Auf der einen Seite sagen Sie, das sei eine abschreckende Wirkung, und gleichzeitig sagen Sie auf der anderen Seite: Wir übernehmen das, was für die Studienbeiträge angesetzt war, im Haushalt quasi 1 : 1. – Deswegen sind Sie auch in die Diskussion mit dem Finanzministerium getreten, wie hoch das ist. Aber Sie sagen gleichzeitig, dass Sie mehr Studierende wollen.Also fehlt Ihnen die Klausel im Gesetz, um das anzupassen, weil es nicht um die abschreckende Wirkung geht, sondern es müssen tatsächlich für alle Studierenden, wenn wir es schaffen, den Hochschulpakt 2020 umzusetzen, entsprechend mehr Gelder zur Verfügung gestellt werden.
Ich hoffe, Sie werden in der Anhörung und in der Diskussion auch auf diesen Bereich eingehen. Denn dann, wenn wir mehr Studierende wollen, heißt das selbstverständlich, dass wir wiederum mehr Geld für alle Studienplätze brauchen und nicht einfach die Summen 1 : 1 übernehmen können.
Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen, glaube ich, dass es sich gerade für die nachfolgenden Generationen lohnen würde, dass wir gemeinsam allen Grips und alle Kraft einsetzen, um ein vernünftiges Modell zu finden, das nicht die nächste Generation mit der Verschuldung belastet,das aber trotzdem so ausgestaltet ist – –
Es muss aber gleichzeitig so ausgestaltet sein, dass junge Menschen ein Studium aufnehmen. Wenn Frau Wissler hier sagt, dass das aus ihrer Sicht nur über die Vermögensteuer finanziert werden kann, dann ist das natürlich ein hochinteressanter Beitrag. Denn das zeigt, dass sie sich mit der Vermögensteuer und den Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen auch nicht nur einen Moment beschäftigt hat und auch nicht damit, wie das tatsächlich funktioniert, wie viel Geld dann kommt und wie das aussieht.
Aber gleichzeitig wird dann über Studienbeiträge und nicht über Studiengebühren gesprochen. Genau dort haben wir eine Einkommensabhängigkeit drin. Die Frage, ob jemand arbeitslos ist, ob er eine Familie gründet oder Kinder hat, muss nach wie vor in ein vernünftiges Modell weiter mit einfließen. Wenn Sie darüber mit uns diskutieren und nachdenken würden, würde ich es für möglich und sinnvoll halten, zu guten Kompromissen zu kommen. Aber das scheint auch nicht der Sinn der Aktuellen Stunde zu sein, sondern Sie wollen nur noch einmal darauf hinweisen, dass Sie eine andere Meinung vertreten, die nicht einmal mit Gegenfinanzierungsvorschlägen belegt ist.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgehandelt. Die Aktuelle Stunde ist abgehalten.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich Herrn Kollegen Lenhart aus der letzten Legislaturperiode bei uns begrüßen – seien Sie recht herzlich willkommen.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Menschlichkeit statt Stur- heit für Familie Kazan – Bouffier muss umdenken) – Drucks. 17/180 –
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei diesem Thema der Aktuellen Stunde möchten wir über die Menschlichkeit sprechen, und zwar für die Familie Kazan. Sie sitzt in der Türkei auf gepackten Koffern und wartet nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt auf ihre Einreiseerlaubnis nach Deutschland.
Viele kennen die Familie Kazan aus den Medien. Sie wurde vor einem Jahr abgeschoben. In Deutschland gibt es einen fleißigen, aktiven Helferkreis, der im Namen der Familie geklagt hat. Daraufhin hat das Verwaltungsgericht in Frankfurt entschieden, dass diese Familie, aus sechs Kindern und der Mutter bestehend, wieder nach Deutschland einreisen darf und der Main-Kinzig-Kreis dieser Familie eine Aufenthaltserlaubnis erteilen kann.
Nachdem auf Initiative des Helferkreises das Verwaltungsgericht eine positive Entscheidung getroffen hat,
müssen wir nun erfahren, dass Herr Innenminister Bouffier über den zuständigen Regierungspräsidenten in Darmstadt im Namen des Landkreises eine Berufung gegen diese Entscheidung hat einlegen lassen – obwohl weder der Landkreis noch der Landrat diese Berufung wollte.
Dies ist ein Fall, bei dem wir sehr verwundert feststellen mussten, wie Demokratie und demokratisches Miteinander falsch verstanden werden.
Es geht hier um sieben Personen, die zum Teil 15 Jahre lang hier gelebt haben. Fünf von diesen sechs Kindern sind hier geboren und aufgewachsen. Der Helferkreis bescheinigt, dass diese Familie sehr gut hier integriert ist. Die Leistungen der Kinder in der Schule sind vorbildlich. Daher spricht eigentlich nichts dagegen, diese Familie hierzubehalten und ihre Integration weiterhin positiv zu fördern. In diesem Fall waren sehr positive Akzente gesetzt worden, die weiter zu fördern sind.
In diesem Sinne hat auch das Verwaltungsgericht gesagt, nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes in Verbindung mit Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist dieser Familie ein Bleiberecht zu gewähren, weil ihre Integration gut verlaufen ist und weil es diesen in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kindern zum Zeitpunkt ihrer Abschiebung unzumutbar war, sich in ihrem Heimatland zu integrieren.
Das Verwaltungsgericht hat ein solches Urteil ausgesprochen. Der Förderkreis und der Landkreis in Person des Landrats haben versichert, dass nach der Rückreise sämtliche Kosten für diese Familie übernommen würden, bis die Kinder volljährig sind. Für die Mutter ist ein Arbeitsplatz gefunden worden. Das bedeutet, das Kostenproblem, das in solchen Fällen immer sehr in den Vordergrund gerückt wird, ist hier gelöst. Nach dem Urteil sind die Kinder integriert. Daher gibt es keine rationalen Gründe dafür, zu sagen: Nein, diese Familie darf nicht einreisen.
Anstatt sich über dieses positive Urteil zu freuen, anstatt in die Kirche zu gehen und eine Kerze anzuzünden, geht unser Innenminister zu Gericht und legt Berufung ein. Meine Damen und Herren, das kann ich nicht nachvollziehen.
Ich möchte diesen Fall hier nicht emotional, populistisch oder im Sinne eines Grabenkampfes diskutieren. Es geht hier um Menschen, um humanitäre Gründe. Es geht um Personen, die auf gepackten Koffern sitzen; es geht um ihr Schicksal. Es geht um Kinder im Alter von 15, 14, 13 Jahren, die in den nächsten Jahren hier eine Ausbildungsstelle annehmen können, die positiv in dieser Gesellschaft mitwirken können.
Oft wird diese Debatte um Flüchtlinge mit Gefahren oder mit öffentlichem Ärgernis verbunden. Hier aber haben wir eines der vielen Beispiele, die wir positiv in den Vordergrund stellen und unterstützen müssen.
Stattdessen weigern wir uns, diese Menschen zu unterstützen. Ich verstehe nicht, warum. Es würde mich sehr wundern, wenn Sie sinnvolle Argumente dafür finden könnten, warum das so sein soll.
Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen und dem Helferkreis nochmals Dank aussprechen, insbesondere dem Landkreis Main-Kinzig und dem Landrat, der sogar persönlich eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, diese Kosten für die Familie zu übernehmen.
Wir von SPD und GRÜNEN haben hierzu einen Antrag vorgelegt und möchten gerne über diesen Fall im Ausschuss weiter im Detail diskutieren. Diese Situation können wir nicht einfach hinnehmen – dass vom Innenministerium aus über das Regierungspräsidium dem Landrat die Berufung oktroyiert wird. Das ist kein vernünftiges demokratisches Verständnis. Die Judikative hat gesprochen. Die Legislative hat dazu einen Antrag eingebracht. Es gibt dazu noch ein Petitionsverfahren.
Daher verlange ich von der Exekutive, diesem Urteil zu entsprechen, anstatt auf irgendwelchen Wegen eine Berufung einzulegen,
die eigentlich vom Main-Kinzig-Kreis zu verantworten wäre, nicht aber vom Innenminister. – Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Öztürk. – Für die FDPFraktion erteile ich Herrn Kollegen Greilich das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Fall, mit dem wir uns heute hier zu befassen haben, ist in der Tat ein besonderer Fall. Er ist nicht das, was tägliche Praxis unseres Ausländerrechts – und zum Glück auch nicht tägliche Beschäftigungsmaterie unserer Ausländerbehörden – ist.
Wir haben den Fall einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, die nach Berichten und auch nach der Feststellung des Verwaltungsgerichts gut integriert waren und trotzdem abgeschoben wurden, nachdem sich unter anderem auch die Härtefallkommission in diesem Hause mit diesem Fall beschäftigt hatte. Die Ausländerbehörde hat nach bisher korrekter Rechtsauffassung diese Abschiebung durchgeführt. Ob das heute noch rechtlich so zu bewerten ist, wird sich zeigen.
Tatsache ist aber, dass sich in der Zwischenzeit die Situation geändert hat. Es hat sich ein Helferkreis gefunden, zusammengesetzt aus Bürgern – Frau Öztürk hat das schon erwähnt –, der die Haftungsübernahme für sämtliche anfallenden Kosten erklärt hat: für die Abschiebung in Höhe von 19.000 c, die auch noch aufzubringen sind, für die Wiedereinreise und für den Aufenthalt. Parallel zu dieser Haftungsübernahme hat die Familie Kazan einen juristischen Erfolg vor dem Verwaltungsgericht erstritten.
Ich will an dieser Stelle nicht bewerten, ob das rechtlich richtig ist.Wir sollten uns darüber einig sein: Das ist auch nicht Aufgabe des Parlaments. Dieses Parlament hat sich mit Gesetzgebung zu befassen und kann über Einzelfälle nicht im Rahmen dieses Plenums entscheiden, sondern nur in den Gremien, die wir für diesen besonderen Zweck geschaffen haben, im Petitionsausschuss und in der Härtefallkommission.
Ich will es nochmals sagen:Wir sollten die juristische Auseinandersetzung um diesen Fall nicht hier führen. Die sollten wir zurückstellen.
Die humanitäre Sicht auf diesen Fall kann eine völlig andere sein,und ich will betonen:Das ist die Aufgabe der zuständigen Gremien in diesem Hause. Lassen Sie uns diesen Fall im Petitionsausschuss, in der Härtefallkommission erörtern und sehen, was diese Gremien des Parlaments dazu zu sagen haben.
Letztendlich entscheiden muss dann der Innenminister. Ihm ist diese Aufgabe zugewiesen, und zwar nicht nur durch dieses Haus, sondern durch ein Prinzip, das man Gewaltenteilung nennt. Das muss man immer wieder einmal in Erinnerung rufen. Meines Erachtens sollte auch der Innenminister wissen, in welche Richtung diese Entscheidung gehen muss. Das zeigt die Debatte hier schon sehr deutlich. Gleichwohl wird er entscheiden müssen.
Zum einen geht es mir um das bereits erwähnte Thema Gewaltenteilung. Ich finde es etwas seltsam, wenn hier argumentiert wird, das, was passiert, sei demokratisch nicht in Ordnung. Demokratie hat nichts damit zu tun, wie im Einzelfall verfahren wird, sondern Demokratie hat etwas mit unserer verfassungsmäßigen Ordnung zu tun. Diese hat klare Regeln aufgestellt. Sie hat die Regel aufgestellt, dass wir als Parlament dafür zuständig sind, Gesetze zu machen, nicht aber Einzelfälle zu entscheiden. Sie hat die Regel aufgestellt, dass es Aufgabe der Regierung ist, diese Gesetze umzusetzen und die Einzelfälle zu behandeln. Und sie hat die Regel aufgestellt, dass wir eine dritte Gewalt haben, die dafür zuständig ist, zu prüfen, ob die Verwaltung das richtig tut.
Wenn dies als undemokratisch bezeichnet wird, dann ist dies eine Vorgehensweise, der ich widersprechen muss. Dieser werde ich immer wieder widersprechen, wenn hier solche Ansätze kommen. Dies war heute nicht das erste Mal.
Nun zu meinem zweiten Punkt. Unabhängig davon, dass ich eine Auffassung davon habe – ich denke, das habe ich häufig genug gesagt –, wie der Innenminister letztendlich entscheiden sollte, gibt es auch eine juristische Dimension dieses Falls, die im Übrigen auch eine finanziell sehr wirksame ist. Eines ist klar: Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stellt fest, und zwar in völliger Veränderung der bisherigen Rechtssprechung, dass Kinder immer dann, wenn sie hier integriert sind, generell nicht abgeschoben werden dürften. Das wäre die Konsequenz, wenn dieses Urteil rechtskräftig würde.Was das letztendlich für unsere ausländerrechtliche Praxis bedeutet für die finanzielle Belastung unserer Kommunen sowie, muss ich an dieser Stelle nicht näher ausführen.