiedlichen Steuerklassen.

Meine Damen und Herren, deswegen ist der sogenannte Reformentwurf der Bundesregierung missraten. Herr Kollege Schmitt, das sage ich ganz deutlich in Richtung der SPD, da Sie versucht haben, ihn zu verteidigen. Er ist dahin gehend missraten, dass er im Wesentlichen ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Berater, Finanzbeamtinnen und Finanzbeamte sowie Steuerberater ist. Die Regelungen sind derart kompliziert, dass zusätzliche Bürokratie sowie Gestaltungsräume geschaffen werden. Es handelt sich auch nicht ansatzweise um eine Vereinfachung. Selbst der Normenkontrollrat der Bundesregierung hat festgestellt, dass in diesem Zusammenhang mit erheblichen zusätzlichen Bürokratiekosten zu rechnen ist. Das kann man besser machen, als es derzeit ist.

Angesichts der relativ aktuellen Fälle von Steuerhinterziehung, die wir in verschiedenen Ländern in der Nähe der bundesrepublikanischen Außengrenze beobachten durften, wäre es auch sinnvoll, diesen Gesetzentwurf dahin gehend zu überprüfen, wie sicher er im Hinblick auf die zusätzliche Förderung von Möglichkeiten der Steuer

hinterziehung ist. Umgekehrt gesagt: Man muss mit Doppelbesteuerungsabkommen und entsprechenden Dingen dafür sorgen, dass sich Steuerpflichtige nicht ihrer Steuerpflicht entziehen können.

Ich möchte Ihnen noch eines darlegen. Die Debatte ist zwar eher in die Richtung nicht ganz ernst zu nehmender Anmerkungen gegangen und war weniger als solide Finanzdebatte geartet, doch möchte ich es trotzdem versuchen, Ihnen aus Sicht der GRÜNEN die wesentlichen Punkte zu nennen, die für ein Erbschaftsteuermodell sprechen. Ich möchte Ihnen auch darlegen, was wir als GRÜNE daher fordern.

Erstens. Ich habe eingangs einen relativ wichtigen Punkt erwähnt, dass nämlich ein deutlich ergiebigeres Erbschaftsteuereinkommen erzielt werden muss, um die Gerechtigkeitsfrage, insbesondere auch die Generationengerechtigkeit, hinzubekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Zweitens. Wir brauchen, auch das gehört zur Gerechtigkeitsfrage,eine breitere Bemessungsgrundlage.Das ist die Novellierung des Bewertungsrechts, indem die Vermögensarten im Prinzip nicht mehr grob unterschiedlich, sondern einheitlich besteuert werden und zuvor bewertet werden müssen.

Drittens. Der Steuertarif muss nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und nicht nach dem Verwandtschaftsgrad ausgerichtet werden. Denn diese Sondertatbestände – ich sagte es bereits – sollten durch Freibeträge geregelt werden, auch in Bezug auf Betriebsvermögen, weil dies die einfachste Möglichkeit ist.Das macht Sinn,und es vereinfacht letztendlich die Abwicklung der Steuerverwaltung, weil es für eine große Zahl von Fällen anwendbar wäre.

Herr Kollege Krüger, Sie haben den berühmten Mittelstand angesprochen. Dieser wäre, so er denn wirklich die kleinen Handwerker oder Ähnliche betrifft, und zwar unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform, von vornherein außen vor, weil für ihn die Freibeträge gelten würden, sodass es keine Erklärungspflichten oder sonstige Bürokratieaufwendungen geben würde. Das halte ich für ein sehr viel sinnvolleres Verfahren. Es geht darum, dass sich Kleinst- und Kleinbetriebe erst gar nicht um diese Dinge kümmern müssen.

Darüber hinaus sagen wir: Wenn es denn notwendig ist, über eine Zeitdauer abzuschmelzen, dann sollte man diese überschaubar halten.Wir halten die derzeit von der Bundesregierung eingebrachte und in der Diskussion befindliche Periode von 15 Jahren für zu lang. Eine Periode von 10 Jahren wäre sicherlich die vernünftigere Wahl, und der Bundesrat hat dies auch empfohlen. Ich nehme an, diese wird dabei am Ende auch herauskommen.

Was wollen wir noch? Für uns ist die Gerechtigkeit unter den Menschen, die füreinander Fürsorge tragen, immens wichtig. Es kann nicht sein, dass es am Trauschein hängt, dass man – obgleich man jahrzehntelang füreinander eingestanden ist – im Erbschaftsfall grob unterschiedlich behandelt wird. Das betrifft die eingetragenen Lebensgemeinschaften wie auch sonstige Gemeinschaften, die ihren Unterhalt und ihre Versorgung tatsächlich wechselseitig sichergestellt haben. Das ist nach dem derzeitigen Modell der Steuerklassen ein ganz miserables Unrecht, und es muss unbedingt geändert werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso müssen Menschen mit Behinderungen einen angemessenen und eigenständigen Freibetrag bekommen, denn natürlich spielt dies eine Rolle.

Das sind die Punkte, die wir GRÜNEN einzubringen haben. Wenn man diese Punkte berücksichtigt, dann wird man meiner Meinung nach eine vernünftige Erbschaftsteuerregelung haben.

Nun möchte ich noch etwas zu dem Übergang in die Länderkompetenz sagen, was von der FDP gefordert wurde. Es handelt sich hierbei nur um einen Trick. Herr Kollege Blum sprach von der Länderkompetenz. Diese wird auch im Antrag erwähnt.Aber diese wollen Sie abschaffen,und zwar nach dem Motto:Im Land kann man dies leichter abschaffen als beim Bund, da man dort nichts zu melden hat. – Im Land haben Sie in dieser Frage hoffentlich auch keine Mehrheit hinter sich, sodass Sie es hier hoffentlich nicht abschaffen können.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): So spricht ein arroganter Wahlverlierer!)

Selbst wenn dies anders wäre – vorausgesetzt, Herr Kollege Hahn beendet sein Geschrei –, gäbe es keinen größeren Unfug, als auf Länderebene eine Erbschaftsteuer einzuführen, weil die wirtschaftliche Einheit des Bundesgebiets noch immer eine Notwendigkeit ist. Oder machen wir dann zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz Doppelbesteuerungsabkommen, weil es zwischen diesen Ländern unterschiedliche Erbschaftsteuerregelungen gibt?

Wie machen wir das eigentlich:Gilt der Wohnsitz des Erblassers? Gilt der Wohnsitz des Erben? Gilt für Grundstücke das Belegenheitsprinzip, d. h. hessische Grundstücke werden nach dem blumschen Vorschlag dann nicht besteuert, rheinland-pfälzische vielleicht aber doch, oder umgekehrt?

Herr Kollege Kaufmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Blum?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das will er nicht! Das passt jetzt nicht!)

Frau Präsidentin, die Zeit läuft mir davon. Herr Kollege, nehmen Sie einen blauen Zettel. Dann können Sie sogar zwei Minuten reden und noch alles darlegen, was Sie wollen. Herr Kollege, das ist gar kein Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich diese Probleme klarmachen, ist völlig eindeutig: Die Forderung, das auf Länderebene zu regeln, ist absoluter Unsinn.