Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde gibt uns Gelegenheit, noch einmal den jüngsten Bericht des Bundesrechnungshofs zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende anzusprechen, der ein vernichtendes Urteil über die Regelungen und die Vermittlungsversuche gefällt hat. Insbesondere wird berichtet, dass der Umgang mit den 1-c-Jobs nicht zielführend ist. Diese seien, ich zitiere, nicht geeignet, Erwerbslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern, und bei drei Viertel der Betroffenen seien keine messbaren Integrationsschritte festzustellen.– So der Bundesrechnungshof in seinem dazu vorgelegten Bericht.
Er kritisiert auch, dass die Qualität der Vermittlung und insbesondere das Fallmanagement gänzlich unzureichend seien. Frau Müller-Klepper, inwieweit man vor diesem Hintergrund von einem „hessischen Erfolgsmodell des Förderns und Forderns“ reden kann, entzieht sich meiner Kenntnis und Nachvollziehbarkeit.
Wir glauben hingegen sehr wohl, dass es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wichtig ist, darüber zu reden, wie eine Integration – und zwar vorrangig in den ersten Arbeitsmarkt – auch ohne zusätzliche staatliche Leistungen sinnvollerweise erfolgen kann. Das ist die Aufgabe von Politik, die sich bei dieser Frage stellt.
Wenn sich, wie in den letzten Tagen berichtet, beispielsweise die Stadt Wiesbaden rühmt, im Jahr 2007 41,4 % der Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt zu haben – das ist ein sehr hoher Wert, denn der Durchschnitt liegt statistisch bei etwa 30 % –, aber gleichzeitig verkündet, dass 60 % der in den ersten Arbeitsmarkt vermittelten Arbeitslosen noch ergänzende Leistungen erhalten, dann stimmt etwas an dem System nicht, dann ist das System zu hinterfragen; denn es kann nicht sein, dass über die Hälfte der Vermittlungen in den ersten Arbeitsmarkt dadurch stattfindet, dass gleichzeitig aus öf
Daher fordere ich noch eine sehr intensive Debatte über die gesamte Lohnstruktur und das Thema Mindestlohn, wie wir sie das letzte Mal in einer Aktuellen Stunde geführt haben. Ich finde, wir sind aufgefordert, auch in diesem Landtag etwas dazu zu sagen und nicht in Lobhudelei auf die Optionskommunen zu verfallen, was in der Tat überhaupt nicht angebracht ist.
Aus eigener Erfahrung mit Optionskommunen weiß ich, dass es von Kreis zu Kreis ganz unterschiedliche Regelungen, ganz unterschiedliche Programme gibt. Das führt dazu, dass die konkrete Förderung in einem regionalen Arbeitsmarkt, z. B. in einem Kreis, nur so erfolgreich sein kann, wie es die Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze und die Struktur dieser Arbeitsplätze hergeben.
Arbeitslosigkeit ist aber eine gesamtgesellschaftliche Frage, eine gesamtdeutsche Frage, die natürlich entsprechend behandelt werden muss, und zwar bezüglich aller Berufsgruppen, die es in dieser Republik gibt. Da hat es eine Stadt wie Frankfurt mit einem breiten Spektrum an Arbeitsplätzen natürlich leichter als ein nordhessischer Landkreis. Ich will keinem Nordhessen zu nahe treten, aber das ist Fakt. Fakt ist: Wenn ich einen Arbeitsmarkt eng betrachte und versuche, darin Arbeitsplätze zu rekrutieren,dann ist klar,dass diese Arbeitsplätze an der Struktur der betreffenden Region hängen und dass auch nur im Rahmen dieser Struktur gefördert werden kann. Das halten wir für zu kurz gegriffen. Unserer Meinung nach ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Tat dazu angetan, zu diskutieren, nicht nur darüber, wie man den Abbau von Arbeitslosigkeit organisiert, sondern auch darüber, wie man das ALG II auf den Prüfstand stellt und mit der Organisation auch eine inhaltliche Veränderung vornimmt, die unter anderem dazu führt,
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In der Aktuellen Stunde befassen wir uns heute – das ist bei meinem Vorredner nicht ganz deutlich geworden – vor allem mit dem Thema Bundesverfassungsgericht: das Urteil vom 20. Dezember 2007 betreffend die Argen nach § 44b SGB II.
Aufgrund dieses Urteils hat Herr Scholz einen Vorschlag gemacht. Er hat ein Eckpunktepapier zu kooperativen Jobcentern vorgelegt. Die Folge der Einrichtung von kooperativen Jobcentern ist eine weitere Zentralisierung. Das würde die Autonomie der Kommunen bzw. ihre Möglichkeiten, selbst zu handeln, stark beschneiden.Wir Libe
rale halten das für den falschen Weg.Aber die Diskussion „Argen oder Optionskommune“ möchte ich hier gar nicht in letzter Konsequenz führen.
Wenn die Leistung der kommunalen Träger hier bewertet wird, will ich jedoch auf eines hinweisen. 2005 waren die Kommunen aufgefordert, ein Gesetz umzusetzen. Es war schwierig, überhaupt Ressourcen aufzutreiben und Fallmanager zu finden. All das auf die Schiene zu setzen hat Zeit gebraucht, und in vielen Bereichen ist es mit Sicherheit noch optimierbar. Ich glaube, das ist unstrittig.
Es wird den Kommunen allerdings auch nicht immer einfach gemacht. Das muss man auch einmal sagen, wenn jetzt von Berlin her eine Bewertung vorgenommen wird. Ich glaube, dass in fast allen Kreisen mit großem Engagement an diesem Thema gearbeitet wird, und ich glaube, dass es bei den Kommunen richtig aufgehoben ist.
Wir haben bis 2010 die Möglichkeit, eine Änderung vorzunehmen. An der Stelle sollte man sich ruhig ein wenig Zeit nehmen. Man sollte überlegen und sich umschauen. Ich glaube,bei der Verabschiedung dieses Gesetzes ist vieles überhastet vor sich gegangen, und das hat auch viel zu den Problemen beigetragen, die wir alle vor Ort kennengelernt haben.
Man sollte sich die Zeit nehmen, zu überlegen, an welcher Stelle man etwas verändern muss.Ich möchte noch einmal auf das Problem hinweisen: Wie bewertet der Bund gewisse Maßnahmen,die die Kreise umsetzen – nach SGB II oder nach SGB III? Das ist vor allem eine Frage der Finanzierung und hängt auch damit zusammen, wer diese Maßnahmen trägt.
An der Stelle möchte ich auf ein ganz wichtiges Problem hinweisen. Die meisten werden wissen, dass die FDP dem Optionsgesetz in Berlin nicht zugestimmt hat, und zwar wegen der Frage:Wie sind die verfassungsrechtliche Situation und der Kommunale Finanzausgleich an der Stelle geregelt? Wir glauben, dass wir, wenn hier eine Veränderung eintreten soll,auch dieses Thema nachhaltig angehen müssen.
Wir müssen nämlich sicherstellen, dass die Kommunen keine ungeahnten Risiken eingehen, wenn sie sich für die Förderung der Arbeitslosen und ihre Integration in den ersten Arbeitsmarkt engagieren. Auch möchte ich diese allgemeine Debatte über die Arbeitslosigkeit etwas herunterbrechen. Zuallererst geht es in dieser Debatte um die Einzelschicksale, um den einzelnen Arbeitslosen. Ich glaube, ein Arbeitsloser ist sehr dankbar, wenn er in seinem Fallmanager einen Partner findet, der ihm eine Möglichkeit aufzeigt, wie er aus dieser für ihn schwierigen Situation herauskommt.
Diese Partnerschaft ist das Gute an dem System. Diese Partnerschaft müssen wir so gestalten, dass der Fallmanager mit dem jeweiligen Arbeitslosen kreativ an dessen Vermittlungsproblemen arbeiten kann, sodass dieser Mensch eine Chance erhält – es geht immer um den Menschen –, wieder in den ersten Arbeitsmarkt und in das gesellschaftliche Leben integriert zu werden.
Für uns ist ganz klar: Die Lösung muss bei den Kommunen liegen. Wir werden uns dieser Debatte natürlich stellen.Wahrscheinlich wird in den Ausschüssen noch intensiver über dieses Thema diskutiert.
Für die FDP ist klar:Wir wollen,dass das 4.Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, allgemein „Hartz IV“ genannt, jetzt, nachdem es da ist, zu einem Erfolg geführt wird. Für uns ist auch klar, dass noch viel daran gearbeitet werden muss, damit dies gelingt. Das läuft noch nicht rund. Wir müssen unsere Erfahrungen dazu beitragen. Wir müssen uns in den Diskussionsprozess mit der Bundesregierung einschalten. Da gibt es mit Sicherheit noch viel zu tun. Wir werden uns dieser Aufgabe stellen. – Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Für die Landesregierung hat Frau Sozialministerin Lautenschläger das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier schon häufig über folgende Themen diskutiert: Wie kann besser vermittelt werden? Wie kommen Menschen wieder besser in Arbeit, wenn sie erst einmal Arbeitslosengeld II beziehen? Wir haben in diesem Haus, aber auch an vielen anderen Stellen – wer Argen oder Optionskommunen besucht hat, weiß das – die Schwierigkeiten, die sich im Zuge der Reform bei der Zusammenführung ergeben haben, feststellen können.
Gleichzeitig war es aber in den letzten Jahren durchaus als ein Erfolg zu verzeichnen, dass sich sowohl in den Optionskommunen als auch in den Arbeitsgemeinschaften die beiden Seiten, also die Arbeitsverwaltung und die Kommunalverwaltung, unter anfangs sehr schwierigen Bedingungen zusammengefunden und versucht haben, vor Ort zu Lösungen zu kommen, um dem einzelnen Arbeitsuchenden, der sich häufig in einer sehr schwierigen Lage befindet, Hilfe aus einer Hand anzubieten.
Zugegeben, als Landesregierung hatten wir bei der Konstruktion der Arbeitsgemeinschaften durchaus Bedenken, ob das verfassungsrechtlich haltbar ist. Leider haben wir alle es inzwischen schwarz auf weiß, dass es so nicht hält, obwohl es mittlerweile an vielen Stellen vernünftig läuft.
Jetzt haben wir den Vorschlag des Bundesarbeitsministers Scholz vorliegen, den er gemacht hat, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden, das die Optionskommunen übrigens ausdrücklich als eine Möglichkeit ansieht. Ohne Verfassungsänderung gibt es zwar keine komplette Ausweitung – auch das ist richtig –; aber zumindest wäre eine Öffnung möglich. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, es gebe eine Übergangsfrist.
Deswegen haben wir Arbeits- und Sozialminister uns in der letzten Woche damit beschäftigt und eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Wir halten nämlich die kooperativen Jobcenter, so, wie sie vorgeschlagen sind, für den falschen Weg.Wir hätten dann wieder eine komplett getrennte Trägerschaft und unterschiedliche Bescheide. Die Betroffenen müssten möglicherweise doppelt Rechtsmittel einlegen. Es gibt noch viele weitere Punkte. Zum Beispiel gäbe es regional nicht mehr die Möglichkeit, auf Probleme des
Deswegen sind wir der dezidierten Auffassung, dass das, was an vielen Stellen gerade mühsam angelaufen ist, nicht wieder kaputt gemacht werden darf, indem man zwei Organisationen schafft.Wir bitten, die Bundesregierung einzubinden und nicht wieder Vorschläge zu machen, die dann aus unserer Sicht in der Praxis nicht umsetzbar sind.
Das heißt aber auch, dass eventuell eine gesetzliche Lösung für den Fortbestand der Argen gefunden werden muss. Dazu gibt es einzelne Vorschläge. Sie werden jetzt von der Arbeitsgruppe aufgearbeitet. Ob das funktioniert – Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie schütteln den Kopf –, wissen wir nicht. Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, zu einem vernünftigen System zu kommen, in dem die kommunale Seite noch vertreten ist und tatsächlich Einflussmöglichkeiten hat – ein System, das keine rein bundesgesteuerte Lösung ist.
Ich glaube, die allermeisten kommunalen Träger wollen – der Deutsche Landkreistag insgesamt, aber auch der Deutsche Städtetag an vielen Stellen –, dass sie ihre Möglichkeiten, dem Einzelnen vor Ort zu helfen, auf ihn einzugehen und entsprechende Schwerpunkte zu setzen,weiter mit einbringen können.
Die bürokratischen Hinweise, die SWL – die sogenannten Anweisungen, wie man mit den sonstigen Mitteln nach § 16 Abs. 2 umgehen soll –, werden von der Bundesseite heute schon so ausgestaltet, dass sie in der Praxis nicht mehr anwendbar sind. Dann kommt es zu Vorgängen, gegen die wir uns als Landesregierung ausdrücklich ausgesprochen haben. Ich denke, zusammen mit einigen Kreisen haben wir durchaus Erfolge erzielt. Dazu gehört, dass der Erwerb des Hauptschulabschlusses, der natürlich notwendig ist,wenn jemand nicht dauerhaft Arbeitslosengeld II beziehen soll, nicht mehr finanziert werden soll. Das trifft auch auf Sprachkurse und Ähnliches zu.
Das ist eine rein bürokratische Anweisung,die inzwischen so weit geht, dass möglicherweise nicht einmal mehr die Maßnahmen finanziert werden, die wir als Land für den jeweiligen Bereich mit zusätzlichen Programmen auf den Weg gebracht haben, die sich also gegenfinanzieren. Auf der Bundesebene wird auch darüber diskutiert, ob so etwas noch möglich sein soll.
Wir halten das für komplett unsinnig. Ich denke, Herr Kollege Scholz muss sich bewegen, um diese Anweisungen so zu machen, dass tatsächlich im Einzelfall geholfen werden kann, aber dass wir insgesamt auf der Ebene der Träger eine Möglichkeit behalten, dass die kommunalen Lösungen einbezogen werden können. Der Hessische Landkreistag hat sich eindeutig und einvernehmlich dafür ausgesprochen.Wir haben inzwischen mehrere Resolutionen vorliegen – z. B. aus dem Werra-Meißner-Kreis –, die gerne optieren wollen, wenn es tatsächlich zum kooperativen Jobcenter kommen würde. Das haben uns viele andere auch signalisiert, die heute mit der Arbeitsgemeinschaftslösung gut leben können, aber auf gar keinen Fall wieder die Aufspaltung wollen, sondern die Hilfe aus einer Hand.
Deswegen hat die Arbeits- und Sozialministerkonferenz einstimmig gesagt:Wir brauchen ein anderes Lösungsmodell. Das soll mit dem Bund erarbeitet und vorgelegt werden. Möglicherweise läuft das auch auf eine Grundgesetzänderung hinaus. Das muss genau geprüft werden.
Widersinnig wäre es, die Hilfe aus einer Hand wieder zurückzunehmen und damit die gesamte Reform, die darauf gerichtet ist, dass der Einzelne im Mittelpunkt steht, dass vor Ort geholfen werden kann, dass die richtige Entscheidung im jeweiligen Einzelfall getroffen wird, wieder zurückzudrehen. Das wollen wir nicht. Der wichtigste Punkt ist, dass die kooperativen Jobcenter, wie sie heute ausgestaltet sind, so nicht kommen sollen, sondern wir von der Bundesregierung Bewegungsspielraum erwarten, dass ein vernünftiges Modell aufgelegt wird.
Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Keine Verschleppung der Wahlfreiheit für koope- rative Gesamtschulen beim G 8 – Landtagsbeschluss zü- gig umsetzen) – Drucks. 17/182 –