Protokoll der Sitzung vom 15.05.2008

Daher lade ich Sie ein,diese Debatte so zu führen,dass sie nicht unter der Prämisse steht: Wann wird der Landtag aufgelöst? Stattdessen sollte man mit dem wechselseitigen Risiko leben können, dass dieser bestehen bleibt. Es wird sich allen Beteiligten wechselseitig und tagesaktuell erschließen, ob dies eine Hoffnung von Frau Ypsilanti oder meine eigene ist. Die Behauptung, diese Landesregierung setze auf eine Auflösung des Landtags,unterstellt, dass eine andere Partei dieser Auflösung folgen will. Das wäre heute eine Neuheit.

Aber auch hier gilt: Was solls? – Ich habe Ihnen erklärt, dabei bleibe ich, dass die Einbringung des Haushalts, aufgrund der Entscheidungen,die wir im März und April dieses Jahres getroffen haben, ordnungsgemäß im Dezember erfolgen wird – nicht vorher. Für diese Entscheidungen tragen Sie im Rahmen des parlamentarischen Geschehens mehr Verantwortung als ich; da ich für das Wahlergebnis aber auch eine Verantwortung trage,trifft uns diese alle.

Ich sage Ihnen aber auch: Wer möchte, dass es eine vernünftige finanzpolitische Debatte gibt, den lade ich ein, zuvor bzw. jetzt über wichtige Fragen zu diskutieren, die die Randbedingungen betreffen und die den Maßstab dafür bilden können, ob die Parlamentsfraktionen mit diesem Haushalt einverstanden sind oder ob sie diesen kritisieren. Wenn es diese Maßstäbe nicht gibt, dann bleibt es bei der Beliebigkeit, und dann bleibt es dabei, dass jeder Kritik üben kann, weil er dies nun mal will.Wenn wir uns aber zuvor darüber verständigen, welches die Kriterien sind, dann haben wir eine gemeinsame Basis, zu erklären, woran man einerseits scheitern könnte und wo man andererseits seine Herausforderungen angenommen hat. Ich finde, das wären eine spannende Debatte und eine neue Qualität in Bezug auf die Diskussionen in diesem Landtag. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Ministerpräsident, vielen Dank. – Das Wort hat nun Herr Al-Wazir, der Fraktionsvorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie haben eine Redezeit von sechseinhalb Minuten, die Sie aber nicht voll ausschöpfen müssen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gerade eine neue Rolle von Ministerpräsident Roland Koch erlebt: die Unschuld aus der Staatskanzlei.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Man erlebt immer wieder etwas Neues. – Herr Ministerpräsident, genau darum geht es. Wenn wir als Hessischer Landtag in unserer Gesamtheit die Frage beantworten müssen: „Wie viel Neuverschuldung muss sein? Muss eine Neuverschuldung überhaupt sein?“, dann brauchen wir entsprechende Rahmenbedingungen, und zwar in einem ordnungsgemäßen Haushaltsverfahren.Wir wollen nichts anderes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Natürlich ist es klar, dass wir als Parlament am Ende die Entscheidung über die Frage treffen müssen, wie der Haushalt des Landes aussieht. Aber es ist genauso klar, dass es des Apparates einer Landesregierung bedarf, um einen kompletten Haushaltsentwurf aufzustellen.Was ich meine mit „die Unschuld aus der Staatskanzlei“: Es gibt den schönen Satz: Regierungen kommen und gehen; die Verwaltung bleibt bestehen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Genau so ist es!)

Ein Blick in den „Staatsanzeiger“ und auf das Datum zeigt, dass der Haushaltsaufstellungserlass am 21. Januar 2008 veröffentlicht wurde, also sechs Tage vor der Landtagswahl. Nun muss man sagen: „Regierungen kommen und gehen; die Verwaltung bleibt bestehen“. Hier ist es aus unserer Sicht leider so gewesen, dass der Regierungswechsel noch nicht einmal stattgefunden hat. Warum konnte man dieses Verfahren nicht einfach weiter betreiben? Auf diese Frage haben wir heute keine Antwort bekommen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Ministerpräsident,ich kann mich sehr gut an den Tag erinnern, den Sie selbst angesprochen haben, nämlich einen bestimmten Freitag mit verschiedenen Pressekonferenzen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): 7. März!)

Am 7. März. Da haben fünf Abgeordnete des Hessischen Landtags in unterschiedlicher Reihenfolge – ich glaube die Reihenfolge war: Metzger, Ypsilanti, Al-Wazir, Hahn, Koch – Pressekonferenzen in Raum 307 W abgehalten.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Wenn ich mich recht daran erinnere, hat ein damals noch nicht geschäftsführender Ministerpräsident Roland Koch

sehr genüsslich darauf hingewiesen, dass er gerade den Staatspräsidenten der Sozialistischen Republik Vietnam getroffen hat. Er hat gesagt: Niemand muss sich Sorgen machen. Die Regierung macht ihre Arbeit ordentlich weiter.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Minister Volker Bouffier: Machen wir doch!)

Warum legen Sie dann nicht zum September einen Haushaltsentwurf vor, wenn die Regierung ihre Arbeit ordentlich weitermacht? Diese Frage haben Sie heute hier nicht beantwortet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Ministerpräsidenten Roland Koch)

Nein, Herr Ministerpräsident, Sie wussten spätestens am Mittag des 7. März, dass Sie eine gewisse Zeit geschäftsführend im Amt bleiben werden.

(Widerspruch bei der CDU)

Doch. Sie wussten das. Herr Ministerpräsident, Sie wussten es allerspätestens am 5. April. Jetzt erklären Sie mir, warum man vom 5. April bis zum 15. September – das ist der Montag vor der September-Plenarwoche – keinen Haushaltsentwurf hinbekommt. Ich verstehe das, ehrlich gesagt, nicht.

Herr Kollege Al-Wazir, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wintermeyer?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bitte sehr!)

Vielen Dank, Herr Al-Wazir. Ist Ihnen bekannt, dass Ihre Fraktion und auch die Fraktion der SPD darauf bestanden haben, dass auf der Tagesordnung der konstituierenden Sitzung des Hessischen Landtags, die am 5. April stattgefunden hat, weiterhin, obwohl Sie das eben so zitiert haben, wie es angeblich gewesen sei, die Wahl eines Ministerpräsidenten oder einer Ministerpräsidentin gestanden hat, und dass Sie darauf bestanden haben, dass es auf der Tagesordnung bleibt?

(Zurufe von der SPD: Das muss sein!)

Das ist mir bekannt. Das ändert aber nichts an der Tatsache,dass man spätestens am 5.April wusste,dass man eine gewisse Zeit geschäftsführend im Amt bleibt.

(Unruhe)

Herr Kollege Wintermeyer, die Frage, warum man darauf bestanden hat, hat vielleicht etwas damit zu tun, dass in der Verfassung nach meiner Kenntnis steht, dass in der konstituierenden Sitzung die Wahl eines Ministerpräsidenten oder einer Ministerpräsidentin auf der Tagesordnung zu stehen hat. Ob es dann einen Wahlvorschlag gibt, ist eine völlig andere Frage.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Unruhe)

Mit Verlaub, das hilft Ihnen nicht wirklich weiter. Ich bleibe dabei, liebe Mitglieder der geschäftsführenden Landesregierung, Sie haben gesagt, die Regierung führt ihre Arbeit ordnungsgemäß fort.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Sie haben am 21. Januar 2008 einen Haushaltserlass veröffentlicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, der den Ressorts aufgetragen hat,ihre Haushaltsvoranschläge bis zum 28. März 2008 dem Finanzminister zu melden. Nach meiner Kenntnis ist dieser Erlass niemals zurückgenommen worden. Ich gehe davon aus, dass die einzelnen Ressorts dem Finanzminister bis zum 28. März 2008 ihre Haushaltsvoranschläge übermittelt haben. Deswegen stelle ich die Frage, warum man das ordnungsgemäße Verfahren nicht weiter betreiben konnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Die Antwort darauf ist vergleichsweise einfach.– Ich wünsche mir keine Neuwahlen. Aber Sie haben in den Interviews, die Sie nach dem 7. März gegeben haben, Herr Ministerpräsident, gesagt, dieser Zustand könne aus Ihrer Sicht nur ungefähr ein Jahr dauern.Dieses eine Jahr ist Ihnen nicht spontan eingefallen, sondern auch Sie wissen, dass die Europawahl nach heutigem Stand in einem sehr engen Zeitkorridor von einem Donnerstag bis zu einem Sonntag im Sommer 2009 stattzufinden hat, bei uns natürlich an einem Sonntag.Nach gegenwärtiger Situation wird das der 7. Juni 2009 sein. – In der Hessischen Verfassung steht, dass bei einem Auflösungsbeschluss innerhalb von 60 Tagen eine Neuwahl stattzufinden hat. Dann muss man rechnen.Wenn man weiß, welche Stimmung Sie versuchen oder zumindest in Kauf nehmen oder sich denken, es könnte gut sein, verschiedene Eisen im Feuer zu haben – –

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wollen die GRÜNEN den Landtag auflösen?)

Ich will das nicht. Ich stelle nur fest, sehr geehrter Herr Kollege Milde,

(Zuruf des Ministers Volker Bouffier)

dass Roland Koch nicht die Unschuld aus der Staatskanzlei ist, sondern auf eine bestimmte öffentliche Stimmung im März und April 2009 setzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das finde ich der Sache ein bisschen unangemessen. Deswegen bleiben wir dabei.

Herr Kollege Al-Wazir,ich darf Sie bitten,zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wer einen ordnungsgemäßen Haushalt vorlegen will, der hätte das auch gekonnt, und der kann das auch jetzt noch.

Allerletzter Satz, Frau Präsidentin. Herr Ministerpräsident, das Argument mit den Studiengebühren und der Kompensation der Studiengebühren sollten Sie nicht mehr benutzen, weil auch Ihr Vorschlag vom Montag bedeuten würde, dass man ab dem Jahr 2009 keine direkten Einnahmen im Landeshaushalt mehr hätte. Das können Sie also in Zukunft bitte streichen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Al-Wazir. – Nächster Redner ist Herr Kollege Schmitt für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde, es war eine typische Koch-Rede.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Wir wollen mal sehen,ob Sie gleich auch noch klatschen. – Es war eine typische Koch-Rede: Schuld sind immer die anderen. Die eigene Verantwortung wird relativiert, und mit viel Rhetorik wird die zentrale Frage, über die wir diskutieren, übergangen.

(Widerspruch bei der CDU – Hans-Jürgen Irmer (CDU):Wo waren Sie denn?)