Protokoll der Sitzung vom 15.05.2008

(Beifall bei der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Ach du liebe Zeit! – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Das war mir klar. – Herr Kollege Schmitt, das Parlament muss die Kraft aufbringen, wenn es andere Dinge will, hier die Prioritäten zu nennen, und darf nicht einfach in Gesetzen und Anträgen Wolkenkuckucksheime aufbauen und sagen:Das hätten wir gerne,und die Landesregierung soll einmal sehen, wie sie es finanziert. – Genau dieses Spiel wollen wir nicht mitmachen.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Das haben Sie doch neun Jahre als CDU gemacht!)

Ich gehe auf den Zwischenruf des Kollegen Schmitt zu den letzten neun Jahren ein. Herr Kollege Kaufmann hat es auch angesprochen. Darauf hatte ich fast schon gewartet. Es ist das alte Spiel: Ihr habt in der Vergangenheit Schulden gemacht, deswegen seit ihr die Falschen, die uns sagen dürfen, wie wir in der Zukunft damit umgehen.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Dazu sagen ich Ihnen klipp und klar:Wenn wir das wollen, können wir 1970 anfangen.Wir können überlegen,wie das in den Neunzigerjahren war,wo höchste Neuverschuldungen getätigt wurden. Da wurden Kunsthaushalte von RotGrün vorgelegt, die zwar im Ansatz den Verfassungsbestimmungen entsprochen haben, aber allesamt am Ende im Vollzug der Verfassung nicht mehr entsprochen haben.

(Reinhard Kahl (SPD):Nennen Sie einmal die Zahlen!)

Wir können darüber reden, dass Rot-Grün von 1991 bis 1999 die hessische Staatsverschuldung verdoppelt hat. In der Summe waren es genauso viele Schulden, trotz wesentlich geringerer wirtschaftlicher Probleme, wie wir sie Anfang und Mitte 2000 hatten.

(Reinhard Kahl (SPD):Ach du liebe Zeit!)

Wir können gerne darüber reden, dass Hessen in den letzten Jahren, in denen zugegebenermaßen der Staat ohne neue Schulden nicht ausgekommen ist, in Deutschland auf dem dritten Platz gelegen hat. Es hatte das drittbeste Ergebnis im Haushaltsvollzug in Deutschland. Nur Bayern und in kleinen Bereichen auch Baden-Württemberg waren besser und hatten eine leicht niedrigere Neuverschuldung gehabt als Hessen. Ich finde, unter all diesen Gegebenheiten war dies eine verdammt gute Leistung, die diese Landesregierung vollbracht hat.

(Beifall bei der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Was?)

Ich bin enttäuscht, mit welcher – Herr Kollege Kaufmann sagt das immer – Nonchalance von Rot-Grün über diesen Antrag, den wir gestellt haben, finanzwirksame Anträge unter gewisse Spielregeln zu stellen, hinweggegangen wird. Ich hätte schon erwartet, dass wir bei diesen Fragen einen Grundkonsens schaffen,weil Haushaltspolitiker anders als Ressortpolitiker in den Fachbereichen – da steht mehr der Wunsch nach Ausgaben im Vordergrund – grundsätzlich der Auffassung sein müssten,wie wir im Antrag formuliert haben, dass man nicht mehr Geld ausgibt, als man einnimmt, und dass man irgendwann einmal diesen Konsens quer durch alle Parteien finden muss, damit Schluss ist mit neuen Schulden.

(Hildegard Pfaff (SPD):Warum haben Sie das neun Jahre nicht gemacht?)

Wir werden das Ziel bis 2011 anstreben. Hier sind Risiken genannt worden, und die bestreitet niemand. Aber wir wollen das Ziel, keine Schulden mehr zu machen, bis 2011 erreichen. Ich sage hier auch ganz deutlich, dass das 2011 nicht damit enden darf, dass wir keine neuen Schulden machen. Vielmehr müssen wir auch dafür sorgen, dass Schulden abgebaut werden. Deswegen bin ich dem Ministerpräsidenten auch ausgesprochen dankbar dafür,dass er einen Vorschlag gemacht hat, wie wir bundesweit von den Schulden wegkommen.

Das hat natürlich auch etwas mit dem Finanzverhältnis zu den anderen Bundesländern zu tun. Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich, und das muss ein gemeinsames Interesse der Parlamentarier in Hessen sein,dass wir über den Länderfinanzausgleich reden müssen.Wir müssen notfalls auch darüber nachdenken, nochmals zu klagen. Denn eines muss unser gemeinsames Ziel auch hier sein. Es kann nicht sein, dass sich andere Bundesländer für ihre Bürgerinnen und Bürger mit hessischem Geld Dinge leisten, die wir aufgrund der Zahlungen in den Länderfinanzausgleich unseren hessischen Bürgerinnen und Bürgern nicht geben können. Das kann nicht sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Kaufmann, es ist klar, dass wir hart über Finanzpolitik ringen und dass Jamaika keine feucht-fröhliche Bacardi-Beachparty ist. Das war uns allen klar. Aber dass man hier über Haushaltsgrundkonsensfragen unabhängig von der Partei nicht mehr ohne Schaum vor dem Mund reden kann, das würde uns schon enttäuschen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deswegen appelliere ich an Sie mit den Worten von Georg Haupt in der „Frankfurter Neuen Presse“ am 14.05., maßzuhalten;

denn die linke Mehrheit bedient sich im politischen Tagesgeschäft zunehmend dreister an der öffentlichen Kasse.

Dem sollten Sie Rechnung tragen und sagen:Nein,dreiste Griffe in die Kasse erlauben wir uns nicht. Einen Schluck aus der Pulle nehmen wir uns nur, wenn wir auf der anderen Seite sagen, wie wir es finanzieren.

Ich möchte Ihnen einen Artikel aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von heute zum Thema Finanzpolitik zur SPD nicht vorenthalten. Er war zu schön, als das ich ihn einfach weglegen würde und hier nicht zitiere. Es geht um einen „Angriff gegen Kurt Beck aus der SPD“. Sie haben das vielleicht heute gelesen – so viel nur zur finanzpolitischen Genialität der SPD –:

Der brandenburgische Finanzminister Speer hat den SPD-Bundesvorsitzenden Beck angegriffen. Speer, der bei einem Besuch der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ nach Becks steuerpolitischen Plänen gefragt wurde, wurde mit der Antwort zitiert: Der Beck hat manchmal einen Aussetzer, und da hatte er wieder einen. – Speer wurde nach Angaben eines Regierungssprechers von Ministerpräsident Platzeck dafür nicht gerügt.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen, wir sollten einen finanzpolitischen Weg finden, auf dem wir gemeinsam nachhaltig mit dem Geld der uns nachfolgenden Generationen vorsichtig umgehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Milde. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Kahl für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will einmal so anfangen: Man könnte fast glauben, dass das Wahlergebnis der letzten Landtagswahl auch im Finanzbereich einen vorher kaum vorstellbaren Sinneswandel der CDU und der Landesregierung bewirkt hat. Aber dieser Sinneswandel ist wahrscheinlich eher vordergründig, eine PR-Aktion oder, wie der Kollege Kaufmann zu Recht gesagt hat, reine Taktik des Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wenn eine CDU, die für neun Jahre Rekordverschuldung steht, davon vier Jahre Seit’ an Seit’ mit der FDP, von ei

ner nachhaltigen und generationengerechten Finanzpolitik spricht, ist dies schlicht unglaubwürdig.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das ist nicht nur etwas aus der Vergangenheit. Bei der Finanzpolitik ist es leider so, dass diese verfehlte Finanzpolitik aus der letzten Legislaturperiode und der vorletzten Legislaturperiode dazu führt, dass wir in den nächsten Jahren Jahr für Jahr die Lasten dieser Finanzpolitik tragen müssen, nämlich erhöhte Zinsleistungen, die wir aufbringen müssen. Deswegen ist das nichts Abgeschlossenes, sondern dies ist eine Hypothek für die Zukunft.

Roland Koch ist als Regierungschef verantwortlich für fünf wegen Überschuldung verfassungswidrige Haushalte und für fünf Schuldenrekorde. Das ist die finanzpolitische Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Etwa 33 Milliarden c Schulden mit weit über 1 Milliarde c Zinsleistungen hat unser Bundesland zu schultern. Roland Koch und die CDU haben davon fast ein Drittel zu verantworten in diesen neun Jahren Regierungszeit. Um es ganz klar zu sagen: Auf dem Siegertreppchen der Schuldenrekorde steht in Hessen die CDU ganz alleine.

Wenn der Kollege Milde eben darauf hingewiesen hat, dass es unter Rot-Grün auch hohe Schulden gegeben habe – zur Zeit der waigelschen Löcher –, dann kann ich Ihnen sagen, Herr Kollege Milde, es gab einmal ein Jahr, in dem im Vollzug 2 Milliarden Schulden gemacht wurden.Aber Sie haben eines vergessen. Das waren D-Mark, und bei Ihnen sind es Euro.Das ist das Doppelte.Das sind so kleine Vergesslichkeiten.

(Beifall der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Sie haben 8 Milliarden c Schulden gemacht in der Zeit!)

Dann kommt natürlich immer der Hinweis auf die hohen Zahlungen in den Länderfinanzausgleich. Meine Damen und Herren, um es beim Thema Länderfinanzausgleich noch einmal ganz klar zu sagen: Bei nüchterner Betrachtung der letzten Jahre stellen wir fest, es besteht keine positive Korrelation zwischen den Zahlungen in den Länderfinanzausgleich und der jährlichen Neuverschuldung. Im Gegenteil, die Nettoneuverschuldung ist immer dann relativ niedrig,wenn die Zahlungen in den LFA hoch sind. Das ist auch finanzpolitisch einfach vollziehbar.

Herr Kollege Milde, der Hinweis, Hessen wäre ohne seine Zahlungen in den Länderfinanzausgleich schuldenfrei, passt zu Kochs Finanzpolitik in seiner ganzen Amtszeit. Er täuscht und verschleiert,und schuld sind immer die anderen. Das erinnert mich an die Geschichte von dem Mann, der bei der Schuldnerberatung sitzt und sagt: Ich habe eigentlich gar kein Problem, ich verdiene nur zu wenig. – Das ist so, als wenn die Landesregierung sagen würde:Wir haben zu wenig Steuereinnahmen, deshalb haben wir ein Problem. – Das kann ja wohl nicht der Fall sein.

(Beifall bei der SPD)

Die Wahrheit ist: Die bisherige Landesregierung hat auch als geschäftsführende Landesregierung die Finanzen des Landes nicht im Griff. Wie wäre anders zu erklären, dass der gültige mittelfristige Finanzplan bis zum Jahr 2011 ein jährliches strukturelles Defizit von mehr als 1 Milliarde c ausweist? Das Jahr 2011 ist für diese Landesregierung das Jahr des finanzpolitischen Heils. Dann soll die Nettoneu

verschuldung bei null liegen. Dazu sage ich gleich noch etwas. Bis dahin geht der Finanzplan von globalen Mehreinnahmen in Höhe von 720 Millionen c aus.Mit anderen Worten, wir brauchen 720 Millionen c Mehreinnahmen – woher, wissen wir noch nicht.

Zweitens geht der Finanzplan von globalen Minderausgaben in Höhe von 730 Millionen c aus. Das heißt mit anderen Worten, diesen Betrag müssen wir noch einsparen, aber wir wissen noch nicht, wo. Das sind die nüchternen Zahlen Ihrer Finanzplanung, die bisher nicht geändert worden ist.

Konkret zum Jahr 2009, über das wir gerade reden: Die globalen Minderausgaben sollen 250 Millionen c betragen. Man kann ja darüber reden, meine Damen und Herren, und sagen, das muss noch eingespart werden, aber Sie sprechen gleichzeitig von 500 Millionen c globalen Mehreinnahmen. Herr Staatssekretär, wir haben Sie mehrfach gefragt. Wenn man in einen Plan hineinschreibt, man will 500 Millionen c Mehreinnahmen erzielen, dann muss man wenigstens eine Ahnung haben, wo dieses Geld herkommen könnte.

(Beifall bei der SPD)

Die Quelle dieser Ahnung wird bisher nicht preisgegeben. Eines ist klar: Höhere Steuereinnahmen können es garantiert nicht sein. Das hat die Steuerschätzung eindeutig gezeigt.Zu der Steuerschätzung haben Sie geschrieben:Einnahmeansätze der Landesregierung für 2009 bestätigt. – Dann frage ich mich aber:Wo werden die 500 Millionen c globale Mehreinnahmen bestätigt? Das wäre doch die interessante Frage. Ich kann mich an die Debatte in der Haushaltsausschusssitzung sehr genau erinnern,in der Sie keinen einzigen Ton gesagt haben, wo diese 500 Millionen c Mehreinnahmen herkommen sollen. Herr Ministerpräsident, und dann reden Sie von einer „vernünftigen Zusammenarbeit“ zwischen der Regierung und dem Parlament, obwohl die Regierung dem Parlament die Information vorenthält, wo diese 500 Millionen c, die ja keine Pappenstiel sind, herkommen sollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Das ist eine denkbare Erklärung. Dann machen Sie es doch, und legen Sie es bald vor, dass wir darüber reden können, nicht erst im Dezember. – An dieser Stelle frage ich noch einmal, ob die 500 Millionen c von der Helaba kommen sollen.Das sollte nicht so sein.Dazu könnten Sie einmal etwas sagen.

Herr Ministerpräsident,Sie wollen den Haushaltsplanentwurf 2009 erst im Dezember vorlegen. Es gibt aber den berühmten Haushaltsaufstellungserlass vom 18. Dezember 2007, auf den der Kollege Kaufmann schon hingewiesen hat. Ich will daraus zitieren, damit jeder weiß, was wir da bekommen haben. Er stand nicht nur im „Staatsanzeiger“, sondern ist auch an den Landtag und an alle Ministerien gegangen. Da steht zum Zeitplan der Haushaltsaufstellung:

Es wird angestrebt, den Haushaltsplanentwurf der Regellage des § 30 Abs. 1 LHO entsprechend in der Septembersitzung des Hessischen Landtags einzubringen,