Protokoll der Sitzung vom 08.03.2012

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Eigentlich könnte es uns egal sein, was in Darmstadt passiert. Es darf uns aber nicht egal sein, weil die HSE mehr ist als ein regionaler Energieversorger. Die HSE ist ein überregional, ja bundesweit tätiges Unternehmen, das sehr frühzeitig, getragen von den handelnden Akteuren in der Stadtpolitik, den Marktplatz Ökostrom für sich entdeckt hat, sich seit vielen Jahren konsequent in Richtung Ökostrom und der erneuerbare Energien bewegt und bisher auch immer ein verlässlicher Partner der Landesregierung und des Landes Hessen war, wenn es um neue Wege auf diesem Gebiet ging. Neuartige Biogasanlagen oder auch Probeläufe in Sachen Geothermie – all das war, gefördert vom Land, durch die HSE und mit ihr möglich.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen müssen wir ein Interesse daran haben, dass dieses Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich aufgestellt ist. Daher ist es eine vernünftige Maßnahme – im Übrigen eine Maßnahme, die noch die damalige Magistratsmehrheit von SPD und FDP angestoßen hat –, dass sich die HSE trotz ihrer überregionalen Tätigkeit wieder auf ihre regionalen Wurzeln besinnt.

Das, was hier beschlossen worden ist, nämlich der Rückkauf der Aktienanteile, die derzeit noch von der Thüga und damit mittelbar von der E.ON gehalten werden, bedeutet nicht, dass dort über eine 90-prozentige Beteiligung ein städtischer Einfluss dauerhaft sichergestellt werden soll. Vielmehr ist es eigentlich das Ziel, die Umlandkommunen nach Möglichkeit stärker als bisher an der HSE zu beteiligen, dadurch die Bindung des Unternehmens an die Region zu stärken und es damit – daran sollte auch Ihnen gelegen sein – zu einem Pfeiler für das zu machen, was wir auf dem Energiegipfel in Bezug auf den Ausbau erneuerbarer Energien gemeinsam festgelegt haben.

Allerdings – das erleben wir gerade – ist dieser Weg nachhaltig gefährdet; denn es ist in der Tat die neue Vorstandssprecherin Frau Scheel, die gegen den erklärten Mehrheitswillen des Anteilseigners und auch gegen den erklärten Willen des grünen Oberbürgermeisters Jochen Partsch genau diese Strategie zu torpedieren versucht.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da geht es um Filz!)

Das wirft schon die Frage auf – Herr Kollege Schaus, Sie sind nicht der Einzige, der sich seit Jahren mit den Hintergründen und Verwerfungen beschäftigt –, wie es zu der Berufung von Frau Scheel gekommen ist. Herr Kollege Wagner, der Vortrag, den Sie über die Aufsichtsratssitzung gehalten haben, war im Hinblick auf die Frage, wie es zu dieser Berufung gekommen ist, sehr verkürzt.

Natürlich kann man die Frage stellen, welche Verbindungen es damals über andere Vorstandsmitglieder und Mitglieder der GRÜNEN in Baden-Württemberg gab und warum auf einmal EnBW, ein Unternehmen, über das früher nie diskutiert wurde, Gegenstand der strategischen Ausrichtungen der HSE ist. Die Mitglieder des alten Vorstands haben sich gedanklich niemals damit befasst. Insofern kann man sich schon fragen, woher diese Verbindungen kommen.

Herr Kollege Wagner, in einem will ich Ihnen zustimmen; dann möchte ich Ihnen aber auch gleich widersprechen: CDU, SPD, FDP und GRÜNE sind sich in Darmstadt in einer Sache einig – allerdings nicht in der Frage, ob es eines Dialogs mit der HSE bedarf –, nämlich darin, dass Frau Scheel dieses Unternehmen schnellstmöglich verlassen muss. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Rudolph, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Wagner, jetzt tun wir einmal für ein paar Sekunden so, als ob es Ihnen um die Moral in der Politik ginge.

(Zurufe von der CDU)

Wir tun nur einmal so – ganz fiktiv –, als ob es Ihnen um die Moral und die Glaubwürdigkeit ginge.

(Holger Bellino (CDU): Bei Ihnen ist es die Unglaubwürdigkeit!)

In den nächsten Sekunden kommen wir ganz schnell in der Realität an. Herr Kollege Pentz, das hat schon etwas: Sie sind einer derjenigen, die davon profitiert haben, dass eine ehemalige Ministerin in die Privatwirtschaft gewechselt ist. Ich habe sie neulich einmal auf dem Bahnhof getroffen. Sie machte einen entspannten Eindruck. Sie vermisst offensichtlich auch nicht die CDU-Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Privatwirtschaft verdient sie jetzt wahrscheinlich mehr Geld. Es sei ihr gegönnt. Sie sind ein Profiteur davon, also freuen Sie sich darüber. Deswegen sollten Sie mit Vorwürfen, dass Politiker in die Privatwirtschaft wechseln, etwas vorsichtiger sein. – Das ist das eine.

(Zuruf von der CDU: Das ist völliger Quatsch, was Sie da erzählen, Herr Kollege Rudolph!)

Das andere ist: Herr Dr. Wagner, tun wir einmal so, als ob es Ihnen um die Glaubwürdigkeit in der Politik ginge. Alle Parteien haben schon Erfahrungen damit gemacht, dass aktive Politiker die Seiten gewechselt haben. Wir haben auch im Landtag schon kritisch darüber diskutiert: Müssen wir Moratorien schaffen? Müssen wir eine angemessene Übergangszeit einführen? Ich betone, das betrifft mittlerweile alle Parteien. Das ist ein Punkt, über den man einmal ernsthaft reden sollte. Wenn es so ist, muss man bei Politikern vielleicht die Strukturen der Besoldung ändern.

Jetzt kommen wir zu der Darmstädter Geschichte. Ich nehme an, Sie haben schon die Dankesanrufe von Mitgliedern der Darmstädter CDU erhalten. Vielleicht war auch der ehemalige Kollege Reißer darunter.

Zu meinem Bedauern befindet sich die SPD in Darmstadt im Moment nicht an führender Stelle. Ich bedauere das; aber Schwarz-Grün stellt nun einmal die Regierung, vom Wähler ausdrücklich legitimiert.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Fragen Sie sich einmal, warum!)

Dann beantragen Sie eine solche Aktuelle Stunde. Ich muss sagen, das hat Chuzpe. Wenn von Filz die Rede ist, kommt man in Hessen automatisch auf die CDU der Herren Koch und Bouffier.

(Beifall bei der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Reines Ablenkungsmanöver!)

Nein, das ist keine Ablenkung, sondern das sind Fakten. Wer hat denn ehemalige Landtagsabgeordnete der CDU versorgt? Der eine, Herr Möller aus Gießen, ist Geschäftsführer von Toto-Lotto im Main-Kinzig-Kreis, eine andere, Frau Apel, musste Geschäftsführerin bei HeRo werden, und ein weiterer wurde Regierungspräsident. Ich könnte die Liste fortsetzen. Herr Dr. Wagner, wenn von Filz die Rede ist, sollten gerade Sie schweigen – um das einmal sehr deutlich zu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Antrag ist wirklich superb. Sie schreiben von einem Herrn Rezzo S. – kenne ich nicht – und einem Franz „Unterstreller“; der Name ist falsch geschrieben. Dazu empfehle ich Ihnen den Kommentar im „Darmstädter Echo“ vom 07.03. Dort heißt es, der Antrag sei auch noch schlampig geschrieben. Recht hat der Redakteur. Sie sollten wenigstens sorgfältig arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Worum geht es? Im Kern geht es um Auseinandersetzungen über strategische Ausrichtungen eines Unternehmens, das mehrheitlich einer Kommune gehört. Der Kollege Blum hat zu Recht auf den nahezu einstimmigen Willen des Stadtparlaments hingewiesen. Wenn ich es noch richtig weiß, wurde das damals, vor zwei Jahren, wohl von SPD und FDP initiiert. In der Ausrichtung teilen wir das ganz und gar. Wir wollen, dass die Kommunen bei der Umsetzung der Energiewende eine zentrale Rolle spielen und dass es damit auch möglich ist, dass sie Mehrheiten entsprechend abbilden. Das ist eine strategische Ausrichtung, die wir begrüßen. Deswegen muss die Stadt sicherstellen, dass der Wille der Gremien umgesetzt wird.

Das ist ein Zielkonflikt. Den gibt es auch in anderen Bereichen. Deswegen vertrauen wir auf die Organe und auf die Möglichkeiten, die sowohl die Stadt Darmstadt als auch andere haben.

(Zurufe von der CDU)

Dass die FDP beim nächsten Mal nicht mehr im Landtag ist, habe ich so entgegengenommen. Da haben Sie ja recht, Herr Kollege. Das weiß ich auch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber machen wir es doch einmal relativ einfach. Wer das Hohelied der kommunalen Selbstverwaltung predigt, der sollte es auch den Verantwortlichen in Darmstadt überlassen. Ich bin sicher, Sie werden auch dies zu lösen haben. Hier vom „grünen Filz“ zu reden ist ziemlich absurd. Wenn Sie denn Belege dafür hätten, dann würde ich Ihnen empfehlen, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen, damit Sie en détail nachweisen können, wer was gesagt hat. Ihr Antrag ist eine ziemliche Einfallslosigkeit. Es ist ein ziemlich kleines politisches Karo. Es entspricht der Stimmung und der Lage in der CDU. Nur weiter so.

(Widerspruch bei der CDU)

Wir machen die Alternativen deutlich. Deswegen beteiligen wir uns auch nicht an der Abstimmung über einen solchen eher dümmlichen Antrag. Wenn von Filz die Rede ist, so müsste unser Antrag lauten, sind Sie bei der CDU an der ersten Stelle.

(Zurufe von der CDU: Grüner Filz!)

Deswegen: Nur weiter. Der Weg in die Opposition ist Ihnen sicher. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde zu diesem Punkt ist beendet.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo ist denn die Regierung? Der Regierung ist die CDU zu peinlich! Das finde ich gut!)

Herr Kollege Al-Wazir, ich mache hier verhandlungsführende Ausführungen. Sie sind nicht einer politischen Debatte unterlegen.

Ich wiederhole: Wir haben den Tagesordnungspunkt 54, Aktuelle Stunde, erledigt.

Wir haben jetzt einen Entschließungsantrag aufzurufen, den Tagesordnungspunkt 37, der zur Abstimmung steht. Das ist der Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Grün ist nicht gleich Grün in Darmstadt – „Grüner Filz“ darf die HSE AG nicht beschädigen, Drucks. 18/5334.

Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Ich stelle fest: Bei Zustimmung der Fraktionen der CDU und der FDP und bei Gegenstimmen der Fraktion der GRÜNEN und Nichtbeteiligung der anderen Abgeordneten des Hauses

(Zurufe von der CDU und Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

ich bin noch nicht fertig, Herr Kollege – ist dieser Entschließungsantrag angenommen. Danke schön.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 30 auf:

(Anhaltende Zurufe von der CDU – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))